Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Oh Thomas,

so schwere Kost noch mitten in der Nacht...

Aber Danke erstmal für Deine schnelle Antwort.

Es würde heißen, dass du auch deine Depression als zu dir gehörig zu verstehen hättest.

Ja, ich sehe dies durchaus als einen Teil von mir an bzw. als Alarmanlage meines Selbst ("kümmere dich um dich").

Du müsstest anerkennen, dass du selbst Depression bist.

Hm, das ist für mich nicht schlüssig.

Ich bestehe aus Körper UND Geist UND Seele.
Und dazu gehören auch meine Gefühle. Ich BIN aber nicht das Gefühl. Sie gehören dennoch zu mir. Ich produziere sie quasi. Und dadurch, dass ich sie annehme und wieder loslasse, können sie quasi durch mich hindurchgehen.

Das Dumme ist: ich MÖCHTE ja endlich auch die unangenehmen Seelenzustände fühlen und wahrnehmen können und nichts mehr verdrängen! Und ich glaube, damit stehen Du und ich auf zwei ganz unterschiedlichen Posten, kann das sein?

Warum sind denn negative Gefühle negativ?

Für mich gibt es keine negativen Gefühle. Dies ist eine Klassifizierung, die ich irgendwie nicht für mich annehmen kann. Es gibt angenehme und unangenehme, aber keine negativen. Dadurch bewerte ich ja die Gefühle wieder, will sie nicht haben - ich aber möchte diese endlich auch wieder zulassen können.

Negativ! Negativ = verneinend! Was wird da verneint?

Eben. Nichts. Weil ich dies nicht so bewerte. Vielleicht nicht aufgefallen, aber in meinen Postings setze ich das 'negativ' immer in Anführungszeichen (-> "negative" Gefühle).

Willst du negative Gefühle haben oder willst du sie lieber nicht haben?

Ich habe sie zu lange ausgesperrt, deshalb möchte ich sie jetzt endlich zulassen können.

Wenn du sie willst, was beklagst du deine Depression dann?

Wo beklage ich sie denn? Ich heiße sie für mich willkommen (nachzulesen in einigen meiner Postings aus den letzten Tagen).

Oder willst du nur soviel, wie du gerade noch ertragen kannst aber lieber nicht so viel davon?

Das kommt alles so, wie es kommt. Erzwingen kann ich es nicht. Ich kann mich nur öffnen. Und wenn etwas noch nicht geht, dann ist die Zeit dafür noch nicht reif.

Ich bin positiv.

Ja klar bin ich positiv
Aber ich bin auch noch positiv, wenn ich Schmerz, Traurigkeit, Wut etc. empfinde. Das muss ich nicht aus meinem Leben aussperren, um mich immer noch als positiv empfinden zu können. Im Gegenteil: das macht mich lebendig.

an den Nachtschwärmer
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hallo Otterchen,

gerne geschehn! Danke für die Rückmeldung , ähm, ich wurde verstanden *juhu* !

Hallo Horst,

>das mit der Liebe zu uns selbst klingt gut!
>Obwohl ich immernoch nicht so ganz einsehen möchte, daß nur mein geändertes Verhalten zur Besserung führen soll.
>Ich habe schon eine ganze Menge eingesehen aber das fällt mir noch ziemlich schwer, zu glauben.

Hm, ich glaub *zwinker* Liebe schließt Ängste aus, zumindest kann ich sie dann so richtig fühlen (das löst in meinem Körper ein superschönes Wohlgefühl mit prickeln unter der Haut - die Energie fließt - aus), wenn ich entspannt bin. Du hast in nem anderem Thread geschrieben:

>Aber, wie gesagt: ...nicht ganz akzeptieren.
>Immerhin bin ich ja bereit, die Depression als einen zu mir gehörenden Teil anzunehmen.
>Nur halt nicht positiv.
>Wenn ich fleißig übe, vielleicht eines Tages "neutral".

Na ja, dadurch nimmst Du sie ja schon mal an. Kommt drauf an, wieviel Ablehnung (nein) und den daraus entstehenden inneren "Kampf" Du dadurch erfährst (?) sobald sich das nicht legt, na ja - zumindest wars bei mir so - kann man diese dadurch schlechter loslassen.

Hm, die Depri als ein "Virus", möglicherweise wenn man übers Quantenbewusstsein in dieses Thema einsteigselt . Bei mir erfolgte der letztendliche Depri-Gau über ne schier unendlich lange Behandlung mit Antibiotikas über späteres gänzliches Versagens des Immunsystems, Krebs und Herzstillstand bei ner OP...
Ach ja, wie gehts Dir den mittlerweile mit den Meds (?) - die Nebenwirkungen schon nachggelassen ?

Gute Nacht allen
manu
otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Hi an alle und direkt nochmal zu Thomas (*gähn* die Nacht war viel zu kurz):

Ich will die Depression nicht loswerden - das ist nicht mein primäres Ziel, so seltsam sich das zunächst anhören mag.

Statt dessen möchte ich etwas lernen, aufdecken, bewusst machen, dazugewinnen, mich bereichern etc.
DAS ist es, was ich derzeit betreibe.

Hm, vielleicht bin ich noch nicht wach genug, um den Unterschied jetzt genau zu beschreiben (*noch einen Schluck Kaffee nehm*).
Aber ich wehre mich nicht gegen die Depression. Ich lasse sie einfach existieren. Statt dessen nehme ich sie zum Anlass, mir das zu holen, was mir fehlt.

Ich hoffe, jemand versteht mich...

Und nochmal @ Thomas:
Ich glaube immer noch, dass wir beide oft ganz unterschiedliche Wege gehen (müssen??) mit einem doch etwas anderen Ziel.

Du scheinst mir eine Art "Dauerzustand der Zufriedenheit" erreichen zu wollen, vielleicht ausgelöst durch viele Jahre, in denen in Dir nur düstere Gedanken waren, kann das sein? So zumindest empfinde ich manche Deiner Postings.
Deshalb sprichst Du von "negativen Gefühlen", gibst denen keinen Raum mehr in Deinem Selbst.

Wenn das zutrifft, stehe ich tatsächlich woanders.

Natürlich, ich glaube, in einem Punkt stimmen wir überein:
wenn solche Gedanken kommen wie "ich kriege das nie im Leben hin" und diese dann direkt ein schlechtes Gefühl nach sich ziehen wollen, dann heißt das: ich bin nicht achtsam. Ich bin nicht im Hier und Jetzt.
Und das Gefühl, was daraus entsteht, ist unnötig. Dieser Schmerz ist selbstgemacht und muss nicht sein; entstanden aus alten negativen Denkmustern (hier nehme ich bewusst das Wort 'negativ').

Was ist aber mit "wahrer Enttäuschung", "spontaner Traurigkeit"?
Beispiel: man hat sich auf einen gemeinsamen Abend gefreut, der dann abgesagt wurde.
Wie gehst DU mit so etwas um?
Ich bin froh, dass ich dann das aufkommende Gefühl so richtig spüre und weinen kann. Es tut im Moment weh, und das lasse ich raus.

Wie gehst Du mit so einer konkreten Situation um? Betrachtest Du dann achtsam Dich selbst, stellst fest, dass es Dich eigentlich nicht berührt, und bist dann wieder ausgeglichen??

Sowas stelle ich mir nämlich bei Dir vor. Täuscht mich mein Eindruck?
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
cybolon
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von cybolon »

Hallo Manu,


die Meds: Remergil (30 mg für die Nacht) lässt mich prima einschlafen.
Sertralin (100 mg morgens) macht mich immernoch etwas nervös, rastlos. Es kann aber auch die Depression selbst sein. Werde die Psychiaterin fragen.

Wenn ich manchmal höre, was die Auslöser der Depression Anderer waren (sind), dann kann ich garnicht verstehen, wieso ich eine bekommen habe. (Meine Auslöser = siehe Thread "Kann es sein, daß sich eine Depression "wehrt"?")
Krebs, Herzstillstand...
Du Arme, hast wirklich eine Hölle durchgemacht!

Liebe Grüße
vom
cybolon
cybolon
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von cybolon »

Hallo Otterchen,

"Aber ich wehre mich nicht gegen die Depression. Ich lasse sie einfach existieren. Statt dessen nehme ich sie zum Anlass, mir das zu holen, was mir fehlt.

Ich hoffe, jemand versteht mich..."

Verstehen tue ich Dich!
Ich bin nur halt noch nicht so weit, daß ich die Depression einfach existieren lassen will.
Habe die Hoffnung, sie loszuwerden immernoch nicht aufgegeben. Vielleicht ist das kindisch oder verbohrt.
Dennoch will auch ich daraus lernen, achtsamer zu werden und mir zu holen, was mir fehlt (gut gesagt, Otterchen!).
Es wäre doch wirklich zu dumm, wenn diese ganzen Qualen völlig umsonst gewesen wären und es immerwieder zum Rückfall käme.

Liebe Grüße
vom
cybolon
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Wunderschönen guten Morgen,

>Ich hoffe, jemand versteht mich...

hm, ich kann mir da im Moment nix konkretes darunter vorstellen, nur so ne Ahnung...

Bei mir wars eigentlich sehr ähnlich. Ich seh die Depri im nachhinein (wann ist es gänzlich im nachhinein ? ) betrachtet nicht als negativ, da ich dadurch sehr viel lernen durfte. Das erste, das ich in dieser gelernt hab war "Wertschätzung", Dankbarkeit, also eher die "Fülle" zu sehn, denn den "Mangel". Auch wenns in dem Fall nur ne positiver betrachtete Beziehung zu meiner Toilette war und mich an diesen Strohhalm an Licht in meinem Leben zu klammern .

Das hatte zwar auch bei den Kids in Sachen Erziehung immer ganz gut geklappt, ihnen anstatt der Schwächen, die Stärken mehr ins Bewusstsein zu rufen und diese zu fördern, hm, aber so im extremen angewandt, dafür musste ich erst mal meinen "Intellekt" davon überzeugen, dass es vernünftiger, besser für mich ist mehr auf Instinkt und vor allem meine damals verloren gegangene Intuition zu vertrauen. Das schließt auch ein bisserl mit ein mal etwas an subjektiver Wahrheit zu finden und nicht so sehr darauf herumzureiten, mit dieser nicht so recht objektiv sein zu können, sondern froh darüber zu sein, dass man diese Wahrheit anerkennt. Wahrheit schließt immer Lüge und Geheimnisse aus...

Lieben Gruß,
manu
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hallo Horst,

Na ja, wenn die Nebenwirkungen schon eher nachgelassen haben, dann ist das nach meiner Erfahrung nach schon mal ein großer Sprung den negativen Gedankenkreisel unterbrechen zu können.

>Wenn ich manchmal höre, was die Auslöser der Depression Anderer waren (sind), dann kann ich garnicht verstehen, wieso ich eine bekommen habe. (Meine Auslöser = siehe Thread "Kann es sein, daß sich eine Depression "wehrt"?")

Hm, habs gesehn, Du fragst Dich warum ausgerechnet jetzt und das wird wohl auch was von Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft haben, keine rechte Kontrolle darüber zu haben. Es selbst nicht einschätzen zu können, ein bisserl hilflos zu sein bezüglich es rechtzeitig vorhersehn zu können um was degegen zu unternehmen.

>Krebs, Herzstillstand...
>Du Arme, hast wirklich eine Hölle durchgemacht!

Hm, ich seh mich eher als reich - hab mich eigentlich dadurch gefunden, bin mit mir ins Reine gekommen und war zum ersten mal bereit - nachdem ich gezwungenermaßen mit meinen wahren Ängsten, Unsicherheit,... konfrontiert wurde - mich gänzlich ansehn musste, so wie ich nun mal bin anzunehmen. Dadurch milderten sich auch die äußeren Konflikte, die ich bis dahin stets führte . Sicherlich "therapiert" man, indem man seine Umwelt "therapieren" möchte auch immer sich selbst, aber gleichzeitig wehrt man sich dagegen, sein eigentliches Sein anzunehmen und sich daher selbst nicht lieben können. Hm, es hilft nicht das eigene Spiegelbild zu heilen, weil sich dieser dadurch nicht verändert, erst dann, wenn man sich sich selbst ändert, dann...

Hm, dadurch, dass ich mein Chaos gelöst hab, hat sich auch das Chaos im Aussen mehr gelöst. Sowas verschafft nen ungeheuren Weit- und Breitblick - man sieht dann den Wald wieder nicht nur die Bäume ... und das wiederum fühlt sich unheimlich gut und leicht an .

Lieben Gruß Dir!
manu
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hallo Horst nochmals,

>Wenn ich manchmal höre, was die Auslöser der Depression Anderer waren (sind), dann kann ich garnicht verstehen, wieso ich eine bekommen habe. (Meine Auslöser = siehe Thread "Kann es sein, daß sich eine Depression "wehrt"?").

Hm, hatte sie wohl doch noch nicht gänzlich gesehn
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hallo Otterchen, ich nochmal, war zwar an Thomas gerichtet, aber...es interessiert mich auch, das "wie gehe ich damit, mit meinen Gefühlen wie und warum um. Lasse ich sie zu, oder reicht es mir, dass ich weiß, da sie da wären. Was wiederum bewirkt das in mir, wenn ich sie gänzlich auslebe und, und und ". Ich denke, indem ich mir bewusst bin, was für Gefühle manche Situation in mir auslösen könnten, sie mir ansehe und für welches ich mich letzendlich entscheide, das holt mich schon mal aus dem Verdrängungsfaktor.

>Was ist aber mit "wahrer Enttäuschung", "spontaner Traurigkeit"?
Beispiel: man hat sich auf einen gemeinsamen Abend gefreut, der dann abgesagt wurde.
>Wie gehst DU mit so etwas um?
>Ich bin froh, dass ich dann das aufkommende Gefühl so richtig spüre und weinen kann. Es tut im Moment weh, und das lasse ich raus.

>Wie gehst Du mit so einer konkreten Situation um? Betrachtest Du dann achtsam Dich selbst, stellst fest, dass es Dich eigentlich nicht berührt, und bist dann wieder ausgeglichen??

Na ja , wie erklär ich Dir das jetzt *grübel*..."irgendwann", nachdem ich begonnen hatte meine Mudras - mit den Mantras, Visualisationen und Affirmationen dazu - zu halten - man soll ja versuchen diese stark zu gefühlsschwängern , seine ganzen Gefühle da hinein legen - ist mir der Unterschied bewusst geworden. Lass ich mich heut mal gehen und schwängere meine negativen Gedanken mit den dazugehörigen Gefühlen (obwohl ja Trauer, Wut, ... nicht immer negativ sind, nämlich dann, vorrausgesetzt man setzt sie konstruktiv ein), dann muss ich mir halt dann wieder positivere Gedanken dazu finden und diese dagegen halten, auch damit sich Dankbarkeit, Selbstsicherheit, in Liebe sein und gehn lassen etc. für mich leben lassen, indem sich meine Gehirnstrukturen dazu dementsprechend verändern können. Es ist auch einfach nicht recht heilsam, wirkt sich negativ aufs Herz-Kreislauf System aus, fördert Schlafprobleme und dem Immunsystem ists auch nicht recht förderlich...

Die Gertrud Hischi hat z.B. da ein superschönes Mudra, sie nennts Hakini-Mudra unter Einbezug der Kinesiologie, Akupressur entworfen...

Lieben Gruß,
manu
deary
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von deary »

Hallo @otterchen, Thomas, Manu & all!

Das mit den "negativen" Gefühlen,.... ich denke, die Gefühle wie zb Trauer sind überlebenswichtig. ZB sind sie eminent wichtig, um unser soziales Geflecht ( ohne das wir nicht überleben könnten) aufrecht zu erhalten, zu stützen,...
Aber auch für andere Situationen ist zb. Trauer wichtig.

Wir binden uns an Menschen. Heute würden wir sagen " aus Liebe."
Bei den Urzeitmenschen hätte man vielleicht gesagt: Damit der eine jagen kann, während der andere sammelt.
Gleich geblieben ist wahrscheinlich:
Wir empfinden einen Verlust des geliebten Wesens ( durch Tod oder Verlassenwerden) als Schmerz und negatives Gefühl wie Trauer oder Liebeskummer...Hätten wir diese Gefühle nicht, wie sähe ein Bindungsmuster dann aus?
Lezteres ist aus heutiger Sicht gesprochen.


Die Urzeitmenschen empfanden womöglich Trauer, wenn abends jemand ihr Mammut, das sie gejagt haben, vor der Höhle weggeklaut hat.
Also schlossen sie daraus, es besser in die Höhle zu legen. ( ein besseres Beispiel fiel mir gerade nicht ein).
Und fortan handelten sie effektiver, effizienter.
Heute empfindet jemand vielleicht eine solche Trauer auch, wenn er etwas- vielleicht auch Materielles- verliert. (Zb mag es ebenso ein Gefühl von Trauer sein, abends nach Hause zu kommen, und sein Haus abgebrannt zu finden.)

Ich meine damit nur, dass ich Trauer nicht für einen evolutionstechnischen Fehler halte!
Es ist ein Gefühl, was in uns Menschen drin ist, und uns wie alle Gefühle einfach helfen soll, besser zu überleben.
( ich habe mir jetzt mal die Trauer rausgepickt, ähnliches gilt aber auch für die anderen "negativen" Gefühle.)

Das Leben beginnt mit Geburtsschmerz und endet auch meist mit Schmerzen.( und mit heftigen negativen Gefühlen der Angehörigen wie Trauer)


Zurück ins Hier und Jetzt:
Thomas´ Äußerungen erscheinen mir ganz gemäß unserem Zeitgeist: Negative Gefühle SIND NICHT mehr hip...

Wir leben in einer Zeit, in der ansonsten gesunden Menschen Antidepressiva verschrieben werden, nur um ihre Leistung zu steigern.

Und wir leben in einer Zeit, in der nach einem Flugzeugabsturz neben warmen Decken und Tee ganz selbstverständlich auch bunte Antidepressiva ausgegeben werden ... damit man die negativen Gefühle nicht mehr spürt.
( schöne neue Welt )
( man kann sich leicht vorstellen, dass immer mehr und mehr solcher "Einsatzgebiete" aufgetan werden, was also, wenn wenn wir nach dem Tod eines geliebten Menschen einfach eine Pille einwerfen, und statt die Trauer in der heute "üblichen " Zeit zu verarbeiten, dauert die Trauer nur bspweise 1 sekunde, usw. usf. wie sähe unsere Welt dann aus????)



Ich persönlich denke, dass dieser Trend nicht mehr aufzuhalten ist.
Die Menschen haben diese Medikamente , also nutzen sie sie. Wie fragwürdig ihr Einsatz auch immer sein mag. (ich denke, der Einsatz von Antidepressiva sollte der Behandlung von Depression vorbehalten sein, aber ich weiß, dass dem NICHT so ist)

Ich persönlich möchte in einer Welt , die ihre negativen Emotionen derart ausschaltet eigentlich nicht leben, denke aber ,dass erst unsere Nachkommen so richtig damit konfrontiert werden, und unserer Generation das erspart bleibt. ( gottseidank wie ich finde)

Das heißt NICHT, dass ich meine Depression als zu mir gehörig empfinde.
Ganz im Gegenteil.
Ein Leben in Eigenverantwortung und Glück erscheint mir allemal erstrebenswerter als die Hölle der Depression.
( der ich ehrlichgesagt einfach nur entfliehen möchte)

Depressive Gefühle sind krankmachende negative Gefühle, auf die ich gerne verzichten kann. Sie helfen mir nicht, sondern zerstören mein Lebensglück.

Aber die "negativen" Emotionen wie Wut , Trauer, Zorn, Neid , die möchte ich behalten,
ich denke da wie Otterchen: ( )
Sie gehören zu mir, weil ich ein Mensch bin.
Außerdem sind diese Emotionen wie zb Wut wie auch Manu schreibt, überaus konstruktiv nutzbar. Es gibt "gesunde Wut."

Die genannten Emotionen entsprechen menschlichem Empfinden in ihrer ganz großartigen Bandbreite.

Insofern mag es zwar dem Zeitgeist entsprechen, dass "negative" Gefühle nicht da zu sein haben, ich bin kein Fan davon.

Aber neu ist das alles ja auch nicht:

Vielleicht fühlt sich Thomas ja einfach der Schule der Hedonisten oder einer ähnlichen verbunden...

Insofern vielleicht auch eine Frage des persönlichen Geschmacks:

Denn wie sagt Eugen Roth so treffend:

"Ein Mensch sieht ein - und das ist Wichtig:
Nichts ist ganz falsch und nichts ganz richtig!"

Grüße
deary
hey
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von hey »

Hallo Deary, hallo ihr anderen,

ich glaube wie du, dass in unserer Gesellschaft anscheinend nur noch fun zählt. Auch gewinnt man den Eindruck, dass es für jedes Problem die richtige Pille gibt und man ist wieder glücklich.

Zu unserem Leben gehören Gefühle, die wir als positiv oder negativ empfinden. Mit den sogenannten positiven Gefühlen haben wir keine Schwierigkeiten. Sie ermöglichen uns, Glück zu empfinden, Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen zu entwickeln.
Bei den sogenannten negativen Gefühlen sieht es da aber anders aus. Eine Möglichkeit ist es, diese Gefühle zu verdrängen. Ich glaube nicht, dass man sie einfach durch positive Gefühle ersetzen kann. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, sich mit diesen Gefühlen auseinanderzusetzen. Dabei geht es dann darum, diese Gefühle zu verarbeiten (nicht umsonst sagt man einem Menschen, der einen lieben Angehörigen verloren hat, er solle Trauerarbeit leisten). Die Verarbeitung von negativen Gefühlen ist ein prozesshaftes Geschehen, das uns nach und nach ermöglicht, das negative Gefühl in unsere Persönlichkeit zu integrieren.
Meiner Meinung nach entstehen Depressionen auch deshalb, weil wir diesen Prozess nicht zulassen wollen oder nicht zulassen können, aus welchen Gründen auch immer.

Liebe Grüße Heiner
Guinevere
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hey Deary und allen,

>Ich persönlich möchte in einer Welt , die ihre negativen Emotionen derart ausschaltet eigentlich nicht leben, denke aber ,dass erst unsere Nachkommen so richtig damit konfrontiert werden, und unserer Generation das erspart bleibt. ( gottseidank wie ich finde).

Ich weiß nicht, ob das unserer Generation erspart bleibt (?). Kelly Bryson z.B. meint in seinen Buch "Sei nicht nett, sei echt" , dass er in seiner Arbeit als Psychotherapeut festgestellt habe, dass Klienten, die richtig "nette Eltern" oder "streng religiöse Eltern" (im Gegensatz zu spirituellen Eltern ) hatten oft unter den hartnäckigsten chronischen, wenn auch eher unterschwelligen Depressionen litten. Solche Menschen würden nur schwer Zugang zu ihren negativen Gefühlen (ihren Eltern gegenüber und auch allgemein) finden und vermögen dadurch dies schwer auszudrücken.

Nun, das Problem hatte ich nie , keinen Zugang zu meinen negativen Gefühlen zu finden (lediglich im richtigen ausdrücken), und ich bin dankbar für jeden Menschen, der mein "Monster", meinen Schmerzkörper (er lebt noch) ausgehalten hat, und noch aushält.
Das gibt einem ein Gefühl des Vertrauens, sich zeigen könnens und des angenommen seins, der Selbstachtung, der Selbstsicherheit und bewahrt einem dadurch vor allem vor der Angst dem anderen gegenüber zu treten, so wie man ist, einfach ehrlich zu sein. Trotzdem hab ichs lieber in Liebe, Freude und Frieden , einfach, weil das Zustände des "reinen Seins" sind. Also, mir fehlt mein Neid und der Frust, Ärger dazu sicherlich nicht , wenn mir was fehlen würde, dann wäre das das Gefühl tiefe Trauer empfinden zu können. Wut, um meine Grenzen zu setzen,...

Lieben Gruss,
manu
Clown
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Clown »

Hallo Otterchen,

ich finde deinen Diskurs mit Thomas ganz spannend und habe ein paar (vielleicht zu?) neugierige Fragen:

«Das Dumme ist: ich MÖCHTE ja endlich auch die unangenehmen Seelenzustände fühlen und wahrnehmen können»

Heißt das, du kannst das gar nicht? Und du vermutest, etwas ist da, das du aber nicht richtig zu fassen kriegst?

Und wie geht es dir, wenn du meinst die unangenehmen Seelenzustände nicht zu fühlen - was fühlst du dann eigentlich?

Entschuldigung, falls ich zu neugierig bin!

Grüße,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
tomroerich
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von tomroerich »

Hallo Otterchen,

Ich will die Depression nicht loswerden - das ist nicht mein primäres Ziel, so seltsam sich das zunächst anhören mag.

Statt dessen möchte ich etwas lernen, aufdecken, bewusst machen, dazugewinnen, mich bereichern etc.
DAS ist es, was ich derzeit betreibe.

Ja, ich kann mir glaube ich ganz gut vorstellen, wo du stehst. Die Depression hat bei dir auch eine Tür geöffnet und (vielleicht zum ersten Mal in deinem Leben?) findest du interessant, was so drinsteckt im Otterchen. Stimmt das so?

War bei mir übrigens genau so, wie ich es jetzt von dir vermute. Ich sage ja auch heute, dass ich meiner Depri dankbar bin.

Und nochmal @ Thomas:
Ich glaube immer noch, dass wir beide oft ganz unterschiedliche Wege gehen (müssen??) mit einem doch etwas anderen Ziel.

Du scheinst mir eine Art "Dauerzustand der Zufriedenheit" erreichen zu wollen, vielleicht ausgelöst durch viele Jahre, in denen in Dir nur düstere Gedanken waren, kann das sein? So zumindest empfinde ich manche Deiner Postings.
Deshalb sprichst Du von "negativen Gefühlen", gibst denen keinen Raum mehr in Deinem Selbst.

Wenn das zutrifft, stehe ich tatsächlich woanders.

Ich könnte nicht einmal sagen, was mein Ziel ist. Ich will mich entwickeln, will mich ausschöpfen, wachsen. Ich würde es nicht einen Dauerzustand der Zufriedenheit nennen, weil das sehr nach gemütlicher Passivität klingt, nach Karibik und leichtem Leben. Das ist nicht mein Wunsch. Ich spüre mein Potenzial und will es freilegen. Ich kann mich immer mehr selbst akzeptieren und mit diesem Akzeptieren komme ich mehr und mehr an das Potenzial. Es scheint nur dadurch frei zu werden, dass man es interessiert und liebevoll ansieht. Negative Gefühle sind ein Angriff auf mich selbst und oft auch noch auf andere. Sie fühlen sich schlecht an, warum sollte ich sie wollen?

Wie du habe ich natürlich damit begonnen, erst mal Bestandsaufnahme zu machen nach dem Motto: "Mal sehn, was wir hier alles so haben". Das ist gut, nichts davon muss verworfen werden, alles darf ja da sein. Ob negativ oder positiv - erst mal sehn, was da ist. Nur im Laufe der Zeit habe ich begriffen, dass ich mich selbst angreife, wenn ich mich ärgere, etwas betrauere was nicht mehr geändert werden kann, wenn ich sauer bin, Vorwürfe mache, mich verletzt fühle etc. Ich will mich nicht angreifen und ich will auch andere nicht angreifen. Negative Gefühle haben für mich keinen Sinn. Wobei es nicht leicht ist zu definieren, was ein neg. Gefühl überhaupt ist. Es lässt sich nicht ohne Weiteres durch seine Bezeichnung definieren sondern es ist dann negativ, wenn es mir schadet. Traurigkeit kann wunderbar sein, sie kann mir aber auch den Lebenshahn zudrehen, mich abwürgen. das gilt für viele andere Gefühle. Ich will sie nicht abschaffen! Ihre Negativität liegt in der Macht, die sie über mich haben, das ist der Punkt. Wenn sie mich beherrschen, mein Blut sauer machen, Gallensteine und Magengeschwüre verursachen, dann will ich das nicht. Neg. Gefühle haben etwas Herabziehendes dann, wenn sie sich in meinem Geist festsetzen und ihn verdunkeln. Tun sie das nicht, sind sie auch nicht negativ. Das gleiche gilt für Gedanken. Wenn sie mich quälen, dann stimmt was nicht. Ansonsten darf jeder Gedanke auftauchen, auch solche von denen man sagt, sie seien schrecklich. Aber was heißt schrecklich? Wenn sie mich nicht herabziehen, dann sind sie eben nicht schrecklich.

Es geht um MEIN Verhältnis zu Gefühlen und Gedanken und nicht darum, dass ich bestimmte davon will und andere nicht. Meine Frage ist, wann bekommt ein Gefühl die Qualität des Negativen (des Schädlichen) und wie vehindere ich das? Bestimmt nicht dadurch, dass ich sie mir verbiete, das wäre kein Weg. Ich sagte, wenn ich ganz da bin und wach, dann fülle ich den Raum aus und nicht das Gefühl. Es wird dadurch negativ, dass es mich ausfüllt. Wenn es das nicht tut, kann es mir nicht schaden - ich bleibe Herr der Situation und nicht das Gefühl, weil ich da bin und ein Gefühl HABE und nicht bin.

Und genau das ist meine Erfahrung damit: Ich kann die Negativität von Gefühlen (nicht das Gefühl selbst) durch Achtsamkeit auflösen. Wenn ich spüre, dass ich in diese Negativität gerate, dann schaue ich das neg. Gefühl sehr bewusst an. Ich sage "Hey, was ist los? Warum greifst du mich an?" Und dann geht es. Es konnte nur dadurch existieren, dass ich nicht achtsam war.

Also Fazit: Negativ ist die Qualität eines Gefühls, die mich daran leiden lässt.

@Deary

Deine Begründung, dass wir eine Beziehung ja garnicht schätzen könnten, wenn wir nicht den Schmerz vor Augen hätten, sie zu verlieren, entsetzt mich schon fast. Damit wird der Schmerz, das Leiden, zum Dreh- und Angelpunkt von allem, was wertvoll ist. Wie können wir je glücklich sein, wenn wir dem Schmerz eine solche Rolle geben?

Viele Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
deary
Beiträge: 424
Registriert: 17. Jun 2005, 13:05

Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von deary »

Hallo Thomas,

Natürlich binden wir uns hauptsächlich an Menschen, weil wir sie lieben. ( und nicht um Schmerzen zu vermeiden!)
Aber in Bindungen und anderen wichtigen
Dingen im Leben, spielen Trauer und andere negative Gefühle eine -so denke ich- über-lebenswichtige Rolle.



Ehrlichgesagt, bin ich mir nicht sicher, ob Du richtig gelesen hast, was ich schrieb:(?)


Ich schrieb:
"Das mit den "negativen" Gefühlen,.... ich denke, die Gefühle wie zb Trauer sind überlebenswichtig. ZB sind sie eminent wichtig, um unser soziales Geflecht ( ohne das wir nicht überleben könnten) aufrecht zu erhalten, zu stützen,...
Aber auch für andere Situationen ist zb. Trauer wichtig.

Wir binden uns an Menschen. Heute würden wir sagen " aus Liebe."
Bei den Urzeitmenschen hätte man vielleicht gesagt: Damit der eine jagen kann, während der andere sammelt.
Gleich geblieben ist wahrscheinlich:
Wir empfinden einen Verlust des geliebten Wesens ( durch Tod oder Verlassenwerden) als Schmerz und negatives Gefühl wie Trauer oder Liebeskummer...Hätten wir diese Gefühle nicht, wie sähe ein Bindungsmuster dann aus?
Lezteres ist aus heutiger Sicht gesprochen.


Die Urzeitmenschen empfanden womöglich Trauer, wenn abends jemand ihr Mammut, das sie gejagt haben, vor der Höhle weggeklaut hat.
Also schlossen sie daraus, es besser in die Höhle zu legen. ( ein besseres Beispiel fiel mir gerade nicht ein).
Und fortan handelten sie effektiver, effizienter.
Heute empfindet jemand vielleicht eine solche Trauer auch, wenn er etwas- vielleicht auch Materielles- verliert. (Zb mag es ebenso ein Gefühl von Trauer sein, abends nach Hause zu kommen, und sein Haus abgebrannt zu finden.)

Ich meine damit nur, dass ich Trauer nicht für einen evolutionstechnischen Fehler halte!
Es ist ein Gefühl, was in uns Menschen drin ist, und uns wie alle Gefühle einfach helfen soll, besser zu überleben.
( ich habe mir jetzt mal die Trauer rausgepickt, ähnliches gilt aber auch für die anderen "negativen" Gefühle.)"



Wiegesagt: Ich halte unsere negativen Gefühle für keinen evolutionstechnischen Fehler!

Aber vielleicht können wir das ja erst in ein paar Millionen Jahren sagen, wenn die Evolution zeigt, was überlebensfähig macht.

Aber bis jetzt haben negative Gefühle nicht zu einem Aussterben des Menschen geführt, und meiner Meinung nach brauchen wir sie.
( sogar sehr dringend)

Das wollte ich sagen.

Liebe Grüße und einen schönen Abend
deary
deary
Beiträge: 424
Registriert: 17. Jun 2005, 13:05

Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von deary »

Nochmal @Thomas:

Du schreibst:


"Und genau das ist meine Erfahrung damit: Ich kann die Negativität von Gefühlen (nicht das Gefühl selbst) durch Achtsamkeit auflösen. Wenn ich spüre, dass ich in diese Negativität gerate, dann schaue ich das neg. Gefühl sehr bewusst an. Ich sage "Hey, was ist los? Warum greifst du mich an?" Und dann geht es. Es konnte nur dadurch existieren, dass ich nicht achtsam war."

Das negative Gefühl kann nur existieren, weil DU nicht achtsam warst????

Da bin ich aber anderer Meinung!

Das negative Gefühl kann existieren, aus einem ganz bestimmten Grund: Wenn wir keine negativen Gefühle hätten, wie sollten wir dann die positiven spüren???????????????



Fragt
deary

Oder anders ausgedrückt: Wir können als Menschen nur den Sonntag als freien Tag schätzen, weil es den Montag, Dienstag...gibt!
Wären alle Tage Sonntage, wie in aller Welt , sollten wir ihn schätzen?
Das IST so. Weil wir Menschen sind. Denke ich.
Da kann man auch mit Achtsamkeit -sosehr ich das auch schätze -nichts daran ändern...

Liebe Grüße
deary
Guinevere
Beiträge: 4779
Registriert: 8. Nov 2007, 22:08

Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Guinevere »

Hallo Deary,

vielleicht kennst Du das ja nicht (ich schon von einem Gefühl vollständig vereinahmt zu sein, deshalb nicht mal mehr im Ansatz klar denken zu können. Also, für mich ist es ein richtiger Segen, dass jeweilige Gefühl zwar zu bemerken, zu spüren, aber dabei zu wissen, dass es, wenn ich es nicht zulasse, ob jetzt bewusst (in dieser Form lasse ich meine Gefühle sehr gerne noch zu, einfach mal um zu beobachten was sich da in mir so alles abspielt, was mir mein Körper dazu sagt, wie der reagiert ) oder unbewusst keine wirkliche Macht über mich hat.

Lieben Gruß,
manu
otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Hallo zusammen,

kurz vorab: das, was ich gestern recht stark als Unkonzentriertheit & Co gezeigt hat, wird wohl zur Grippe. Kein Wunder also...
(Matschbirne hab).

@ Clown:

Heißt das, du kannst das gar nicht? Und du vermutest, etwas ist da, das du aber nicht richtig zu fassen kriegst?
Und wie geht es dir, wenn du meinst die unangenehmen Seelenzustände nicht zu fühlen - was fühlst du dann eigentlich?

Meine Gefühle, meine Bedürfnisse, mein Willen waren in meiner Herkunftsfamilie nicht nur bedeutungslos, mehr noch: das Zeigen derselben wurde oft bestraft bzw. es wurde nicht angemessen behandelt.

Ergo hieß die Überlebensstrategie des Kindes: verdrängen. Klein machen, nicht vorhanden sein, sich möglichst nicht (unangenehm!) zeigen.

Ich DURFTE mir also einiges an Gefühlen gar nicht erlauben.
Beispiel: ich durfte nicht weinen (nicht aus Wut, aus Traurigkeit, aus Verzweiflung, aus Hilflosigkeit.....).
Damals wurde dies nämlich von den Eltern geahndet (du kriegst gleich eins in die ***, dann hast du Grund zu heulen!)

(direkt kommen mir wieder die Tränen, wenn ich daran zurückdenke... das tut immer noch weh)

Erst heute ERLAUBE ich es mir, meine Tränen laufen zu lassen, kann mir selbst in diesem Moment sagen "ich DARF heulen, ich habe ja auch einen Grund dazu".

Am Anfang meiner Therapie (also vor ca. einem Jahr) war dies quasi eine Entdeckungsreise zu mir selbst. Ich habe manchmal tagelang gebraucht, um ein unbestimmtes "komisches" Gefühl in mir erst einmal richtig wahrnehmen zu können. Tage!!
Und auf einmal merkte ich z.B.: das ist Traurigkeit, ausgelöst durch ein Ereignis oder einen speziellen Gedanken.

Dies habe ich vorher einfach irgendwie weggedrängt. Und da diese Gefühle bislang nie richtig rausdurften, hat das Hineinfressen in mich selbst eine ziemlich zerstörerische Wirkung gehabt. Äußerlich ein lustiger, selbstbewusster Mensch ("was, DU bist depressiv??") empfand ich mich innerlich als hohl.

Habe ich Deine Frage damit beantwortet? Wenn nicht: frag ruhig noch...

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otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Hallo Thomas,

Negative Gefühle sind ein Angriff auf mich selbst und oft auch noch auf andere. Sie fühlen sich schlecht an, warum sollte ich sie wollen?

Ich weiß ja nicht, warum DU sie wollen solltest, aber ich gestehe sie mir zu - weil sie eben menschlich sind!

Ich DARF mal neidisch, wütend, roh und rotzig, ablehnend, das absolute Ekel, eine Zicke etc. sein... ich weiß ja, das BIN ich nicht - aber es tut mir nach so vielen Jahren sehr gut, dass ich mir das endlich zugestehen darf.

Ja, gerade in Bezug auf "alte Sachen" kann ich dies nachvollziehen. ABER: es muss z.B. erst einmal GENUG betrauert werden. Finde ich. Wenn ich mir jetzt, in meiner aktuellen Situation, womöglich auch die Traurigkeit und die Wut über meine Herkunftsfamilie "verbieten" würde, stünde ich wieder am Anfang. Ich empfinde dies in meiner aktuellen Phase so, und diese Gefühle haben ihre Berechtigung. Und gerade dies ist für mich aktuell sehr, sehr wichtig.

... negative Gefühle ...

Hm, mir scheint, Du sprichst in diesem Zusammenhang von den Gefühlen, die z.B. aus den typisch depressiven Gedanken entspringen ("ich kann das nicht", "nie habe ich Glück", "mich will doch keiner" etc. -> ich fühle mich schlecht, mutlos, wertlos, hoffnungslos etc. ).
DAS sehe ich ähnlich. DAS brauche ich nicht mehr, DAS will ich achtsam und vorsichtig auflösen.

Nur im Laufe der Zeit habe ich begriffen, dass ich mich selbst angreife, wenn ich mich ärgere, etwas betrauere was nicht mehr geändert werden kann, wenn ich sauer bin, Vorwürfe mache, mich verletzt fühle etc.

Aber was ist mit der aktuellen Situation, nach der ich gefragt hatte? DIES lässt Du dann doch auch zu, oder?

Konkret gefragt: bist Du wirklich so ein ausgeglichener Mensch, wie ich das hier so wahrnehme? Keiner, der mal wütend wird, rumzickt, muffelige Laune hat etc.?
Jemand, der seine Gefühle wirklich "im Griff" hat und sie nicht auslebt, sondern der aufkommenden "negativen" Gefühlen direkt achtsam begegnet und sie daraufhin abklopft, ob sie ihm gut tun?
Ich glaube, dahin will ich nicht - im Gegenteil. Hängt ja wohl auch mit meiner Lebensgeschichte zusammen. Endlich zulassen und ausleben dürfen, mir zugstehen dürfen, dass ich auch mal so sein darf, tut mir derzeit sehr gut.

Vielleicht komme ich aber nach einer Phase des Auslebens (einige Jahre?) irgendwann dahin, ruhiger zu werden, eine weise alte Frau...
Aber dies ist nicht das Ziel, dass ich derzeit ansteuere.

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otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Hi Manu

Also, für mich ist es ein richtiger Segen, das jeweilige Gefühl zwar zu bemerken, zu spüren, aber dabei zu wissen, dass es, wenn ich es nicht zulasse, ... keine wirkliche Macht über mich hat.

*staun* das muss ich erst einmal sortieren.

Ich kann mir gerade einen Auslöser konstruieren, einen Gedanken wie z.B. "ich finde nie wieder einen Partner".
Direkt wollen sich ein paar sehr unangenehme Gefühle über mich hermachen.

Dies würdest Du also bemerken/spüren, und dann nicht zulassen?
Naja, mein erster Impuls war ja auch: ups, das ist jetzt etwas, das mich nach unten ziehen will, ein typisch depressiver Gedanke. Ich blocke dies also ab.

Aber die Gefühle dahinter, die sind doch einen weiteren achtsamen Blick wert, oder?
Das "gut zureden" hilft mir dann zunächst nicht wirklich weiter. Irgendwas gärt da noch in mir, will mithilfe dieses Gedankens, mit dieser Gefühlswelle ja noch getarnt nach außen.

Vielleicht fühle ich mich dann in diesem Moment immer noch minderwertig, uninteressant, nicht liebenswert? Und DARUM gilt es sich dann zu kümmern?

Au weia, ich habe noch viel zu lernen... :-/
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Clown
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Clown »

Hallo Otterchen,

ja, ich verstehe jetzt mehr von dir.

Jetzt so sein zu dürfen, wie du als Kind nicht sein durftest, das ist es, nicht?
Kann ich verstehen, dein Bedürfnis.

Und trotzdem frage ich mich: Willst du damit nicht nachträglich noch die Vergangenheit ändern, indem du heute machst, was du damals nicht durftest?

Wie 'adäquat' ( mir fällt gerade kein passenderes Wort ein) ist dieser Umgang mit deinen Gefühlen für dich heute als erwachsene Frau?

Wieder habe ich das Gefühl, womöglich trete ich dir mit meinen kritischen Fragen zu nahe, andererseits scheint mir auch, dass du dich solchen Fragen stellen willst.
Sind meine Fragen ok für dich?

Lieben Gruß,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Calzino
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Calzino »

hallo otterchen,

>Ich DARF mal neidisch, wütend, roh und rotzig, ablehnend, das absolute Ekel, eine Zicke etc. sein... ich weiß ja, das BIN ich nicht - aber es tut mir nach so vielen Jahren sehr gut, dass ich mir das endlich zugestehen darf.<

>Ja, gerade in Bezug auf "alte Sachen" kann ich dies nachvollziehen. ABER: es muss z.B. erst einmal GENUG betrauert werden. Finde ich. Wenn ich mir jetzt, in meiner aktuellen Situation, womöglich auch die Traurigkeit und die Wut über meine Herkunftsfamilie "verbieten" würde, stünde ich wieder am Anfang. Ich empfinde dies in meiner aktuellen Phase so, und diese Gefühle haben ihre Berechtigung. Und gerade dies ist für mich aktuell sehr, sehr wichtig.<


ich möchte dir einfach nur zustimmen.


ich halte alle gefühle, die ich überhaupt wahrnehmen kann für einen fortschritt in meiner situation. schritt für schritt werde ich die verantwortung dafür übernehmen und vielleicht auch einmal anders als heute damit umgehen können.


otterchen, du und ich (und noch einige andere) machen das gar nicht schlecht. jeder auf seine art und weise und so ganz ohne guru.

lg

jens
Liber
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Liber »

Hallo Ihr Lieben,

vielleicht sollten wir die Einteilung von Gefühlen in "positiv" und "negativ" mal weglassen.

Ein Gefühl ist einfach ein Gefühl, egal, ob das nun Trauer, Wut, Freude, Lust, Ärger usw. ist.

Und entscheidend finde ich: alle dürfen da sein, alle haben ihre Berechtigung. Wenn ein Gefühl hochkommt, wird es nicht verdrängt, nicht weggeschickt, nicht beurteilt und nicht verdammt. Jedes Gefühl hat sein Recht und seinen Platz. Genau das Verdrängen, das Wegsperren von als "schlecht" beurteilten Gefühlen ist ja mit ein Hauptgrund für die Depression.

Es ist ein Weg ... kennt jemand das Buch von Ken Wilber "Wege zum Selbst"? Er beschreibt ein Schichtmodell des menschlichen Bewusstseins: von der Persona zum Ich zum Kentauren (Körpertherapien) zum Transpersonalen Selbst zur All-Einheit.

Das Integrieren der bisher verdrängten Gefühle spielt sich auf dem Übergang von der Persona zum Ich ab. Hierher gehört z.B. die Psychoanalyse.

Das Bewusstsein, dass ich nicht diese Gefühle BIN, geht dann schon in die transpersonale Ebene.

Es kann keine Schicht übersprungen werden, wobei es fließende Übergänge gibt.

Mir leuchtet dies Modell sehr ein - und ich habe in meiner PA viele Stunden gebraucht, die bisher als negativ eingestuften und verdrängten Gefühle überhaupt mal wahrzunehmen und sie nach und nach ins Ich zu integrieren - und da bin ich immer noch mitten dabei.

Erst währenddessen konnte eine Ahnung für das Bewusstsein entstehen, dass ich nicht meine Gefühle BIN, dass es da noch etwas anderes gibt, einen ruhenden Hintergrund, der einfach nur IST, das Selbst, die transpersonale Ebene. Aber das Bewusstsein dafür schwindet immer wieder und es nicht ständig wieder zu verlieren, erfordert diese Achtsamkeit für das Hier und Jetzt, von der hier schon die Rede war.

Wenn ich achtsam bin, können die Gefühle kommen und wieder gehen, ohne dass ich ihnen ausgeliefert bin. Bin ich nicht achtsam, werde ich von ihnen davongeschwemmt.

So, und jetzt erst mal eine gute Nacht

Brittka
Calzino
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Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von Calzino »

hallo clown,

verstehe ich das richtig?

wenn mensch die bedürfnisse seiner kindheit erfüllt, will mensch damit die vergangenheit verändern?

meinst du das so???


lg

jens
otterchen
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Re: Wer ist verantwortlich für eine psychische Erkrankung II

Beitrag von otterchen »

Hallo Deary

Insofern mag es zwar dem Zeitgeist entsprechen, dass "negative" Gefühle nicht da zu sein haben, ich bin kein Fan davon.

Ich kann nicht wirklich glauben, dass Thomas sämtliche unangenehmen Gefühle unterbindet.. er hat zwar für manches eine andere Herangehensweise als Du und ich vielleicht, aber wohl doch nicht SO SEHR.

So wie ich ihn verstanden habe, sperrt er die negativen Gefühle aus, die wirklich schädlich sind.

Diese negativen Gefühle resultieren ja oft aus falschen Glaubenssätzen, Erwartungshaltungen, den üblichen depressiven Gedanken etc.
Und DAS hat er aufgedeckt und kann jetzt gegensteuern.

Wir müssten vielleicht wirklich mal definieren, was wir hier mit "negativen Gefühlen" titulieren.
Sind es die üblichen, menschlichen Gefühle wie Wut, Angst, Trauer etc.? Denn diese Gefühle will und kann ich einfach nicht als "negative" Gefühle bezeichnen.
Oder sind es die "alten" Gefühle, die uns runterziehen wollen, entstanden aus einer Zeit, in der wir nicht in Übereinstimmung mit uns selbst gelebt haben?

*grübel* ich finde leider gerade kein Beispiel.

Aber mir fällt in diesem Zusammenhang etwas ein, was ich hier vielleicht einmal einwerfen könnte:

Vor 20 Jahren (meine Güte, ist das schon so lange her?) verstarb mein damaliger Lebensgefährte bei einem Verkehrsunfall.
Ich war recht allein mit meiner Trauer, mit den ganzen Gefühlen.

Und da habe ich auf die falschen Ratgeber gehört (ich war wirklich nicht mit den richtigen Menschen zusammen, erkenne ich gerade).

Ich habe die Trauer verdrängt, die guten Erinnerungen weggepackt (so sehr, dass ich sie selbst heute nicht mehr hervorholen kann), mich selbst als egoistisch bezeichnet, weil ich ja nur einsam bin und hinter jemandem herjammere, mich angespornt, mich ja nur nicht in Selbstmitleid zu verlieren.

Ich glaube, wir können uns einig sein, dass man auf diese Art ein Gefühl nicht verarbeiten sollte, oder?
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