Teufelskreis

Odysseus24
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Teufelskreis

Beitrag von Odysseus24 »

'nabend allerseits !


Bin neu hier und wollte mal schau'n, ob's hier sowas wie "leidensgesossen" gibt.
Ich befinde mich in einer art teufelskreis und "finde den ausgang" nicht:
Kurz gesagt bin ich depressiv, weil ich die einsamkeit nicht ertrage und bin einsam, da ich depressiv bin. Mit kurzen unterbrechungen war das eigentlich schon immer so und die letzte dieser "unterbrechungen" ist auch schon wieder "verdamp' lang' her".

Daß man irgendwann depressiv wird, wenn man zulange im "eigenen saft schmort" ist - glaub' ich - eher trivial und bedarf wohl keiner weiteren erläuterungen. Durch meine depressionen habe ich jedoch irgendwann (bereits in kindertagen) eine soziale phobie entwickelt. Ich schäme mich deswegen, es ist mir schlicht peinlich. Ich spüre genau: es macht mich zumindest uninteressant (besonders frauen reagieren entprechend ablehnend). Oft werde ich regelrecht apathisch durch die innere leere und die müdigkeit. Ich bin also phasenweise mehr oder weder abwesend (mitten im gespräch). Das scheint andere menschen regelrecht zu erschrecken bzw. zu verstören, so daß ich andersherum feststelle: "depressionen machen ziemlich einsam".

Ich bin jedenfalls soweit, daß ich kaum noch (bzw. sehr eingeschränkt) die kraft habe, diesen depressiven ausdruck respektive diese sichtbaren depressiven reaktionen zu überspielen. So daß quasi jeder mir diese sofort ansieht (insbesondere frauen scheinen das förmlich zu "riechen"). Ich glaube auch nicht, daß die ablehnenden reaktionen fehlwahrnehmungen bzw. -inrepretationen meinerseits sind. Ich zitiere aus J. Rivette's "Die Geschichte von Marie und Julien": "...man muß sich vor unglücklichen menschen hüten, wenn man überleben will". Alles, was auch nur irgendwie krank wirkt, wird gemieden - das scheint ein biologisches paradigma zu sein.

Ich kann also kaummehr auf andere zugehen und aktiv den kontakt suchen, da ohnehin recht schnell alles sichtbar würde bzw. das überspielen bereits nach kürzester zeit wahnsinnig anstrengend für mich würde (authentisch wäre es überdies nicht). Jetzt meine fragen:
Gibt es hier evtl. leute, die gleichermaßen festgestellt haben, daß sie wg. ihrer depressivität gemieden werden ?
Hat schonmal jemand von denen diese natürliche barriere für längere zeit oder gar endgültig durchbrochen ??
Wenn ja: wie ???
Kennt jemand 'ne kotakt- bzw. singlebörse für leute mit depressionen oder sonstigen psychischen problemen (für 'ne "normale" single-"börse" ist mein "kurs" einfach zu niedrig) ????


Gruß
Harry Haller
(Odysseus24)


Liebe Grüße

Harry Haller



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(Richard Wright)
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Moin Harry!

Wenngleich ich zu später (oder früher) Stunde nichts wirklich hilfreiches beitragen kann, so möchte ich Dir doch vermitteln, daß ich Dich super-gut verstehen kann; krassement spannendes Thema...

»Kurz gesagt bin ich depressiv, weil ich die einsamkeit nicht ertrage und bin einsam, da ich depressiv bin.«

So empfand ich das für mich auch immer, bis ich feststellte, daß ich aus diesem Teufelskreis austreten muß: Ich denke, es ist nicht möglich, die äußere Einsamkeit zu beenden, bevor man nicht die innere Einsamkeit beendete. Easier said than done, ich weiß, aber ich hab' nun auch schon ein Weilchen Erfahrung damit. Ich leide auch unter den Restbeständen der sozialen Phobie, die ich in meiner frühen Kindheit entwickelte. Zwar merkt man mir das im Regelfall nicht unbedingt an, da ich ein recht aufgeschlossener, sozial kompetenter und kommunikativer Kerl bin und mich darin trainierte, einigermaßen souverän zu wirken; in meinem Inneren schaut es jedoch anders aus: dort herrschen noch immer Schamgefühle, Ängstlichkeit und das anhaltende Gefühl, von anderen Menschen getrennt zu sein. Dieses Gefühl des Getrenntseins ist imho auch die wahre Ursache für die Unfähigkeit, eine Beziehung eingehen zu können. Leidest Du denn generell unter Love-shyness, also starken Ängsten dahingehend, Dich einer Frau zu nähern?

»"...man muß sich vor unglücklichen menschen hüten, wenn man überleben will". Alles, was auch nur irgendwie krank wirkt, wird gemieden - das scheint ein biologisches paradigma zu sein.«

Trotzdem ich selbst so 'n oller Depri bin, gehe ich Mädels aus dem Weg, die mir den Eindruck vermitteln, irgendwie depri, psycho oder jammerig zu sein; echt kraß, zumal ich es mir immer einbildete, eher auf melancholische Frauen zu stehen. Ein Beispiel: Wir (ich lebe in einer WG) sind gerade noch auf der Suche nach einer Nachmieterin für eine Mitbewohnerin, und im Zuge der Wohnungsbesichtigungen stellte ich wieder einmal fest, daß ich Menschen, die den Eindruck vermitteln, schwach zu sein, nicht in meiner Nähe haben möchte. Echt fies, bin ich doch (obwohl ich es nach außen nicht zeige) selber zuweilen schwach und (theoretisch) liebesbedürftig. Zugleich leide ich teilweise darunter, daß mein Umfeld im Vergleich zu mir so lebenslustig und interessiert an der Welt ist.

»Oft werde ich regelrecht apathisch durch die innere leere und die müdigkeit. Ich bin also phasenweise mehr oder weder abwesend (mitten im gespräch). Das scheint andere menschen regelrecht zu erschrecken bzw. zu verstören, so daß ich andersherum feststelle: "depressionen machen ziemlich einsam".«

Ich denke, es würde Dich auch erschrecken, wenn Du feststelltest, daß Dein Gesprächspartner im Gespräch nicht richtig anwesend ist, oder? Ich habe auch das Problem, Gesprächen oftmals nicht richtig folgen zu können, nicht richtig anwesend zu sein. Meine Gegenmaßnahme besteht darin, meine Empathiefähigkeit zu trainieren, eine weitgehendere Verbindung zum Gegenüber einzugehen; das klappt zeitweise ganz gut.

Zu den Singlebörsen: Die idealisierenden Selbstdarstellungen der Frauen darfste imho nicht allzu ernstnehmen; das toughe Getue dient der Abgrenzung. Nach meiner Erfahrung sind die Mädels dort häufig nicht wirklich so supi-gut drauf, wie sie sich darstellen; ich hab' dort auch schon depressive Frauen kennengelernt.

Wie gesagt, trotzdem ich meine, Fortschritte gemacht zu haben, verstehe ich Dich gut – was Du beschreibst, ist (in depressiven Phasen) auch mein Problem. Ich könnte Romane dazu schreiben, muß aber erstmal 'ne Runde pennen gehen.


Gruß,
Chimera
TearsforFears
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Re: Teufelskreis

Beitrag von TearsforFears »

Um auch als Frau was dazu beizutragen: Ja, das kenne ich zu gut, ich muss dazu nichts mehr schreiben, weil ihr, Harry und Chimera, das alles schon wunerbar auf den Punkt gebracht habt. Es gibt also auch Mädels, denen es so geht

Ich habe lange, lange an mir gearbeitet, und komme mit 1x1 Situationen mittlerweile gut klar. Ich habe aber immer noch Probleme, wenn ich mit mehreren Leuten auf einmal zusammentreffe, die ich nicht gut kennen, z.B. mit Kollegen zum Mittagessen gehen. Dann bin ich ziemlich gehemmt und sage nicht viel.

Soziale Phobie und Depressionen gehen oft Hand in Hand, bei Männern wie bei Frauen.

Grüße,
Tears
lt.cable
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Re: Teufelskreis

Beitrag von lt.cable »

Lieber Harry,

hier mal ein paar Zeilen eines zumindest ähnlich Betroffenen, die dir vielleicht helfen.

Für mich ist der Kontakt zu anderen Menschen - und insbesondere zu Frauen - ebenfalls anstrengend. Ich vermeide ihn daher oft, da ich sonst zudem fürchte, dass ich als eigentlich wenig liebenswerter Mensch ohnehin recht schnell uninteressant wirken dürfte. Ich werde ablehnend, vielleicht manchmal sogar feindselig gegenüber Menschen und gelange zu der Überzeugung, dass man an mir ohnehin nichts interessant oder attraktiv finden kann. Die anderen scheinen mir durchweg ablehnend und feindselig, eventuelle Ausnahmen sind nur Mitleidshandlungen.
Hier kommt nun der wichtige Punkt: dieser ganze Komplex scheint sich langsam sehr wohl als verzerrte bzw. Fehlwahrnehmung meinerseits herauszustellen. Andere Menschen - auch Frauen - wollen mit mir Kontakt und mich auch persönlich kennen lernen, aber ich möchte das nicht nur nicht sehen, weil es mir Angst macht, sondern ich weise fast alle mehr oder weniger schroff ab und zerstöre damit jede Möglichkeit in Kontakt zu kommen. Ich hätte bisher auch steif und fest behauptet, das es nicht an meiner Wahrnehmung liegen könne. Aber damit habe ich anscheinend falsch gelegen. Ich komme durchaus gut an, werde als sympathisch und attraktiv empfunden, aber ich habe mir in einem Akt der Selbstverstümmelung die entsprechenden Antennen abgeknipst. Vielleicht solltest auch du in einem ersten Schritt zunächst deine Antennen überprüfen. Vielleicht sind sie auch nicht ganz betriebsbereit.
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
Odysseus24
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Re: Teufelskreis

Beitrag von Odysseus24 »

Danke Chimeira !


Stelle zunächst mal fest, daß hier jemand noch mehr "eule" ist, als ich, wo ich doch schon immer viel zu spät schlafen gehe...

> Ich denke, es ist nicht möglich, die äußere Einsamkeit zu beenden, bevor man nicht die innere Einsamkeit beendete.

Bis vor einigen jahren habe ich auch so gedacht und versucht, dem mit yoga, meditation und selbsterkenntnis beizukommen. Hat aber nur zu noch mehr einsamkeit geführt. Ich bin zu dem schluß gekommen: das bedürfnis nach wirklicher empathie, wärme, nähe und zugehörigkeit ist eine harte biologische tatsache. In den meißten alten mythen ist der erste mensch auch nicht im singular, sondern in der plural aufgetaucht; und zwar als weiblich-männliche zweiheit. Die biologie sagt auch: wir sind "herdentiere"; allein unfähig zu überleben. Und meine erfahrung sagt mir: dieses bedürfnis läßt sich weder totschlagen noch leugnen... "Sich selbst genug zu sein" geht also nur mit einer gehörigen portion selbstverleugnung.

> Ich denke, es würde Dich auch erschrecken, wenn Du feststelltest, daß Dein Gesprächspartner im Gespräch nicht richtig anwesend ist, oder?

Da ich ja selbst das problem habe, würde ich es empathisch auf meine weise verstehen: "es gibt also noch andere bewohner auf diesem planeten" (sogar dann, wenn es sich um eine ganz andere ursache handelt, würde ich diesen - dann falschen - schluß ziehen). Ich würde eher annehmend und nicht ablehnend reagieren...

> Meine Gegenmaßnahme besteht darin, meine Empathiefähigkeit zu trainieren, eine weitgehendere Verbindung zum Gegenüber einzugehen; das klappt zeitweise ganz gut.

Doch, das mit der empathie haut bei mir noch einigermaßen hin. Daher erkenne ich ja nur zu gut, daß jemand wie ich nicht gerade gut ankommt. Die ablehnung (z.b.) verstehe ich schon ganz gut - auch, wenn ich wie erwähnt nicht so reagieren würde. Doch das heißt ja nichts für den "gegenkanal" in der kommunikation: da stoße ich nur allzu häufig auf wenig verständnis und "gegenliebe".

> Nach meiner Erfahrung sind die Mädels dort häufig nicht wirklich so supi-gut drauf, wie sie sich darstellen; ich hab' dort auch schon depressive Frauen kennengelernt.

Klaro; nur schreibt von denen offenbar auch keine zurück - vielleicht suchen diese dann ganz besonders nach einem "starken und gesunden" partner...


Harry Haller


Liebe Grüße

Harry Haller



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(Richard Wright)
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Hi Tears, willkommen im Club, und danke für den weiblichen Beistand!

Ich hatte heute vormittag ein längeres Posting begonnen, das darstellen soll, wie es mir gelang, meine soziale Phobie weitgehend zu überwinden – vielleicht kann ich es heute abend fertigstellen. The boldest move bestand darin, daß ich 'ne harte Konfrontationstherapie betrieb und vor zwei Jahren (mit 35) in eine studentisch geprägte Wohngemeinschaft zog, die aus drei psychisch intakten Mädels und mir bestand. Das war und ist zwar zeitweise extrem stressig, erschütternd und vernichtend, aber es ist extrem lehrreich, vor allem auch, weil ich durch die WG lernte, wie 'gesunde' Menschen ticken. Hätte ich das nicht gemacht, ich wäre wohl an meiner sozialen Isolation verreckt, zumal ich zuvor sowohl meinen alten Freundeskreis entsorgt, meinen Job verloren und meine Beziehung beendet hatte.

Was bleibt, ist ein chronisch erhöhter Streßpegel im Umgang mit Menschen, vor allem – wie Tears es beschrieb – mit Grüppchen aus Menschen, die man nicht so gut kennt. Und die depressiogene Auswirkung eines chronisch erhöhten Streßlevels kennen wir ja alle.

Fakt ist auch, daß eine soziale Phobie ein Leben echt verkorksen kann: als ich Mitte Zwanzig war, gab es Phasen, in denen ich noch nicht einmal in der Lage war, mir in einer Lokalität eine volle Tasse Kaffee zum Mund zu führen, ohne befürchten zu müssen, ihn zu verschütten; so kraß zitterte ich…
lino70
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Re: Teufelskreis

Beitrag von lino70 »

Ich kann das alles sehr gut verstehen, denn mir geht es vollkommen genauso. Zu den Singlebörsen im Internet muß ich sagen, dass man sich davon nicht zuviel erhoffen sollte. Ich denke mal dort sind einfach zuviele Proleten unterwegs und die Frauen sind auch sehr wählerisch. Ich denke, dass es fast aussichtslos ist, dort einen Partner zu finden. Da besser im normalen Alltag offen für seine Mitmenschen sein. Mir passiert es machmal, dass ich ein nettes Lächeln erhasche. Das hebt die Stimmung ungemein.
Was soll man nun machen, wenn es mit einem Partner nicht klappt? Wo bekommt man etwas Zuneigung, Wärme her?
Ich sehe da momentan nur eine Möglichkeit: sich selbst. sich selbst wertschätzen, gut mit sich umgehen. Das Bedürfnis wird wohl kein anderer Mensch stillen können und wollen.

Gruss, lino
Mauzi
Beiträge: 78
Registriert: 1. Mär 2008, 18:22

Re: Teufelskreis

Beitrag von Mauzi »

Lieber Harry,

ich bin eine weibliche Betroffene der sozialen Phobie. Ich würde auch gerne wissen, wo man Menschen kennen lernen kann, die auch diese Probleme haben. Vor ca. 4 Jahren bin ich mal zu einer Selbsthilfegruppe gegangen. Es war der Albtraum, genau das was mir immer wieder passiert. Nach Beendigung der Gruppensitzung haben sich alle zusammengerottet und sind in einer Kneipe verschwunden. Keiner hat mich als Neuling gefragt, ob ich mitkommen möchte. Und selber kann ich nicht auf eine Gruppe zugehen. Hätte ichs gekonnt, wär ich ja nicht in diese Selbsthilfegruppe gegangen. Aber vielleicht machst du ja bessere Erfahrungen. In Berlin (da wohne ich) gibts mehrere Selbsthilfegruppen "soziale Phobie".
Mittlerweile habe ich mich jedenfalls so isoliert, dass ich regelrecht Angstattacken habe, wenn ich mich mit jemandem treffe. Egal ob Freundin, Familienmitglied oder sonst wer. Ist schon scheiße, wenn man seid Ewigkeiten krank geschrieben ist, alleine zu Hause sitzt und sich Gedanken darüber machen kann, wie die anderen einen finden, ob sie einem die Depressionen ansehen, wie sie mit Tränen umgehen werden.
Ich kann dich auf jeden Fall sehr gut verstehen, manchmal wird bei mir auch alles unwirklich und der andere scheint weit weg zu sein und ich höre nicht mehr richtig hin.
Trotz allem, die Einsamkeit ist unheimlich quälend, also lechzt man auch wieder nach sozialen Kontakten. Wirklich ein Teufelskreis. Manche sind mit sich alleine glücklich, verreisen allein, gehen allein weg und fühlen sich damit wohl. Wie machen die das? Wenn ich alleine im Cafe sitze fühle ich mich furchtbar unwohl und beobachtet. Manchmal denke ich, ich versuche mich nur an jemanden anzuklammern. Vielleicht liegt darin der Schlüssel. Mit sich im Reinen zu sein und auch alleine glücklich zu sein. Aber damit, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, hast Du auch wieder recht. Alles ziemlich verwirrend...

Liebe Grüße
Mauzi
maria45
Beiträge: 135
Registriert: 27. Mai 2005, 13:55

xxxxx

Beitrag von maria45 »

gelöscht
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Hi Harry!

In den meißten alten mythen ist der erste mensch auch nicht im singular, sondern in der plural aufgetaucht; und zwar als weiblich-männliche zweiheit. Die biologie sagt auch: wir sind "herdentiere"; allein unfähig zu überleben. Und meine erfahrung sagt mir: dieses bedürfnis läßt sich weder totschlagen noch leugnen... "Sich selbst genug zu sein" geht also nur mit einer gehörigen portion selbstverleugnung.

Vollkommen richtig – und ich halte auch nichts von dem "Sich selbst genug sein"-Gequatsche… Ich meinte es anders: Die innere Einsamkeit läßt sich imho überwinden, wenn wir aufmerksam beobachten, wie unsere Mitmenschen funktionieren – und dann feststellen, daß zwischen ihnen und uns eher graduelle Unterschiede liegen, nicht Welten. Auch die Angst, die ich früher vor Frauen hatte, beruhte auf einer völlig irrigen Vorstellung, die ich von ihnen hatte. Mittlerweile verstehe ich die Psyche der Frau einigermaßen gut, akzeptiere die biologisch inspirierten seelischen Programme der Frau (um das, sorry Mädels, mal ganz clichéhaft darzustellen) und finde Frauen halt einfach okay, wie sie sind – und ganz normal… Wenn es mir also gelingt, die Gemeinsamkeiten zwischen mir und den anderen Menschen auszumachen, kann es mir auch gelingen, mich weniger getrennt von ihnen zu fühlen. Das erreiche ich aber nicht durch Meditation sondern durch Kontakt. So oder so ähnlich war's gemeint.

Da ich ja selbst das problem habe, würde ich es empathisch auf meine weise verstehen: "es gibt also noch andere bewohner auf diesem planeten" (sogar dann, wenn es sich um eine ganz andere ursache handelt, würde ich diesen - dann falschen - schluß ziehen). Ich würde eher annehmend und nicht ablehnend reagieren...

Okay, es scheint in der Tat so zu sein, daß Depressive feinere Antennen und mehr Verständnis für Macken des Gegenübers haben. Dennoch halte ich es für wichtig, akzeptieren und verstehen zu können, daß 'Gesunde' eben irritiert reagieren, wenn sie sich mit einer Eigenart konfrontiert sehen, die für sie befremdlich ist. Somit werbe ich für Empathie für Gesunde.

Doch, das mit der empathie haut bei mir noch einigermaßen hin. Daher erkenne ich ja nur zu gut, daß jemand wie ich nicht gerade gut ankommt. Die ablehnung (z.b.) verstehe ich schon ganz gut - auch, wenn ich wie erwähnt nicht so reagieren würde. Doch das heißt ja nichts für den "gegenkanal" in der kommunikation: da stoße ich nur allzu häufig auf wenig verständnis und "gegenliebe".

Hmm, Empathie bedeutet für mich eben auch, sich auf das Gegenüber einzuschwingen; sprich, ich nehme mich selbst und mein depressives Wesen nicht mehr so wichtig; ich nehme die seelische Schwingung und die Wahrnehmung des Gegenübers als ebenso gültig wahr wie meine eigene. Die Depression zu überwinden heißt in meinen Augen eben auch, sich selbst neu erfinden zu müssen; ich einverleibe mir also auch den Input anderer Menschen. Ich möchte eben nicht mehr krank sein; es wurde mir in den letzten Jahren sehr bewußt, daß die Depression mein Leben zerstören wird, wenn ich sie nicht stoppe. Und somit bin ich bereit, meinen negativen Vibes mit ganz krassen Maßnahmen zu Leibe zu rücken.

Aber klar, es ist teilweise wirklich hart: Meine letzte Freundin, die mich in einer stabilen Phase und zunächst eher meine lebenskompetente Seite kennenlernte, machte am selben Tage Schluß, als sie erfuhr, daß ich dazu neige, depressiv zu sein. Aber kurze Zeit später war ich eigentlich froh darüber, sie loszusein.

Klaro; nur schreibt von denen offenbar auch keine zurück - vielleicht suchen diese dann ganz besonders nach einem "starken und gesunden" partner...

Hmm, ich würde sagen, das kommt darauf an, was Du ihnen schreibst. Aber klar, viele depressive Menschen wollen wohl gerettet werden. Das funktioniert leider nicht; auch aus diesem Grunde halte ich von solchen Frauen mittlerweile Abstand.

In meinen Postings klingt ein darwinistisches Prinzip durch, das ist mir klar. Jedoch fand ich bisher eben keinen anderen Weg als den, mich diesen Gesetzmäßigkeiten (so es denn welche sind) zu beugen. Ich hab' während meiner Mitgliedschaft in einer Singlebörse eigentlich gute Erfahrungen gemacht – vor allem in der Zeit, in der es mir gut ging und in der ich keine größere Erwartungshaltung hatte. Wenn ich mein melancholisches Wesen allzudeutlich durchklingen ließ, wurde es jedoch stiller in meinem Postfach.
Frauen (wie auch Männer) reagieren meiner Ansicht nach auf Erwartungshaltung und fehlgeleitete Emotionalität höchstallergisch; insofern ist der Approach, sich dort Rettung zu erhoffen, sicherlich wenig erfolgversprechend. Und ich verstehe die Frauen: in den Singlebörsen hängen soviele verzweifelte, sabbernde und leidende Männer rum; das würde mir auch auf den Zeiger gehen, wenn ich 'ne Frau wäre – schreibe ich als unter Liebeslosigkeit (nicht Beziehungslosigkeit) leidender Mann.

Und um keinen falschen Eindruck zu erwecken: ich leide durchaus sehr darunter, daß in Bezug auf Liebesbeziehungen irgendwas an mir total fehlgepolt zu sein scheint – das führt dann auch immer wieder dazu, daß ich (mit fatalen Folgen) temporär arbeitsunfähig werde, weil mich mein Leben dann einfach so tierisch ankotzt und ich mich jeder Leistungsanforderung verweigere.


Lieber Gruß,
Chimera
Inkognito

Re: Teufelskreis

Beitrag von Inkognito »

Odysseus24
Beiträge: 40
Registriert: 7. Mär 2008, 21:00

Re: Teufelskreis

Beitrag von Odysseus24 »

@TearsforFears
Bei mir sind eher die 1:1 situationen problematisch; in gruppen fallen meine "absencen" nicht unbedingt so unangenehm auf. Würde aber gern mit Dir tauschen


@Lt. Cable
Ja, das mit der maske kenne ich auch; ich verberge mich gern hinter einer "distanzierten coolness" und lasse kaum noch 'was zu. Wirkt dann oft arrogant. Das ist allerdings eher die folge des ganzen teufelskreises; ein reiner "schutzreflex".
In nicht wenigen blicken durchaus attraktiver Damen kann ich auch ein gewisses anfängliches interesse erkennen. Im gespräch - wenn es mir denn gut genug geht, daß ich überhaupt ein solches eingehe (was leider selten genug vorkommt) - verfliegt diese anfängliche sympathie dann aber zusehends. Selbst dann reicht's einfach nicht.


@lino70
Versteh' schon, nach Rio Reiser "halt Dich an Deiner liebe fest". Versuche ich ja auch immer wieder. Doch die leere bleibt hartnäckig...


@Mauzi und Schokofreak
Habe gerade zwei selbsthilfegruppen kennengelernt. War schon ziemlich verwirrend, wie vielgestaltig depression sein kann. Mit mühe konnten einige mit meinem problem-kreis etwas anfangen; andere waren eher depressiv weil sie in ihrer partnerschaft probleme ohne ende hatten.

Es hilft uns jetzt zwar nicht viel weiter, aber die selbstsicheren haben wohl seit jeher genügend feedback bekommen, so daß sie ein positives selbstbild entwickeln konnten (sagen jedenfalls diverse theorien). Es soll aber auch leute geben, die trotz vieler negativer erfahrungen aus diesem teufelskreis ausgebrochen sind (sagt mein psychiater - aber wie, sagt er nicht). Vielleicht ist es ja ein erster schritt, in dieses forum gekommen zu sein...


@Chimera
>sich auf das Gegenüber einzuschwingen
Depression heißt bei mir leider auch, daß sich ein gewisser schwingungsverlust einstellt. Mal kann ich mitlachen, oft staune ich auch nur noch über das lachen der anderen. Aber wichtig werde ich mich auch weiterhin nehmen - mit "positiven" wie auch "negativen" empfindungen...

Ich weiß nicht, inwieweit ich eine art "rettung" von anderen erwarte - eher eine art positive resonanz auf das, was und wie ich bin. Ich hatte auch schon kontakte in singleborsen, jedoch nur solange ich "den starken" spielte. Das ist jedoch verlogen, anstrengend und am ende auch eine sackgasse - soviel habe ich bisher verstanden...



Danke bis hier für Euren zuspruch und Eure unterstützung; werde jetzt mal ein paar weniger "kranke" anteile abrufen und in meine lieblingskneipe billarden gehen. Mit einem funken hoffnung, aber genügend realismus um zu wissen: da wird auch heute nicht viel passieren...
(also bis später)

Harry Haller


Liebe Grüße

Harry Haller



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(Richard Wright)
rm
Beiträge: 2209
Registriert: 5. Nov 2006, 15:46

Re: Teufelskreis

Beitrag von rm »

Hallo Harry und @ all,

Möchte nur kurz sagen:
Finde Euer Thema hier supergut und kann mich in vielen Situationen wiederfinden. Danke dafür.

Herzlichen Gruß,
Reinhart
Guinevere
Beiträge: 4779
Registriert: 8. Nov 2007, 22:08

Re: Teufelskreis

Beitrag von Guinevere »

An Reinhard find das Thema auch recht interessant *zwinker*

Hallo Harry,

>Mit einem funken hoffnung, aber genügend realismus um zu wissen: da wird auch heute nicht viel passieren...

jo, kenn ich auch noch (bin zwar auch nicht so unbedingt "gesund" - ich weiß es ehrlich gesagt nicht), aber die Einsamkeit konnte ich dadurch schon immer schlecht vertreiben, wenn ich mit derartigen Erwartungen aus ging, dass was passieren muss. Sie wurde mir dadurch eigentlich eher verschärft bewusst.

"Positive Resonanz" auf das wie man ist, ja, irgendwie ganz zu gut , solange man sein Selbstbild nicht danach aufbaut und davon abhängig macht. Andererseits kann einem negative Resonanz dadurch auch sehr viel anhaben.

Das mit den Single-börsen... kenn speziell sowas zwar weniger, nur - wohl auch wegen des Kontakthaltens to my lil sistas - party-online-communities - ist ja dem oft stark ähnlich ..."verlogen"... ich würde mal sagen eher unecht und zu virituell . Da entstehen meiner Meinung nach in der Phantasie oft zu viele falsche Vorstellungen, denen man dann sehr schwer gerecht werden kann...

Lieben Gruß, wieder in Beobachtungsposition gehe...
manu
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Teufelskreis

Beitrag von kormoran »

hallo harry,
hallo ihr,

noch eine.

das soziale interagieren ist so überhaupt nicht automatisiert bei mir, dass es sehr anstrengt. es fängt damit an dass ich nicht bei mir bin und es mit der selbstliebe noch etwas hapert (wird aber), und setzt sich damit fort, dass ich andere menschen offenbar total schlecht einschätzen kann und außerdem äußerst schlecht im grenzenziehen bin. lasse viel zu nah an mich heran, fühle mich in die ecke gedrängt, gebe zu viel preis, dafür gibt es postwendend immer eins auf die nase. distanz wird als arroganz interpretiert und ich finde einfach keine gemeinsame sprache. muss immer so viel interpretieren und finde laufend was, das jemand so oder so gemeint haben könnte...

ich bin abgetrennt, ein alien, so stellt es sich mir dar. alle andern haben das im programm, bei mir ist das nicht installiert. in passenden umgebungen aber habe ich es auch schon ganz anders erlebt. nur dass ich immer wieder merke, so richtig anschluss finde ich dann doch nicht: weil irgendwo bei mir sehr bald wieder der punkt erreicht ist, wo ich müde bin, wieder mal eine weile allein sein muss, während die andern gemeinsam weiter ziehen. ich bin insofern einsam, als ich mir einige wenige sehr verbindliche kontakte wünsche und da will ich auch wirklich gesehen werden, und dass sich diese anderen mir auch zeigen. ich bin insofern nicht einsam, als ich gerne, zu gerne, alleine bin.

dabei bin ich (liebes)beziehungsfähig. auch bewege ich mich in eher anonymen situationen recht selbstsicher, schlimm wird es vor allem da, wo ich das gefühl habe: ha! jetzt bist du als opfer enttarnt. jetzt haben sie dich entdeckt und sehen gleich was du für ein schwaches unsicheres wesen bist, wie defizitär.

wahrscheinlich würde das wieder besser, wenn mir permanent gelänge, ganz bei mir zu sein und mich nicht aus mir selbst zurückzuziehen. (flora hat in einem anderen thread einmal sehr plastisch ausgedrückt, dass ja auch schlechte gefühle sich gerade in jenen raum hinein aufblasen, den wir selbst nicht füllen!)

harry, zu deinen fragen: ich habe den eindruck, dass depressives verhalten beim gegenüber eher aggression auslöst. und ich würde sagen, im wirklich depressiven zustand ist mensch halt wirklich auch selbst nicht gut in der lage, kontakt zu knüpfen, eine beziehung einzugehen - ist man doch sich selbst keine heimat.

ich hätte also deinen frage auch eher so in richtung (selbsthilfe)gruppe beantwortet. kontakte, die dich unterstützen, dich selbst zu mögen und stark zu fühlen, fremd- und selbstbild abzugleichen! der rest kommt nach.

@chimera: respekt. "lernen, wie gesunde menschen ticken". alleine der gedanke was das für ein lernprogramm und dauerbelastung wäre, löst in mir tonnenschwere erschöpfung aus. wie hast du dich dazu gebracht das zu wollen?

zu viel text, und gesagt hab ich euch nix, oder. sorry.
ratlose grüße
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Teufelskreis

Beitrag von kormoran »

hallo harry nochmal,

ich bin ja an deinen beiden nicks hängengeblieben...

dachte mir, eigentlich recht unterschiedliche kerle. der odysseus ist mir sympathischer...

deshalb ganz frech und aus heiterem himmel eine buchempfehlung:

"eine ganz gewöhnliche ehe" von inge merkel
(die geschichte von odysseus und penelope, nacherzählt, großartig, humorvoll, witzig, von menschenkenntnis und -liebe erfüllt; auch wenn ich mit einzelnen eingeflochtenen schlussfolgerungen der autorin als gscheite frau=feministin nicht ganz mitkann)

aber jetzt:
gute nacht
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Guinevere
Beiträge: 4779
Registriert: 8. Nov 2007, 22:08

Re: Teufelskreis

Beitrag von Guinevere »

Ich auch nochmal - hallo Ihr

Eine meiner Schwester war gestern zu Besuch hier und da hab mer doch sehr erfreut festgestellt (es grenzt ja schon an ein Wunder) , dass sich der Maxl, ein guter Bekannter jetzt doch so ganz unerwartet (ist bereits vierzig und hatte vorher aufgrund von vorgeschobenem Interessens- und Zeitmangel nie eine männlich/weiblich Beziehung), jetzt so wirklich gaaanz zufällig (s´Universum hatte ihm das wohl vorgesehn ) die Passende gefunden hat...

@ Kormoranin , also mir hast schon was gsagt Chimera schreibt guad goi ?! - "lernen, wie gesunde Menschen ticken" - bei manchen weiß ich nicht, ob ich das auch will - und ob die denn wirklich sooo gesund sind

Nen netten Abend,
manu
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Tach auch,

bin gerade etwas durch und kann somit nicht so pralle gut schreiben.

Harry, ich hab' ein Problem damit, mich festlegen zu wollen, was denn nun authentisch ist und was nicht; schließlich haben wir alle unsere starken und unsere schwachen Schemata. Authentizität und Fassade lassen sich imho nicht deutlich voneinander abgrenzen; wir sind imho beides, das eine ebenso wie das andere. Das Leben und wir selbst sind imho eine Als-ob-Simulation; der Zustand der Depression imho eine Art Dystrance. Inwiefern sind beispielsweise die tiefen Angstzustände, die ich ab und an ohne äußeren Anlaß erlebe, authentisch? Sie sind Ausdruck meines emotionalen Gedächtnisses, aber sie beschreiben nicht eine Realität.

Aber wichtig werde ich mich auch weiterhin nehmen - mit "positiven" wie auch "negativen" empfindungen...

Das sollst Du auch... Dennoch sind depressive Menschen nach meinem Empfinden auch immer Menschen mit narzißtischen Zügen, dergestalt daß sie ihrer Weltbetrachtung einen höheren Realitätsgehalt beimessen als der Weltbetrachtung der anderen. Beziehungen sind immer ein gegenseitiges Geschehen; es ist unmöglich, positive Resonanz zu erzeugen bei Menschen, deren Weltwahrnehmung eben grundlegend anders ist.

Ich weiß nicht, inwieweit ich eine art "rettung" von anderen erwarte - eher eine art positive resonanz auf das, was und wie ich bin.

Find ich gut. Solltest Du in der Lage sein, diese positive Resonanz tatsächlich zu erwarten, würde das aber doch bedeuten, daß Du Dich nicht für Dich schämst, Dir nicht peinlich bist? Ich stelle diese Frage, weil Du ja weiter oben von diesen Gefühlen berichtetest. Positive Resonanz erhalten wir aber nur von den Menschen, die eben auch mit depressiven Gefühlen was anfangen können; insofern finde ich Deine Frage nach einer Depressiven-Singlebörse durchaus okay. Ich persönlich hatte jedoch noch nie nach einer solchen ernsthaft Ausschau gehalten, weiß also nicht, ob es sowas gibt. Da ich aber nicht so ein richtiger Depri (was auch immer das sein möge) bin, hab' ich allerdings auch kein Interesse daran – und, wie weiter oben treffend beschrieben, die Störungsbilder unterscheiden sich so kraß voneinander, daß ich persönlich mich unter Depris nicht zwangsläufig wohler fühler als unter Nicht-Depris. Wenn ich mich schlecht fühle, fühle ich mich einfach schlecht, daran kann dann per se auch eine Frau nichts ändern; ich war übrigens auch in Beziehungen depressiv.

Ich hatte auch schon kontakte in singleborsen, jedoch nur solange ich "den starken" spielte. Das ist jedoch verlogen, anstrengend und am ende auch eine sackgasse - soviel habe ich bisher verstanden...

Weiß nicht. Wer behutsam (!) seine Maske fallen läßt, kann durchaus beim Gegenüber bewirken, daß es selbiges auch tut. Ich hatte zum Beispiel (auch in 'meiner' Singlebörse) ein Mädel kennengelernt, das zu Anfang ultra-narzißtisch und pseudo-megalebensfreudig tönte, dann aber nach einiger Zeit total zusammenbrach und sich als überhaupt nicht seelisch intakt outete.

Sorry, ich will niemanden zutexten; ich suche eben gerade auch nach Erklärungen und nach »der Wahrheit« – wahrscheinlich da ich vor kurzem (im Real Life) ein Mädel kennenlernte, in das ich mich verlieben könnte, von dem ich mich nicht abgelehnt fühle und zu dem ich auch auf einer spirituellen Ebene einen super-guten Zugang habe. Aber ich antizipiere, daß ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Kraft und die Möglichkeiten habe, ihrer Lebensfreude zu entsprechen; ich würde mich also selbst dann schlecht fühlen, wenn sie näheres Interesse an mir hätte. Ich hab' die Power für solche Frauen nicht; die sollen mir nicht immer zufällig über den Weg laufen und mich triggern.

[Edit]
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Hey Kormoranin,

lieben Dank für Dein Posting; ich kann alles total gut nachvollziehen und -empfinden, was Du schreibst.

Und Du hast es perfekt erkannt: es ist ein krasses Lernprogramm und eine krasse Dauerbelastung und löst zuweilen tatsächlich tonnenschwere Erschöpfung aus. Aber ich hab' eben noch immer den maybe infantilen aber niemals kleinzukriegenden Wunsch, in diesem Leben noch gesund und glücklich zu werden; ich würde mich niemals damit abfinden, krank zu bleiben. Was mich dazu bringt, das zu wollen, ist mein unbeugsamer, kompromißloser Lebenswille; der war bei mir schon immer recht heftig ausgeprägt.

Den Vergleich mit einer salient Structure, den Flora damals anstellte, beschreibt imho sehr gut, wie wir uns ob beeindruckender Gefühle selbstvergessen, und wie die Gefühle, die wir pflegen und mittels des Fokusses unserer Aufmerksamkeit wachsen lassen, vorherrschend werden. Ich schaffe es mittlerweile recht häufig, auf aufkommende Negativgefühle nicht mehr mit Resonanz zu reagieren; sie verschwinden dann auch recht schnell wieder. Gefühle können nur dann existieren, wenn wir ihrer Existenz einen Wahrheitsgehalt zusprechen; sie benötigen imho eine kognitive Absegnung.

Aber so richtig zufrieden macht mich das nicht; mein Ziel, psychisch wieder komplett wach und energiegeladen zu sein, erreiche ich damit (noch) nicht – und weil mich das nervt, lasse ich mich gelegentlich fallen, in der Hoffnung, der Fall möge mich dazu bringen, komplett zu erwachen – keine Ahnung, ob es nachvollziehbar ist, was ich damit sagen möchte; vielleicht mach' ich auch einen Denk- oder Fühlfehler.


Viele Grüße,
Chimera
Odysseus24
Beiträge: 40
Registriert: 7. Mär 2008, 21:00

Re: Teufelskreis

Beitrag von Odysseus24 »

So, bin wieder zuhause und lese gerade Eure stellungnahmen - danke hierfür.


@Maria
Schade, daß Du Deinen beitrag gelöscht hast. Danke trotzdem dafür. Falls es Dich irgendwie verletzt hat, daß ich nicht explizit 'was dazu geschrieben habe, so tut es mir wirklich leid. Es hat mich jedenfalls gefreut, ihn lesen zu dürfen...


@Chimera
Klar gibt es immer grenzfälle bzw. fälle, in denen sich beides mischt. Die reinen fälle sind wohl eher ideale; die "polaren grenzwerte" (?tolle beschreibung, wa?). Ähnlich wie tag und nacht - die sonne steht ja auch nicht nur entweder im zenit oder im nadir. Meistens befindet sie sich zwischen diesen polen, so daß immer von beiden 'was im spiel ist. Man kann sich also nur mehr oder weniger echt oder falsch fühlen - 100% vom einen oder anderen erreicht man selten (es ist vermutlich sogar noch etwas komplizierter - wie mit Yin und Yang: im Yin ist notwendig auch Yang enthalten und umgekehrt)...

> Dennoch sind depressive Menschen nach meinem Empfinden auch immer Menschen mit narzißtischen Zügen, dergestalt daß sie ihrer Weltbetrachtung einen höheren Realitätsgehalt beimessen als der Weltbetrachtung der anderen.

Ich glaube, ein Narziß entwertet das andere aber massiv; ein depressiver sieht es vermutlich immer etwas als "unerreichbares ideal" an.

> Solltest Du in der Lage sein, diese positive Resonanz tatsächlich zu erwarten, würde das aber doch bedeuten, daß Du Dich nicht für Dich schämst, Dir nicht peinlich bist? Ich stelle diese Frage, weil Du ja weiter oben von diesen Gefühlen berichtetest.

Ich sehe darin keinen echten widerspruch: ich schäme mich einerseits und wünsche mir zudem, ich bräuchte es nicht, weil ich so angenommen würde, wie ich nunmal bin. Scham heißt imho: man wünscht sich entweder selbst weg oder aber zumindest das schamgefühl bzw. die ursache hierfür.

> Weiß nicht. Wer behutsam (!) seine Maske fallen läßt, kann durchaus beim Gegenüber bewirken, daß es selbiges auch tut.

Okay, wenn Du solange Deine maske aufbehalten kannst... Ich kann es nicht mehr; mir fehlt schlicht die kraft dazu, auch nur für mehrere minuten lebensfreude, energie und gesundheit vorzutäuschen (dieses vorgaukeln ist mitschuld an meiner überforderung/depression).


So jetzt wird aber zeit fürs bettchen...


Gruß
Harry Haller


Liebe Grüße

Harry Haller



"...in a sea of random images

the self-destructing animal

waiting for the waves to break..."



(Richard Wright)
maria45
Beiträge: 135
Registriert: 27. Mai 2005, 13:55

Re: Teufelskreis

Beitrag von maria45 »

Hallo Harry, ich war nicht verletzt, hatte einfach das Gefühl, mein Beitrag passt eigentlich nicht
richtig dazu, weil bei mir die Problematik
ja andere Gründe hat, deshalb die Löschung.

viele
Grüsse
Maria
chimera

Re: Teufelskreis

Beitrag von chimera »

Moin!

(es ist vermutlich sogar noch etwas komplizierter - wie mit Yin und Yang: im Yin ist notwendig auch Yang enthalten und umgekehrt)...

Ja, genau. Deswegen bemühe ich mich auch, dialektisch zu denken, wenngleich es aus formulierungstechnischen Gründen nicht immer ganz einfach ist, das rüberzubringen.

»Ich glaube, ein Narziß entwertet das andere aber massiv; ein depressiver sieht es vermutlich immer etwas als "unerreichbares ideal" an.

Ich erlebe es schon so, daß depressive Menschen wesentlich abwertendere Gedanken über die Welt und ihre Mitmenschen haben als eher gesunde Menschen. Zwar haben sie auch abwertende Gedanken über sich selbst, aber sie finden sich häufig vom Prinzip auch okay und nur als Opfer der Gesellschaft oder als Opfer einer Krankheit – oder sie frönen pesudomäßig dem Märtyrerdasein, um sich einbilden zu können, im Grunde doch ein Juwel, ein ganz besonderer Mensch zu sein – nur die böse Außenwelt würdigt es nicht. Auch das Versinken im Schmerz hat imho etwas narzißtisches. Bei seelisch intakten Menschen fällt mir auf, daß sie sich wesentlich stärker in der Außenwahrnehmung befinden; sie haben nach meinem Eindruck eher ein liebevolles Interesse an der Welt.

»Ich sehe darin keinen echten widerspruch: ich schäme mich einerseits und wünsche mir zudem, ich bräuchte es nicht, weil ich so angenommen würde, wie ich nunmal bin. Scham heißt imho: man wünscht sich entweder selbst weg oder aber zumindest das schamgefühl bzw. die ursache hierfür.

Okay, das verstehe ich. Da ich gelegentlich ein fettes Prob mit diversen Schamgefühlen habe, kann es sein, daß ich da was auf Dich projizierte. Ich hab' eben die Erfahrung gemacht, daß die Resonanz von Mitmenschen positiver wurde, seitdem ich meine schlechten Gefühle nicht auch noch mit Schamgefühlen überlagere. Generell denke ich, daß es [ob der Spiegelneuronen ] für ein Gegenüber eben unangenehm ist, die schlechten Gefühle eines Menschen mitfühlen zu müssen; wohl aus diesem Grunde neigt man vielleicht dazu, sich von Menschen, deren Gefühle man für sich selbst unangenehm empfindet, zu distanzieren.

»Okay, wenn Du solange Deine maske aufbehalten kannst... Ich kann es nicht mehr; mir fehlt schlicht die kraft dazu, auch nur für mehrere minuten lebensfreude, energie und gesundheit vorzutäuschen (dieses vorgaukeln ist mitschuld an meiner überforderung/depression).

Bei mir ist jedoch zumeist kein Vorgaukeln; ich habe am Umgang mit Menschen mittlerweile auch 'ne Menge Spaß, bin in den letzten Jahren sehr offen geworden und hab' meine zuvor ausufernde Egozentrik zurückgefahren. Für mich ist es heute kein Widerspruch mehr, einerseits eine Maske zu tragen, andererseits doch authentisch zu sein. So wie unsere Körper Kleider tragen, so tragen unsere Persönlichkeiten eben Masken. Es steht bei mir jedoch auch im Zusammenhang damit, daß ich mich auf die Welt wieder einlassen mußte, um wieder lebensfähig zu sein – wie könnte ich zum Beispiel arbeiten, wenn ich mich wie früher im inneren Kampf gegen kapitalistische Welten aufriebe? Das heißt, ich halte das System teilweise noch immer für Grütze, sehe aber keinen Sinn darin, mich dahingehend zu enervieren. Ich war früher eher so ein 'Hardliner' wie Du dahingehend, 'authentisch' sein zu müssen oder zu wollen; es bekam mir allerdings nicht so irre gut.


Gruß,
Chimera
Odysseus24
Beiträge: 40
Registriert: 7. Mär 2008, 21:00

Re: Teufelskreis

Beitrag von Odysseus24 »

Moin auch von mir (eigentlich schon besser "mahlzeit") !

@Chimera

Eigentlich bin ich kein hardliner, was authentizität angeht. Die maske der distanziertheit (die gelegentlich als arroganz aufgefaßt wird), kann ich ja durchaus tragen (muß ja nicht jeder gleich alles über mich wissen...).
Die der "guten laune" ist mir zu schwer, das hat jedoch lediglich etwas mit der "power" zu tun, mit der ich nicht mehr ganz so reichlich gesegnet bin. Aber nichts mit dogmatismus...

Gruß
Harry Haller


Liebe Grüße

Harry Haller



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(Richard Wright)
TearsforFears
Beiträge: 392
Registriert: 18. Jan 2008, 12:52

Re: Teufelskreis

Beitrag von TearsforFears »

Wow, der Thread hat sich ja toll entwickelt. Fast alle Postings sprechen mir aus der Seele.
@chimera: Hut ab vor Deiner Hardcore-Konfrontationstherapie.

Es ist schon interessant, dass Depri und soz. Phobien bei so vielen von uns zusammenkommen. Ich hab die meisten Beiträge zwar nur überflogen, aber eine echten Unterschied zwischen Männern und Frauen kann ich bei diesem Thema nicht ausmachen.

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber als ich in meiner Jugend eine Depression enitwickelte habe ich es mir antrainiert totale Distanz zu anderen Menschen zu halten und meine Gefühle nicht zu zeigen. Ich hatte eine riesige Angst davor, dass die anderen merken was ich doch für eine psychopathische Versagerin bin. Meine "Klassengemeinschaft" war eine ziemlich ungute Ansammlung aus Zicken, Lästermäulern, angepassten Strebern und Wichtigtuern. Einige unserer Lehrer haben ihren Frust über ihr verkorkstes Leben auch gerne an Schülern abgelassen, besonders gerne an isolierten Typen wie mir.

Mir wurde damals oft gesagt ich wäre arrogant, agressiv und dauernd schlecht gelaunt. Das einzig "positive" daran war, dass ich manchmal für meien "Stärke" gelobt wurde Dabei war ich die schwächste Person weit und breit.

Dieses erlernte Überlebensprogramm macht es mir heute noch schwer mich zu öffnen und ohne die Erwartung "die werden mich eh Scheiße finden" auf unbekannte Menschen zuzugehen. Ich habe damals auch gelernt, mich ganz gut mit Einsamkeit zu arrangieren. Trotzdem: Eine gute Beziehung und enge Freunde wünsche ich mir genauso wie andere auch.

Mit meiner Psychiaterin werde ich bei nächster Gelegenheit mal über die Möglichkeit einer Verhaltenstherapie sprechen. Langsam sollte ich mein "Überlebensprogramm" mal abschalten, glaube ich.

Grüße, Tears
Quentin
Beiträge: 202
Registriert: 16. Sep 2003, 12:24

Re: Teufelskreis

Beitrag von Quentin »

Hallo zusammen,

ich habe die meisten Beiträge zwar auch nur überflogen (tja, die Konzentrationsschwierigkeiten), aber auch ich fühle mich angesprochen. Es ist ein ewiger Teufelskreis, man ist einsam und kann die Einsamkeit nicht ertragen. Andere Menschen belasten mich auch oft. Beziehungen sind eine Katsatrophe.

Habe jetzt längere Zeit hier nicht gelesen und geschrieben, finde den Thread aber auch sehr interessant. Werde ihn mal verfolgen .

Viele Grüße

Quentin
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