Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Antworten
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von ff »

Hallo zusammen,

nach sehr langer Abwesenheit im Forum (obwohl hier und da mal reingelesen), muss ich mal wieder meine Seele ausschütten.
Seit fast fünf Jahren habe ich „amtlich“ mit der Depression zu tun, will sagen, da hatte ich meine Zusammenbrüche und die Tortur begann.
Ich habe mittlerweile gelernt oder versuche es immer wieder, mit der Depression zu leben.
Nehme Antidepressiva, ohne geht gar nicht und versuche meinen Rhythmus zu finden und zu folgen, was bei einigen meiner Mitmenschen als Egoismus abgetan wird.
Aber ich glaube, ich hatte seit ich denken kann mit Depressionen zu tun gehabt. Ich glaube auch, dass es eine familiäre Belastung gibt. Nur die Betroffenen wussten oder wissen es nicht.
Meine berufliche Situation ist gleich Null, leider immer noch und das heißt HartzIV und das Ersparte ist eigentlich aufgebraucht.
Da ich schon über vierzig bin und schon sehr lange aus dem geregelten Berufsleben heraus bin, muss ich tricksen bei Bewerbungen und plane seit Wochen Schritt für Schritt meine Selbstständigkeit. Wohin der Weg letztendlich führt, weiß ich nicht. Trotzdem schreibe ich hier und da meine Bewerbungen, so wie es kommt. Bin froh, dass ich das wieder hinkriege.
Aber das Aufraffen und dann noch eine gute Bewerbungsmappe herzustellen mit einem gut geschriebenen Anschreiben ist echt ein schwerer Akt für mich.
Oft belüge ich mich selbst und gebe etwas vor, nur um mir selbst nicht die Schwäche zuzugeben. Ich möchte kämpfen und weiß, ich habe sonst keine Wahl. Bin politisch interessiert und mittlerweile auch in eine Partei eingetreten, aber ich halte mich noch zurück, weil ich nicht will, dass ich als HatzIVler einen Stempel aufgedrückt bekomme. Ganz kreativ sage ich, ich bin Freiberufler, was letztendlich auch so ist und so sein wird.

So langsam kam ich in den vergangenen Wochen nach einer schweren Erkältung wieder in die Gänge und wollte mich wieder an die Vorbereitung für meinen beruflichen Einstieg machen. Ich weiß, ich setze mich dann unter Druck und genau Druck und Stress sind Gift für mich, wenn ich nicht mehr Herr der Lage bin.

Nun seit gestern ist bei mir die Welt wieder durcheinander.
Ich habe eine Mutter, die vor kurzem 85 Jahre wurde. Sie ist so weit für ihr Alter fit und rege bis auf die entsprechenden Beeinträchtigungen, die man als alter Mensch nun hat. Auch vermute ich bei ihr auch eine Depressionsanfälligkeit, die sie aber strikt verneint. Obwohl Symptome 100% zutreffen. Ich denke, es ist eine Altersdepression, die aber im Rückblick auf ihr Leben und ihre Umstände schon immer mal da war. Sie ist seit mehr als zehn Jahren Witwe.
Der Tod meines Vaters beschäftigt mich heute noch.
Wie gesagt, die Welt steht Kopf bei mir. Gestern Morgen rief ich meine Mutter an, um zu wissen, wie es ihr geht etc. Da war sie ganz aufgeregt, weil sie just nach dem Duschen an ihrer Brust einen Knoten festgestellt hatte. Ich versuchte sie zu beruhigen, vielleicht ist es nur eine Entzündung. Ich dachte wirklich, dass in ihrem Alter Brustkrebs kein Thema mehr wäre. Meine Schwester fuhr mit ihr aber zum Frauenarzt und der bestätigte den Knoten als einen wohl bösartigen Tumor, da dieser schon recht groß war.
Ich fuhr dann mit ihr am Nachmittag zum Radiologen, um die nun anfälligen Untersuchungen schon anzugehen. Nächste Woche hat sie einen Termin in der Klinik.
Meine Mutter ist selbstverständlich down und fragt sich, warum das in ihrem Alter noch passieren kann. Sie hat Angst vor der Narkose, der Operation, Angst vor dem Sterben.
Meine Schwester, Nichten und ich sowie alle anderen machen ihr Mut. Ich merke, dass ich selbst zwischen Schönrednerei und Schwarzmalerei hin- und hergerissen bin.
Ich versuche erst einmal einen Schritt vor den anderen zu machen und wünsche mir, dass alles nicht so schlimm ist. Wenn ich aber dann alleine bin, muss ich heulen und mir ist so schlecht, dass ich kotzen möchte. Verzeiht den Ausdruck, aber so ist es nun mal.
Mir schießen tausende (negative) Gedanken durch den Kopf. Ich will meine Mutter nicht verlieren, obwohl mein Verstand sagt, ich muss mich in den nächsten Jahren darauf einstellen, sie ist nun mal über achtzig. Ich denke an die Situation meines Vaters. Er ging damals auch ins Krankenhaus mit Verdacht auf Krebs (was sich auch bestätigte) und kam nicht mehr lebendig heraus.
Ein paar Tage nach dem Todestag meines Vaters musste meine Mutter gestern zur Untersuchung. Just am Beerdigungstag meines Vaters und dem Todestag meines Bruders, der vor vierzig Jahren tödlich verunglückte. Es ist vielleicht ein Zufall, aber in unserer Familie passierten solche Parallelen. Mein Opa starb am gleichen Tag, fast zeitgleich wie sein Bruder.
Als ich gestern den Wagen an der Radiologiepraxis parkte, stand hinter mir ein Auto eines Beerdigungsinstituts. Alles so kleine Auffälligkeiten, die mir suspekt vorkommen.Ja, und die berühmte schwarze Katze lief mir gestern beim Spazierengehen mit dem Hund auch über den Weg, von links nach rechts.
Und ich träume ja sehr oft, von Friedhof, Beerdigungen, Leichenhallen und Tod. Ich bin dann am Morgen danach immer fix und fertig.
Dabei neige ich zu Träumen, die dann etwas aus der Zukunft vorhersagen. Klingt merkwürdig, ist wirklich so. Den Tod meines Vaters habe ich auch vohergeträumt und auch gespürt. Und viele merkwürdige Dinge sind dann auch passiert, worüber ich jetzt hier nicht schreiben möchte. Auch träume ich von Ereignissen von anderen Menschen, die dann wirklich passiert sind. Ich spinne wirklich nicht, es ist schon vieles so passiert. Aber darüber rede ich nicht so gerne, weil ich dann für verrückt oder so was gehalten werde.


Ich fühle mich jetzt so in einem Sog und weiß nicht wohin. Habe keinen Hunger, keinen Appetit. Und immer einen engen Hals. Kann nichts lesen, es geht nichts in meinen Kopf. Möchte mich ablenken, aber innerlich bin ich wie Beton. Und meiner Mutter mache ich den Motivator und versuche ihr zu helfen und ihr die Angst zu nehmen. Bin ich dann alleine, brülle ich vor Weinen.
Ich denke, das soll das Leben sein? Ein Mensch, der seine Jugend im Krieg verlor, immer für die Familie kämpfte und die letzten Jahre doch zufrieden und sorglos leben möchte und sollte.Sie ist ein so liebevoller Mensch.
Mir gehen ihre Stationen des Lebens am inneren Auge vorbei.Und die waren wirklich hart und weiß Gott nicht einfach.
Ich habe einen Hass auf die Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft, die soziale Kälte, fühle mich ohnmächtig und wehrlos. So wie in meinen schlimmsten Deprizeiten.
Dabei will ich endlich stark sein und jetzt hat mich die Depression wieder unter Kontrolle.

Ich habe oft auch Gedanken an Selbstmord. Mir wird das Leben so mühselig. Hätte ich nicht meinen Freund, meinen Hund und natürlich meine Mutter und Nichten, ich glaube, ich wäre schon nicht mehr da. Ich lebe zwar nicht für die anderen, aber wegen der anderen.

Bin ich, sind wir Depressiven generell zu sensibel für das Leben?
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo ff,

tut mir leid, dass es Dir so schlecht geht!

Vielleicht solltest Du irgendwelchen vermeintlichen Zeichen für irgendetwas keine Aufmerksamkeit schenken oder allzu viel hineininterpretieren. Wenn man möchte, lassen sich immer Verbindungen aufzeigen und Parallelen ziehen. Und wenn's nicht der Leichenwagen ist, ist's die schwarze Katze oder die Amsel oder die zertretene Pflanze oder der Hundeschiss, in den man gerade gestiefelt ist oder das Erdbeben in Südamerika oder Neumond oder Max, der Regenwurm oder oder oder

Falls Du noch wach bist, wünsche ich Dir eine gute Nacht, ansonsten einen wunderbaren Tag!

Ich denke, wir Depris sind schon sensibler als manche Elefanten im Porzellanladen. Aber ZU sensibel? - weiß nicht. Vielleicht manchmal. Aber manchmal bin ich auch selbst der Elefant. Leider.

Patrick
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von ff »

Hallo Patrick,

danke für Deine liebe Antwort. Komme gerade vom Spaziergang mit dem Hund wieder. Die frische Luft tat gut und es war sehr ruhig draußen.
Da merkte ich, wie gut mir mein Hund tut.
Er ist wirklich der beste Therapeut in meinem Leben, so wie meine Mutter auch immer sagt.
Ich kann noch nicht abschalten, habe Angst vor dem Schlaf und den Träumen.
Denke, wie es meiner Mutter jetzt so geht.
Sie kann bestimmt auch nicht schlafen.
Wollte schon diese Nacht bei ihr schlafen, aber das wollte sie nicht.

Ich glaube andere, gehen gar nicht so gefühlsduselig an die Problematik heran.
Aber so bin ich nun mal. Versuche es auch anders, auch wie die anderen in solchen Situationen zu sein, aber es gelingt mir nicht, ohne mich zu verdrehen.

Dabei habe ich in der Vergangenheit schon vieles durchgestanden. Aber ich habe Angst vor dem Tod, den Tod meiner Liebsten. Meinen Tod wünsche ich mir manchmal, um endlich Ruhe zu finden.
Aber ich bin auch Christ und ich habe hier noch Aufgaben.
Denke zu viel an die Vergangenheit, die Zukunft macht mir Angst.

Wie soll ich jemals wieder arbeiten können, mich konzentrieren können? Das machte mir schon nach dem Tod meines Vaters sehr zu schaffen.

Ich finde die Menschen und das Leben so verlogen. Auch ich bin natürlch so.
Wir Menschen sind schon merkwürdige Leute.
TearsforFears
Beiträge: 392
Registriert: 18. Jan 2008, 12:52

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von TearsforFears »

Hallo ff,

Für mich klingt Deine Geschichte so: Du musst an allen Fronten kämpfen (Jobsuche, Krankheit, Deine Mutter) und schlägst Dich dabei verdammt tapfer. Das es Dir psychisch schlecht geht ist kein Wunder bei der Belastung. Du bist kein Sensibelchen, im Gegenteil: Du kannst stolz auf Dein Durchhaltevermögen sein.
Ich wünsch Dir alles Gute und dass sich bald ein Lichtstreifen am Horizont zeigt.

Grüße,
Tears
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von ff »

Hallo,

die vergangene Nacht war keine. Ich habe nur versucht, die Augen zuzumachen.
Am Morgen rief ich bei meiner Mutter und Schwester an. Beide meinten, ich sollte zu Hause bleiben und mich ausruhen.
Auch meine Mutter hat verständlicherweise nichts geschlafen und war sehr erschöpft.
Sie wollte auch schlafen.
Konnte erst ab Mittag den Schlaf nachholen. Und bin dann gegen 17:00 Uhr aufgestanden, da mein Hund auch mal raus muss. Mein Schnuffi hat die ganze Zeit bei mir gepennt und er spürte meine Verfassung.
Auch jetzt bin ich noch wach. Hatte den ganzen Tag keinen Hunger, geschweige Appetit.
Irgendwie drückte ich in mich was hinein, aber geschmeckt habe ich nichts.
Am heutigen Samstag fahre ich zu meiner Ma und fahre mit ihr irgendwohin, damit sie sich ablenken kann. Habe nicht viel Geld, aber für eine Tasse Kaffee wird es irgendwie noch reichen.
Mein Kopf ist voll mit Dingen, die ich nicht einordnen kann.
Selbst die Antidepessivas haben nichts gebracht.
Wenn ich die ruhigstellenden Antidepressivas nehme, dann bin ich am folgenden Tag nur durch den Wind, selbst bei einer halben Tablette.
Mal sehen, wie es weitergeht.
steppenwolf1

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von steppenwolf1 »

Hallo ff,

ich weiss nicht, wie ich Dich jetzt etwas aufmuntern kann - oder Dir etwas sagen kann, was Dir gut tut. Irgendwelche ratschläge werden Dir da wahrscheinlich auch nicht helfen.
Ich meine gelesen zu haben, dass Du jetzt wieder in den Job einsteigen willst. Aber dir geht es so schlecht, dass ich denke, dass Du Dich damit voll überforderst. Zumal Du ja auch noch Deiner Mutter helfen möchtest.
Die Zufälle - aber meinst Du, es sind etwas anderes als Zufälle ? Also ich meine, denkst Du, dass sich alles wieder bewahrheiten wird, was Du träumst oder siehst ?
Ist denn schon mal was passiert, oder ein Traum und es ist nicht Realität geworden ?

Ich hoffe, dass die Nacht diesmal besser wird als die letzte !

Gruss, s.wölfin
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2865
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Bin ich, sind wir zu sensibel für das Leben?

Beitrag von Nico Niedermeier »

Das Posting von HeikeZ habe ich gelöscht...ich konnte nicht erkennen wie das hier irgendwie hilfreich sein kann??

FF......ich fürchte das wir das nicht zum ersten mal miteinander diskutieren. Das Forum kann eben gerade nicht für den Notfall herhalten. Dafür sind die wirklich zahlreichen "realen Instanzen" zuständig, andere Poster werden mit soviel Druck überfordert sein. Folglich muss ich Sie bitten diesen Thread nicht weiterzuführen und erst wieder zu posten wenn Sie sich stabiler fühlen. Ihr letztes Posting habe ich gelöscht.
Alles Gute
Dr. Niedermeier
Antworten