Tut mir Heulen gut?

cybolon
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Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Hallo miteinander!

Zur Zeit befinde ich mich wieder in einer Heul-Phase.
Wenn der Druck aus mir sich soweit aufgebaut hat, daß ich es 'rauslassen muss, tut mir meine Frau jedesmal Leid, daß ich schon wieder heulend dasitze.

Manchmal schaffe ich es über ein paar Tage ohne zu heulen. Habe dann aber immer den Eindruck, alles nur in mir aufzustauen, bis die "Blase" eben platzt.

Natürlich denke ich auch an: "Männder heulen nicht" und setze mir aber dagegen: "Nero hat geweint, Cäsar hat geweint, alle großen der Welt... Warum soll ich Würstchen nicht auch weinen?"

Wenn ich sehr kurz einfach mal losheule und mich schnell wieder beruhige, fühle ich mich erleichtert.
Wenn mich ich aber so richtig tief der Heulerei ergebe, nimmt die Erschöpfung und Traurigkeit zu.

Bitte berichtet mir über Eure Erfahrung und Eueren Umgang mit der Heulerei. Für Tipps wäre ich dankbar!

Auf Eurer "Re:" freut sich
der
cybolon

P.S. Wäre schön, wenn sich auch Männer zum Heulen "outen" würden!
Emely
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Emely »

Hallo Horst,

bin nur zur Hälfte ein Mann, aber immerhin.
Also mir tut Heulen definitiv gut. Wenn's kommt: immer raus damit. Meistens ist es bei mir dann schnell vorbei.
Was anderes ist es freilich, sich in Traurigkeit hineinzusteigern - was ich auch kenne - hier halte ich es für besser, sich selbst zu beobachten und Gegenmaßnahmen zu treffen.

Gruß von

Emely
cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Hallo Emily,

erstmal danke für die rasche Antwort!

Kannst Du mir die Gegenmaßnahmen näher erläutern? Da habe ich noch nicht genug Therapie gehabt, denke ich.

Liebe Grüße
vom
cybolon
otterchen
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von otterchen »

Hallo Horst,

also mir geht es nicht so gut, wenn ich das Heulen eindämmen will.
Sprich: der Nacken verkrampft sich, ich bekomme Kopfschmerzen, und meist habe ich am Tag danach total verquollene Augen.

Besser fühle ich mich, wenn ich nach dem Prinzip "wahrnehmen - zulassen - annehmen - loslassen" vorgehe - ich gebe mir Recht ("ja, ich habe auch allen Grund zu heulen!") und kann damit etwas loslassen.

Was anderes ist natürlich, wenn Du dauernd nur heulen musst und gar nicht mehr davon weg kommst - dann gilt es wohl, die Hintergründe zu beleuchten. Stimmt das alles, was Du denkst? Sind es so Gedanken wie "ich bin zu nichts zu gebrauchen", die man auch relativieren könnte?
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Emely
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Emely »

Lieber Horst,

also erst mal fiel mir eben in deinem ersten Posting auf, dass da steht, manchmal schaffst du es, tagelang nicht zu weinen. Wenn du das unterdrückst, wird es umso heftiger herausbrechen. Also unterdrücken halte ich für ganz falsch.
Zu den Gegenmaßnahmen: lies doch mal im Achtsamkeitsthread von Xenia mit. Sie hat dort gerade was über die Achtsamkeit in Situationen geschrieben.
Statt sich in Traurigkeit zu stürzen, kann man versuchen, die Situation zu analysieren: was ist da eigentlich passiert, warum bin ich traurig, hat mich etwas verletzt, hatte ich falsche Erwartungen, - kann es sein, dass ich Dinge falsch verstanden habe, dass es an meiner Wahrnehmung liegt?

Emely
Emely
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Emely »

Otterchen - unsere Postings haben sich gerade überschnitten. Steht ungefähr das Gleiche drin, wenn ich das richtig wahrnehme.

einen lieben Gruß

Emely
ANOVA
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von ANOVA »

Hallo Horst,

was Emely geschrieben hat, kann ich nur unterstreichen. Aber vor allem finde ich wichtig, die Traurigkeit (oder was Dich zum Heulen gebracht hat) als berechtigt anzunehmen. Du darfst heulen, wenn Dir danach ist. Aber versuche auch gleichzeitig, das zugrunde liegende Gefühl wieder loszulassen.

Viele Grüße

Xenia
cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Hallo Otterchen und Emily,

dann bin ich also schon (fast) auf dem richtigen Weg, wenn ich das Heulen zulasse, ehe der Druck mich "erwürgt".

Natürlich ist ein "sich-immer-mehr-reinsteigern" gefährlich und es wird nix besser.
Meine Gedanken hinterfrage ich schon.
Aber manchmal erkenne ich keine Auslöser darunter und fühle mich "grundlos" traurig.
Liegt vielleicht an der (relativ) frühen Phase der Depression, in der ich mich befinde.

"zulassen - annehmen - loslassen"
Ja, das will ich lernen!

Liebe Grüße
vom
cybolon
cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Hallo Xenia,

habe gerade den Achtsamkeits Thread gelesen!
Wow!
Ich habe noch verdammt viel vor mir und zu lernen...

"Das zugrunde liegende Gefühl wieder loszulassen."
Ich vermute, das ist bei mir noch das größte Problem. Denn meistens heftet es sich über Stunden an meine Denkblase. Aus Luftballons werden manchmal Ambosse, die nur schwer wegzuschieben sind.

Liebe Grüße
vom
cybolon
otterchen
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von otterchen »

Hallo Emely,

ja, das hast Du richtig WAHRGENOMMEN

Hi Horst,

mir ging das damals genauso... ich bin tagelang herumgeschlichen mit einem "komischen Gefühl" in mir. Ich habe wirklich TAGE gebraucht um zu erkennen, dass das Traurigkeit ist!
Und dann bin ich langsam dahintergekommen, was der Auslöser dafür war, also welche Situation bzw. welcher Gedanke.

Keine Panik also: das entwickelt sich!

Ich war total stolz auf mich, als ich in einer bestimmten (traurigen/enttäuschenden) Situation DIREKT und nicht zeitverzögert mit Tränen reagiert habe - die Traurigkeit war sofort da, es wurde nichts mehr weggeschoben, ich habe meine Tränen willkommen geheißen - und kurz danach ging es mir auch schon wieder besser.

Es braucht etwas Geduld und Übung - und der Achtsamkeitsthread von Xenia kommt wohl gerade zur rechten Zeit



Edit:
"Das zugrunde liegende Gefühl wieder loszulassen."
Wenn man das Gefühl einmal richtig WAHRNEHMEN kann, ist der erste Schritt gemacht. Dann ZULASSEN und ANNEHMEN (wie oben: ich war total froh, dass ich wieder was gefühlt habe) - und damit kommt fast automatisch das LOSLASSEN, das Gefühl ist für den Moment da, wird aufgenommen und kann dann quasi durch Dich hindurchgehen.
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cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Hallo Otterchen,

im Moment gehen noch so viele Gefühle gleichzeitig "durch mich hindurch".
Es ist eine schwere Disziplin, überhaupt erstmal zu erkennen, was sind "klebrige" und welche Gefühle kann ich durchwinken.
Oft klebe ich schon mit beiden Füßen fest, wenn ich bemerke, was es eigentlich ist.
otterchen
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von otterchen »

Hi,
habe gestern wieder dazugelernt: es gibt einen Unterschied zwischen Gefühlen und Stimmungen...

vielleicht ist das, was bei Dir so "klebt", eher eine Stimmung?

puh... schwierig schwierig!
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j1090vdg
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von j1090vdg »

Hallo,

mir tun meine emotionalen Zusammenbrüche überhaupt nicht gut. Es fühlt sich an, als Jemand in meinem Inneren Amok läuft und unter allen Umständen Aufmerksamkeit erlangen möchte.

Zu Beginn meiner schlechten Zeit waren die Zusammenbrüche noch bestimmten äusseren Anlässen/Faktoren zuordnenbar.

Zwischenzeitlich kann es mich immer und überall einholen - ohne ein wieso und weshalb - keine Gefühle - kein Wissen - nur abgrundtiefe Traurigkeit !!

In diesen Situationen hilft mir gar nichts, ich befinde mich in der dunkelsten Ecke und versuche in der realen Welt ein Versteck zu finden (meine Bürotür schließen, eine Ecke bei einer Person die mich versteht,...).

Ich möchte dann einfach nur, dass es aufhört. Einmal hatte ich so einen Zusammenbruch zu Hause und mein Arzt hat mir erlaubt, ein Notfallmedikament zu nehmen, woraufhin ich stundenlang geschlafen habe.

Diese Zusammenbrüche werden leider immer schlimmer und häufiger und wenn es so weiter geht, weiss ich mir nicht mehr zu helfen. Vielleicht nehme ich dann tatsächlich das Angebot meines Arztes an und gehe in die Klinik.

Ich habe auf die Ausgangsfrage ehrlich geantwortet - befürchte aber, dass dieser Beitrag nicht hier hin gehört, sondern auf ein Stück Papier, um dann zerrissen zu werden. Ich möchte hier keine Last darstellen, sondern mit meinen Beiträgen zum Austausch beitragen - nicht mehr und nicht weniger.

Bis dann
sd
Emely
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Emely »

Hallo Silbermond,

was du beschreibst, klingt nach Depression - und tut natürlich überhaupt nicht gut, sondern bedarf der Behandlung: Inneres Amoklaufen, abgrundtiefe Traurigkeit.

Was Horst ansprach, so hatte ich es verstanden - war Traurigkeit - und wie man damit umgeht. Trauer und Traurigkeit können uns ja immer wieder, auch den Nicht-Depressiven, oder in einer depressionsfreien Phase, begegnen.

einen herzlichen Gruß

Emely
j1090vdg
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von j1090vdg »

Es tut mir sehr leid, dass ich die Ausgangsfrage falsch verstanden habe und hier etwas geschrieben habe, was nicht in diesen Thread gehört.

Bitte entschuldigt.
sd
Emely
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Emely »

Hallo Silbermond,
mmh - ich finde nicht, dass du die Frage falsch verstanden hast. Sie lautet: tut mir Heulen gut? Und du hast geantwortet: nein, und das begründet.
Je nachdem, warum man heult, wie man damit umgeht usw. kann es da ja verschiedene Antworten geben. Gibt sicher auch Menschen, die meinen, heulen tue ihnen gar nicht gut.
Also no need to say I'm sorry.

einen lieben Gruß

von Emely
Loreley
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Loreley »

Hallo Horst,

meine Thera hat mir immer gesagt, dass wenn ich weinen musste, die Seele "Grossreine" macht.

Es spricht also nur dafür.

Und danach ging es mir auch immer viel besser.

Liebe Grüsse

Lore
Guinevere
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Guinevere »

Lieber Cybolon ,

wenn Dir das Weinen zu viel wird und die Achtsamkeitsübungen auch nicht so recht fruchten wollen.

Hm, mir hat damals zusätzlich Schüßler ganz gut geholfen:

http://www.homoeopathie-im.net/schuessl ... ricum.html

Nen sehr lieben Gruß Dir!
manu
cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Danke für Eure Antworten!

@Silbermod:
Deine Antwort ist okay!
Und sie gehört auch in diesen Thread.
Denn wir, -Du und ich- machen gerade Ähnliches durch. Ich schließe mich in Deinem Fall der Antwort von Emily an, daß Du auf jeden Fall eine Behandlung brauchst.
Es ist falscher Ehrgeiz, zu denken: "Das schaffe ich alleine".
Dieser viel zu hohe Anspruch treibt uns nur tiefer ins Loch!

@Manu:
Danke für den Tipp, werde mir morgen mal Schüßler besorgen.

@Loreley:
Meine Thera beschreibt das Heulen als einen Zustand der Erschöpfung. Sie wertet es nicht ab und gesteht es auch Männern zu.
Allerdings fordert sie mich auch dazu auf, über die Ursache nachzudenken und das heulen nicht für die Beachtung durch Andere auszunutzen.

Habe mir fest vorgenommen, mir das Heulen ausdrücklich selbst zu gestatten. Allerdings kann ich mich dazu in ein Zimmer zurückziehen, damit sich meine Frau nicht zu irgendwas aufgefordert fühlt...
Mir helfen kann am Ende ja doch nur ich selbst!!! (In solchen Momenten).

Liebe Grüße
vom
cybolon
Joy

Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Joy »

Hallo,

ich finde Weinen wichtig.
Ich wünsche es mir manchmal ganz doll, weil ich es nicht mehr so "gut" kann.
Als ich noch jung war, habe ich wegen jeder Kleinigkeit geweint. Jetzt spüre ich, dass es in mir brodelt. Es muss raus, kann aber nicht. Ich empfinde es als Erleichterung weinen zu können.

Aber es ist wichtig, danach zu spüren, dass es der Seele gut tut.

Liebe Grüsse
Joy
tomroerich
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Silbermond,

Ich habe auf die Ausgangsfrage ehrlich geantwortet - befürchte aber, dass dieser Beitrag nicht hier hin gehört, sondern auf ein Stück Papier, um dann zerrissen zu werden. Ich möchte hier keine Last darstellen, sondern mit meinen Beiträgen zum Austausch beitragen - nicht mehr und nicht weniger.

Dann weißt du vielleicht nicht, ob es dir gut tut, das Heulen? Jetzt hast du ein wenig geheult und willst es am Liebsten zerreissen, was du rausgelassen hast. Aber so ist das wohl oft in einer Depression - nichts ist mehr richtig, was man tut. Obwohl man keine Wahl hat ist auch das, was man wählt, nur schlecht.

Als meine Depression anfing, war ich nur am Heulen. Mir war so elend, dass ich einfach nur immer geheult habe. Ich kann nicht sagen, dass es mir gut getan hat, denn mir ging es anschließend nicht besser. Es blieb immer gleich schlecht, aber ohne Heulen wäre es vielleicht noch schlechter geworden. Ich hatte das Gefühl eines Abschieds, aber es war nicht wie ein üblicher Abschied. Es war, als ob ich mich von allem verabschieden müsste. Aus, vorbei, over. Nichts konnte mich tösten, selbst dann konnte ich nur heulen, wenn man es versuchte. So wussten auch die anderen nicht, ob mir Heulen gut tut und ob mir Trösten gut tut und ich wusste es auch nicht. Man weiß überhaupt nur noch sehr wenig in diesem Zustand - eigentlich nur, dass sich die Welt auflöst und das ist ja nun wirklich zum Heulen.

Später, da hätte ich mir diese Heulphase zurückgewünscht. Traurigkeit ist ein authentisches Gefühl, es ist lebendig, man fühlt sich dabei. Traurigkeit ist ein Seelengefühl. Aber später hätte es mir so gut getan, wenn ich hätte heulen können, aber es ging nicht mehr. Selbst die Traurigkeit war verschwunden und ich war nur noch ein kalter Stein ohne jedes Gefühl. Da hätte es mir sehr sehr gut getan, das Heulen, es wäre die Erlösung gewesen und Vorbote des Erwachens aus der Starre. So ist wohl selbst das Heulen relativ. Es kann schrecklich sein und es kann erleichternd sein aber für mich ist es immer auch der Beweis für Lebendigkeit.



Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Guinevere
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Guinevere »

Hallo Cybolon,

>@Manu:
>Danke für den Tipp, werde mir morgen mal Schüßler besorgen.

Hm, ich war zwar damals auf Citalopram (Bipolare/Borderline) eingestellt (Nebenwirkungen gigantisch), aber der Apotheker und auch der Arzt fand die Anwendung als bedenkenlos.

Schlaf guad ,
manu
j1090vdg
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von j1090vdg »

Hallo Thomas,

das Heulen (meine Zusammenbrüche) tut mir überhaupt nicht gut und ist für mich jedesmal eine kleine und immer grösser werdende Hölle.

Aber überhaupt nicht mehr fühlen zu können, dass ist sicher eine mindestens genauso grosse Hölle. Wenn der Körper die Gefühle so tief vergräbt, dass man keinen Zugang mehr zu ihnen hat, dass kenne ich auch. Ich hatte lange die Meinung, gar keinen Zugang zu meinen Gefühlen zu haben und in dem Moment, wo es mir immer schlechter ging, kam auch immer mehr die Traurigkeit zum Vorschein (das dürfte jetzt etwa ein dreiviertel Jahr her sein). Damals habe ich zu einem lieben Freund gesagt: "Ich darf doch auch nicht schauen dürfen, wenn ich schon nicht fühlen kann." und meinte es zwar ernst, habe aber darüber gelacht.

Während eines Urlaubs habe ich mich dann mit dem Thema Gefühle über die Literatur beschäftigt und heute glaube ich, dass es nur der letzte Tropfen war, womit ich einen Automatismus ausgelöst habe. Erst wusste ich immer warum ich traurig war und weinen musste - seit etwa 6 Wochen weiss ich es nicht mehr und es wird immer schlimmer.

Danke für Deine ehrliche Antwort Thomas, ich befürchte, dass ich derzeit nicht in der Lage bin das Heulen zu schätzen, aber Deine Vorwarnung macht mir Angst.

LG
sd
Liber
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von Liber »

Lieber Horst,

meine Erfahrung mit dem Weinen:

während meiner latenten Depressionsphasen hatte ich über Wochen Kloß im Hals und Druck in der Brust - weinen konnte ich nicht.

Wenn Tränen kamen - sie stiegen mir ohne äußeren "Grund" in die Augen - war das ein ganz schlimmes Zeichen für mich - denn es bedeutete, dass es mir wirklich nicht gut ging. Etwas, was ich nicht wahrhaben wollte, denn es "durfte" doch nicht sein. So etwas wie Trauer und Verzweiflung durften nicht existieren. Der Kloß im Hals und der Druck in der Brust waren noch leichter zu ertragen als "grundlose" Tränen.

Allein zu Hause konnte ich nicht so weinen, dass sich etwas löste, alles in mir war ein fester Knoten. War ich jedoch bei der Therapeutin strömten die Tränen nur so aus mir heraus. Ich brauchte dazu ein Gegenüber, das nicht entsetzt war, das nicht mit litt, das meine Tränen aushalten konnte.

Anfangs weinte ich aus Verzweiflung darüber, dass es mir so schlecht ging.

Später bedeuteten meine Tränen, dass in mir etwas zu fließen begann. Meine Gefühle.

Ich weinte in der Therapie immer, wenn ich mit meinen Gefühlen in Kontakt kam. Nicht nur, wenn ich traurig war. Auch bei Wut, Schmerz, Freude, Liebe ... Ich spürte, dass ich echt und lebendig war, wenn ich weinte.

Die Tränen lassen sich nicht manipulieren. Sie kommen nicht "auf Bestellung" - und ich habe sie in der Therapie auch nach einiger Zeit nicht mehr unterdrücken wollen und können. Es war gut, wenn sie kamen.

Früher war Weinen für mich entweder ein Grund für Scham oder ein Anzeichen für eine schreckliche Katastrophe - heute ist es ein Zeichen dafür, dass ich mit mir in Kontakt bin.

Noch immer ist es nicht leicht für mich, die Tränen kommen zu lassen, wenn ich nicht in einer geschützten Atmosphäre, wie etwa bei der Therapeutin, bin. Ganz besonders schwer fällt es mir, wenn Trauer in mir ist.

Aber manchmal in letzter Zeit spüre ich den Zugang zu meiner Trauer, auch wenn ich allein bin. Es hat wohl auch mit der Achtsamkeit zu tun . Je weniger ich die Trauer wahrhaben wollte, je mehr ich sie verdrängte, desto stärker wurde sie - aber nicht in ihrer wahren Gestalt, sondern in Symptomen. Wenn ich sie jedoch kommen lasse, mir anschaue, weine, wenn sie sein "darf" - dann geht sie wieder, so wie jedes Gefühl wieder verschwindet.

Liebe Grüße

Brittka
cybolon
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Re: Tut mir Heulen gut?

Beitrag von cybolon »

Danke Brittka!

Deutlicher und gefühlvoller kann man es sicher nicht beschreiben! Genau so empfinde ich meine Tränen. Wenn mich etwas so sehr quält, daß ich die Tränen in die Augen bekomme, lasse ich sie 'raus. Draußen, in der Öffentlichkeit reiße ich mich zusammen. Zuhause, ja, am sicheren Ort, da fällt es mir leichter, belastet aber meine Frau.

Wollte bei der letzten Therapie-Sitzung mal so richtig auf den Tisch heulen, damit die Therapeutin mal sieht, wie beschissen es mir manchmal geht.
Aber, wie der Teufel es will, es ging nicht.
Ich war einfach nicht schlecht genug drauf.
Am Tag vorher, jaaaa, da hätte ich es ihr "geben" können, bis zum Abwinken.

Das Wichtigste für mich jedoch ist Deine Aussage, daß man die Gedanken, die einen zum heulen bringen, zulässt, ebenso wie das heulen selbst. So verlieren sie mit der Zeit an Bedeutung. Ich lerne!

Wenn ich mich immer dagegen stemme, dränge ich sie nur zurück und sie können mich jederzeit wieder "anfallen" und das auch noch mit geeinten Kräften.

Die Depression als Gegner zu betrachten ist wohl oft noch mein größter Fehler. Denn dieser "Gegner" besitzt die gleiche Intelligenz, wie ich. Schließlich bin ich es ja doch selbst.
Der berühmte aussichtlose "Kampf gegen Windmühlen", eben. Den will ich ablegen!

Liebe Güße
vom
cybolon
Quixotte de la mancha
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