Der Sinn von Angst und Depressionen!

heike56
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Der Sinn von Angst und Depressionen!

Beitrag von heike56 »

Liebe Caroline, liebe Meike, möchte mich bei euch für die Resonanz auf den Beitrag bedanken. Meike, ich freue mich, dass Du es ausdrucken willst. Caroline, dir stimme ich zu, es ist wichtig einen inneren Frieden mit der Depression schließen zu können. Aber das dauert eben sehr lange. Wie oft habe ich geglaubt, wenn das und das geschafft ist, wird sie weggehen. Aber sie blieb, unbeinflusst von äußeren Faktoren. Herzliche Grüsse Heike56
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Heike, ich schwanke eigentlich ständig zwischen deinen und Manfreds Standpunkten hin und her. In letzter Zeit hatte ich wieder ganz stark das Gefühl,hier schlägt einfach mal wieder die Krankheit zu,und nach dem heutigen Tag und der Therapiestunde meine ich wieder,daß es eigentlich eine völlig logische Entwicklung war,daß ich abgestürzt bin... Ich versuche nicht,zu einer Entscheidung zu kommen,sondern nehme es einfach,wie es kommt. Trotz allem darf ich heute wieder sagen: ICH FALLE NICHT MEHR SO TIEF!!! Lieben Gruß Waltraut
meike
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Beitrag von meike »

liebe waltraut, DAS hört sich richtig gut an und ich drücke dir fest die daumen zu deinem vorhaben, nicht mehr ganz so tief zu fallen. grüße meike
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe meike, ich denke,das ist das Wichtigste,was wir depressionserfahrenen "alte Hasen" den "Neulingen" mitgeben können, das Wissen,daß es tatsächlich besser wird,daß das Leben wieder lebenswert wird,daß es Rückschläge gibt,aber daß die an Stärke und Dauer und Häufigkeit abnehmen. Und diesen Glauben kann mir auch mein jetziges Abrutschen,das ziemlich heftig ausgefallen ist,nicht wirklich nehmen. Das Gefühl,daß ich ein gewaltiges Stück zurückgefallen bin,wird heute schon gemildert,weil ich merke,daß das Hochkrabbeln schon wieder beginnt. Was mir aber am meisten zu schaffen macht,ist diese - bei aller Hoffnung - immer lauernde Grundtraurigkeit. Die läßt sich offenbar weder durch Medikamente noch durch die Therapie beeinflussen. Aber damit kann ich (muß ich?) leben. Dir alles Gute Waltraut
meike
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Beitrag von meike »

dir, liebe waltraut einen schönen tag. ich glaube, daß wir uns damit abfinden müssen,daß wir uns in einem ständigen auf- und ab befinden, depri-mäßig und auch rheuma-mäßig. aber ist es nicht so, daß wir dennoch sehr viel leisten in unserem leben, trotz aller widrigkeiten? wir haben dennoch herausgefunden, wo wir unsere verbliebenen kräfte einsetzen können und tun dies auch. und ab- und an darf es auch leiser werden, weil wir auftanken müssen, weil situationen wunden gerissen haben, die geleckt werden müssen. aber immer wieder stehen wir auf, schütteln uns und machen weiter. ist es nicht so, daß wir ganz ganz viel lernen mußten und dies NICHT getan hätten, wenn unsere depri uns nicht immer wieder herausfordern würde, gelle? es ist so, daß auch ganz viel lernanstöße durch meine rheuma-situation gekommen sind und auch DA hätte ich all DIES nicht gelernt, wenn ich mich NICHT in DIESER situation befunden hätte. es ist sehr schade (wenigstens für mich gesehen) daß ich (anscheinend) soviel schläge brauchte, um DAS alles zu lernen. vielleicht wäre ich ohne all DEM eine oberflächliche frau geworden? aber mir gefällt die reise zu mir, es wird immer besser, genau wie du es auch schon wahrnimmst. trotz bescheidenem wetter möchte ich mich dennoch nicht unterkriegen lassen und freue mich auf den tag mit seinen begebenheiten. alle lieben gedanken für dich herzlichst meike
Lilian
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Beitrag von Lilian »

Liebe Waltraut, bin ich zu aufdringlich, wenn mich interessiert, wie deine Grundtraurigkeit aussieht? (Hab mich kaum getraut, dich zu fragen, mußt ja auch nicht antworten!) Liebe Grüße von Lilian (Leila)
caroline

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Beitrag von caroline »

Grundtraurigkeit ist ein mehr oder weniger immer schwelendes Gefühl von Unzulänglichkeit, von Selbstvorwürfen, von Minderwertigkeitskomplexen , von Schuld. Es ist mal mehr mal weniger zugeschüttet, aber ich spüre es eigentlich auch , seit ich denken kann, ich hatte bereits mein ganzes Leben lang einen Hang zur Melancholie, und der "hängt" sich halt mehr oder weniger fest an mir. Jetzt hab ICH zwar geantwortet, und nicht Waltraut, aber ich hatte da auch was dazu zu sagen , vielleicht, weil sie( die Traurigkeit) im Moment wieder dabei ist, sich an mich zu klammern. Liebe Grüsse an alle Caroline
Albert Keim
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Beitrag von Albert Keim »

Hallo Waltraut, Du gebrauchst zwei Wörter: abrutschen und hochkrabbeln. Das erinnert mich an einen Ausflug mit einem Chor, da geriet ich auf einer Wanderung über Hügel in ein Gespräch mit einer Krankengymnastin und sagte ganz unvermittelt, ohne zu wissen warum: "Ich gehe am Abgrund entlang." Später ist mir bewusst geworden, dass der Rand über dem Abgrund mein Startplatz für Traumreisen ist, dort wo ich Heilung finden kann. Auch heute noch kann ich sagen, ich falle, ich rutsche ab, wenn ich mal eine Fehlleistung bringe und danach krabbele ich aus dem Abgrund wieder hoch. Das sind so die Art von Bildergeschichten, die halten vor Augen, wie es mir geht. Und das ist für dritte Personen, die nicht depressiv sind, doch eindringlich, führt ihnen vor Augen, um was es geht. Ob es besser geht? Ja, ich habe immer noch meine Schwierigkeiten. Aber ich kann heute mit den Abstürzen besser umgehen, ich kann heute schneller wieder nach oben krabbeln als früher. So gebe ich zu, es geht mir besser. Alles Gute und herzliche Grüße Albert
paula
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Beitrag von paula »

Liebe Caroline, wie Du Grundtraurigkeit beschrieben hast, geht mir sehr nahe. Es ist schwierig, dieses Gefühl anderen Menschen mitzuteilen. Ich kann fröhlich sein, aber irgendwann holt mich dieses Gefühl wieder ein. Manchmal denke ich, dass ich schon so darauf eingestellt bin, dass ich vielleicht gar nicht mehr ohne diese Traurigkeit kann!? Meinst Du, das könnte so sein? Andererseits glaube ich, dass das wieder so ein Selbstvorwurf ist, nach dem Motto: "Selbst schuld an Deiner Stimmung." Man kann damit leben, denke ich, mit dieser Grundtraurigkeit. Wie tust Du das? Gruss, Paula
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Meike, "aber immer wieder stehen wir auf, schütteln uns und machen weiter." Genauso seh ich das auch. Das Schütteln ist das Wichtigste. Irgendwann fallen dann die Dinge vielleicht an ihren richtigen Platz... Ich wünsche dir einen möglichst schmerzfreien hellen Tag! Lieben Gruß Waltraut Liebe Lilian,liebe Caroline,liebe Paula,lieber Albert, so wie Caroline es beschrieben hat,erlebe ich es auch. Ich fühle außer in wenigen ausgelassenen Momenten eigentlich immer diese Schwere,diese Unvollständigkeit,diese Sehnsucht nach Tiefe,nach Verbundenheit,womit?? Aber damit kann ich leben. Gerade dieses Gefühl hilft mir,ganz besonders innige Erlebnisse zu haben,immer weiter zu suchen,nie aufzugeben. Lieben Gruß Waltraut
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Nachtrag: nachdem ich gerade im thread "verständnis" gelesen habe,fällt mir noch der wichtigste Aspekt der Grundtraurigkeit ein,die Versäumnisse aus der Kindheit,das Wissen,daß man nicht mehr Kind ist,also die unbedingte Liebe nicht mehr zu erwarten hat,daß man aber noch unendlich bedürftig ist. Dazu kommt dann noch das Wissen um eigene Versäumnisse in der Vergangenheit,die sich nicht rückgängig machen lassen,das Akzeptieren der eigenen Schuld,das Leben mit der Trauer darüber,was man gemacht oder nicht gemacht hat.
paula
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Beitrag von paula »

Hallo, was Du geschrieben hast, Waltraud, stimmt: Oft grüble ich über Dinge nach, die schon längst Vergangenheit und somit eh nicht mehr zu ändern sind. Wie kann man lernen, zu akzeptieren, dass man Dinge nicht mehr rückgängig machen kann? Wie kann man die Frage "Was wäre, wenn ...?" überwinden? Ich bin 24, und alle sagen: Hey, Dein Leben beginnt doch gerade erst richtig. Aber dann denke ich, hättest Du Dich für einen anderen Beruf entschieden, wärst Du woanders hingezogen, hättest Du mehr das und weniger dies gemacht. Wenn ich mir vorstelle, dass das immer schlimmer wird... puh. Und Unzulänglich, wie Caroline geschrieben hat, sich selbst nicht genügen, das ist ein unendlicher Kreis. Da fällt es schon schwer, nie aufzugeben, finde ich. Aufgeben im Sinne von: Sich taub und blind diesen Gedanken gegebenüber stellen, wobei wir ja schon wissen, dass das wenig erfolgversprechend ist. Gruss, Paula
Lilian
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Beitrag von Lilian »

Hallo Waltraut, eigenartig, als ich dich gester nach der Grundtraurigkeit fragte, hatte ich im Kopf schon denselben Hauptaspekt, nämlich die Versäumnisse aus der Kindheit. Deshalb traute ich mich auch zuerst nicht zu fragen, weil dieser Punkt auch oftmals der wundeste ist. Das mit den innigen Erlebnissen und der Sehnsucht nach Tiefe kann ich hundert pro bestätigen! Das ist unsere STÄRKE... Hallo Caroline, Melancholie!! Melancholie ist der Teil der Grundtraurigkeit, den ich als äußerst positiv empfinde. Lange Zeit habe ich diese Melancholie überall gesucht, heraufbeschworen, finde sie heilsam (!), sie ist überall, in der Kunst, Musik, Theater, Gedichte, Literatur, Filme, Liebe, Gesichter auf der Straße, Geschichten, dieses Forum ist auch melancholisch auf gewisse Art. Ich liebe die Melancholie, sie schmeckt süß trotz ihres zarten Schmerzes. Melancholische Grüße, Lilian (Leila)
anganima
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Beitrag von anganima »

Hallo Waltraut, Caroline, Paula, Albert, Leila und alle, die sich davon angesprochen fühlen Heute morgen bin auch ich mit dem Thema Grundtraurigkeit aufgewacht, das mich auch schon mein ganzes Leben lang begleitet, und das mich die letzten Tage unterschwellig beschäftigt hat und von dem ich inzwischen weiß, daß es mich erst dazu befähigt hat, viele Schritte zu gehen, die ich sonst nicht gemacht hätte. Ich stelle euch einfach mal meine Gedanken dazu hier vor. Wie immer gibt es auch hier mehrere Stufen: Als Kind war diese Grundtraurigkeit immer da. Sie hing wohl damit zusammen, daß meine Eltern und die anderen Personen, die eine wesentliche Rolle gespielt haben in meinem Leben, mir nicht die Liebe so geben konnten, wie ich sie hätte fühlen und annehmen können. Ich habe mich total einsam gefühlt, konnte das aber nicht mitteilen, nur versuchen auszuhalten und abzublocken. Das ist inzwischen nicht mehr so sehr Thema für mich, da ich hier vieles aufgearbeitet habe. Doch immer wieder fängt sie mich für kurze Zeit wieder ein. Dann hilft mir mein Ärger darüber hinweg und das Gefühl der Langeweile, immer wieder dasselbe Thema aufzuwärmen. Dann war diese Grundtraurigkeit über meine Unfähigkeiten, Versäumnisse und Fehler da und das, was wäre wenn ich anders gehandelt hätte, anders sein könnte. Die Unmöglichkeit meinem Ideal zu entsprechen, der ständige Vergleich mit anderen. Auch diese Traurigkeit hat mich lange begleitet und holt mich oft noch ein. Aber nach vielen Erfahrungen in Beziehungen, Berufen, Wohnungorten, kann ich immer öfter sehen, daß ich jeweils so viel tue wie mir zu dem jeweiligen Zeitpunkt möglich ist, und daß das in Ordnung ist und daß das bei meinen Mitmenschen ebenso ist und sein darf. Änderungen sind immer möglich, wenn ich den Mut habe zu lernen und zu handeln, und das geschieht oft eben erst wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist und ich spüre, was der nächste Schritt ist, oder wenn mein Leidensdruck zu groß wird. Hier hat mir natürlich auch die Zeit geholfen, die vielen Jahre der Übung. Und schließlich die Grundtraurigkeit, die mich wohl immer begleiten wird, mit der ich leben muß und kann. Die wohl auch die tiefgehenste ist, mit der ich ständig konfrontiert bin. Sie kommt aus dem Gefühl der Abgetrenntheit vom schöpferischen Urgrund, von Allem-was-ist, der Einheit aus der wir alle entstanden sind und die uns verbindet. Das Nichtverstehen, warum die Welt so ist, wie sie ist (so sinnlos, so schlecht, so böse, so mühselig und mit Leiden verbunden, denn das ist die Seite aus der die Traurigkeit kommt und der wir so viel Gewicht geben, daß wir die andere Seite, die Liebe, die Lebendigkeit, die Freude, die Kreativität nicht mehr spüren können) Das ist die Frage nach dem Sinn, die uns Menschen schon seit Jahrhunderten oder -tausenden begleitet. Nach vielem Suchen habe ich jedoch auch hier Erfahrungen machen können, die mir für unterschiedliche Dauer ein Bild vom Größeren Ganzen bewußt machen. Ich weiß heute, daß das auch davon abhängt, worauf ich meine Aufmerksamkeit richte und ob ich mir die Zeit gebe, in meine tiefsten Tiefen zu tauchen um dort diese Einheit wieder zu erfahren. Daraus erwächst mein Vertrauen in die Existenz und die Traurigkeit ist nur mehr ein Aspekt des Lebens, der Dinge vorantreibt und in Bewegung hält. Nun, das ist meine Wahrheit, mit der ich inzwischen die meiste Zeit gut lebe und die mich immer wieder heil sein läßt. Ich erfahre, wer ich bin und wer nicht, durch die Beziehung, die ich mit meiner Umwelt aufnehme und Gott (oder wie immer man Alles-was-ist nennen mag) erfährt sich durch uns alle. Das ist die innewohnende Schöpferkraft, die wir alle mitgestalten. Ohne materielle Existenz gibt es keine Erfahrung von Gefühlen, sondern nur Bewußtsein. Ich kann nur sagen, all das Leiden muß vielleicht nicht sein, aber es war und ist mein Weg und für mich hat es sich gelohnt. Das Wunder(n) über die Möglichkeiten hört nicht auf. Alles Liebe für Euch und auch ihr findet euren Weg, davon bin ich fest überzeugt. Und wenn ich sehe, wieviel Liebe und Zuwendung hier sich gegenseitig gegeben wird, wird diese Überzeugung immer gewisser. Lieben Gruß Anganima
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Anganima, "Das Wunder(n) über die Möglichkeiten hört nicht auf." Deine schönen Gedanken helfen sicher dazu,die Traurigkeit leichter annehmen zu können. Ich möchte euch alle in dem Zusammenhang an eine wunderschöne Geschichte,die Sara unter Therapie "Eine kleine Geschichte" geschrieben hat(ganz am Anfang des threads) erinnern. Ich habe aus meiner frühen Kindheit nur wenige Erinnerungen. Aber ich spüre die Waltraut von damals ganz stark in mir. Sie war überaus lebendig,neugierig,sprühend,überfließend,dann aber auch ernst,nachdenklich und feinfühlig. Vor allem aber hundertprozentig sie selbst,ein Wirbelwind,der das Leben einsog mit allen Fasern. Es ist ein Spruch von der 4jährigen überliefert "Oma,das Leben ist so groß!" Und meine Traurigkeit gilt diesem Kind. Wo ist die Kraft,die Spontaneität,die Lust geblieben? Sind Menschen dazu da,anderen kleinen Menschen das Leben auszutreiben??? Es ist Traurigkeit,nicht Bitterkeit. Und ich versuche,meine Antwort zu finden. Gute Nacht Waltraut
paula
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Beitrag von paula »

Hallo, zu dem, was Anganima geschrieben hat, fällt mir ein Buch ein: "Die Wolfsfrau" von Clarissa Pinkola-Estes. Hat mir oft die Tränen in die Augen getrieben, aber durch viele Märchen und Geschichten werden Gefühle beschrieben. Wirklich gut, das Buch. Gruss, Paula
anganima
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Beitrag von anganima »

Liebe Waltraut, ja, von der Geschichte des Seelenvogels und der Reaktion des kleinen Jungen war ich so begeistert, daß ich sie ausgedruckt und meiner Mutter zu lesen gegeben habe. Ihre Reaktion wieder hat mich verblüfft und traurig gemacht. Sie schaute mich fragend an und meinte, kann ein kleiner Junge die Geschichte wirklich verstehen, besonders das mit den Schubladen, und so reagieren, das kann ich nicht glauben. Damit war das ganze wundersame der Geschichte weggedrängt und die Diskussion ging um das Verständnis von kleinen Kindern. So funktioniert das angelernte kritische Denken, das so scheinbar vernünftige Erwachsenensein. Nein ich glaube nicht, daß andere Menschen dazu da sind, kleinen Mädchen das Leben auszutreiben. Es passiert weil es nicht besser gewußt wird, weil Menschen Schutz und Sicherheit höher stellen als das Abenteuer Leben, oder weil sie selbst nicht wissen, wie man leben kann. Dieses kleine lebendige Mädchen, das du noch so stark in dir spüren kannst, lebt in dir. Die Welt ist immer noch groß, aber kleine Mädchen sind oft trotzig, wenn sie nicht bekommen was sie wollen oder meinen zu brauchen. Sie verstecken sich und sehen dann nur noch einen kleinen Ausschnitt der Welt. Gestern vor dem Einschlafen ist mir ständig ein Gefühl in Erinnerung gekommen, das ich manchmal als Kind hatte. Ich verbinde kein konkretes Erlebnis mehr damit, aber es könnte sich so abgespielt haben: Es ist Winter, eisigkalt, das kleine Mädchen möchte rausgehen, sich mit Freunden treffen, die Mutter gibt ihr Handschuhe und wünscht ihr Spaß, aber bittet sie auch auf die Handschuhe aufzupassen und sie nicht zu vergessen. Das kleine Mädchen, völlig in sein Spiel vertieft, zieht irgendwann seine Handschuhe aus, weil sie störend sind und vergißt sie, als ein anderes Spiel gespielt wird. Als es beginnt dunkel zu werden, ruft die Mutter es herein, die Handschuhe sind vergessen, es erinnert sich nicht mehr daran, wo sie sie gelassen hat und möchte auch nicht danach suchen, viel zu lästig. Neue Spiele warten. Die vorsorgende Mutter hat noch ein paar Handschuhe für es und gibt sie ihr nun mit der dringenden Ermahnung jetzt aber darauf aufzupassen. Wieder dasselbe Ergebnis, es kommt ohne Handschuhe heim. Nun wird die Mutter ärgerlich, vielleicht, wenn sie sehr fürsorglich ist, hat sie noch ein drittes Paar Handschuhe. Nun denkt das kleine Mädchen, so muß es sein, die Mutter hat immer Handschuhe für mich da. Aber beim nächsten Mal besteht die Mutter darauf, daß die Handschuhe gesucht werden bis sie gefunden werden, oder es darf nicht hinaus. Da wird das kleine Mädchen sehr zornig, läuft laut schreiend du bist selber schuld wenn ich mir die Finger abfriere hinaus und will nie wieder heimkommen zu dieser Rabenmutter. Vielleicht läuft es dann zu weit weg und hat Mühe wieder heimzufinden und merkt erst dann, daß nicht die Mutter die Schmerzen in den Händen ertragen muß, sondern es selbst. Kennst Du dieses Gefühl auch, diese Sätze, selber schuld wenn ich erfriere, selber schuld wenn ich tot bin und du traurig bist? Ich finde sie manchmal noch in mir. Aber ich finde heute auch in mir das kleine, lebendige Mädchen, an das ich keine Erinnerung habe und nicht mehr weiß ob es, als ich Kind war, je existiert hat. Ich finde es immer dann, wenn ich völlig im Tun aufgehe, mir keine Gedanken darüber mache, gut oder schlecht, richtig oder falsch, vernünftig oder absurd, was bringt es für ein Ergebnis, ist es Zeitverschwendung oder nicht. Das ist ein wunderschönes Gefühl, aber möchte ich immer so sein? Ich liebe es sehr, dieses kleine Mädchen, versuche es immer wieder aus seinem Versteck herauszukitzeln, in dem es darauf wartet, daß die Mutter es sucht und ihm zeigt, daß es vermißt wird. Es ist auch ein schönes Gefühl groß zu sein, Verantwortung zu haben, für andere zu sorgen und sie zu lieben. Am schönsten ist es wenn ich wahlweise auf beide zurückgreifen kann. Noch gelingt mir das selten. Liebe Waltraut, ich finde es wunderbar, mit wieviel Mut du bereit bist, aus deinem Loch wieder herauszukrabbeln, ich denke, dein kleines Mädchen hilft dir dabei, ihm ist ein wenig einsam und langweilig in seinem Versteck. Mein Kopf sagt mir jetzt, vielleicht gehst du zu leichtfertig mit den Gefühlen anderer Menschen um, wenn du das hier so schreibst, vielleicht siehst du ja alles falsch, du solltest ernsthafter darauf eingehen, nicht mit so einer dummen Geschichte. Vielleicht verletzt du jemanden damit. Ich gebe jetzt einfach meinem kleinen Mädchen Raum und hoffe, daß es verstanden wird. Noch ein Gedanke, der mir gestern durch die Suche einer Freundin nach einer Formulierung für einen Flyer gekommen ist: Wie der Schmetterling erst seine Farben zeigt, wenn er die Flügel ausbreitet, so erkennen wir unsere Schönheit erst, wenn sich die Flügel unserer Seele in unserem Körper und unserem Leben ausbreiten dürfen. Eine liebevolle Umarmung von Anganima
anganima
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Beitrag von anganima »

Liebe Paula, das Buch lese ich gerade und vieles wird in mir angerührt. Diese Erklärung der Märchen und alten Geschichten, die überall auf der Welt erzählt werden und ihrer psychologischen Hintergründe finde ich auch sehr hilfreich. Lieben Gruß Anganima
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Anganima, du hast wieder einen Brief voller schöner Gedanken und Anregungen geschrieben! Die Schubladengeschichte hab ich nicht gemeint,von der weiß ich auch,daß du sie kennst! Die allererste Geschichte ging über Frau Traurigkeit! Sie schien mir so gut zum Thema zu passen. "Die Welt ist immer noch groß, aber kleine Mädchen sind oft trotzig, wenn sie nicht bekommen was sie wollen oder meinen zu brauchen. Sie verstecken sich und sehen dann nur noch einen kleinen Ausschnitt der Welt." Ja,so ist es wohl! Übrigens,bei uns in Österreich,wo ich als Kind gelebt habe,war es ein geflügeltes Wort "gschiacht meiner Mutta scho recht,wann i mir die Händ abfrier"! Das ist wohl eine der menschlichen Grunderfahrungen... Das völlig im Tun aufgehen,wie es kleine Kinder tun,der FLOW,das ist etwas,was ich nur ganz ganz selten erlebe,am ehesten beim Musizieren. Mein Kopf ist immer eingeschaltet und will sich nicht freiwillig zurückziehen. Aber du hast recht,immer dürfte das auch nicht sein,sonst wird das kleine Mädchen noch auf der Straße überfahren oder Schlimmeres. Schön,dein Bild vom Schmetterling. Nur fühl ich mich trotz Besserung noch recht weit weg davon. Ich mag es,daß ich über deinen Brief noch ein wenig nachdenken kann... Ganz lieben Gruß Waltraut
Lilian
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Beitrag von Lilian »

"selber schuld, wenn ich tot bin und du traurig bist." hast du, Anganima, beschrieben als eine wage Erinnerung aus deiner kindlichen Gefühls- und Gedankenwelt. Gerade gestern hatte ich eine Kindheitserinnerung, die dazu paßt: Meine Mutter hatte beim Einkaufen vergessen, mir einen Lolli in Lippenstiftform (kennt ihr die auch noch von früher?) mitzubringen, den ich heiß ersehnt hatte. Ich war sooooo enttäuscht, fühlte mich vernachlässigt. Nicht beachtet, nicht ernst genommen... wegen eines kleinen Lollis! Aber für mich war dieses Übergehen meiner Bedürfnisse von Seiten meiner Mutter ein Treffer ins Herz. Ich ging ins Kinderzimmer, nahm mein kleines Kinderköfferchen und packte meine Sachen. Ich war vielleicht 4. Dann ging ich "trotziges kleines Mädchen" aus dem Haus und ein Haus weiter. Zu den Nachbarn, klingelte, die Frau machte auf. Ich sagte, ich wäre von zu Hause weggegangen. Ob ich um Asyl bei ihr bat, weiß ich nicht mehr, aber ich wollte von ihr aufgenommen werden, das weiß ich noch. Ich meinte das ganze todernst. Ich spielte kein Spiel. Ich wollte woanders angenommen werden. Die Frau meinte, meine Mutter würde sich bestimmt Sorgen machen, blablabla, und schickte mich wieder nach Hause. Dort traf ich dann, in meinem Stolz doppelt verletzt, wie eine Verliererin wieder auf. Meine Mutter hat das alles nicht sonderlich beeindruckt. Nicht mal das hatte sie ernst genommen. Wo warst du denn? Das war`s. Das Leben mußte weitergehen. (Ob sie den Selbstmordversuch meiner Schwester ernst genommen hatte, frage ich mich gerade. Wohl eher nicht.) Jedenfalls wollte ich immer immer immer andere Eltern haben. Wünschte mir, in den Familien meiner Freundinnen zu leben. Als Teenie konnte ich es kaum ertragen zu Hause und bin so bald ich mein Abi in der Tasche hatte fluchtartig von zu Hause ausgezogen. Das war die Befreiung meines Lebens gewesen! Nach so bitterlich langem notgedrungenen Ausharren zu Hause konnte ich den fehlgeschlagenen Fluchtversuch aus meiner Kinheit nachholen. Geblieben ist die Traurigkeit des kleinen Mädchens... Lilian (Leila)
Lilian
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Beitrag von Lilian »

Noch ein Nachtrag zu oben: Heute habe ich mir ein eigenes zu Hause, eine eigene Familie aufgebaut, das ist toll für mich. Heute kommt meine Mutter (fast jede Woche zum Kind-Einhüten) zu MIR in MEIN zu Hause und sie fühlt sich pudelwohl und saumäßig geborgen bei MIR. Schön, gell? So haben wir spät, aber besser als nie, einen Weg zueinander gefunden. In meinem Elternhaus bin ich so gut wie niiieeeee wieder seit meinem Auszug gewesen!
Kirsten
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Beitrag von Kirsten »

Liebe Anganima, Dein Bild vom Schmetterling bewegt mich sehr! Und ist es nicht auch so, daß wir mit eingezogenen, eventuell auch noch um uns geschlagenen Flügeln nicht fliegen, nicht einmal richtig laufen können, so ohne Gleichgewichtsregulation, eventuell über unsere eigenen Flügel stolpernd...? Viele Grüße, Kirsten
anganima
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Beitrag von anganima »

Liebe Kirsten, hast du einmal einen gerade geschlüpften Schmetterling beobachtet? Der sieht ganz genauso aus, wie du es beschreibst. Das lange Dasein als Raupe, immer auf der Hut vor einem hungrigen Vogel, dann das Einspinnen, das lange Warten während er sich verändert, das Herausarbeiten aus dem Kokon, all das hat ihn sehr erschöpft. Nun sitzt er da, noch ganz braun und zusammengefaltet. Ganz langsam Stück für Stück trocknen seine Flügel und öffnen sich. Erst wenn sie ganz trocken und offen sind kommen die schönen Farben zum Vorschein. So lange sitzt er ganz ruhig da, manchmal bewegt er sich ein paar Millimeter, bewegt ganz sacht seine Flügel, gewöhnt sich an seine neue Gestalt und probiert aus, wie er damit zurecht kommt. Dann kommt Bewegung in ihn und er fliegt los, anfangs taumelnd, sich an das neue Element Luft und seine Freiheit anpassend. Dann selig gaukelnd von Blume zu Blume fliegend und Nahrung findend. Und wenn der Schmetterling müde ist, begibt er sich an einen geschützten Ort, klappt seine Flügel zusammen und ruht. Für mich ist das ein Bild unserer Seele. Und vielleicht hat dich auch deswegen das Bild so stark bewegt, weil deine Seele dir das deutlich machen will, in deiner jetzigen Situation. Es ist die Stärke des Schmetterlings und seine Überlebensstrategie zu warten bis er stark genug ist, nicht seine Schwäche. Lieben Gruß Anganima
anganima
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Beitrag von anganima »

Hallo Lilian, ich kann mir diese kleine resolute, unabhängige Person so richtig vorstellen und was es für eine Niederlage für sie gewesen sein muß, wieder zurückkommen zu müssen und zu merken, daß man sie nicht ernstgenommen hat, nicht einmal nach ihr gesucht hat. Kinder und Erwachsene leben manchmal auf verschiedenen Planeten. Ich erinnere mich auch, daß ich mir manchmal überlegt habe, ob ich als Kind nicht versehentlich vertauscht worden bin und eigentlich ganz andere Eltern habe, weil ich auch ganz anders als meine Geschwister war. Ich glaube aber, daß das viele Kinder überlegen und auch viele sich andere Eltern wünschen, manche unserer Freunde in der Kindheit waren den ganzen Tag bei uns und fühlten sich ebenso unverstanden von ihren Eltern, wie ich. Ich wiederum war gerne bei ihnen. Daß das jetzt so gut klappt zwischen deiner Mutter und dir ist wirklich schön. Und wenn sie sich geborgen fühlt bei dir, heißt das doch wohl, daß sie dir vertraut. In deinem zuhause bist du die Königin, nicht nur die Prinzessin. Hier hat dein Wort Gewicht und niemand kann dir hereinreden. Ich bin auch mit 18 Jahren von daheim weggegangen, bin dann immer mal wieder dort für eine Zeit gewesen, habe mich aber nie zuhause gefühlt, sondern eher als Gast (manchmal eher geduldet als gewollt). Ich glaube aber nicht, daß das meine Eltern auch so gesehen haben. Aber dort war immer meine Mutter die Königin und ich mußte mich anpassen. Ich fühlte mich eher als häßliches Entlein. Deine Geschichte von den beiden Fröschen fand ich auch klasse, bin gespannt wie sie weitergeht. Lieben Gruß Anganima
anganima
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Der Sinn von Angst und Depressionen!

Beitrag von anganima »

Liebe Waltraut, ich hatte nochmal am Anfang des threads nachgeschaut, aber keine Geschichte gefunden, war mir nicht sicher, ob du die Schubladengeschichte meinst. Aber jetzt, wo du es sagst erinnere ich mich auch an Frau Traurigkeit. Ich suche nochmal danach. Bis bald Anganima
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