Wer könnte mir helfen?

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briedi
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Registriert: 2. Jan 2008, 20:28

Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Hallo alle miteinander,
ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wie ich anfangen soll. Ich habe das Gefühl, gar nicht richtig zum Ausdruck bringen zu können, was mich bewegt. Zum einen denke ich wie blöd meine Gedanken sind und wenn ich hier die Beiträge lese, bekomme ich manchmal Angst. Angst, ich könnte nicht richtig verstehen oder vieles (fast alles) falsch machen? Mein Freund, mit dem ich noch nicht sehr lange zusammen bin, leidet unter Depressionen. Am Anfang habe ich das Ganze gar nicht so ernst genommen und je mehr ich in die Materie eintauche, umso mehr erkenne ich die Symptome. Wie erschreckend!!!
Manchmal verstehe ich jetzt, warum er so handelt und doch tauchen dann tausend Fragen auf. Wenn mir vielleicht jemand einige Dinge erklären könnte???? Ich bin nicht sehr gut darin, mit ihm darüber zu sprechen. Jeder hat ja so seine Geschichte - meine ist, das Sprechen verlernt zu haben. Ich kann eben besser schreiben, was ich dann aber auch tue! Nur an Antworten erhalte ich nicht viel. Wie das so beschrieben wird ist es tatsächlich so, eigentlich geht die ganze Initiative von mir aus - meistens auch gern angenommen. Bis dann die Momente kommen, wo ich merke, jetzt bin ich nicht so erwünscht und er wäre lieber allein. Das tut dann eben doch manchmal weh

Wie kommen Zärtlichkeiten bei demjenigen an, der an Depressionen leidet. Wieviel kann er davon genießen (wenn es sowas überhaupt gerade gibt)? Was ist, wenn man das Gefühl hat, dass die Medikamente gar nicht wirken?? Und ist es so, dass derjenige in einem großen Loch gefangen bleibt trotz der Medikamente?? Ich habe in einem Erfahrungsbericht gelesen, dass eine Frau nach überstandener Depression, es sich anfühlt wie ein schlechter Traum. Was bleibt denn von den schönen Dingen, die man in dieser Zeit vielleicht erlebt hat. Manchmal zieht es mich doch ganz schön runter, wenn ich denke, dass mein Freund vielleicht gar nicht das Empfinden kann, was er mir Wertvolles und einmalig Schönes bedeutet.

Kann mir vielleicht einer von Euch auch nur ein oder zwei Fragen beantworten???? Das wäre sooooo lieb!
LG Briedi
cybolon
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Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von cybolon »

Hallo Briedi,

zunächsteinmal: Ich finde es toll, daß Du hier postest und Deine Fragen stellst.

Das mit der Zärtlichkeit ist tatsächlich nicht so einfach (jedenfalls bei mir).
Wenn ich so richtig tief im Loch bin, tut es mir schon gut, wenn mir meine Frau den Rücken reibt oder mich mal in den Arm nimmt.
Allerdings fühle ich im gleichen Moment einen riesigen Schmerz darüber, daß ich die Liebe nicht richtig spüren kann.
Am nächsten Tag kann es durchaus wieder ganz anders aussehen. Dann spüre ich die Liebe und bin froh darüber.

Daß die Initiative immer nur von Dir ausgeht, wundert mich nicht. Es ist schließlich ein primäres Merkmal der Depression, antriebslos zu sein. Wenn meine Frau nicht ab und zu sagen würde: "Auf jetzt, genug davon, wir machen einen langen Spaziergang..." säße ich manchmal nur noch mit Blick auf den Boden im Sessel.
Und die Spaziergänge tun mir (fast immer) gut.

Auch ich zweifle, spätestens wenn ich wieder eine Depri-Phase habe, an der Wirkung meiner Medikamente. Es sind aber halt keine Happy-Pills - nach dem Motto: Schlucken und frohlocken. Vielmehr unterstützen sie ja lediglich den Stoffwechsel im Gehirn, damit Therapie überhaupt greifen kann.

An der Therapie hast Du als Partner allerdings einen großen Anteil. Manchmal sogar wichtiger als der Therapeut, glaube ich.

Von mir selbst ausgehend würde ich sagen:
Fordere Deinen Freund zum Spazierengehen auf.
Mache ihn immer auf seine Erfolge (Fortschritte aus der Depression) aufmerksam!
Lobe ihn, wenn er sich zu etwas aufrafft.
Er braucht Liebe, Verständnis, Bestätigung, Erfolgserlebnisse, Ablenkung, Zeit, Geduld und viel Aufmerksamkeit.

Achte dabei auf Dich selbst!
Anteilnahme muss nicht Übernahme sein.
Mitleid bedeutet selbst zu leiden.
Erbarmen macht den Depri klein.
Ratschläge sind auch Schläge.

Dennoch fragt der Depressive immer wieder:
Warum... Wie lange... Was muss ich noch ertragen...
Und er möchte auch Antworten.
Aber, egal was Du ihm sagst, er wirft Dir sogar noch vor: Siehste, Du kannst mir auch nicht helfen.
Du solltest Dich dadurch nicht verletzt fühlen. Eher Verständnis zeigen aber Deinem persönlichen Naturell entsprechend abwägen und Vorschläge machen, entscheiden, wie es für ihn weitergeht, muss er selbst.

>Wer könnte mir helfen<
Es quillt eigentlich immerwieder aus allen Büchern und auch aus den Beiträgen dieses Forums hervor: Psychologen und Psychiater.
Bitte seinen Psychologen doch mal um einen Termin!
Auch Angehörige werden dort angehört!

Ich drück' Dir/Euch fest die Daumen!
Lass' uns wissen, wie es weitergeht!

Liebe Grüße
vom
cybolon
briedi
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Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Lieber Cybolon,
vielen herzlichen Dank für Deine Antwort!!!! Sie hat mir sehr gut getan. Ja, in Büchern schmöcker ich schon viel, ich habe mir jetzt nochmal das Buch "Depressionen überwinden" bestellt. Mir geht es immer nur so, dass ich zwar etwas über die Ursachen, Entstehung, Behandlung erfahre, aber nicht wirklich sehr viel über das, was in dem Betroffenen richtig vorgeht.

Ich fühle mich manchmal so hin und her gerissen. Am schlimmsten für mich ist es, zurück gewiesen zu werden - aber das ist wohl ehr mein eigenes Problem und etwas, was ich lernen soll. Ich glaube, es gibt überhaupt eine Menge zu lernen und es wird bestimmt nicht leicht! Aber gut...

Ich will auf jeden Fall versuchen, mehr mit ihm über dieses Thema zu sprechen. Hin und wieder beschleicht mich der Eindruck, dass er selbst über Depression nicht wirklich viel weiß. Seit wir uns kennen nimmt er seine Medikamente wieder, die Gesprächstherapie ist sehr weit gestreut - also nicht regelmäßig (alle paar Wochen mal). Auch habe ich das Gefühl, dass sein Hausarzt ihm zwar die Medikamente verschreibt, sich aber gar nicht weiter um ihn kümmert, wie es ihm damit eigentlich geht. Dazu kommt, dass er seit knapp drei Monaten Krank geschrieben ist. Er hat z.T. heftige körperliche Beschwerden (Schmerzen) und den Sport, der ihm wirklich gut täte, komplett aufgegeben. Und auch da fängt es für mich an, wo unterstütze ich ihn und wo würde ich mir seinen Kopf zerbrechen und seine Aufgaben übernehmen. Zumal sich mir dann die Frage stellt, wieviel Kraft habe ich dafür.

Ich würde mich auch freuen, wieder von Dir zu hören. Auf jeden Fall wünsche ich Dir einen schönen Tag mit Sonne im Herzen,
ganz liebe Grüße
Briedi
cybolon
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Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von cybolon »

Hallo Briedi,

>...dass sein Hausarzt ihm zwar die Medikamente verschreibt, sich aber gar nicht weiter um ihn kümmert...<

Mein Hausarzt ist ebenfalls bereit, mir die Medis zu verschreiben. Allerdings merkte ich recht schnell, daß er mit dieser Krankheit nicht viel Erfahrung hat und auch Angst hat, etwas falsch zu machen.
Z.B. Meinte er, als ich mal heulend bei ihm saß, ich müsse dringend wieder in die Klinik. Meine Psychologin hingegen war dagegen und wurde recht energisch.

Aus diesem Grunde habe ich beschlossen, nicht mehr nur die Therapeutin und den Hausarzt aufzusuchen.
Am Montag habe ich meinen ersten Termin bei einer Psychiaterin.
Ich möchte, daß sie mir die Medis verschreibt und sich meine Bedenken dazu anhört und überhaupt: Es ist ein zusätzlicher Beistand!

Mein Rat: Dein Freund soll sich statt vom Hausarzt, lieber vom Psychiater behandeln lassen!
Darüberhinaus ließe sich so auch klären, ob seine körperlichen Beschwerden nicht in Wirklichkeit von der Psyche kommen (Psychosomatik). Depressionen können sehr tückisch sein.

Dein Verhalten ihm gegenüber schätze ich als richtig ein. Es ist verdammt mutig von Dir, daß Du bereit bist, all' das mit ihm durchzustehen. Diesen gigantischen Liebesbeweis kann er sicher gut gebrauchen, auch wenn er ihn nicht immer sieht.

Allerdings auch hierzu wieder: Denk' an Dich selbst!
Wenn Du zu sehr (mit)leidest, läufst Du Gefahr, selbst zu "zerbrechen" und das wäre für Euch beide ja keine Hilfe.
Meine Frau hat sich für manche Situationen auch schon eine gewisse "Hornhaut"(!) wachsen lassen. Das merke ich z.B., wenn ich heule und sie nicht sofort herbeispringt, um mich zu trösten. Vielmehr wartet sie ab, bis ich ihr sage, welche Gedanken mich so quälen.
Dann geht sie sachlich darauf ein und versucht mir eine andere (positivere) Sichtweise vorzuschlagen.
Erst dann bietet sie mir an, mich mal in den Arm zu nehmen.

Am schönsten ist es allerdings auch für sie, wenn ich mich schnell wieder fange und sie von mir aus in den Arm nehme.
Sowas kannst Du Deinem Freund auch mal sagen! Ganz sicher ist die Kommunikation bei Euch beiden (noch) nicht optimal.

Redet miteinander! Das ist das A&O.

Liebe Grüße
vom
cybolon
Shay
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Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von Shay »

Hallo Briedi,

auch wenn die Bibliotheken erwähntermaßen überquellen vor Literatur über Depressionen, so möchte ich Dir doch einen Schinken ans Herz legen: "Saturns Schatten" von Andrew Solomon. Ist mit einigen hundert Seiten ein ziemlich dicker Wälzer, aber gerade die ersten 2/3 des Buches lohnen sich, um Einblicke in die verquaste Welt eines Depressiven zu bekommen. Das große Problem bei dieser Krankheit ist, dass ihr mit der Logik gesunder Menschen nicht beizukommen ist, der Depressive denkt und fühlt in einer sehr eigenen und manchmal ziemlich erschreckenden Logik. Gerade bei Menschen mit Suizidgedanken kann einem als Außenstehendem schon mal das kalte Schütteln kommen.

Eines möchte ich Dir aber mit auf den Weg geben: Was immer Dein Partner sagt, was Dich erschreckt oder auch mal tief trifft - es ist nicht er, der da spricht, es ist diese besch... Krankheit. Wie weiter oben schon erwähnt: in "lichten Momenten" erscheint einem das ganze wie ein böser Traum. Nur dass dieser Traum immer wieder kommt.
Gruß: Martin





„A ship is safe in harbour - but this is not what a ship is made for."
briedi
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Registriert: 2. Jan 2008, 20:28

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Lieber Cybolon,
vielen Dank für Deine Antwort. Es tut mir wirklich gut!!!

Das verkruxte an der Sache ist. Ich habe mich vor zweieinhalb Jahren getrennt und bin mittlerweile geschieden. In der Zeit meiner Ehe habe ich sehr viel vermisst und auch einen Teil von mir verloren. Ich habe gehofft in einer neuen Beziehung die Nähe und Geborgenheit zu finden, die ich so sehr vermisst habe. Und nun das.. Wir beide haben schmerzliche Dinge erfahren und ich bitte ihn, an mir wieder "zu üben" z.B. Nein zu sagen, wenn er etwas nicht möchte. Für mich bedeutet das gleichzeitig zu lernen, dass ein Nein von ihm sich (hoffentlich) nicht gegen mich richtet. Ich wiederrum versuche mich im Sprechen. Letzens kam es dann doch etwas holprig, was mir dann wieder sehr leid tat, weil ich doch nicht möchte, dass er mich falsch versteht oder sich nicht gut aufgehoben bei mir fühlt. Und dann vergesse ich noch des öfteren, dass ich/wir ja Zeit haben!!!!! Wir haben die Zeit uns weiter kennen zu lernen, zu beschnuppern und immer mehr Vertrauen aufzubauen. Gerne möchte ich ihm von den Büchern erzählen und sie ihm anbieten. Geduld ist nicht meine größte Stärke, aber ich will wirklich daran arbeiten. Deshalb tut es mir auch so gut von Euch eine Rückmeldung zu bekommen. Nochmals herzlichen Dank!!!!!

@ Shay
auch Dir herzlichen Dank für Deine Antwort. Es ist schon bewegend dieses auf und ab zu betrachten. Die letzten zwei Tag wollte er mich nicht sehen und als ich ihn kurz besuchte, merkte ich ganz schnell seine Unruhe. Das ist für mich immer ein Zeichen, dass es Zeit für den Rückzug wird. Leicht ist dass nicht immer, aber mit dem was ich von Euch höre/lese wird es ein wenig verständlicher. Heute hat er mir wieder sooo lieb geschrieben und ich habe dann schnell Angst mich wieder zu melden, weil ich befürchte, es könnte ihm wieder zuviel werden. Und dann lese ich, dass die Betroffenen sich Zuneigung wünschen. Oh weh... Ich weiß, dass Zauberwort heißt Geduld. Vor allem, wenn ich höre, dass die Zeit der Krankheit sich doch ganz schön hinziehen kann. Auch wenn ich mich wiederhole, wirklich herzlichen Dank für Eure Antworten!!!!

Ich wünsche Euch und allen Betroffenen einen dicken hellen Sonnenstrahl, der tief bis in Eurer Herz scheint und ein wenig Licht und Hoffnung bringt!!!!
LG Briedi
ils_pixent9
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Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von ils_pixent9 »

Hi,
hier ist schon sehr viel Kluges und Gutes geschrieben worden. Ich möchte nur noch einmal die Auffassung verstärken, dass man Psychopharmaka nicht vom Hausarzt verschreiben läßt. Ein Psychiater den ich kenne bezog ganz entschieden dagegen Stellung. Ein Psychiater ist nicht für Grippe zuständig und ein Hausarzt nicht für Seelenmedizin. Der Psychiater hat viel mehr Erfahrung in bezug auf Wirkung und Nebenwirkung.

LG Gret
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von heike56 »

Hallo Briedi,

vor ein paar Monaten ist ein Buch erschienen, auf das ich dich noch hinweisen möchte. Es heißt:

Schattendasein - Das unverstandene Leiden Depression (Taschenbuch)

Springer Verlag 19,95 Euro

Es wurde von Menschen hier aus dem Forum geschrieben und ist von daher sehr praxisnah.
Vielleicht wäre das ein Buch für euch beide. Denn es ist sowohl für Erkrankte wie auch Angehörige gedacht.
Näheres findest Du auf der homepage:

http://www.schattendasein.info/

Ich gehöre nicht zu den Autoren, nicht dass da Missverständnisse aufkommen könnten.

Depression ist eine Erkrankung die beiden Seiten viel abverlangt. Es ist für beide Beteiligten wichtig sich damit auszukennen, weil soviele Mißverständnisse ausgeräumt werden können.
Für den Erkrankten ist es wichtig geeignete Medikamente zu finden und in einer Therapie zu lernen wie man Denkfallen durchschaut und zu sehen was einem gut tut.

Ich wünsche euch alles Gute!

Heike 47
briedi
Beiträge: 30
Registriert: 2. Jan 2008, 20:28

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Hallo Grete & Heike,
danke für die Tips. Ich sehe schon, es gibt noch viel zu lernen und zu erfahren.
Ich war heute in der Buchhandlung. Das Buch "Depression überwinden" war noch nicht da. Beim Lesen von den vielen Threads bin ich schon auf das Buch "Schattendasein" gestoßen. Vom Inhaltsverzeichnis gefällt es mir sogar noch besser als das erstgenannte. Also hatte ich es bestellt. Ich hoffe es ist morgen da. Erschreckend fand ich aber auch, wieviel bekloppte Bücher es über das Thema gibt.

Was mich doch auch etwas betroffen gemacht hat. Ich hatte hier in den Beiträgen von Co Abhängigkeit gelesen und im Internet mal nachgeschaut. Ich glaube, ich wäre ein geeigneter Typ für sowas. Also sollte ich da besonders aufpassen. Ich merke schon jetzt, wie sehr mich dieses Thema beschäftigt. Es ist doch echt wie verhext. Warum kann es nicht einfach ganz leicht sein. Warum... welch müssig blöde Frage, nicht wahr?? Es heißt nicht umsonst

"Leben ist das was geschieht, während Du es planst"

Ich finde es super nett, dass Ihr mir helft und meine Fragen beantwortet, wo Ihr doch z.T. selber viele eigene Probleme mit Euch tragt!!! Schön, dass es Euch gibt.

Bis später dann & lieben Gruß
Briedi
Shay
Beiträge: 357
Registriert: 5. Jan 2007, 14:06

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von Shay »

Liebe Briedi & alle anderen,

Fachliteratur über Depressionen zu lesen ist sicher eine Möglichkeit. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass man, wenn man die Denkweise Depressiver verstehen und in ihre verdüsterte Welt eintauchen will, nicht umhin kommt, entsprechende Erfahrungsberichte lesen muss. Das ist wie wenn man eine Reise plant und zum Kennenlernen des Landes einen Atlas zur Hand nehmen will. der ist sicher interessant, jedoch wird man mehr erfahren, wenn man einen Reisebericht liest.
Auch wenn ein Reisebericht sicher nicht die eigene Reise ersetzen kann (jedoch muss man nicht unbedingt selbst depressiv werden, um das Grauen der Depression erahnen zu können...) Aber ich denke, Du verstehst, was ich meine. Die Depressionen Deines Partners zu erkunden ist wie eine Reise in ein unbekanntes, dunkles Land. In ein Land mit einer tyrannischen Regierung, die verhindert, dass die Sonne scheint...
Gruß: Martin





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xam
Beiträge: 80
Registriert: 10. Nov 2007, 18:30

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von xam »

Hallo Briedi

beim lesen deiner Beiträge erkenne ich mich zum Teil selbst. Mir ging es wohl ähnlich wie dir.

>Was mich doch auch etwas betroffen gemacht hat. Ich hatte hier in den Beiträgen von Co Abhängigkeit gelesen und im Internet mal nachgeschaut. Ich glaube, ich wäre ein geeigneter Typ für sowas. Also sollte ich da besonders aufpassen. Ich merke schon jetzt, wie sehr mich dieses Thema beschäftigt.<

Ich kann dir nur sagen: achte auf dich und gib dein Leben nicht zu weit für deinen Partner auf! Halte genügend Abstand!

Deswegen kannst du trotzdem für ihn da sein, dich um ihn bemühen, in seiner Nähe sein wenn er es zuläßt.
Ich hoffe für euch, daß ihr auch über deine Probleme und Ängste sprechen könnt.
Es gibt nichts schlimmeres als schweigen.

Ich wünsche dir viel Kraft!
liebe Grüße
Xam
briedi
Beiträge: 30
Registriert: 2. Jan 2008, 20:28

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Liebe Xam,
ich habe erstmal Deine Bericht "Sprachlos" gelesen. Ja, ich entdecke auch viele Paralellen. Weil ich das Sprechen verlernt habe, schreibe ich ihm schon recht viel. Er hat letztens bemerkt, dass ich wohl gerne schreibe Mein Gefühl ist einfach, dass ich mich dann besser ausdrücken kann. Nach meinem Empfinden holpern meine Worte weniger und ich kann alles oder mehr sagen. Viele Antworten bekomme ich allerdings nicht. Wenn ich noch ein bisschen mehr gelesen habe und ihm das Buch auch anbieten kann, will ich mich weiter im Reden üben!!!!

Wie geht es Dir und Deinem Freund? Hat es sich schon etwas gebessert? Ich wünsche es Euch sehr! Ich hatte heute einen wirklich überraschend schönen Tag und freue mich immer noch sehr. Aus einem der vielen Berichte habe ich mir einen Spruch abgeschrieben und ihn mir sehr eingeprägt.
"Erwarte wenig und Du bekommst viel"!

Ich glaub ich geh dann mal ins Bett. Euch allen eine ruhige Nacht und danke für soviele Antworten und Anteilnahme!
LG Briedi
Muffelschlumpf
Beiträge: 6
Registriert: 5. Jan 2008, 14:14

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von Muffelschlumpf »

Hallo Briedi,

auch wenn jetzt schon viel geschrieben wurde an Antworten, so möchte ich Dir doch auch noch schreiben. Und einfach mal von meiner eigenen Sichtweise aus (als chronisch Depressiver) schreiben.


briedi schrieb:

> Wie kommen Zärtlichkeiten bei demjenigen an, der an Depressionen leidet. Wieviel kann er davon genießen (wenn es sowas überhaupt gerade gibt)?

Auch ein Depressiver kann Zärtlichkeiten geniessen. Wobei auch die Frage ist, ob er richtig medikamentös eingestellt ist und sich auf nem gewissen Level eingependelt hat oder grade in nem tiefen Loch sitzt. Bei zweiterem kann ich zumindest Zärtlichkeiten nur sehr begrenzt zulassen. Weil ich mich selbst dann so scheisse fühle, das positives zwar zu mir durchdringt, aber so gegensätzlich ist zu allem, was ich grade fühle.

>Was ist, wenn man das Gefühl hat, dass die Medikamente gar nicht wirken?? Und ist es so, dass derjenige in einem großen Loch gefangen bleibt trotz der Medikamente??

Wenn die Medikamente nicht wirken, muss man sich auf neue einstellen lassen. Antidepressiva sind nicht wirklich erforscht in ihrer Wirkungsweise. Es ist ein reines Try and Error-Verfahren. Jedenfalls haben mir das so alle Ärzte in der Psychatrischen Klinik sowie mein Neurologe erklärt. Wenn man eins findet, sollte man alles daran setzen, nicht irgendwann wieder umgestellt zu werden. Ich z.B. hab glücklicherweise nicht lange suchen müssen, sondern hatte direkt mit dem ersten Versuch Glück. Seitdem hab ich zwar immernoch depressive Phasen, die mich derb runterziehen, aber ich geniesse das Leben wieder wesentlich mehr als zu meiner schlimmsten Zeit.

>Ich habe in einem Erfahrungsbericht gelesen, dass eine Frau nach überstandener Depression, es sich anfühlt wie ein schlechter Traum. Was bleibt denn von den schönen Dingen, die man in dieser Zeit vielleicht erlebt hat. Manchmal zieht es mich doch ganz schön runter, wenn ich denke, dass mein Freund vielleicht gar nicht das Empfinden kann, was er mir Wertvolles und einmalig Schönes bedeutet.

Ich muss gestehen, das ich nicht weiss ob man eine Depression "überstehen" kann. Man kann sicherlich sagen, das man lange Zeit nichts von ihr merkt, aber das sie irgendwann wieder komplett weg ist? Also, ich bin offiziell seit 2003 depressiv und seit 2005 2 mal klinisch behandelt worden bzw. seit 2005 auf Antidepressiva eingestellt. Und auf jedenfall in dieser zeitspanne weiss ich durchaus, wer mich liebt(e) und wer nicht.

Also, meine Quintessenz wäre: Wenn Dein Partner die richtigen Medikamente bekommt und gegebenenfalls die richtige Behandlung in Form von Gesprächen oder Therapien, dann könntet ihr ein ziemlich angenehmes Gemeinschaftsleben haben.

So, jetzt hab ich ganz viel geschrieben. Ich hoffe, ich hab Dir auch etwas helfen können.

Liebe Grüße,

Muffelschlumpf
Nutze den Tag.. Oder versuche es wenigstens..
briedi
Beiträge: 30
Registriert: 2. Jan 2008, 20:28

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von briedi »

Hallo Muffelschlumpf,
ja, Deine Antwort hat mir ein bisschen Mut und Hoffnung gemacht. Es gibt schöne Tage, heute war auch wieder einer und ich glaube, ich weiß auch warum. Es gibt Augenblicke, da blüht er auf und ich kann es sehen. Um so trauriger ist es, wenn diese kurzen Momente wieder vergehen. In der unbeschwerten Zeit frage ich mich echt, ob ich nicht doch alles falsch interpretiere.

Mit den Medikamenten muss ich mal sehen. Ich möchte ihn bei Gelegenheit fragen, was sich für ihn eigentlich verändert hat. Viele Symptome wie Augendruck, Schwindel, Schweißausbrüche, "doofe" Gewichtszunahme ordnet er den Medis zu.

Ach ja, könnte an Tagen wie diesen die Zeit nicht einfach mal stehen bleiben??? Das wärs doch oder?! Aber gut, lassen wir uns überraschen, was kommt. Vielleicht noch ein schöner Tag

Ich wünsche Dir einen schönen Abend
Ganz liebe Grüße
Briedi
Muffelschlumpf
Beiträge: 6
Registriert: 5. Jan 2008, 14:14

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von Muffelschlumpf »

Die Zeit bleibt leider nie stehen. Es kommen immer gute und schlechte Zeiten und das im unkonstanten Wechsel. Die falschen Medikamente zeichnen sich besonders dadurch aus, das sie einen nicht auf einem konstanten Level halten. Die Nebenwirkungen sind sozusagen nur die "unwichtigeren" Begleiterscheinungen..

Ich wünsche euch beiden jedenfalls eine sehr lange und gute Zeit.

Muffi
Nutze den Tag.. Oder versuche es wenigstens..
BeAk

Re: Wer könnte mir helfen?

Beitrag von BeAk »

Hallo zusammen,

meine Erfahrung ist das die Störung als auch die Gesundung in Wellen verläuft.

Ein Medikament wird das auch nicht ändern. Es ändert nur die Tendenz, die sollte nach oben gehn.
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