Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Tine
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von Tine »

Liebe Angelika,

ich verstehe deinen Impuls zum Rückzug sehr gut.
Ob ich deinen Schmerz wirklich nachvollziehen kann, weiß ich natürlich nicht, ich spüre nur, dass bei deinen Worten mein eigener Schmerz sich meldet, der deinem vermutlich irgendwie gleicht.

Wenn sich die innere Einsamkeit erst mal heftigst in den Vordergrund drängt, dann kommen einem auch alle Gespräche darüber sinnlos vor, weil man zwar viel erkennen und wissen kann, sich dennoch nichts wirklich an den Gefühlen ändert.
Und irgendwie - so geht es mir - kann man dann auch den Beiträgen hier im Forum nicht mehr folgen, weil sich eine Eigendynamik darin entwickelt, die einen nicht mitzieht.

Was will ich dir sagen:
Du nervst nicht. Und jammern darfst du hier, wenn dir zum Jammern ist. Und wenn du das Gefühl hast, dass du im Moment nichts zu weltbewegenden Erkenntnissen beitragen kannst, dann macht das auch nichts. Ich bezweifele eh, dass es die hier gibt.

Liebe und aufmunternde Grüße,
Tine
cybolon
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von cybolon »

Hallo Angie,

schade, hatte gehofft, das Nightwish Konzert würde Dir einen positiven Kick geben!

*in den Arm nehm*

Ich schließe mich Tina an: Du nervst nicht!
Gerne biete auch ich Dir meine Schulter an.

Liebe Grüße
vom
cybolon

P.S. Nochmal danke für den Tipp "Tarja Turunen". Ich höre seit zwei Tagen ständig ihre Songs an. Großartige Stimme, tolle Songs und geniale Texte. "I walk Alone" passt hier irgendwie hin, gelle? Der Hammer-Song überhaupt!
danideng
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von danideng »

Liebe Angelika,

weder nervst du noch jammerst du. Und wie Tine schon sagt, hier DARFST du jammern, und keiner nimmt dir das krumm.

Wieso glaubst du, keine richtigen Freunde zu haben? Bist du dir da sicher? So warmherzig, wie du hier schreibst, kann ich mir das nur schwer vorstellen. Oder hast du vielleicht selbst Hemmungen, dich deinen Freunden zu öffnen, und meinst deshalb, keine zu haben? Hier stößt du auf jeden Fall auf offene Ohren!

Lieben Gruß
von Dani
Dani1112
cybolon
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von cybolon »

Hallo Tina,

Zu "Weltbewegenden Erkenntnissen":

"Ich bezweifele eh, dass es die hier gibt. "

Ich kann mir aber vorstellen, dass Psyho-Forscher, wenn sie sich mit diesem Forum intensiver befassen würden, einiges an Erkenntnissen über die Krankheit hinzugewinnen könnten. Unsere Erlebnisse, Gefühle und Anamnesen wurden mit Sicherheit noch nie so fleißig zusammengetragen und diskutiert, wie hier.

In wiefern das eines Tages die Welt bewegen kann, hängt zwar auch, aber leider nicht ausschliesslich von uns selbst ab.

Liebe Grüße
vom
cybolon
Tine
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von Tine »

Hallo Horst,

klar, werden hier Gedanken, Gefühle, Erkenntnisse zusammengetragen.
Meine Welt bewegen in dem Sinne, als dass es mir besser ginge über den Moment hinaus, indem ich hier auf posts treffe, die mich berühren, wären sie nur dann, wenn es mir dadurch nachhaltig besser ginge.

Ich gebe zu, dass diesen Worten eine Bitterkeit zugrunde liegt dergestalt, dass ich zwar viel weiß, aber es mir im Leben recht wenig nutzt; und ich mich deshalb so langsam beginne zu fragen, ob alle Eigen- und Fremdanalyse mir wirklich etwas bringen.
Außer, dass ich mehr und mehr intellekutalisiere.
Aber - typisch Depridenke - das liegt wohl an meiner Unfähigkeit mein theoretisches Wissen in die Praxis zu heben.

In Abwandlung von Goethe: Hier steh ich nun ich armer Tor, mir gehts so beschissen wie zuvor.

Liebe Grüße,
Tine
TearsforFears
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von TearsforFears »

Hallo Angelika,
ich glaube ich kenn das, was Du meinst. In meinen schlimmen Phasen war ich auch auf Massenveranstaltungen allein. Gerade unter Freunden fühlt man sich dann manchmal verdammt einsam, weil diese irgendwie so weit weg zu sein scheinen von uns und unserer "Depri-Welt".

Da versucht man dann, sich mit einem Konzertbesuch oder einem Kneipenabend etc. aufzubauen, und dann ergeht es einem so wie Tina es so schön sagt:
Hier steh ich nun ich armer Tor, mir gehts so beschissen wie zuvor.
Es ist manchmal schwer das durchzuhalten, aber es lohnt sich!
herzliche Grüße,
Tears
cybolon
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von cybolon »

Hallo Tine,

"Aber - typisch Depridenke - das liegt wohl an meiner Unfähigkeit mein theoretisches Wissen in die Praxis zu heben. "

Jepp, das habe ich auch, bis vor kurzem, noch so empfunden. Auch stimmt, was Tears dazu sagt:

Es lohnt sich!

Denn seit fast 4 Wochen merke ich, wie Dinge, die ich hier im Forum aufgeschnappt hatte, plötzlich beginnen zu greifen. (Ich beginne zu BEgreifen.) Teilweise 1 oder 2 Monate danach.

Das Haupt-Rezept war eigentlich "nur":

Machen, egal ob depri, egal ob keine Lust, trotzdem machen...

Liebe Grüße
vom
cybolon
Tine
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von Tine »

Hallo Horst,

kannst du den Punkt ausmachen, an dem du anfingst zu begreifen?
Und was änderte sich dadurch für dich?

Du schreibst, man solle einfach machen, egal ob Lust ob Depri etc. Da stimme ich dir zu. Ich mache ja auch und nutze eigentlich jede Gelegenheit dazu. Aber: Ein paar nicht unglücklich Momente, oder von mir aus auch glückliche, machen kein gelungenes, glückliches Leben aus.
Gestern beispielsweise hatte ich einen echt schönen Tag, weil ich mich dazu aufrappeln konnte, meine Familie zu besuchen. Es war schön, zweifelsohne. Aber ich kann nicht sagen, dass der heutige Tag deshalb besser wäre als die zuvor.
Klar sollte ich mich auf den Standpunkt stellen: Wow, klasse, sei froh, dass ein guter Tag unter vielen schlechten war.
Aber wirklich froh machen kann ich mich damit nicht.
Es kommt mir oft so vor, als seien die guten Momente nur dazu da, noch einmal die Akkus so weit aufzuladen, dass man die schlechten gerade so durchsteht, aber in der Gesamtheit füllt sich nichts.

Liebe Grüße,
Tine
912318798
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von 912318798 »

Das Haupt-Rezept war eigentlich "nur":

Machen, egal ob depri, egal ob keine Lust, trotzdem machen...


Danke, Horst, dass Du das hier sagst.
Dieses Motto hat mich aus dem Gröbsten herausgeholt, und ist eigentlich der Kern und Motor meiner Botschaften hier.

Ganz wichtig war für mich:
Es spielt gar keine Rolle, ob man zu der Zeit, in der man etwas Aktives macht, auch versteht, warum man es macht.

Das kann man in dieser Situation gar nicht ermessen.

Drum wie Du sagst:
Aktiv bleiben, ohne wenn und aber.
Alles ist besser als Kokoning!
Und jeder schöne Tag oder Augenblick ist ein gewonnener Tag oder Augenblick!
Kann zum Teil einer lohnenden Erinnerung werden!

Und allen, die hier schreiben und denen es nicht so gut geht:
Niemandes Problem nervt hier!

Liebe Grüße und bleibt stark!

Jojo
tallgirl
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Registriert: 25. Jul 2005, 07:46

Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von tallgirl »

Hallo zusammen,

danke für die lieben Worte. Ich habe jetzt mehrfach versucht eine Antwort zu schreiben, es geht aber leider irgendwie nicht. Hoffe, dass mein Gehirn später besser funktioniert.

@Horst
Es ist schön, dass Dir die Lieder von Tarja gefallen. Ich finde sie auch sehr schön und höre sie im Auto rauf und runter.

Lied Nr. 8 (Boy and the Ghost)und Lied Nr. 9, da weiß ich aber gerade den Titel nicht sind neben "I walk alone and Die Alive" meine Lieblingssongs.
Liebe Grüße



Angie



Du kannst die Wellen nicht stoppen. Du kannst nur lernen, auf ihnen zu reiten.
cybolon
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von cybolon »

Hallo Tine,

genau kann ich garnicht sagen, wann der Moment war. Andere schrieben hier im Forum, dass es bei ihnen irgendwann "klick" gemacht hat.
Als ich dann so mehr oder weniger depressiv auf meinen "Klick" wartete, geschah, na was wohl? -NIX.

Es war ca. Mitte Februar, als mir manche Dinge plötzlich und unerwartet klar wurden.
Ein Beispiel: Im Dezember las ich mit großem Interesse den Thread über die Achtsamkeit. Das gefiel mir so gut, dass ich ständig den Anderen hier Extrakte daraus auf's Brot schmierte. Ich erkannte dann, dass dieses ständige Wiederholen des Themas längst begonnen hatte, ein Teil meiner Denkweise zu werden. Ich habe begonnen, mich zu verändern.
Ohne Angst, ohne Reue und ohne übertriebene Wertungen.

Naja, aus meinen Beiträgen kann man ersehen, dass es mir zwar besser geht, die BlackLady aber noch anwesend ist, selbst, wenn sie schweigt.

Dennoch, aus all' dem, was ich hier gelernt habe, wenn auch nur 2%, tatsächlich umsetzen zu können, ist ein gutes Gefühl.

Ganz unkritisch darf ich dabei aber auch nicht vorgehen! Ein anderes Beispiel: Ganz oft wurde mir gesagt: "Höre der inneren Stimme zu, ergründe, was sie will und was Du tun kannst, damit Du Dich JETZT besser fühlst..."
Teilweise für mich annehmbar, teilweise aber auch nicht. Denn bei jeder Tätigkeit, sofort auf alle miesen Gedanken zu reagieren, ist nicht nur kraftraubend, sondern auch gefährlich. Ich denke da ans Autofahren und manche Handgriffe bei der Arbeit.

Jeder muss für sich die richtige Mischung aus Annehmen und Loslassen zusammenstellen. Der Genuss kommt beim Essen.

"Ein paar nicht unglücklich Momente, oder von mir aus auch glückliche, machen kein gelungenes, glückliches Leben aus."

Sicher, sehe ich auch so! Aber durch die eben erwähnten Dinge überwiegen jetzt bei mir schon die "Ach, halb so wild"- und die "Das kann ich verkraften" -Gedanken. Jeden Tag glücklich? Unmöglich, selbst für den Gesundesten der Welt. Überhaupt glücklich? Noch verdammt seltene Momente. Zufrieden? Nicht immer, aber immer öfter!

Ganz große Schritte waren für mich die Akzeptanz der Krankheit an sich und die Nachsicht mit mir selbst. Einem fehlbaren Menschen, so, wie alle Menschen fehlbar sind.

Das schluchzende Weichei ist jetzt manchmal schon wieder der freche Horsti und hey, Welt, nimm Dich in Acht, ich habe was nachzuholen!

@Jojo

Das Cocooning ist der direkte Weg, zurück an den Busen der BlackLady. Der Rückzug verstärkt nur das Gefühl, auf diesem Planeten seinen Platz verloren zu haben. Je mehr ich mich zurückzog, desto ausgeschlossener fühlte ich mich unter den Menschen. Meine besten Freunde konnte mir da nicht helfen.

Was mir aber auch geholfen hat und noch hilft:
In der Klinik habe ich andere Depris kennengelernt. Gelegentlich treffen wir uns und tauschen unsere Erfahrung aus.
Nicht, dass der Inhalt der Gespräche das eigentlich Wichtige wäre. Vielmehr ist es die Tatsache, dass jeder einzelne von uns genau weiß, wass der Andere fühlt oder gefühlt hat, in der Depression. Das legt eine starke Bande und ich fühle mich getragen. Die neuen Freundschaften sind nett, aufrichtig, auf hohem Niveau unterhaltend und ergiebig.

Ein riesiges Danke an meine neuen Freunde in Mainz, die (ex)Depris von der Station 6 !!!

Auch, wenn ich noch nicht ganz frei bin, habe ich jetzt die Zuversicht, etwas mehr Geduld und erste Anzeichen ECHTER Gelassenheit, die Dinge auf mich zukommen zu lassen und nicht über jeden Bockmist stundenlang zu grübeln.

Es tut so gut. Es tut einfach nur gut.

Ja, Jojo, es spielt keine Rolle, was man macht, warum man es macht. Nur: DASS man es macht. Immerwieder auf's neue, jeden Tag!

Ich denke gerade an Road2Nowhere, der ich vom Straßenkehrer "Beppo" aus "Momo" erzählte. In kleinen aber unaufhaltsamen Schritten kehren wir unsere Strasse. Eines Tages drehen wir uns um und sehen, sie ist gekehrt. Am Ende fühlen wir sogar eine Lücke, wo vorher der Dreck war.

Liebe Grüße
vom
cybolon
*the indogo blue sparkling spirit of motivation*
cybolon
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Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von cybolon »

Edit: (self)motivation
kormoran
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Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Einsamkeit und die Frage nach dem „Warum“.

Beitrag von kormoran »

hi angie,
jetzt tust du tapfer was du "sollst" (dir was gutes, raus, blah...) und kannst es nicht genießen, im gegenteil. das tut mir so leid für dich.
kein weiterer text, nur mein mitgefühl mit dem schmerz. und: bitte, bitte nicht aufgeben, auch wenn die geduld schon sehr strapaziert ist.
lg
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
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