Ex-Rauchen und Depression

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ichbin
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Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von ichbin »

Da der schon existierende, lange Thread zum Thema "Rauchen und Depression" ja über weite Strecken zu einer "Raucher gegen Nichtraucher-Schlacht" verkommen ist, mich aber das Thema bzw. ein möglicher Zusammenhang zwischen (Nicht-)rauchen und Depression sehr interessiert, fange ich hier ganz subjektiv nochmal von vorne an.
Ich habe vor ein paar Wochen aufgehört zu rauchen, sehr entschlossen der Abhängigkeit zu entkommen und es klappt soweit gut bis hierher. Das heisst, ich kann in Gesellschaft von Rauchern sein, ohne mich zu quälen, ich hatte keinen Rückfall, ich schlafe gut, ich leide auch sonst nicht weiter unter Entzugserscheinungen, vor alllem aber bin ich sehr froh und stolz dass ich es geschafft habe, denn ich war sehr abhängig nach über 20 Jahren Qualmerei und hatte auch überhaupt keine Vorstellung von mir selbst als Nichtraucherin. Aber, und es ist ein großes ABER: Psychisch geht es mir zunehmend schlechter. Es ging mir schon nicht besonders, als ich den Entschluss fasste aufzuhören, aber unter anderem war ich unzufrieden, dass ich soviel herumhing und nichts tat als zu rauchen, bis mir der Schädel brummte, also dachte ich, ich fange einfach mal damit an diesem Mist Einhalt zu gebieten. Klappt. Klappt gut und es ist keinesfalls so, dass ich mich mit Depressionen quäle, weil ich den ganzen Tag denke "oh Gott, wie soll ich nur jemals wieder ein Essen/geselliges Beisammensein etc. ohne zu rauchen genießen können?" Dennnoch geht es mir ziemlich mies inzwischen und ich werde den Verdacht nicht los, dass irgendein Zusammenhang besteht zwischen meinem Depressionsschub und meiner Nichtraucherkarriere. Ich bin mit meinen Gedanken schon vorsichtig, weil ich mir auf keinen Falle eine Schlußfolgerung erlauben will, die mich am Ende dazu bringt, wieder zu rauchen, weil es mir dann wenigstens psychisch besser geht und erinnere mich ständig daran, dass ich auch schwere depressive Phasen hatte in Zeiten, in den ich geraucht habe. Mein letzter richtig schlimmer Schub, der mich auch in die Klinik befördert hat, fiel allerdings auch in eine Nichtraucher-Phase!
Was mich sehr beschäftigt in diesem Zusammenhang ist die Antwort, die mir vor vielen Jahren mal meine Schwester gab auf meine Frage, warum sie eigentlich rauche? Sie überlegte eine ganze Weil und sagte dann "ich glaube ich rauche, statt zu fühlen". Damals dachte ich, die spinnt, aber jetzt denke ich immer wieder, um Himmels Willen, vielleicht ist das ja wirklich einer der Effekte von Rauchen: Man dämpft irgendwelche Empfindungen, denen man sich in voller Lebendigkeit nicht gewachsen fühlt? Und jetzt muss ich als frische Nichtraucherin nicht nur meinen Alltag neu sortieren, sondern mich auch noch Gefühlen in einem Ausmaß stellen, wie ich es seit 20 Jahren vermieden habe? Brauche ich jetzt sozusagen meine Depression als Ersatz für die Nikotin-Betäubung, die ich abgestellt habe? Im Bett bleiben und "ich- kann-nicht" zu heuelen, ist ja auch eine Vermeidungsstrategie, eine "das-Leben-vermeiden-Strategie." Nehmen wir mal an, dass ich auf der richtigen Spur bin, dann weiss ich aber jetzt wieder nicht, wo ich ansetzten kann, denn in meiner Depression ist ja auch alles wieder wie im Nebel und alles was ich merke ist, dass ich keine Kraft und keine Lust zu gar nix und ein furchtbar dünnes Fell habe, dass ich nicht aus dem Bett komme am Morgen und in der Nacht nicht hinein; aber ich komme keinen Schritt näher an das, worum es eigentlich gehten könnte.

Ich bin neugierig und hoffe sehr, dass ihr ein paar interessante Gedanken, Ideen, Methoden und Erfahrungen zum Thema beisteuern könnt, denn in real life kann ich kaum jemand finden, der meiner Depression gewachsen ist und schon gar niemand, der Lust hat meinen schrägen Gedanken zu folgen. Wie sollte man auch, als Nichtraucher und Nicht-Depressiver?
obsidiana

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von obsidiana »

Hi Maleika,

ich habe vor 7 Jahren aufgehört zu rauchen - einfach so von heute auf morgen und ich war mächtig stolz auf mich. Ich drehte selbst und bestimmt so 30 - 40 Stck.

Tja, ich machte Sport um nicht zuzunehmen und von da an gings bergab... mir gings psychisch auch zunehmend schlechter, ich hatte keinen Nikotinentzug und bis heute auch kein Bedürfnis nach einer Zigarette und Qualm in ner Kneipe macht mir auch nichts aus.

Inzwischen in der Therapie habe ich rausgefunden, daß die Zigarette eine Art imaginärer Stützpfeiler für mich war - vllt. wie für andere der Alkohol. Dieser Stützbalken hat mein Kartenhaus "zusammengehalten", ich konnte mich dran festhalten, mich umnebeln (so sehe ich das heute)

Als ich nicht mehr daran festhalten wollte haben sich verqualmte Gefühle wieder gemeldet, vom Qualm buchstäblich abgetötet... ja - und die wollen nun neu entdeckt, aufgepäppelt und gepflegt werden.

Ganz schön interessant aber auch sehr erschreckend was da alles zu Tage tritt an Gefühlen, bei mir besonders aus der Kindheit.. mit dieser Erkenntnis kann ich in der Therapie sehr gut arbeiten - aber es braucht Zeit, viel Zeit... und es tut teilweise verdammt weh diesen aufkommenden Schmerz zu zulassen und ihm "rauchfreien" Raum zu geben.

LG obsi
ichbin
Beiträge: 90
Registriert: 8. Mai 2009, 09:30

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von ichbin »

Hi obsidiana,
hab Dank für deine präzise Beschreibung, die sich sehr deckt mit dem, was ich erlebte und grad zum zweiten Mal erlebe und deine Feststellung "interessant aber auch sehr erschreckend" trifft ziemlich gut meine Gefühl. Einerseits scheint mir, dass ich dabei bin eine (persönlich) bahnbrechende Entdeckung zu machen, andererseits gehts mir ganz und gar nicht gut.
Aber du machst mir Mut - auch wenn das, was du schreibst und ich denke, ja im Prinzip bedeutet, dass ich an dem Punkt meines Lebens wieder einsetzten muss, an dem ich begonnen habe, mich zu "benebeln" um dort die Weichen anders zu stellen. Puh, wer hätte gedacht, dass ich nochmal 16 werden muss...
Und auch was die Sicht aufs Rauchen betrifft, heisst das ja, dass es eine "wichtige" Funktion hat(te) für unsereiner, eine Funktion, die weit über Nikotinabhängigkeit, Hände beschäftigen, oder Gewohnheit hinausging. Ist also die Depression wirklich ein "Ersatz" fürs rauchen, aber einer, der uns vielleicht den Weg weist zu Entwicklung statt zu ewiger selbstzerstörereischer Betäubung?
Ich versuchs und grüße dich.

(Und laufen werde ich trotzdem gegen den Speck und in der Hoffnung auf ein paar Glückshormone ab und an...!!)
912318798
Beiträge: 1590
Registriert: 28. Jul 2007, 13:39

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von 912318798 »

Grüß Euch zusammen!

Auch ich habe - vor ca 2 Jahren - von heute auf morgen aufgehört, einer sehr starken Zigarettenmarke zu frönen.

obsi's Erklärung klingt wirklich interessant, doch ich begebe mich zu den Bataillonen, die einen Zusammenhang zwischen Entrauchen und Depressionen nur mittelbar sehen.
Allerdings war mein persönliches Erlebnis so, dass ich auf Grund meiner Depressionen aufgehört habe, zu rauchen.
Den Wunsch zur Entwöhnung hatte ich schon lange, und erlebte aber die Frage nach dem "Danach" wie Maleika, nämlich als Verlust eines existenziellen Bedürfnisses.

Was für ein Schwachsinn, wenn man das bedenkt!

Vielleicht sollte man sich die Vorteile des Nichtrauchens verstärkt vor Augen halten.
Ich trage zum Schutz vor der - immer noch vorhandenen - Rückfall-Möglichkeit einfach die Angst vor einer neuerlichen und vielleicht diesmal endgültigen Bindung an die Stengel in mir.
Und auch die Angst vor den schrecklichen Konsequenzen im Falle einer Erkrankung.
(Lästigkeiten spielen eine Nebenrolle, doch helfen sie auch mit!)

Wie gesagt, finde ich obsi's Stützbalken-Theorie ganz richtig.
Wenn man eine derart schwere Veränderung herbeiführt, wie das Rauchen zu beenden, ist man gewiss anfälliger für psychische Labilitäten.

Ob Dich die Zigaretten allerdings Dein Leben lang "entgegen einer Depression gestützt" hätten, wage ich zu bezweifeln.
Gäbe es dann depressive Raucher?

Wichtig für Dich ist jetzt, durchzuhalten, so sehe ich das.
Eines Tages hast Du es geschafft, und dann bist Du froh darüber.
Zum Erreichen dieses Zieles darfst du Dir jede erdenkliche Metapher zunutze machen.

Liebe Grüße und ganz viel Kraft bei der Entwöhnung!


Jojo
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von kormoran »

hallo maleika,

achtung, hier schreibt eine nichtraucherin
(habs nie probiert, aber als kind genug passiv abgekriegt. jetzt zieh ich mir radfahrend alles mögliche andere in die lunge, das reicht)

also: ich hab vor ca einem jahr in einer radiosendung was gehört.... super vage, ich weiß. konnte es leider nicht mehr nachrecherchieren.

es ging um medikamente zur raucherentwöhnung, und dass die antidepressiv wirken. oder umgekehrt, dass man antidepressiva zur raucherentwöhnung einsetzt.

warum schreib ich was wo ich nicht genau weiß: nun, ich vermute doch dass da auch ein physiologischer trick dahinter ist. sei es nun die geschichte mit dem dopamin oder was immer.

liegt also nicht allein in der an den glimmstengel gewohnten seele - dieses wissen könnte dich evtl entlasten, bzw. könnte es ja für den übergang evtl eine medikamentöse "krücke" geben?

lg
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
Ada
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Registriert: 27. Okt 2007, 23:35

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von Ada »

Ihr Lieben,

auch mich beschäftigt das Thema schon seit längerem...rauche seit dem ich denken kann und das nicht zu knapp...bin nun 30...auch ich habe schon öfter mal versucht aufzuhören, aber wie hier beschrieben, ging es mir immer schlechter,...es lag nicht daran, dass ich jetzt so unbedingt rauchen wollte, sondern daran dass meine Stimmung total in Keller ging, ja ich alles viel intensiver spürte, nur noch hätte heulen können und mich allem nicht mehr gewachsen fühlte...es war wie der Anfang einer Depression und was tut die kleine dumme Ada? aus Angst... sie hat wieder mit Rauchen angefangen, obwohl schon, oder nur?, drei Tage geschafft waren...
auch ich denke mittlerweile, dass ich mit dem Rauchen Gefühle unterdrücke, sie verneble, um sie nicht spüren zu müssen...aber die Lösung kann doch nicht sein, weiter zu rauchen?
Ich frage mich nur, wie ich es schaffen soll unter den Umständen aufzuhören...Ads nehme ich schon. auf der anderen Seite hat mir dein Beitrag Obsi, sehr zu denken gegeben...ich mache auch gerade eine Analyse und vielleicht komme ich ohne zu rauchen besser an meine Gefühle??? Obwohl sie mir manchmal jetzt schon zu viel sind und ja, wenns mir schlecht geht, rauche ich umso mehr, habe manchmal das Gefühöl ich rauche sozusagen alles weg, oder betäube es mit dem Qualm...
Über Antworten und Anregeungen würde ich mich sehr freuen..
alles Liebe
Ada
ichbin
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Registriert: 8. Mai 2009, 09:30

Re: Ex-Rauchen und Depression

Beitrag von ichbin »

Ihr Lieben, ada bringt es auf den Punkt mit den beiden Sätzen "...ja ich alles viel intensiver spürte..." und "...und vielleicht komme ich ohne zu rauchen besser an meine Gefühle???"
Definitiv, das ist ja genau das, was du beschreibst und wie ich es auch erlebe: Wir sparen die Benebelung unserer Sinne ein und alles wird intensiver, so intensiv, dass wir nicht klar kommen. Wieder rauchen kann sicher nicht die Lösung sein; Ads nehmen bzw. die Dosis erhöhen, soll meine Lösung auch nicht sein (auch wenn das vermutlich noch gesünder ist als 30 Selbstgedrehte am Tag) Bleibt uns tatsächlich nur übrig, das was wir so Unerträgliches fühlen erstmal einfach nur auszuhalten und langsam zu versuchen unsere Kräfte in produktive Veränderungen zu investieren.
@Obsidiana: Nimmst du eigentlich Medikamente? Und stabiliseirt sich dein Gefühlshaushalt inzwischen ohne Krücken?
Ich hab Ads immer abgelehnt, weil ich auch in den furchtbar depressiven Zeiten immer dachte, wenn ich diesen Zustand jetzt mit Tabletten deckele, komme ich nie an den Kern des Problems heran. Aber geraucht habe ich eben und zwar kräftig.
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