Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

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s-ch
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Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von s-ch »

hallo zusammen,

mir geht es jedesmal schlecht, wenn die warme Jahreszeit beginnt und sich alle Welt auf den Frühling freut, auf das Rausgehen, auf die Biergartensaison, den Urlaub und alles, was unbeschwerte Mitmenschen mit der warmen Jahreszeit verbinden.

Mich hat das mein Leben lang belastet, ich hasse Sonne und Wärme und ein Aufenthalt in der Natur ist mir überhaupt nicht möglich. Ich gehe nur auf direktem Weg zu meinem Arbeitsplatz und wieder zurück und unter Überwindung und in Windeseile das Nötigste an Lebensmitteln einkaufen. Shoppen, ins Cafe etc. geht gar nicht, noch nie.

Ich fühle mich extrem ausgeschlossen, wenn Kolleginnen erzählen, was sie alles an den lauen Frühlingsabenden vorhaben und dann beginnt mein enormes Wut- und Aggressionspotential gegen mich zu arbeiten, weil ich das nicht habe, nicht kann und nicht will. Das einzige, was das dann halbwegs erträglich macht, ist Schmerz.

Ich vertrage auch die Wärme physisch schlecht, bekomme Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme, das mag mit dazukommen bzw. vom anderen verursacht sein. Regen oder schlechtes Wetter haben mich dagegen noch niemals heruntergezogen, im Gegenteil, dort geht es mir etwas besser, soweit man das überhaupt sagen kann. Jedenfalls habe ich dort nicht dieses destruktive Gefühl des Ausgeschlossenseins.

Ich muß dazu sagen, dass ich allein lebe, weder Partner noch Freunde habe und daher auch mit niemandem weggehen könnte, selbst wenn ich es irgendwann schaffen würde. Ich fühle mich nur in meiner Wohnung sicher, in der ich mich vor der Sonne und dem Fröhlichsein verstecken kann. Das ist schon mein ganzes Leben lang so.

Geht es noch jemandem so oder bin ich ein Zombie?

Viele Grüße, S.
Inkognito

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Inkognito »

Liebe S.

Du hast schon einmal über dieses Problem hier im Forum geschrieben, da kann ich mich noch gut erinnern, dass ich da ein "Ja-das-kenne-ich-Gefühl" hatte. Bei mir ist die Ursache sicherlich anders, da ich eine Autoimmunerkrankung habe, bei der ich Sonne ganz schlecht vertrage und besonders im Frühjahr geht es mir dann schlecht (gilt als rheumatische Erkrankung). Du hast sicher andere Gründe, die Sonne zu meiden, aber ich kenne dieses Gefühl des Ausgeschlossenseins und glaube, dass es mir deshalb auch dieses Wochenende gar nicht gut ging. Im Laufe des Frühjahrs geht es dann, aber ich habe auch, wenn auch wenige, Kontakte und genieße auch die Zeit, die ich im Freien verbringen "muss", auch gehe ich dann gerne spät nachmittags spazieren. Hast Du denn niemanden, mit dem Du über deine Problematik irgendwie sprechen kannst? Darf ich dich fragen, wie alt du bist und wie lange du schon so isoliert lebst?

Liebe den Abend genießende Grüße
gvk
Beiträge: 17
Registriert: 25. Mär 2008, 19:45

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von gvk »

Hi, s-ch

ich hab den blues IMMER im Frühling und Sommer.
Bin zwar gern draußen, aber wenn ich die Leute in den Biergärten und am Strand sehe, wird alles grau, das hatte ich alles auch mal........

Medieval
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von chrigu »

Liebe S.,

ich bin eigentlich ein Mensch, der Sonne, Natur und Wärme sehr gerne mag.

Trotzdem geht es mir in diesem Jahr ganz ähnlich wie Dir. Der Hauptgrund, den ich auch bei Dir rauslese: Ich bin neidisch. Neidisch auf die Leute, die sich mit anderen in Biergärten treffen (meine Freunde und Bekannte leben leider nicht in meiner Stadt und einen Partner habe ich auch nicht). Neidisch auf die ganzen verliebten Pärchen, eben auf alle, die nicht so einsam sind wie ich.

Ich kenne auch, dass das große Aggressionen bei mir weckt, gleichzeitig das Gefühl, ein total ausgeschlossener Versager zu sein.
Vermutlich ist es bei mir nicht so ausgeprägt wie bei Dir, aber ich glaube, ich kann Deine Gedanken doch ganz gut nachvollziehen.

Klar, bei Regen hat man diese ganzen Freundschaften und Beziehungen nicht so auf dem Präsentierteller in Biergärten und Cafés. Dann geht es mir auch besser, weil ich mir meines Einsamkeitsgefühls dann weniger bewusst bin.

Du schreibst, dass Du gar nicht raus willst, aber wenn das wirklich so wäre, sollte es Dir doch eigentlich keine Probleme bereiten, oder?

Vielleicht hilft es Dir, wenn Du eine Feststellung treffen kannst. So nach dem Motto: Ich gehe nicht gerne raus, so bin ich, aber das ist okay. Oder: Ich würde gerne rausgehen (mit anderen Leuten), aber zur Zeit geht das nicht, das ist okay. Oder: Ich fühle mich einsam und das wird durch die Aktivitäten anderer bei gutem Wetter verstärkt, das ist normal.

Mir hat es geholfen, mich mit meinen Einsamkeitsgefühlen und ihrer Bedeutung auseinanderzusetzen. Klar, das ist alles schmerzhaft, aber für mich habe ich festgestellt, dass ich nicht auf andere wütend sein kann, weil ich einsam bin. Mir hat es auch geholfen, dann eben Sachen ganz bewusst alleine zu machen. Ich gehe mittlerweile auch allein ins Kino und finde das nicht schlimm.

Weißt Du, ich habe irgendwie bei Dir das Gefühl, dass Du im Grunde schon ganz gerne rausgehen möchtest. Dass aber gar nicht das "rausgehen" der springende Punkt ist sondern die Tatsache, dass Du Dich so isoliert fühlst. Gibt es keine Möglichkeit dagegen anzugehen?

Viele Grüße
Chrigu
mo17717
Beiträge: 4
Registriert: 1. Apr 2008, 14:36

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von mo17717 »

Hallo!
Ich kenn das vorwiegend wenn ich auf Urlaub bin. Alle genießen ihre Zeit, man ist woanders sieht aufs Meer und und alles ist grau. Und ich merke, daß ich anders bin.
ich hab mir vorgeommen, nie wieder auf urlaub zu fahren, wenn es mir schlecht geht.
hab das zwei mal schon erlebt, wie es mich noch mehr in den sumpf gezogen hat, und meine ex-freunde gleich mit, weil sie es nicht verstehen konnten, brach regelrecht in tränen aus, weil ich von mir selbst auch erwartet hatte, daß "alles anders wird" im urlaub, weil man den ja genießen MUSS.
lg
mo
Tine
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Registriert: 11. Okt 2004, 19:57

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Tine »

Hallo s-ch,

was du da beschreibst kenne ich aus meinen echt depressiven Zeiten.

Es war mir dann so, als seien die gesamte Natur, das schöne Wetter, die fröhlichen Menschen draußen ein einziger Aufforderungscharakter, dem ich nicht nachkommen konnte.

Meine Einsamkeit wurde mir bewusst und auch meine Unfähigkeit, dem zu entrinnen. Graue Tage wurden herbeigesehnt, weil es dann einen Grund gab zu Hause zu bleiben und die fürchterlichen Geräusche all der Menschen da draußen, endlich ausblieben.

Ich fühle mit dir. Es ist schrecklich zu erleben, dass alles zu Leben erwacht, während man selber einfach nur dämmert.

Gibt es niemanden, der dich behutsam mit rausnehmen kann, vielleicht in die Natur, wo nicht so viele Leute rumlaufen? Sonnenstrahlen tun schon gut, alleine wegen des Vitamin D, zu dem sie verhelfen.

Liebe Grüße,
Tine
s-ch
Beiträge: 76
Registriert: 6. Jul 2008, 23:44

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von s-ch »

hallo Schokofreak,

danke für Deine Zeilen. Natürlich darfst Du fragen: ich bin etwas über 40 und lebe seit über 20 Jahren allein, wie ein Einsiedler, obwohl ich in einer Stadt lebe. Keinerlei Sozialkontakte außerhalb des Jobs, notwendig aus reinem Selbstschutz. Ich kann leider keinerlei Nähe zulassen.

Hallo Medieval,

Blues ist eigentlich eine ganz gute Bezeichnung. Du hattest das alles schon mal, das tut sicher sehr weh. Hilft es Dir, aus den Erinnerungen zu zehren oder tut es zu weh? Ich selbst habe keinerlei positive Erinnerungen, ich hatte sowas noch nie.

Hallo chrigu,

neidisch bin ich nicht, jedenfalls nicht im Sinne des Mißgönnens. Vielleicht neidisch im Sinne einer tiefen Trauer, dass andere unbeschwert ihr Leben leben können und mir ein Verbrecher all das zerstört hat, noch ehe es jemals beginnen konnte.

Ja, auch bei mir weckt es große Aggressionen. Doch leider richten sich diese nur in destruktiver Weise gegen mich selbst, oft hilft dann nur SVV. Wut gegen den Täter spüre ich eigentlich nicht wie ich generell völlig emotionslos bin. Ja, ich glaube Du verstehst mich, danke dafür.

Ich möchte gerne selbst entscheiden, ob ich rausgehe oder nicht, ob ich mich verkrieche oder nicht. Mit dieser Entscheidung könnte ich dann auch leben. Doch leider wurde mir eben die Entscheidung abgenommen, fremdbestimmt für mein ganzes Leben lang. Mein Aktionsradius und meine Lebensqualität sind nahe Null....

Hallo mo,

ja im Urlaub wird es einem oft noch brutaler vor Augen geführt, dass man anders ist, Fun oder Unbeschwertheit einfach nicht genießen kann. Ich verbringe seit Jahrzehnten meinen Urlaub (nur am absoluten Minimum dessen, was ich nehmen muß) immer vor dem Fernseher, meist in der unattraktivsten Jahreszeit.

Hallo Tine,

Du beschreibst es sehr gut. Der Aufforderungscharakter, dem man dan doch nicht nachkommen kann, den man abwehren muß, was dann besonders weh tut. Genauso ist es.

Nein ich kann leider keinen Frieden mit der Natur schließen. Dort ist zuviel Schreckliches passiert, jeder Spaziergang erinnert mich an Demütigung und Qual.

Danke für alle Beiträge. S.
parvus

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von parvus »

wie viele andere kenne ich das auch. gibt ne menge "zombies". ich verlasse die wohnung nur ungern und wenn möglich erledige ich meinen einkauf wenn es dunkel ist.

komischerweise gibt es aber ein wetterphänomen das ich wirklich mag. wie andere leute es genießen, sich von der sonne bescheinen zu lassen, bereitet mir nieselregen vergnügen.
Liber
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Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Liber »

Liebe S-Ch

>Ich möchte gerne selbst entscheiden, ob ich rausgehe oder nicht, ob ich mich verkrieche oder nicht. Mit dieser Entscheidung könnte ich dann auch leben. Doch leider wurde mir eben die Entscheidung abgenommen, fremdbestimmt für mein ganzes Leben lang.

Und das ist eben die Frage! Gilt das wirklich unveränderbar für dein ganze Leben oder ist nicht doch ein bisschen was dran, dass du dir jegliches noch so kleine Türchen nach außen auch selbst verschließt?

Ich meine damit eine Therapie, die dir helfen würde, ein Türe dieses inneren Gefängnisses zu öffnen.

Auch ich habe mit dem Frühling viele Jahre lang gehadert - ich geriet immer in eine depressive Verfassung, wenn der Winter zu Ende ging, wenn neues Leben in der Natur begann. In meiner PA erkannte ich, dass ich es deshalb so schwer ertragen konnte, weil ich dem Leben in MIR nicht erlaubte, sich zu regen.

Das Leben in der Natur ließ mich meinen eigenen Schmerz des ungelebten Lebens spüren.

Heute versuche ich, auf diese Gefühle zu achten, wenn sie bei Frühlingsbeginn auftauchen (das kommt immer wieder vor) und sie als Hinweis auf mein Inneres zu nehmen. Wo verbiete ich mir das Leben? Was will sich da regen und darf nicht?


Ganz sicher werde ich nie ein Fan von Biergärten oder vom Grillen im Park sein aber der Frühling hat ja auch noch andere schöne Seiten

Liebe Grüße

Brittka
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von chrigu »

Liebe S.,

danke für Deine offene Antwort!
Ja, ich meinte "neidisch" auch eher im Sinne von Trauer, Du hast es besser formuliert als ich es konnte.

Brittka hat recht, genau das war auch mein erster Gedanke: Wurde Dir die Entscheidung, nicht rauszugehen, wirklich abgenommen?
Ich kann mir denken, dass das ein sehr schweres Thema für Dich ist, das noch viel mehr Facetten hat, als wir hier besprechen können. Aber ich glaube trotzdem, dass es noch Türen gibt, die Dich nach draußen führen können. Vielleicht hast Du alleine nicht die Kraft, sie zu finden, aber sie sind da!

Liebe Brittka,
>dass ich es deshalb so schwer ertragen konnte, weil ich dem Leben in MIR nicht erlaubte, sich zu regen.>
Darüber werde ich noch ausführlich nachdenken, denn das scheint auch auf mich zuzutreffen...

Viele Grüße
Chrigu
TearsforFears
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Registriert: 18. Jan 2008, 12:52

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von TearsforFears »

Hallo,
das mit dem Wetter kenne ich auch: Die Sonne brennt, alle sind im Biergarten oder im Cafe oder auf Grillparties. Alle? Nein, Tears sitzt zu Hause und hat die Vorhänge zugezogen.
Bei schlechtem Wetter verhält es sich ja nicht unbedingt anders: Die Leute sind trotzdem im Kino, in der Kneipe im Club, aber es wirkt nicht so brutal.
Mittlerweile bin ich da irgendwie unempflindlicher geworden oder ich arbeite einfach ganz lange, dann denke ich nicht darüber nach ob ich was verpasse
Grüße,
Tears
s-ch
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Registriert: 6. Jul 2008, 23:44

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von s-ch »

hallo Brittka und chrigu,

ich denke es wird unausweichlich für mein gesamtes weiteres Leben so sein. Ich lebe über 30 Jahre in extremer sozialer privater sozialer Isolation, war nie in einer Disco, Kino, Biergarten, schwimmen, all die normalen Dinge, die anderen das Leben schön machen.

Therapie ist nicht vorstellbar, da ich viel zu große Angst davor habe, zu jemandem real zu gehen. Dann würde wahrscheinlich die Fassade zusammenbrechen, der Staudamm brechen und der Tsunami über mich rollen. Unmöglich, meine Selbstüberwachung verhindert das.

Es ist nicht allein das Gefühl der erwachenden Natur, aus der ich mich ausgeschlossen fühle, weil ich es nicht genießen kann. Sondern es sind massive traumatische Erfahrungen dahinter mit starken Triggern, denen ich nur mit massiven SVV beikommen kann, um überhaupt zu überleben. Deswegen meine ausgeprägte Vermeidungshaltung.

Hallo tears,

noch eine, die die Sonne aussperrt? Vielleicht hat es ja auch mit einer Art von Selbstbestrafung zu tun, einer nicht vorhanden Wertschätzung einem selbst gegenüber?

Viele Grüße, S.
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von chrigu »

Liebe S.,

dann hast Du ja im Grunde Deine Entscheidung getroffen: Du bleibst zuhause und Du machst keine Therapie.

Aber eine sehr überlegenswerte Frage ist doch: Warum macht es Dir dann was aus, nicht rauszugehen?

Und eine andere Frage ist: Was passiert denn, wenn der Staudamm bricht und die Welle kommt? Da muss man nicht zwangsläufig bei ertrinken. Oft bleibt dann zwar Zerstörung zurück, aber die bietet auch die Möglichkeit für einen Neuanfang. Und nach einer Flutwelle ist der Boden oft besonders fruchtbar, um bei diesem Bild zu bleiben.

Wenn die Welle kommt und der Staudamm bricht, dann ist das zwar für diesen Moment ganz schrecklich. Aber das ist doch immer noch besser, als sein ganzes Leben in der lähmenden Angst zu verharren, die Welle könne kommen.
Keine der Möglichkeiten erscheint schön, aber es gibt eben nur diese beiden und Du musst Dich fragen, welche langfristig besser für Dich ist.

Viele Grüße
Chrigu
Clown
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Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Clown »

Das Bild des Staudammes, in meiner ersten Therapie vor ca. 25 Jahren war es Thema, ich glaub sogar in der allerersten Stunde. Auch ich hatte das Gefühl, innerlich einen Staudamm gebaut zu haben, auf dem ein mächtiger, gewaltiger, furchteinflößender Druck stand.

Mein Thera damals wies mich darauf hin, dass ja ich selbst die Erbauerin dieses Dammes sei und dass ich da ein kleines Schiebetor, eine Schleuse einbauen könne. Ich selbst könne diesen Abfluss regulieren, mal mehr, mal weniger öffnen und Wasser abfließen lassen.

Welch ein 'Zufall', dass dieses Bild mir hier und heute wieder begegnet. Gerade eben habe ich noch heftig geweint, richtig laut und hemmungslos (in die Kissen, damit die Nachbarn es nicht mitkriegen ), ohne 'sinnvolle' Gedanken dazu, hab mich einfach von meinem Schmerz leiten lassen, ihn sozusagen 'machen' lassen.

Es war kurz und heftig, und jetzt ist es schon wieder gut, der Schmerz (erst einmal) vorbei. Ich frage mich, ob ich überhaupt noch einen Staudamm habe, oder ob inzwischen der Fluss fließen kann wohin er mag. Ab und zu hat vielleicht ein Biber einen kleinen Damm gebaut, den kann ich umfließen oder nach einiger Zeit überspülen und wieder abbauen.

Hallo S., ich denke, dein Schmerz über dein isoliertes Leben ist ein Zeichen von Lebendigkeit. Ich wünsche dir, dass dir alle bewussten und unbewussten Geister beistehen mögen, damit du dich weiterentwickeln kannst.

Alles Gute,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Emily
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Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Emily »

Hallo s-ch,

deine Geschichte ist sehr berührend. Einige Foris haben schon etlich kluge Dinge gesagt. Ich fand z.B. eure Postings sehr gut, chrigu und clown.
Auch für mich ist spürbar, dass du irgendwo in einer jetzt noch verschlossenen Ecke deines Inneren doch nach einem Ausweg aus dem Dilemma suchst. Wenn ich deine Beiträge lese, dann drängen sich mir einige Fragen auf, ich hoffe, ich kann sie stellen, ohne dich zu verletzen:
Derjenige, der dir das alles angetan hat in deiner Kindheit, hat dir nun schon ca. 30 J. schwerstes Leid beschert (sofern ich es richtig mitbekommen habe). Ich frage mich immer: Soll er auch noch den Rest deines Lebens haben? Oder gibt es nicht doch eine Möglichkeit, dies zu verhindern?
Du glaubst, dass es nicht möglich ist, an deiner Situation etwas zu verändern. Ich verstehe schon, dass du dies glaubst, denn wenn es einem schlecht geht, sieht man vielleicht die Möglichkeiten gar nicht, die es geben könnte. Aber glauben heißt eben nur: nicht wissen.

Sicherlich wäre eine Therapie eine schmerzliche Sache für dich, aber wenn du gute Therapeuten hättest, würdest du in dem Schmerz ja auch aufgefangen werden. Du wärest nicht (mehr) alleine damit. Ich denke, dass es bestimmt viele Therapeuten gibt, die auf diese Thematik Missbrauch spezialisiert sind und sehr behutsam u. fürsorglich arbeiten.
Nichts im Leben ist für immer, wie es ist. Alles kann sich ändern. Zum Glück.

LG, Emily
Clown
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Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Clown »

Hallo S.,

magst du vielleicht mal was lesen zum Thema Trauma?

Mein Thera empfahl mir:

Peter A. Levine mit Ann Frederick
'Trauma-Heilung' - Das Erwachen des Tigers.
Unsere Fähigkeit, traumatische Erfahrungen zu transformieren
Verlag Synthesis

http://www.amazon.de/Trauma-Heilung-Pet ... merReviews


Grüße,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Inkognito

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Inkognito »

Liebe S.,
Deine Worte berühren auch mich sehr und ich würde Dir gerne etwas Mut und Zuversicht geben!
Du schreibst, Du wärst ein "seelenloser Computer", das bist Du sicher nicht, alleine aus Deinen Beiträgen empfinde ich Dich als mitfühlend und sehr menschlich!!

Es ist wirklich Deine Entscheidung, ob Du in Therapie oder zu einer Ärztin gehst. Ich wünsche Dir Kraft dafür, die Entscheidung ob ja oder nein liegt bei Dir, das gehört ja auch zum selbstbestimmten Leben!

Es ist für Dich doch auch ein Schritt nach draußen, indem Du hier im Forum schreibst und ich bin mir sicher, nicht nur ich schätze Deine Beiträge.

Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende, welche Bücher liest Du denn gerne?

Liebe Grüße
imagine
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Registriert: 18. Jun 2006, 20:46

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von imagine »

Liebe S.
ja, das ist wirklich die Frage, die entscheidende Frage
Du bist jetzt vierzig Jahre alt und hast dir im Grunde nie die Chance gegeben, etwas zu verändern.
Im Geschäft hast du doch auch mit Menschen zu tun, oder?
Ein Therapeut ist auch ein Mensch,vielleicht sogar einer, der dir helfen kann.
Das solltest du zulassen, natürlich ist der Schmerz zuerst einmal immens, aber weißt du, was mein erster Thera zu mir sagte? "sie sind in Ordnung, absolut in Ordnung"
Ich wußte darauf nichts zu erwidern, hatte ich das doch noch nie so gesehen, ich und in Ordnung?
Es ist ein langer, schmezhafter, mühevoller Weg, aber es ist ein Weg ins Leben.

Ich verstehe dich im Moment auch sehr gut, habe auch wieder dunkle Phasen, auch ich mag Nieselregen lieber als Sonnenschein, das ist nicht weiter schlimm.

Fang mit ganz kleinen Schritten an, kauf dir ein paar Frühlingsblumen, blättere mal in den gelben Seiten, geh mal nachmittags um deinen Block, fange ganz klein an, aber bitte tu etwas, lass dir nicht noch die restlichen Jahre nehmen

Liebe Grüße
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
BD
Beiträge: 1136
Registriert: 24. Feb 2007, 10:55

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von BD »

Hallo liebe S.,

deine Zeilen und auch die Antworten haben mich sehr bewegt. Ich will jetzt nicht loslassen, dass ich es gut verstehen kann, ich selbst habe ganz anderes erlebt aber ich kann mir vorstellen dass dein Trauma sicher sehr sehr groß ist. Aber vielleicht ist es wirklich im Bereich des Möglichen in kleinen Schritten nach vorne zu gehen? Vielleicht beim Einkauf mal mit der Verkäuferin zu plaudern? Einmal abends um den Block? Und vielleicht traust du dich doch irgendwann den Weg in die Therapie. Du hast oft geschrieben, dass das nicht geht, dass du ganz sicher zusammenbrechen würdest. Woher weißt du das? Du kannst nicht in die Zukunft sehen. Wie du auf etwas reagierst kannst du nur erfahren, wenn du es probierst. Ich nehme an auf der Arbeit hast du auch Kontakt zu andren? Vielleicht kannst du auch hier mal mehr pjrobieren als bisher - in ganz kleinen für dich vorstellbaren schritten.
Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz viel Kraft und Mut!
Liebe Grüße
Waldsee
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von chrigu »

Liebe S.,

noch einmal vielen Dank für Dein offenes Post. Es hat mich sehr berührt.

Weißt Du, "rausgehen" heißt ja nicht unbedingt, dass Du Dich der Natur aussetzt, mit der Du so schreckliche Dinge verbinden musst.

"Rausgehen" heißt doch, dass Du lebst. Und aus dem, was ich von Dir lese, willst Du ja irgendwie doch in diesem Sinne "rausgehen". Dass Dir das alles große Angst bereitet, kann ich nachfühlen. Aber Emily hat Recht, wenn sie schreibt, dass Du jetzt selbst über Dein Leben bestimmen kannst.

Hast Du schlechte Erfahrungen mit Therapie gemacht oder resultiert Deine Angst aus der Angst vor dem, was geweckt werden könnte?

Ich kenne mich nicht genug aus mit Traumatherapien, aber ich denke, dass die Therapeuten dort ausgebildet sind, um genau solche Menschen wie Dich zu behandeln, denen so schreckliches wiederfahren musste.
Die wissen auch, dass die geweckten Erinnerungen unendlich schlimm sind und gehen dementsprechend behutsam und auffangend vor.

Das ist ja dann das eigentlich Wunderbare: Dein Staudamm wird kontrolliert gebrochen, Du allein kannst bestimmen, wie viel Wasser herauskommt.
Wenn er trotzdem mal an einer Stelle brechen sollte, dann hast Du jemanden an Deiner Seite, der Dich vor dem Ertrinken rettet.

Liebe Clown,
ein Fluss, der einfach fließt und sich sein eigenes Bett graben kann, kann sich dann auch prima selbst regulieren, trotz kleiner Biber-Staudämme.
Nur wenn er in ein Bett gezwungen wird, dann funktioniert das nicht, dann tritt er immer wieder über die Ufer (ich bin in der Nähe so eines Flusses aufgewachsen, der erst in ein Betonbett gepresst wurde und seit ein paar Jahren wieder so fließen darf, wie er will. Seither gibt es keine Überschwemmungen und keine nassen Keller mehr).

Viele Grüße
Chrigu
Nico Niedermeier
Moderator
Beiträge: 2865
Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Abrutschen bei Sonne und guter Laune des Umfelds

Beitrag von Nico Niedermeier »

Den Beitrag von S-Ch habe ich gelöscht, da er ganz klar die Grenzen dieses Forums sprengt. Wir haben Sie S-CH mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Forum dies Thematik NICHT abarbeiten kann. Dieses Forum ist ein Diskussionsforum über Depressionen, aber es ist weit davon entfernt Krisenintervention bei Posttraumatischen Balastungsstörungen leisten zu können. Ich sehe mich gezwungen den Zugang von S-Ch zu löschen, da wir bereits mehrfach darauf hingewiesen haben aber keine Reaktion hierauf erkennbar ist.
Sie müsen sich professionelle Hilfe holen, depressive Menschen werden diese Hilfe nicht leisten können, das ist unfair und es gibt einfach auch in diesem Bereich tausende hochspezialisierter Profis und Zentren die Ihnen diesbezüglich sicherlich gerne Hilfestellung anbieten.
Viele Grüße
Dr. Niedermeier
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