Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

Hallo Wolke,

mein erster Eindruck ist:
jetzt hat sie den ersten Schritt geschafft und macht den zweiten nicht:
Aus der Wahrnehmung heraus die eigenen Grenzen zu entdecken und diese auch zu wahren.

Könnte mir glatt auch passieren

Warte mal, habe ich dazu nicht schon was an Joy geschrieben? Wie war das gleich *such*

Achtsamkeit -> sich selbst kennenlernen -> sich nicht (negativ!) bewerten -> sich annehmen, sich seiner bewusst werden -> seine Grenzen erkennen -> diese Grenzen auch (sozial kompetent) festsetzen und verteidigen, ggf. sogar ausweiten zu können

(boah, jetzt werd ich größenwahnsinnig und zitiere mich schon selbst )
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ANOVA
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von ANOVA »

Hallo Wolke,

zu Otterchens Posting ( ) möchte ich noch etwas hinzufügen.

>Ich kenne viele Situationen, in denen ich mich beobachte, z. B. beobachte, daß mir etwas unangenehm ist, es dann aber geschehen lasse, und dann irgendwann erst merke, daß es zuviel war, ich irgendwann eine Grenze hätte ziehen müssen.

Das hört sich für mich so an, als ob Du zwar beobachtet hast, was mit Dir gemacht wird aber nicht wirklich ernstgenommen hast, was in Dir vorgeht. Ich meine, Deine gesamte (oder zumindest die meiste) Aufmerksamkeit war nach außen gerichtet.

>Wenn ich in solchen Situationen bewerten würde, in dem Sinne von: das ist mir zu viel, zu kalt, zu unangenehm, könnte ich vielleicht besser handeln, aber in mir ist immer ein Impuls der sagt: nun warte doch mal ab, so schlimm ist es doch gar nicht, es geht doch vorbei. Das nicht-Bewerten führt dann eigentlich zu einer Unachtsamkeit meinen Bedürfnissen gegenüber.

Hmm, wenn Du sagst „so schlimm ist es doch gar nicht“, dann ist das für mich eigentlich schon eine extreme Abwertung Deiner vorherigen Wahrnehmung (z.B. dass Du frierst). Ich glaube, es kommt darauf an, etwas wahrzunehmen (z.B. die Kälte), dann zu schauen, was es mit Dir macht (frieren) und dann zu entscheiden, was zu tun ist (nach einer Decke fragen). Aber nicht gleich bei der Wahrnehmung automatisch bewerten „so schlimm ist es doch gar nicht“.

Wenn Du feststellst, dass Dir kalt ist und dann entscheidest nach einer Decke zu fragen, ist das in meinen Augen ein achtsamer Umgang mit Dir selbst.

Viele Grüße

Xenia
Regenwolke
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Otterchen und Xenia,

ja, Otterchen, irgendwie hast du recht, ich mache den ersten Schritt (Wahrnehmung), aber schaffe den zweiten nicht.


>Hmm, wenn Du sagst „so schlimm ist es doch gar nicht“, dann ist das für mich eigentlich schon eine extreme Abwertung Deiner vorherigen Wahrnehmung (z.B. dass Du frierst). Ich glaube, es kommt darauf an, etwas wahrzunehmen (z.B. die Kälte), dann zu schauen, was es mit Dir macht (frieren) und dann zu entscheiden, was zu tun ist (nach einer Decke fragen). Aber nicht gleich bei der Wahrnehmung automatisch bewerten „so schlimm ist es doch gar nicht“.
Hm, ist mir gar nicht aufgefallen, daß "so schlimm ist es ja gar nicht" auch eine Bewertung ist. Es passiert mir sehr oft, daß ich etwas bagatellisiere, weil ich es ja nun noch aushalten kann. Oder ich richte tatsächlich einen großen Teil meiner Aufmerksamkeit nach Außen und versuche, dort Hinweise darauf zu finden, welche meiner Empfindungen "angemessen" sind, weil ich das Gefühl habe, in mir irgendwie keine "Richtschnur" dafür zu haben. Aber gerade das ist ja die Bewertung, der ich mit den Achtsamkeitsübungen entgegenwirken will.

Ist gar nicht so einfach, den Schritt vom Wahrnehmen zum Ernstnehmen zu machen...

Calzino
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von Calzino »

hallo leute,

bewertungen.

also ich denke ich darf alles bewerten, was so auf mich einströmt oder was so passiert. warum sollte ich das nicht bewerten dürfen? sachen gefallen mir, tun mir gut oder eben auch nicht.

das gilt auch für achtsamkeit oder konzentration. das gilt auch für all die dinge, die ich während der achtsamkeit wahrnehme.

meine un-achtsamen phasen -wenn ich nicht bei mir bin- die darf ich schlecht finden, denn tun mir nicht gut und ich hätte lieber einen anderen zustand.
>In mir rattert alles, ich kann nicht mehr schlafen, komm nicht zur Ruhe, kann mich somit auf nichts konzentrieren.<

ich glaube nicht, dass ich diesen zustand ohne wertung annehmen kann, weil es einfach ein nicht guter zustand ist!

das ist ok so!



nur mache ich mich dann wieder mal selbst für diesen zustand verantwortlich. weil ich doch schon mal sooo viel weiter war. das habe ich doch schon längst hinter mir oder etwa nicht?

und wenn ich nur genügend wollen würde, wäre ich doch längst diesen zustand und überhaupt diese scheiß-depri los und ich wäre der glücklichste mensch von welt



und andersrum: darf ich mich nicht selbst auf die schulter klopfen, wenn ich etwas gut hinkriege? mich positiv bewerten?

oder auch negativ, wenn ich etwas nicht schaffe?

ist das nicht ok, wenn es mein eigenes wertesystem ist? (wie auch immer das aussehen mag)



wie kriege ich bloß diese ganzen scheiß anerzogenen glaubenssätze aus mir raus? und wie kann ich sie durch etwas anderes ersetzen???



jetzt habe ich den faden verloren. warum fühle ich mich immer so wirr im kopf?



jetzt habe ich mir das nochmal durchgelesen. zuerst wollte ich löschen..aber nu kann ich sie wieder spüren. meine wut. diese unbändige wut auf meine eltern und alle erzieher, die mir diesen mist solange eingetrichtert haben, bis ich ihn selbst geglaubt habe.
diese wut macht mir angst. manchmal glaube ich sie könnte alles verschlingen. sie ist so stark.
dabei füllt sie bloß die leere, ich bin nicht leer, ich bin da, mich gibt es..

es tut immer wieder sehr weh, aber es tut gut mich zu spüren
s-ch
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von s-ch »

Liebe Xenia,

vielen Dank für Deine freundlichen Worte. Ich erkenne den Sinn des Instrumentes durchaus an, es hilft in der Regel, den Worst Case zu verhindern, doch es gibt auch Phasen, wo SVV kaum mehr kontrollierbar ist und mal das Messer ausrutschen könnte. Es ist riskant bei latenter Suizidalität. Dem Täter gegenüber habe ich keinerlei Gefühle, nicht mal Wut oder Haß.

Ja, ich mußte immer sehr aufmerksam sein und die Antennen immer auf Empfang stellen. Wenn mir im Beruf sachliche Wertschätzung entgegengebracht wird, wehre ich das weitgehend ab, ich kann mit Lob und Anerkennung nicht umgehen, auch das eine Folge der Vergangenheit, dahinter gleich eine andere Motivation zu wittern.

Achtsamkeit und Fürsorge für andere ist dagegen nicht gefährlich, solange es nicht in bedrängende Nähe kommt. Daher habe ich auch keinerlei Freunde, die mich oder die ich besuchen oder die man anrufen könnte. Aber viele nette, auch männliche Arbeitskollegen, die ich aber nie außerhalb sehe oder sehen will.

Ich spüre leider gar nichts, auch kein Bedürfnis, mir auch nur das allerkleinste gute zu tun und ich nehme in diesem Achtsamkeitsthread trotzdem einiges mit. Gedanklich, auch wenn ich es für mich nicht anwenden kann. Doch vielleicht mal speichern. Danke auch für Deine Vorschläge.

Ich habe das Gefühl, von Dir sehr gut verstanden zu werden und dafür bedanke ich mich sehr.

Grüße S.
otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

Hallo Wolke,

da kommt wieder eine Erinnerung in mir hoch:

Ich war damals in einer Beziehung, und hin und wieder kam ich mit einigen Sachen nicht klar.
Und was habe ich gedacht? "Kann ich damit leben?"

Klar, wir können mit vielem leben! Auch jahrelang mit der Depression.

Nur: wollen wir das?


Heyho Calzino,

hmm... schwierig... die Gefahr besteht zunächst darin, dass wir das, was wir als negativ bewerten, automatisch aus unserem Leben aussperren wollen, statt es anzunehmen. Und dadurch entsteht Verdrängung - nicht gut.
Außerdem verleitet es dazu, dass wir uns selbst auch negativ bewerten.

Klar, einen inneren Kritiker hat doch jeder von uns - aber es geht halt zunächst einmal darum, dem nicht einen zu großen Raum zuzugestehen.
Ich glaube, das Nichtbewerten sollen wir zunächst einmal auf uns selbst anwenden.

Hey, das Thema hat's in sich!

Auf die anderen Ideen zu Deinem Posting bin ich neugierig.



Hallo Xenia ... wie immer: ich bin erfreut, Dich zu lesen.

Und dann winke ich natürlich auch mal Joy und Dani und den anderen zu
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obsidiana

Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von obsidiana »

Liebe Dani,

im anderen thread wurde sehr viel über alltägliche Achtsamkeit geschrieben aber scheinbar ist hier das Wort "Meditation" ein rotes Tuch und es werden die postings nicht mehr genau gelesen.

Etwas abtun, negieren... nen neuen thread aufmachen obwohl es ums gleiche Thema geht... scheint einfacher zu sein.


Und nein, ich wiederhole mich nicht in einem neuen thread... hörte vorhin einen interessanten Bericht im Radio über "Berufsdepressive" - sie brauchen eben ihre Depression als Mittel zum Zweck, finden immer wieder neu Ausflüchte... und bei einigen scheint mir das auch so...

Hm, warum wird Meditation in Ruhe und Bewegung z.B. in Kliniken angeboten, ist oft Bestandteil einer Therapie um eben zu lernen wie ich achtsam mit mir umgehe, überhaupt mir einmal die Zeit nehme um herauszufinden was ICH möchte, wo die Blockaden sind und wie sie sich anfühlen. Einfach mal so alles annehmen...

Ja, das ist oft sehr harte Arbeit, dafür gibt es kein fertiges Rezept - aber die Belohnung ist umso grösser.

LG obsi
danideng
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von danideng »

Hallo Obsi,

was meinst du damit: Dass wir /ich froh sind/bin, eine Depression zu haben, um uns/mich vor der Arbeit drücken zu können??? Ich weiß, ich bin super empfindlich - drum frag ich lieber nach.

Ich fände es SCHON gut, wenn ihr einen neuen Thread aufmachen würdet. Ich denke, gerade weil die Themen so nah beinander liegen, nahm die Meditation überhand. Doch glaube ich, dass viele - auch ich - in einem neuen meditationslastigen Thread durchaus interessiert mitlesen würden. Und wenn das bei mir so weiter geht, bin ich glatt bald bereit, sie auszuprobieren

LG Dani
Dani1112
blueballoon
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Achtsamkeit im Alltag

Beitrag von blueballoon »

Puh, mein erster Beitrag hier und Puh, was für ein langer Thread.
Ich hab bei weitem nicht alles durchgelesen und werd trotzdem was zum Thema sagen.

Jetzt weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll, das Thema wirbelt durch meinen Kopf was ich erstmal als unangenehm empfinde. Aber wenn ich mich selbst beobachte bemerke ich auch, dass es mir Freude macht und in gewisser Weise berauschend ist, wenn die Assoziationen in einer Kettenreaktion zu einer Lawine von Ideen Gedanken und Bildern werden.

Ich stelle mir vor, dass es bei Urmenschen oder Naturvölkern ganz normal ist/war Achtsam zu sein und zu leben. Vielleicht ein Klischee. Achtsamkeit wäre demnach die 'ideale' Verteilung der eigenen Aufmerksamkeit auf mich (Körper, Geist, Seele) das was ich gerade tue, und auf meine Umgebung.

Ganz anders geht es mir zum Beispiel beim Autofahren. Ich halte mich "notorisch" an die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Stadt. Wenn ich dann überholt oder mit der Lichthupe bearbeitet werde, ärgere ich mich extrem. Und ich denke, dass viele Autofahrer einfach keine Ahnung haben, wie Verkehr funktioniert, dass das Verkehrssystem schlecht gebaut und gesteuert ist, man in den Fahrschulen nur das notdürftigste lernt und eigentlich alle paar Jahre zur Nachschulung müsste, dass die AutoMobilität eh keine Zukunft hat, weil sie zu teuer ist, zuviel Platz braucht, die Menschen krank und das Klima kaputt macht und uns das Öl für den Treibstoff ohnehin in den nächsten Jahrzehnten ausgehen wird. Nur sind DIE MENSCHEN leider zu blöd und blind das zu sehen oder verschließen die Augen davor...

All diese Gedanken haben natürlich nicht unmittelbar etwas mit dem zu tun, das sich gerade um mich auf der Straße und in meinem Auto oder Körper abspielt. In solchen Phasen fahre ich wohl genauso schlecht, wie solche, die gerade über das Händi in der Hand am Ohr mit der Sekretärin des Weinlieferanten der Tochter über den Streit der Nachbarin des Kleingartenvereinsvorsitzenden mit der Putzfrau des Bürgermeisters diskutieren.

Das blöde ist halt, dass ich es für gewöhnlich gar nicht merke. Schließlich bin ich einem Achtsamkeitsmangelzustand. Mein Hirn, meine Gedanken, meine Aufmerksamkeit sind nicht da wo sich mein Körper befindet.

Nun ist auch das nichts grundsätzlich schlechtes, sondern eine Fähigkeit die der Mensch offenbar allen anderen Tieren vorraus hat, die sehr nützlich ist.

Mein gedankliches Entschwinden verträgt sich nun aber überhaupt nicht mit dem Autofahren. Zudem frisst der Ärger und die Aufregung meine Energie ohne irgendeinen Effekt zu haben oder sonst zu etwas zu nützen.

Manchmal fällt mir meine Bewußtseinsentgleisung dann doch auf und hin und wieder komme ich sogar dazu bewust gegen zu steuern: Ich gebe dem Autofahren mehr als den nötigen Raum. Ich denke ausführlich was ich gerade mache, sehe und sonst wahrnehme. Ich könnte auch laut vor mich hinreden: "Ich fahre gerade im vierten Gang, mein Tacho zeigt 52 km/h an; der Abstand zum Vorrausfahrenden ist in Ordnung; Hinter der nächsten Kurve ist eine Ampel, die rot sein könnte; ich setze mich aufrecht aber locker in meinen Sitz; Der Motor hört sich an wie gewöhnlich; die Menschen die schneller fahren sind auch nicht besser oder schlechter als ich; ich tue, was ich kann, um sicher und zügig an mein Ziel zu kommen. Es ist O.K.". So kann es mir gelingen, die anderen, unnützen Gedanken zu übertönen, ihnen zu widersprechen oder auch zum Schweigen zu verordnen.

Mit dieser Übung kann ich mir vielleicht angewöhnen, meine Aufmerksamkeit auf die Dinge zu richten, die mir gut tun und für mich und die Menschen in meiner Umgebung wichtig sind.

Besser ist allerdings, wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre.

Hmmm... das ist jetzt ziemlich lang geworden. Schlimm?
nur für heute
otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

Hallo und guten Morgen!

Fragen beim ersten Kaffee... zwar off-topic, aber die haben sich irgendwie ergeben bei diesem Thema

1. Was versteht Ihr unter Abgrenzung?
Ist es eher das Grenzen-Setzen, also z.B. jemanden selbstbewusst bitten, etwas zu unterlassen?
Oder ist es eher das Nicht-Berührt-Werden von Dingen, die einen im Grunde nicht (be)treffen?

2. Habt Ihr eigentlich auch solche Probleme damit, achtsam ein Bedürfnis wahrzunehmen, aber nicht zu wissen, wie man dieses Bedürfnis stillen soll? Oder ein "großes" Gefühl, und man kann es nicht angemessen bearbeiten?
Beispiele:
• ich bin "zu" wach -> ich mache einen langen, etwas strammeren Spaziergang
• ich spüre Wut -> ich schlage aufs Bett ein
• ich fühle mich aktuell sehr einsam -> ???
• ich brauche Körperkontakt -> ???
• ich fühle mich leer -> ???


Einfach seine Gefühle anzunehmen und durch sich durchfließen zu lassen, ist eine Sache, aber man kann Gefühlen ja zum einen Ausdruck verleihen (z.B. durch Kreativität), zum anderen dazu beitragen, dass negative Gefühle schnell(er) verschwinden.


@ blueballoon:
Sorry, ich bin gedanklich gerade irgendwo anders (und noch nicht ganz wach), habe Dir irgendwie leider nichts zu Deinem Posting zu sagen, aber es ist schön, dass Du Dich hier beteiligen willst. Welcome!
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Weltenwandlerin
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von Weltenwandlerin »

"2. Habt Ihr eigentlich auch solche Probleme damit, achtsam ein Bedürfnis wahrzunehmen, aber nicht zu wissen, wie man dieses Bedürfnis stillen soll?"

Hallo Otterchen!

Ja, genau das ist nicht ganz einfach. Wahrnehmen was ist und nicht gleich verändern wollen. HALT. Bleib bei deinem Gefühl, Bedürfniss etc. und beobachte es aufmerksam. Es wird sich verändern, wenn du es zulässt. Wachsen, schrumpfen, verschwinden, einem neuen Platz machen. Ein Bedürfnis ist ein Bedürfnis, ein vorrübergehender Zustand, Sehnsucht, ein Gefühl- wie auch immer und vergänglich.

Erstmal ist es doch toll, dass du nun deine Gefühle vollständiger wahrnehmen kannst. Nicht gleich wieder irgendwas verändern wollen, bleib beim ersten Schritt (Achtsamkeit) und schau dir alles an.

Liebe Grüße,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Regenwolke
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Otterchen,

interessante Fragen, die Dir da eingefallen sind.

>1. Was versteht Ihr unter Abgrenzung?
>Ist es eher das Grenzen-Setzen, also z.B. jemanden selbstbewusst bitten, etwas zu unterlassen?
Oder ist es eher das Nicht-Berührt-Werden von Dingen, die einen im Grunde nicht (be)treffen?
Abgrenzung ist für mich eigentlich beides, aber das erste, also nach außen hin Grenzen setzen finde ich einfacher umzusetzen. Nicht, daß ich es besonders gut könnte, aber ich übe es und es gelingt mir immer besser, vorausgesetzt, ich nehme wahr, das jemand gerade etwas tut, was meine Grenzen verletzt - das Wahrnehmen finde ich schwieriger, als dann tatsächlich den Schritt zu tun, eine Grenze zu setzen.
Das Nicht-Berührt-Werden besonders von Gefühlen anderer finde ich ganz ganz schwierig. Da gelingt mir Abgrenzung oft gar nicht, ich spüre zum Teil das, was in anderen vorgeht, so sehr in mir selbst, daß ich gar nicht auseinanderhalten kann, welches meine eigenen Gefühle sind und welche die des anderen. Ich weiß nicht richtig, wie ich diese "inneren Grenzen" stärken kann.

>2. Habt Ihr eigentlich auch solche Probleme damit, achtsam ein Bedürfnis wahrzunehmen, aber nicht zu wissen, wie man dieses Bedürfnis stillen soll? Oder ein "großes" Gefühl, und man kann es nicht angemessen bearbeiten?
Bei mir ist es oft so, daß ich schon weiß, wie ich das Bedürfnis stillen könnte, aber mich einfach nicht dazu aufraffe. Oder es scheint mir einfach nicht machbar, ein Bedürfnis zu erfüllen (wie z. B. das nach Körperkontakt - das ist ohne Partner einfach schwer zu erfüllen).


>Ja, genau das ist nicht ganz einfach. Wahrnehmen was ist und nicht gleich verändern wollen. HALT. Bleib bei deinem Gefühl, Bedürfniss etc. und beobachte es aufmerksam. Es wird sich verändern, wenn du es zulässt. Wachsen, schrumpfen, verschwinden, einem neuen Platz machen. Ein Bedürfnis ist ein Bedürfnis, ein vorrübergehender Zustand, Sehnsucht, ein Gefühl- wie auch immer und vergänglich.
Mika, aber genau das ist es, was ich oben als für mich schwierig beschrieben habe, weil es mir oft passiert, daß ich dabei so sehr in eine Beobachterposition rutsche, daß ich mich sozusagen richtig von mir abspalte. Mein obiges Beispiel mit dem Frieren zum Beispiel: ich kann so lange beobachten, daß ich friere, bis ich zittere und mit den Zähnen klappere.
Ich glaube, man kann dieses Beobachten und Vorbeiziehenlassen von Bedürfnissen auch zu weit treiben, irgendwann muß meiner Meinung nach ein Punkt kommen, an dem ich eine Entscheidung darüber treffe, ob ich dem Bedürfnis nachgehen will, oder nicht.

Lieben Gruß,
Wolke
otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

Hallo,

also da staune ich jetzt aber auch...
ich nehme Bedürfnisse wahr - und soll die (zunächst) nicht befriedigen?

Ich friere - dann ziehe ich mich wärmer an
ich habe Hunger - dann esse ich...

Bedürfnisse verschwinden leider nämlich nicht, wenn man sie einfach nur zulässt - siehe Hunger.
Wenn man Bedürfnisse nämlich nicht stillt, können sie irgendwann sogar mal beherrschend werden - finde ich. Und das nicht nur auf den Hunger bezogen.
Wenn ich ein Bedürfnis nach Liebe habe - wieso um alles in der Welt soll ich dieses Bedürfnis nicht stillen dürfen?


total confused...
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danideng
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von danideng »

Hallo Otterchen,

ich denke mal, natürlich DARFST du dein Bedürfnis nach Liebe stillen, die Frage ist doch: KANNST du es auch? WIE willst du es ohne Partner stillen?

Hunger ist ja ein Grundbedürfnis. Ich denke man muss hier tatsächlich unterscheiden zwischen Grundbedürfnissen und weiteren Bedürfnissen. Den Hunger MUSS ich stillen, sonst bin ich irgendwann tot. Den Hunger KANN ich aber auch stillen. Wenn ich das Bedürfnis nach Liebe nicht stille, bin ich einsam, alleine, krank, deprimiert, traurig und so weiter und so weiter, aber ich sterbe nicht daran.

Ich finde es aber toll, dass du deine Bedürfnisse schon so gut wahrnehmen kannst, davon bin ich leider noch einen großen Schritt entfernt, seufz... Ich würde gern auf den Beobachterposten rutschen, MICH beobachten, um allein mal rauszufinden, WAS für Bedürfnisse ich eigentlich habe...

Liebe Grüße

P.S. Wie wärs mit einem neuen Thread? Die Ladezeiten sind doch schon recht lang!
Dani1112
ANOVA
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von ANOVA »

Liebe S.,

>Es ist riskant bei latenter Suizidalität.

Aber natürlich ist es das. Es wäre auch sicher besser, wenn man darauf verzichten könnte. Ich möchte es auch auf gar keinen Fall bagatellisieren oder gutheißen. Aber es ist ja nun einmal so, wenn man kein besseres Mittel kennt, was soll man schon machen? Wenn man nämlich ein besseres Mittel kennen würde, würde man sicher nicht so handeln, denke bzw. weiß ich. Deshalb klappt ja das plötzliche Aufhören auch meistens nicht, man hat keinen guten Ersatz. Was nicht heißt, dass man aufgeben soll, nach einer besseren Lösung zu suchen und mögliche Lösungsansätze auszuprobieren, wenn man reif dazu ist.

>Dem Täter gegenüber habe ich keinerlei Gefühle, nicht mal Wut oder Haß.

Hmm, das dachte ich auch eine sehr lange Zeit. Im nachhinein ist mir auch klar, warum ich so denken musste: Es war ja gar keine Wut oder Hass übrig für denjenigen, weil ich sämtliche Wut- und Hassreserven für mich selbst verbraucht habe. Überhaupt war in diesen Zeiten kaum Platz für andere Gefühle; Hass und Wut auf mich selbst hatten mich fast vollständig ausgefüllt. War ja auch einfach, ich wusste ja, dass ich mich nicht gegen meine Hassattacken wehren würde...

>Aber viele nette, auch männliche Arbeitskollegen, die ich aber nie außerhalb sehe oder sehen will.

Und trotzdem fühlst Du Dich manchmal allein und einsam, könnte ich mir vorstellen. Eine blöde Situation.

>Ich spüre leider gar nichts, auch kein Bedürfnis, mir auch nur das allerkleinste gute zu tun und ich nehme in diesem Achtsamkeitsthread trotzdem einiges mit. Gedanklich, auch wenn ich es für mich nicht anwenden kann. Doch vielleicht mal speichern.

Darüber habe ich mich sehr gefreut, dass Du einiges mitnimmst, obwohl Du momentan verständlicherweise nicht in der Lage bist das alles umzusetzen. Aber vielleicht wäre ein erster Schritt, dass Du mal Abstand davon nimmst, Dir etwas Gutes tun zu wollen und dafür ganz bewusst etwas Neutrales machst? Vielleicht wäre das ein erster Schritt in Richtung Selbstwahrnehmung.

>Ich habe das Gefühl, von Dir sehr gut verstanden zu werden und dafür bedanke ich mich sehr.

Nichts zu danken! In Ansätzen kenne ich das, was Du schilderst ja von mir auch...

Viele Grüße
Xenia
ANOVA
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von ANOVA »

Hallo Dani,

> Ich würde gern auf den Beobachterposten rutschen, MICH beobachten, um allein mal rauszufinden, WAS für Bedürfnisse ich eigentlich habe...

Wie wäre es, wenn Du Dich einfach mal in Ruhe hinsetzt und anfängst aufzuschreiben, wie Du Dich gerade fühlst. Manchmal kann man auf diese Weise ganz gut herausfinden, was man eigentlich gerade möchte. Vor allem kann man so gut herausfinden, was für ein Gefühl man überhaupt gerade hat. Das ist einem ja oft gar nicht so bewusst.

Oder Du könntest im Anschluss an bestimmte Situationen eine Analyse machen, indem Du Dich fragst, was Du gefühlt und gedacht hast während der Situation. Und wie Du reagiert hast und wie Dein Gefühl nach Deiner Reaktion war.

Das wäre, was mir spontan dazu einfällt. Ich habe jedoch das Gefühl, dass Du sehr viel (zu viel?) von Dir verlangst. Es war ja so, dass Du jahrelang Deine eigenen Bedürfnisse nicht ernstgenommen hast. Irgendwann ziehen die sich dann halt auch beleidigt zurück ( ) und zeigen sich nicht mehr klar und eindeutig. Woher sollst Du also plötzlich genau wissen, was Deine Bedürfnisse sind?

Viele Grüße
Xenia
ANOVA
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von ANOVA »

Hallo Otterchen und Wolke,

die Frage nach der Abgrenzung finde ich ganz schwierig zu beantworten...

> Ist es eher das Grenzen-Setzen, also z.B. jemanden selbstbewusst bitten, etwas zu unterlassen?
Oder ist es eher das Nicht-Berührt-Werden von Dingen, die einen im Grunde nicht (be)treffen?

Für mich schließt das eine das andere nicht aus. Wobei das Nicht-Berührt-Werden vielleicht auch erst nach der Abgrenzung entstehen kann, denn nur dann habe ich genügend Distanz zu etwas. Aber andererseits geht es ja vielleicht auch gar nicht darum, wirklich nicht berührt zu werden, sondern dieses Berührtfühlen nicht übermächtig werden zu lassen?

Für mich persönlich wäre es schlimm, wenn mich so manche Geschichten nicht (mehr) berühren würden. Es ist daher für mich eher eine Frage des Umgangs mit solchen Geschichten bzw. Gefühlen. Man kann ja auch berührt sein, ohne mit dem anderen mitzuleiden. Oder ohne sich von den Aggressionen eines anderen anstecken zu lassen. Das Ideal ist für mich vermutlich, dass ich zwar schon irgendwie Teilnehmerin im Geschehen bin, aber nicht mitagiere.

Ach, ich weiß auch nicht, wie ich das ausdrücken soll...

Und bezüglich der Bedürfnisse wollte ich nur noch kurz sagen, dass ich es so sehe wie Dani. Derzeit nicht stillbare Bedürfnisse sollten auf jeden Fall wahrgenommen und akzeptiert werden. Denn nur dadurch kann man in meinen Augen irgendwann in die Lage kommen, etwas zu verändern. Wenn ich also z.B. merke, dass ich mich einsam fühle und dieses Gefühl wahrnehme und akzeptiere, wird es weniger „aufdringlich“, denn ich gebe ihm ja den Raum. Und wenn es weniger „aufdringlich“ ist, kann ich Kräfte sammeln um irgendwann etwas gegen meine Einsamkeit zu tun. Wenn ich aber gegen die Einsamkeit kämpfe, sie versuche mit irgendetwas zu überdecken, dann werde ich sie einerseits nie los und andererseits habe ich dann auch nicht die Kraft, wirklich etwas zu verändern...

Viele Grüße
Xenia
P.S. Das mit dem Fortsetzungsthread finde ich eine gute Idee...
otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

Hallo Dani,

ich denke mal, natürlich DARFST du dein Bedürfnis nach Liebe stillen, die Frage ist doch: KANNST du es auch? WIE willst du es ohne Partner stillen?

Darum gehts doch gerade!
Wir sollen doch lernen, wie wir uns selbst mit Liebe, Wertschätzung etc. begegnen. Wir sollen die Liebe aus uns selbst schöpfen, nicht aus einer Partnerschaft - weil wir damit dem Partner die Verantwortung für unser Wohlbefinden übergeben würden.

So, ich nehme jetzt also ein Bedürfnis wahr - bleiben wir mal bei dem Beispiel "liebesbedürftig". Da brauche ich also meine eigenen Ressourcen sowie mein soziales Umfeld. Sekundär natürlich auch den Partner - aber halt nicht primär.

Klar ist die Wahrnehmung meiner Bedürfnisse der erste Schritt - und die wertfreie Annahme (also auch von Wut, Scham, Rachegelüsten etc.). Doch dann einfach nur warten darauf, dass diese Gefühl vergeht? Das klappt beim Hunger nicht (ok, das ist ein Primärbedürfnis), aber das klappt halt auch nicht bei darüberhinaus gehenden Bedürfnissen, die für mich als Mensch essentiell sind.

Ich habe mal Google gefragt und bin auf eine Bedürfnispyramide gestoßen:

Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow erforschte gesunde, erfolgreiche und glückliche Menschen. Dabei entdeckte er, dass man die menschlichen Bedürfnisse nach einer bestimmten Rangordnung einteilen kann.
Erst wenn die Bedürfnisse einer unteren Stufe gestillt sind, strebt der Mensch nach Bedürfnissen der nächst höheren Stufe.

oberste Stufe:
SELBSTVERWIRKLICHUNG Individualität, Güte, Gerechtigkeit Selbstlosigkeit (anderen etwas geben)


darunter liegende Stufe:
ICH - BEDÜRFNISSE Anerkennung, Geltung, Selbstachtung


SOZIALE BEDÜRFNISSE Liebe, Freundschaft, Gruppenzugehörigkeit


SICHERHEITSBEDÜRFNISSE Materielle-, berufliche-, Lebenssicherheit


"unterste" Stufe:
GRUNDBEDÜRFNISSE Wasser, Luft, Nahrung, Unterkunft, Schlaf



Ah, und noch was: bei Wikipedia habe ich den Begriff ZEITSTABIL gelesen. Ein Bedürfnis muss also wohl klar von einem (vergänglichen) Gefühl unterschieden werden! Gefühle kommen und gehen, ein Bedürfnis (oder z.B. auch Stimmungen) sind beständig(er).

Wow, ob ich da jemals den Durchblick haben werde?
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otterchen
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Re: Achtsamkeit im Alltag - OHNE Meditation

Beitrag von otterchen »

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So, und hier gibt es die Fortsetzung:

http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1199642631

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