Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

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Georg Rech
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von Georg Rech »

Hallo, ich bin Georg und leide seit November 1999 an einer Depression. Mitte Februar dieses Jahr kam ich auf Empfehlung des Amtsarztes und des behandelnden Psychiaters in die psychiatrische Uniklinik Mainz. Gleich am ersten Tag verordnete man mir Schlafentzug. Da ich schon vor einem Jahr einige Schlafentzüge mitgemacht hatte, nach denen es mir nur am folgenden Tag gut ging, dann aber wieder schlecht wie vorher, hatte ich keine großen Erwartungen. Um so mehr war ich überrascht, dass es mir diesmal danach drei Tage lang recht gut ging. Dann kam der nächste Schlafentzug. Am Morgen danach war ich kein bischen müde und fühlte mich so gut wie seit drei Jahren nicht mehr. Ich sprühte vor Energie, war fröhlich und heiter und auch an den beiden nächsten Tagen ging es mir noch recht gut. Seitdem mache ich zweimal in der Woche Schlafentzug, jeweils montags und donnerstags und komme damit gut zurecht. Der Schlafentzug wird in einer Therapiegruppe im Ergotherapiebereich der Uniklinik Mainz durchgeführt und von Therapeutinnen begleitet. Durch Malen, Spielen, Gespräche usw vergeht die Zeit sehr schnell. Jedes Mal wird gemeinsam gekocht, ein Kuchen gebacken, gegessen und zum Abschluss gefrühstückt. Ein oder auch mehrere nächtliche Spaziergänge gehören ebenso zum Programm. Durch diese gemeinsamen Aktivitäten fällt es leicht, die Nacht zu verbringen, ohne einzuschlafen. Ich habe festgestellt, dass ich auch den Folgetag durchstehe ohne müde zu werden, wenn ich in Bewegung bin und nicht sitze, lese oder fernsehe. Inzwischen bin ich aus der Klinik entlassen, nehme aber weiter ambulant am Schlafentzug teil. Mich würde shr interessieren, welche Erfahrungen andere Depression-Patienten mit Schlafentzug gemacht haben, vor allem über einen längeren Zeitraum.
titanic
Beiträge: 362
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von titanic »

Hallo Georg, dass das wirklich mit dem Schlafentzug funktionieren soll, erstaunt mich immer wieder. Ich habe zwar bisher keine Erfahrung gemacht mit einem "therapeutischen Schlafentzug" (inkl. Kuchenbacken), dafür aber jede Menge Erfahrung mit unfreiwilliger Schlaflosigkeit (inkl. Bügelwäsche). Die Schlaflosigkeit war auch bei mir das erste Symptom der Depression. Ich kann für meinen Teil nur sagen, dass es mir nach einer durchwachten Nacht erst recht schlecht geht, keine Spur von Stimmungssteigerung. Und aus diesem Grund soll ich schlaflose Nächte auf jeden Fall verhindern, und bei Bedarf ein Schlafmittel nehmen. Es ist doch wirklich komisch: Was bei dem einen gut ist, schadet einem anderen?! Viele Grüße und dir weiterhin viel Erfolg! Titanic
maria

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von maria »

Hallo Georg und Titanic, bei mir habe ich im Lauf der Jahre die REM-Phasen als den "Sündenbock" ausgemacht. Ich habe nämlich festgestellt, dass ich manchmal schon sofort nach dem Einschlafen wieder hochschrecke, weil ich wild geträumt habe, und dann ist die restliche Nacht im Eimer (und der nächste Tag auch). Normal wäre ja, erstmal nach dem Einschlafen eine Tiefschlafphase zu haben. Die scheinen mir in den Nächten zu fehlen, wo ich dann am nächsten Tag fix und fertig bin. Also, deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass der komplette Schlafentzug (wo man auch nicht zu diesen Dös- und Halbschlafphasen kommt), was bringt, weil die REM-Phasen dann ja auch wegfallen. Wenn ich einige Tage nicht richtig geschlafen haben, kann es vorkommen, dass ich nach 1-2 Stunden Schlaf schon wieder fit bin, und zwar dann, wenn ich nicht träume, sondern richtig tief schlafe. Es ist dann, als ob ein Schalter in meinem Kopf umgelegt würde, zurück auf "normal" sozusagen. Das würde auch erklären, warum Antidepressiva wirken, die die REM-Phasen stören bzw. unterdrücken. Mich würde noch interessieren, ob jemand was darüber weiß, was in den REM-Phasen im Gehirnstoffwechsel passiert. Liebe Grüße von Maria
Georg Rech
Beiträge: 4
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von Georg Rech »

Hallo Maria und Titanic, gerade komme ich vom Schlafentzug am Ostermontagabend und ich fühle mich sehr gut. Auch ich habe Probleme mit dem Schlaf und weiss, wie schlimm es sein kann, wenn man nachts wach im Bett liegt und das Gedankenkarussell zu kreisen beginnt. Tatsächlich sollen die REM-Phasen depressiv wirken. Durch den Schlafentzug fallen natürlich auch die REM-Phasen weg. Wichtig ist, dass man nach einer durchwachten Nacht bis zum späten Abend wach bleibt, also mindestens 36 Stunden ohne Schlaf. Schon einkurzes Einnicken von wenigen Minuten macht den ganzen Effekt zunichte. Nach den 36 Stunden verlangt der Körper seinen Schlaf, bei dem die Tiefschlafphasen überwiegen. Ich schlafe dann fast ohne Träume sehr tief und werde erst gegen Morgen wach. Die Frage, was in den REM-Phasen im Gehirnstoffwechsel geschieht, ist sehr interessant. Möglicherweise gibt es dazu noch keine gesicherte Ergebnisse, wie wohl vieles über Depressionen noch unklar zu sein scheint. Viele Grüße Georg
Thomas

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von Thomas »

Hallo Georg und ihr anderen Schlaflosen, bei meinem Klinikaufenthalt vor 8 Jahren wurde ich zum Versuchskarnickel auserkoren und durfte an einem Versuchsfeld von Schlafforschern teilnehmen. Dazu kann ich Folgendes berichten: Schlafentzug wirkt bei recht vielen depr. Menschen zunächst spontan lindernd auf die Depr., oft verfliegt die Depr. für 1-3 Tage ganz. Setzt man den Schlafentzug aber regelmäßig an, wird der Effekt wieder weniger, es tritt eine Gewöhnung ein und die alten Stoffwechselstörungen setzen wieder ein. Deshalb ging es bei diesem Experiment um Folgendes: Es wurde versucht, Schlafphasen und Entzugsphasen antizklisch zu gestalten. Dabei wurden die Schlafphasen um jeweils 2 Std. versetzt begonnen, also 17 Uhr, 19 Uhr u.s.w. in der Hoffnung, dadurch das Wiedereinschleichen der Störungen, die sich anscheinend durch feste Zeitperioden besonders gerne wieder einstellen, zu verhindern. In den Wachphasen war ich "verdrahtet" um selbst Kurzschläfe, die einem möglicherweise nicht bewusst werden, zu registrieren. Ein solcher macht den Effekt nämlich u.U. bereits zunichte. Das Ergebnis war verblüffend, denn ich erholte mich binnen 2 Wochen fast vollständig von der Depr. Allerdings war ich bereits auf dem Weg der Besserung, nahm aber keinerlei AD oder andere Medikamente. Ich weiß leider nicht, was die wissenschaftl. Auswertung ergeben hat. Ich fragte zwar einige Male noch nach aber da es jedesmal hieß "Ist noch nicht fertig", verlor ich schließlich das Interesse, zumal es mir ja auch viel besser ging. Vielleicht lässt sich ja in der Klinik was erfahren, ich war im "Christophsbad" in Göppingen. Wenn ich mich recht erinnere, wurde die Studie in Zusammenarbeit mit einem Freiburger Schlaflabor gemacht. Grundsätzlich mache ich immer wieder die Erfahrung: plötzliche Veränderungen im Lebensrythmus oder den Lebensumständen können bei mir spontan Veränderungen zum Guten und zum Schlechten bewirken. Das kann Schlaf sein, aber auch Wetter, ein Wechsel der Zeitzone durchs Fliegen u.Ä. Herzlicher Gruß von Thomas
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von waltraut »

Lieber Thomas, die Versuche,an denen du teilgenommen hast,waren vermutlich erfolgreich.Ich wurde nämlich an der Uniklinik in Erlangen nach der selben zeitversetzten Methode behandelt,hatte allerdings nach kurzem Erfolg keine Geduld mehr dafür. Die anderen Erfahrungen,daß Veränderungen im Lebensrhythmus die Depression beeinflussen,habe ich auch erlebt.Im vergangenen Oktober mußte ich trotz tiefster Depression eine Australienreise antreten .Ich kann über den Jetlag nur Positives berichten - es ging mir nach der Hinreise viel besser und nach der Rückreise gut! Lieben Gruß
maria

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von maria »

Hallo Georg, ich habe noch eine Frage an dich. Du schreibst, du bist am Folgetag des Schlafentzugs nicht müde, wenn du in Bewegung bleibst. Kannst du dir vorstellen, dass du an so einem Tag konzentriert arbeiten könntest? Mich interessiert das deshalb, weil es in der Nähe meines Wohnortes auch eine Klinik gibt, die betreuten Schlafentzug durchführt, und ich mir schon überlegt habe, das mal auszuprobieren. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ich dann am nächsten Tag meine Arbeit ausführen könnte (sitzende Tätigkeit, bei der ich mich sehr gut konzentrieren können muss). Schon mal danke und alles Gute! Maria
Georg Rech
Beiträge: 4
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Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von Georg Rech »

Hallo Maria, Thomas und Walltraud, heute,am 2. Tag war ich sehr müde und habe den ganzen Vormittag verschlafen. Das war jetzt das erste Mal, dass es mir so ging. Nun sind es sechs Wochen, wo mir jede Woche zwei Nächte Schlaf fehlen. Vielleicht ist das die Auswirkung davon. Gestern war ich recht frisch und habe den ganzen Tag im Garten und am Computer gearbeitet. Körperliche Tätigkeit ist meiner Erfahrung nach das Beste nach dem Schlafentzug. Aber auch eine Tätigkeit, bei der man sich konzentrieren muss, ist sehr gut. In der Klinik habe ich einige Tests mit Konzentrationsaufgaben mit großem Erfolg erledigt und beim Konzentrationstraining waren keinerlei Schwierigkeiten festzustellen. Schwierigkeiten machten mir in der Klinik die Zwischenzeiten, in denen keine Therapie stattfand und ich herum saß. Lesen, Fernsehen, sitzen ohne etwas zu tun, das macht mich müde. Liebe Maria, ich würde Dir raten, es einmal auszuprobieren, ob es Dir hilft. Ein Versuch kann nicht schaden. Bei unserer Gruppe in Mainz sind einige Teilnehmer, die nur einmal in der Woche kommen und damit gut auskommen. Über die Schlafphasenverschiebung würde ich gerne mehr erfahren. In der Klinik hat man mir das auch einmal empfohlen, weil ich aber so gute Erfahrungen mit den Schlafentzug hatte, habe ich das abgelehnt. Ich kann mir kaum vorstellen, ohne Schlafmittel zu verschiedenen Zeiten schlafen zu können. Vielleicht ist dies aber auch ein Vorurteil. Vielleicht kann jemand etwas ausführlicher über seine Erfahrungen berichten Liebe Grüße an alle Georg
maria

Schlafentzug - Erfahrungen mit dieser Therapie bei Depression

Beitrag von maria »

Hallo Georg, ja, ich werde beim nächsten Besuch beim Psychiater mal das Thema Schlafentzug ansprechen. Jetzt habe ich schon so viel ausprobiert, da wäre das bestimmt auch einen Versuch wert. Bisher konnte ich mich nur nicht dazu aufraffen, denn die Vorstellung, auch noch freiwillig nicht zu schlafen, wenn ich sonst für jede Stunde Schlaf dankbar bin, hat mich schon abgeschreckt. Würde mich freuen, wenn du weiter über deine Erfahrungen berichtest! Lieber Gruß von Maria
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