Loslsung von der Mutter

susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Hallo Jenny, es ist eher gut, daß es bei Dir diese "Wutschiene" gibt, wünsche mir das auch, daß ich die in mir angestaute Wut und Agression rauslassen könnte....bin aber auf dem besten Weg.. "....dass alles was an ihr neu ist, als "krank" abgestempelt wird" ja, das hab ich genau SO gemeint... Lieben Gruß Susan


christabelle
Beiträge: 554
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von christabelle »

Hallo Susan, Jenny, Waltraut! ...sehe ich so spontan ein! Gruß Christabelle
susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, wollte schon seit längerer Zeit wieder was zu dem Thema schreiben, aber erstens fehlten mir die Worte und zweitens, ich konnte mich nur schwer aufraffen. Heute geht es, und das will ich gleich ausnutzen. Ich war vor 2Wochen beim Medizinischen Dienst, da wurden mir wieder etliche Fragen gestellt und ich habe erkannt, daß es einen ziemlich wunden Punkt gibt, der mir vorher nie aufgefallen ist, eigentlich sind es 2: Zum 1. kamen mir sofort die Tränen, als die Frage: Wurden Sie gestillt? und zum 2., als gefragt wurde "Wie lief ihr erstes Jahr ab?" Auch als ich nach meiner Oma gefragt wurde, mußte ich weinen. Das hat mich ziemlich geschockt, daß ich da so reagiert habe, denn das Kuriose daran ist, ich wußte eigentlich gar nicht viel über mein 1. Jahr, auch nicht, ob ich gestillt wurde... Das hat mir dann überhaupt keine Ruhe mehr gelassen, ich hatte aber mind. eine Woche keine Kraft, meine Mutter anzurufen. So habe ich es vergangenes Wochenende getan. Mit Herzklopfen habe ich ihr diese Fragen gestellt (Warum war ich so aufgeregt??) Und so erfuhr ich dann das erste Mal etwas über MEIN 1. Jahr Ich war eine Woche alt, da mußte meine Mutter für 6 Wochen ins Krankenhaus - ich wurde also nicht gestillt - Die Zeit war ich bei meinen Großeltern. Mein Vater? Mein Vater war 300 km entfernt und studierte. Als meine Mutter aus dem Krankenhaus kam, lebten wir beide bei meinen Großeltern. Sie ließ mich dann noch 2 Wochen dort, fuhr in ihr 50 km entferntes Internat, kündigte die Arbeit und wir (Meine Eltern mit mir) zogen, als ich etwas über ein Jahr war zu meinen Großeltern väterlicherseits in die Nähe von Berlin, wo wir dann noch ein halbes Jahr wohnten (6Personen in einer 2 1/2 Zi-Wohnung), bis meine Eltern eine eigene Wohnung bekamen. Warum ich das hier so genau aufschreibe? Ich weiß nicht, wie Du das empfindest, aber ich fühlte mich,als ich das hörte, irgendwie alleingelassen, hilflos... Ich hatte das Empfinden, für mich war da irgendwo gar kein Platz... Ich mache meinen Eltern keine Vorwürfe, sie waren jung, und sie habe sicher das Beste für mich getan, es war eine andere Zeit als jetzt usw...... Meine Mutter bezeichnet dieses Jahr als sehr unruhig. Sie macht sich Vorwürfe, daß sie mich nicht stillen konnte, wozu??? sie konnte doch gar nichts dafür? Ich hatte kein "schlimmes" erstes Jahr, aber irgendwie hab ich das Gefühl, es hat Spuren bei mir hinterlassen - jedenfalls stimmt es mich traurig und ich weiß nicht so richtig, warum...Vielleicht sollte ich es auch lassen, in längst Vergangenem herumzukramen. Lieben Gruß Susan


waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, ich wollte dir unter "Depression beginnend in der Kindheit" gerade schreiben,aber eigentlich gehört es hierher (wir haben uns fast gekreuzt!). Ich wußte,daß ich etwas schreiben wollte,aber es ging irgendwie nicht. Und jetzt hast du mir den Weg gezeigt! Daß dir die Tränen gekommen sind,kann ich so gut verstehen. Und ich glaube nicht,daß es ein unnützes Kramen ist,ich glaube,es ist ganz wichtig,daß wir wissen,woher diese kindliche Sehnsucht und Verlorenheit kommt. Ich habe keine Erinnerungen vor etwa dem 6.Lebensjahr,was mir sehr seltsam vorkommt und ich hab schon seit längerem immer wieder meine Mutter gelöchert. Leider hat sie sehr viel verdrängt. Ich bin Frühgeburt,etwa 6 Wochen,meine Mutter ist fast gestorben dabei. Vor und nach mir gab es noch einige Fehl- und eine Totgeburt. Ich war fast nicht lebensfähig,Brutkästen gab es damals noch nicht. Aber ich habs geschafft. Sonst war manches ähnlich wie bei dir. Ich wurde allerdings gestillt.Aber in meine früheste Erziehung redeten alle rein,beide Großeltern und die Tante. Mein Vater war zuerst im Krieg und dann in Gefangenschaft,bis ich 8 war. Meine Mutter hat gearbeitet,teilweise wohnten wir bei den Großeltern,später waren wir evakuiert. Bis ich 6 war,lebte ich in mindestens 5 verschiedenen Wohnungen,zuletzt zu fünft in zwei winzigen Zimmern,Miniwaschbecken mit kaltem Wasser auf dem Flur. Wir hatten Läuse und es gab nichts zu essen. Als ich etwa 3 Jahre alt war,kamen meine Mutter und ihre Mutter für einen Monat ins Gefängnis,weil sie für uns Lebensmittelkarten gefälscht hatten.Ich habe keine Erinnerung daran,aber es muß sehr verstörend gewesen sein. Trotzdem habe ich das verschwommene Gefühl,ein glückliches Kind gewesen zu sein. Ich spüre eine große Lebendigkeit nach. Dann kam der große Einschnitt,als ich mit 6 Jahren weg von Mutter und Geschwistern zur anderen Großmutter und Tante kam,in eine andere Stadt. Nur am Wochenende durfte ich heim. Und seit damals klette ich an meiner Familie. Ich leide an ihnen,vor allem der Mutter,der Vater spielte eine Sonderrolle,ist schon über 20 Jahre tot. Aber ich kann mich nicht lösen. Gerade jetzt am Wochenende habe ich es wieder erlebt. Ich besuchte Freunde in der Nähe meiner Mutter. Ich brachte es nicht fertig,nicht zu meiner Mutter zu fahren,rief sie an,daß ich auf dem Heimweg vorbeikäme. Sie war gut drauf und ich freute mich auf ein paar ruhige Minuten mit ihr allein. Natürlich hat sie Bruder,Schwägerin und Schwester informiert,zwei jammerten mir am Telefon vor,daß sie mich nicht sehen,die jüngste Schwester,die immer sehr tonangebend ist,war da,extra eine Stunde gefahren. Ich hatte einen Wutausbruch,als ich das erfuhr,hab dann den Besuch abgehakt so schnell ich konnte und fühlte mich betrogen. Du hast vor ein paar Tagen gefragt,wie es mir geht.Ich weiß es nicht. Es geht mir eigentlich gut,ich funktioniere,ich hab einigermaßen Antrieb,allerdings nimmt dabei das Forum einen allzu großen Teil ein,vieles von dem was ich machen sollte und vor allem was ich machen wollte,bleibt liegen. Eindeutig besser wird die Beziehung zu meinem Mann,das kommt auch durch einige Gespräche hier. Aber es ist immer eine Grundtraurigkeit da,eine gewisse Ziellosigkeit,ich hab das Gefühl,ich balanciere und darf nicht runterschauen,weil ich sonst abstürze. Aber,um es mal positiv auszudrücken,ich lerne,ich stelle Fortschritte fest,ich wache gern auf (das war nicht immer so!)und ich kann mich freuen. Ich finde,das ist schon ganz schön viel und ich bin zuversichtlich,daß es noch besser wird. Oje Susan,das war jetzt ellenlang,und nur von mir gesprochen!!! Ich bin überzeugt,daß deine und meine Eltern immer das Beste für uns wollten,aber wie du sagst,es war die Zeit und sie wußten es nicht besser. Manchmal denke ich darüber nach,wie es möglich ist,daß Menschen mit den grausamsten Kinderschicksalen lebensfähige tüchtige Erwachsene geworden sind und schäme mich. Aber ich denke,bei großen Qualen entwickelt man Gegenstrategien und Kräfte,die einem später zu gute kommen. Unsere Mangelerlebnisse sind nicht zu fassen,niemandes Schuld,so ganz subtil und deshalb konnten sie still und leise ihr Zerstörungswerk tun. Kannst du das auch so sehen? Wie ist heute dein Verhältnis zu deiner Mutter? Ich hab gelesen,daß jetzt dein Antrag bearbeitet wird. Ich drück dir die Daumen! Susan,vielen Dank fürs lange Zuhören, alles Liebe Waltraut
susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, Danke, daß du mir so viel geschrieben hast (da gehören also 2 lachende Smily's hin, hätte sie auch gern gemalt, aber ich habe mich noch nicht befaßt, wie sie "hergestellt" werden). Ich habe es sehr gerne gelesen, ich war auch traurig, aber ich denke, dir ging es wie mir vorhin beim Schreiben, ich spürte so etwas wie eine große Erleichterung. Es ist komisch, ich schreibe oft drauf los, weiß zwar, was ich schreiben will, d. h. worüber, aber die Finger "laufen" von alleine, von Wort zu Wort und ich bin oft selbst erstaunt, was dann alles aus mir hervorkam.... Du hast viel durchgemacht, finde ich und ich hatte schon beim Lesen das Gefühl, ständig hin und hergeschüttelt zu werden, kaum eins verkraftet, kam das nächste... Ist doch völlig logisch, das es da in Dir einen Wahnsinnsstau gibt, der nun aus Dir "brodelt" (ist zwar komisch ausgedrückt, aber ich empfinde es auch bei mir so, als ruhte in mir jahrelang ein Vulkan, der nun ausbricht...) Weißt Du, das mit diesem schlechten Gewissen, den Eltern gegenüber, die in ihrer Kindheit Qualen erlebt haben und aus denen was geworden ist, die ES irgendwie verarbeitet haben, die Vergangenheit ruhen lassen können, habe ich auch, ganz doll sogar, es ist ähnlich wie bei der Migräne, wo ich dann sage, was ist das schon, andere haben viel SCHLIMMERE Sachen!!! Da denke ich aber auch oft, was heißt schlimmer?? Wie dick ist mein Fell, wieviel verkraftest ich?? Hat sich nicht vielleicht im Laufe der Zeit viel zu viel in mir angestaut, ist da überhaupt noch Platz?? ich bin halt so beschaffen, bei mir ist kein Platz, kein Stauraum mehr!! Das, was sich da angestaut hat, will raus, es will "angesehen" , verarbeitet werden. Und ich nehme mir das Recht heraus, das Recht, mich jetzt einmal schlecht zu fühlen, traurig zu sein...nehme mir die Zeit, das näher anzusehen, was dazu geführt hat, daß ich traurig, hoffnungslos, lebensmüde geworden bin.... Je mehr ich mich mit allem befasse, desto "leichter" werde ich, sehe ich doch auch ganz genau, daß diese Traurigkeit auch dazu da ist, Freude zu erkennen und zu empfinden, oft war der Schmerz so groß, daß die schönen Seiten gar nicht mehr sichtbar waren. "Aber,um es mal positiv auszudrücken,ich lerne,ich stelle Fortschritte fest,ich wache gern auf (das war nicht immer so!)und ich kann mich freuen" Ich denke, das sagt dasselbe aus...? Deinen Wutausbruch, ich hätte ihn auch gekriegt, eigentlich schade,daß du mit deiner Mutter nicht allein sein konntest, aber ich denke es ist wichtig, daß du ihr sagst, was Du dir gewünscht hättest. Kannst Du evtl. mit deiner Mutter noch einmal darüber reden, ihr vielleicht sagen, daß du sehr gern mit ihr allein gewesen wärst? Oder kann es sein, daß sie vor irgendwas Angst hat, wenn sie allein mit dir ist, Angst vor unbequemen Fragen? Oder kannst Du mit ihr gar nicht reden? Zu meiner Mutter hatte ich als Kind, Jugendliche ein besseres Verhältnis als jetzt. Dabei spielt eine große Rolle, daß sie und auch mein Vater nie so richtig wahrhaben wollten, daß ich eine erwachsene Frau geworden bin. Für sie bin ich immer noch das kleine liebe Mädchen. Natürlich merken sie, daß sich in mir jetzt etwas bewegt, das kann auch irgendwann mal diese Einstellung zu mir ändern, aber im Moment sind sie vom Verstehen weit entfernt (nicht wenig Schuld habe ich, weil ich für SIE noch oft, zu oft, das liebe Kind bin) Nun habe ich Danke zu sagen, danke für's Lesen... Ich wünsche Dir und allen anderen noch einen schönen Abend!! Lieber Gruß Susan


waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

An alle,die Schwierigkeiten mit ihren Eltern haben, Die Geburtstagsfeier meiner Mutter ist überstanden. Positiv ist,daß es diesmal keinen Familienkrach gegeben hat. Trotzdem bin ich ziemlich unzufrieden heimgekommen und fühle mich unerklärlich traurig. Bei der Begrüßung wäre es beinah schiefgegangen.Meine Mutter konnte gerade meinen Kopf auf der Treppe sehen,als sie schon in Babysprache anfing Ach,wer kommt denn da heraufgeschlichen? Du Arme,bist müde. Mir ging es bis dahin gut,aber schon spürte ich,wie ich innerlich alle Borsten aufstellte. Immer war es so,daß meine Mutter mit ihrem fürsorglichen Ton und ihrer Babysprache mich dazu brachte,daß ich,selbst wenn es mir schlecht ging,mich wappnete gegen ihre Vereinnahmung. Offenbar hat sie aus Kindertagen das Gefühl mitgenommen,daß ich wenn ich krank bin,auf ihre Fürsorge angewiesen bin und versucht mich nun immer auf dieses kranke Etwas zu reduzieren. Und ich hab es wieder nicht geschafft,mich einfach zu distanzieren und erwachsen zu reagieren,sondern hab mich eingeigelt und auf Abwehr eingeschworen. Die Erinnerung an das,was ich durch Gespräche mit euch gelernt habe,hat mir dann erstmal wieder rausgeholfen. Ich hab es sogar geschafft,ihr eine kleine Rede zu halten,in der ich ihr meine alte Schreibmaschine versprach (ihre nagelneue elektrische kann sie angeblich nicht bedienen) und sie bat,damit für ihre vier Kinder so viel wie möglich aus ihrem und ihrer Eltern Leben zu erzählen. Sie hatte mich vorher gefragt,ob ich Interesse hätte an Briefen,die mein Großvater (er ist etwa 1880 geboren!) geschrieben hat. Ich hab in dieser Rede auch meiner Schwägerin gedankt,die mit meinem Bruder nah bei meiner Mutter wohnt und uns drei Schwestern alle Last mit der Mutter abnimmt. Dabei bin ich in Tränen ausgebrochen. Es war dann den ganzen Tag recht nett und locker. Beim Abendessen saß ich neben meiner Mutter,mein Mann am andern Ende des Tisches. Ich hab mich da sehr unwohl gefühlt,und es gelang mir nicht,ein Gespräch mit meiner Mutter anzufangen.Gerade weil ich wußte,daß es für sie viel bedeuten würde,wenn ich mich ihr wirklich zuwende,konnte ich es nicht. Statt dessen forderte ich meine Geschwister an ihrer anderen Seite auf,lauter zu reden,damit die Mutter sie versteht. Dazu müßt ihr wissen,daß meine Mutter schon immer bei Gesprächen nur mitmacht,wenn man sie direkt anspricht. Sie klinkt sich immer aus,betont,daß sie von allem keine Ahnung hat. Wenn sie schlecht gestimmt ist,endet es irgendwann in Beleidigtsein,wenn sie gut gestimmt ist,schaut sie verklärt in die Runde und macht alle 10 Minuten eine Bemerkung wie nette Kinderlen hab ich oder die gehören alle zu mir. Was mich so beschäftigt,ist,daß ich es nicht schaffe,meine Mutter als Menschen ernst zu nehmen. Und da ich die Tendenzen zum Beleidigtsein,zum inneren Rückzug,ja sogar zur Babysprache bei mir spüre,wehre ich mich dagegen mit Händen und Füßen. Ich hab also nicht nur mit meiner realen Mutter zu kämpfen,sondern noch mehr mit dem,was sie aus mir macht,wenn ich bei ihr bin. Ich spür mich zum kleinen jämmerlichen Etwas werden und statt mich innerlich aufzurichten und mich darauf zu besinnen,daß ich erwachsen bin,kämpfe ich wie ein pubertäres Mädchen gegen den Sog,den sie mit ihrer Kleinkindaura auf mich ausüben will.. Dieser Kampf mit meiner Mutter hat nur indirekt damit zu tun,daß sie mich als 6jährige für 3 Jahre weggegeben hat,nur insofern als sie wohl ein schlechtes Gewissen hat. Sie war immer sehr davon abhängig,daß ich sie akzeptiere,was ich leider selten tat,am ehesten wenn ich krank war. Je mehr ich sie ablehnte,desto mir fiel sie einerseits in ein Kleinkindverhalten,machte aber auch mich wieder zum kranken Kleinkind. Und je mehr ich sie ablehnte,umso abhängiger wurde ich. Und ich werde nicht fertig damit. Ich versuche,sie als erwachsenen Menschen mit eigener Geschichte zu sehen,aber die Ablehnung ist stärker. Und damit steigt mein schlechtes Gewissen und die Sehnsucht nach einer vernünftigen Beziehung zwischen uns. Und immer wieder versuche ich es. Zwar ist es diesmal äußerlich gutgegangen,aber innerlich hab ich wieder versagt. Danke fürs Zuhören, lieben Gruß waltraut
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von heike56 »

Liebe Waltraut, weil ich gleich weg muss habe ich deine Zeilen nur überflogen. Das Wichtigste, Du hast es geschafft. Bei mir steht jetzt am Wochenende der 82. Geburtstag meines Vaters an. Obwohl der Geburtstag meiner Mutter sehr schön war, habe ich doch Probleme hinzufahren. Ganz liebe Grüsse Heike56
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Heike, wollen wir die Geburtstage abschaffen??? Daß uns das doch immer wieder so viel Streß macht! Ich hab gelesen,daß es bei dir schön,aber auch traurig war. Da verstehe ich,daß du dich dem nicht leicht gleich wieder aussetzen möchtest! Was macht deine Erkältung? Ganz lieben Gruß Waltraut
Kirsten
Beiträge: 56
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von Kirsten »

Liebe Waltraut! Kein Wunder, daß Du Dich so zerissen fühlst... Als ich Deinen Beitrag gelesen habe, hat sich in mir so ein Bild entwickelt, vielleicht völlig falsch, ich weiß es nicht. Aber es klingt so, als wolle Deine Mutter vordergründig nur das beste für Dich/Euch, aber in Wirklichkeit braucht sie vor allem Euch für ihre eigene Bestätigung. Wenn es so ist -vielleicht liege ich wirklich völlig schief- dann sind das schon ganz schön verquere Rollen.. Eine Mutter, die Du gebraucht hättest, und immer noch brauchst, weil Du nicht genug von ihr bekommen konntest. Und Du stattdessen in der Rolle, daß Du ihre Bedürfnisse erfüllen mußt. Wie sollst Du denn da keinen Groll hegen?! Ich kann da nur von meinen eigenen Erfahrungen reden, meine Mutter hat mich schon als 3-jährige "gebraucht" um sie zu entlasten, mein Vater war noch nie in der Lage, für jemand anderen zu sorgen. Ich hege keinen Groll gegen meine Mutter, dafür brauche ich sie zu sehr, und ich denke, ich habe mich mit ihr ausgesöhnt. Sie ist einfach ein großartiger Mensch. Aber ich werde wohl in der Rolle bleiben müssen für sie zu sorgen anstatt umgekehrt. Die ambivalenten Gefühle gehen für mich eher gegen meinen Vater. Ein Mensch, den ich zutiefst verachte, der in mir Mitleid weckt und den ich in irgendeinem versteckten Winkel auch liebe. Das kann einen echt zerreissen. Ich versuche immer wieder mal, mir die Beiden als Fremde vorzustellen, nicht mit mir verbunden, ohne daß ich Verantwortung für sie habe. Dann kann ich sie klarer sehen, auch besser für mich sorgen, auch in ihrer Gegenwart. Auch wenn ich in dem Moment keine Eltern mehr habe. Ich weiß nicht, ob das hier irgendwie konstruktiv ist, aber ich denke, Dein Empfinden ist absolut Normal. Wenn Du es dann auch noch ausdrücken könntest Deiner Mutter gegenüber, wer weiß, was sich für -evtl. auch sehr schmerzhafte- Welten auftun?! Liebe Grüße, Kirsten
leo
Beiträge: 77
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von leo »

Liebe Waltraud, ein ketzerischer Gedanke: deine Mutter einfach Kleinkind sein lassen. Sie ist so, na und? Das Sosein zur Kenntnis nehmen. Fertig.Sie einfach als das Kind annehmen und sagen, ist doch ok. Ist zwar nicht mein Ding, na und? Aber was hab ich damit zu tun und warum sollte ich darunter leiden, wenn ein anderer Mensch anders ist als ich? Ist mir nur grad so in den Sinn gekommen.Was können wir denn schon verändern, außer unserer Sichtweise. Liebe Grüße von Leo
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Kirsten, "es klingt so, als wolle Deine Mutter vordergründig nur das beste für Dich/Euch, aber in Wirklichkeit braucht sie vor allem Euch für ihre eigene Bestätigung." Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen! Und genau das ist es auch,weshalb ich mich ihr so verweigere. Du,so deutlich hab ich das noch nie gesehen! Ich wußte zwar,daß meine Mutter ihren Selbstwert ausschließlich daraus ableitet,daß sie vier Kinder großgezogen hat (zugegeben unter sehr schweren Bedingungen) und daß ihre Lebensqualität davon abhängt,wie es uns gerade geht, aber daß sie damit eigentlich uns (und besonders mich als Bedürftigste) unbewußt benutzt statt uns ihre Mutterliebe zu geben,war mir noch nie so klar. "Ich hege keinen Groll gegen meine Mutter, dafür brauche ich sie zu sehr, und ich denke, ich habe mich mit ihr ausgesöhnt. Sie ist einfach ein großartiger Mensch" Siehst du,und da möchte ich so gern hinkommen,aber es gelingt einfach nicht. Ich sehe,was meine Mutter geleistet hat,ich erlebe sie außerhalb der Familie als fröhliche hilfsbereite,liebenswürdige Person,aber ich könnte sie im Traum nicht "großartig" nennen. Sie ist für mich all das,was ich nicht sein möchte!! Unselbständig, meinungslos, uninteressiert,passiv,voller Regeln und falschen Rücksichten,ängstlich,überfürsorglich, schwach,total abhängig von unserem Wohlbefinden und Wohlwollen. Ich kann ihre guten Eigenschaften,die sie ganz bestimmt hat,einfach nicht sehen. Ich habe,als ich ihr die kleine Rede gehalten habe,hinter ihrem Stuhl gestanden und sie von hinten umarmt. Ich hätte ihr nicht ins Gesicht schauen können. Sie hätte nicht zugehört,was ich sage,sondern entzückt die Tatsache genossen,daß jemand (ganz besonders ich!) sie in den Mittelpunkt stellt. Ich weiß,es klingt schrecklich böse,was ich da sage,aber so grummelt es in mir... Ich glaube,es geht mir mit meiner Mutter so ähnlich wie dir mit deinem Vater. "Ich versuche immer wieder mal, mir die Beiden als Fremde vorzustellen, nicht mit mir verbunden, ohne daß ich Verantwortung für sie habe. Dann kann ich sie klarer sehen, auch besser für mich sorgen, auch in ihrer Gegenwart. Auch wenn ich in dem Moment keine Eltern mehr habe." Der letzte Satz ist entscheidend. Ich bin wohl trotz meines Alters noch nicht bereit,auf die Mutter zu verzichten. Aber es wird mir nichts anderes übrigbleiben. Ob ich es meiner Mutter gegenüber je ausdrücken kann,weiß ich nicht. Wenn ich das kann,bin ich sicher ein ganzes Stück weiter. Liebe Kirsten,ganz herzlichen Dank für deine einfühlsamen Worte. Du hilfst mir sehr! Wie geht es dir denn jetzt? Bist du irgendwie weitergekommen? Ich denke oft an dich! Liebe Leo, "Was können wir denn schon verändern, außer unserer Sichtweise." Es ist gut,daß du mich an diesen Leitsatz erinnerst!! Dein Gedanke,meine Mutter einfach so zu lassen,wie sie sich gibt,ist nicht ketzerisch,sondern realistisch. Nur daß ich es eben bis jetzt nicht schaffe,weil ich eben immer noch die Mutter zu finden hoffe. Und bei jedem fehlversuch geht es mir elend,weil ich einerseits Schuldgefühle gegen meine Mutter habe,andrerseits mich wieder mal im Stich gelassen fühle... Aber ihr habt sicher beide recht,ich muß endlich das praktisch tun,was ich theoretisch schon eine Weile weiß - mir selbst Vater und Mutter sein und meine Mutter so leben lassen,wie sie will, "Das Sosein zur Kenntnis nehmen. Fertig" Lieben Dank auch dir,Leo!!! Täusch ich mich,oder geht es dir wirklich etwas besser?? Ganz lieben Gruß Euch beiden! Waltraut
susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von susan »

Liebe Waltraut, ich kann dich sehr gut verstehen..auch in meiner Familie ist diese "Babysprache" üblich, das betrifft nicht nur meine Mutter, es scheint ansteckend zu sein... Mir ist aufgefallen, daß es mich in der letzten Zeit besonders stört, und ich bin zu folgendem Schluß gekommen.. ...Meine Eltern sind schon immer so "kindlich" mit mir umgegangen ..ich habe mich lange wohl damit gefühlt, da es mir auch gut tat "bemuttert" zu werden. ..jahrelang habe ich das Kind in mir unterdrückt, ich wollte so wie alle sein, sooo erwachsen...ohne diesen Schmus.. ..da fing es mich an zu stören, daß sie alles bemitleideten, was ich tat, dieses "du Arme" ich konnte es nicht mehr hören ..von der Erwachsenen wollte sie nichts wissen, denn wir sind uns noch nie als Erwachsenen begegnet Nun bin ich auf dem Weg zu mir: ich will das Kind in mir wieder leben lassen ich will als Erwachsene akzeptiert werden Meine Eltern haben nur Erfahrung mit dem Kind, ihre Art hat mich "artig" gemacht, sie wenden das an, was früher doch so gut funktioniert hat. Ich denke, Leo's Rat, das alles einfach zu akzeptieren, wie SIE sind, ist nicht verkehrt. Für mich selbst ist wichtig, daß ich mich nicht in diese "nur kindliche Schiene" zurückdrängen lasse. Auch der Erwachsene in mir wird sich ab und zu zu Wort melden - und wie meine Eltern darauf reagieren...das ist ein Prozeß ich muß ihnen wie mir Zeit geben, sich darauf einzustellen und ich weiß einige Dinge KANN ich nicht verändern - auch wenn es weh tut. Für dich alles Gute weiterhin...du hast nicht versagt, du hast den Geburtstag so erlebt und du hast die Kraft gehabt, hier darüber zu schreiben.. Ganz lieber Gruß Susan


waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Susan, ich hab immer geglaubt,diese Babysprache ist eine Eigenart unserer Familie! Daß du es auch kennst,beruhigt mich. Offenbar entspricht sie einem bestimmten kindlichen Bedürfnis nach Zuwendung. "ich will das Kind in mir wieder leben lassen ich will als Erwachsene akzeptiert werden" Ja,vielleicht muß ich beidem sein Recht geben,bei mir und beim andern (auch meiner Mutter). Ich habe über Leos Rat noch etwas nachgedacht und ich möchte ihn ergänzen: ich akzeptiere,daß meine Mutter sich kindlich verhält,aber ich unterstütze es nicht,d.h ich wehre mich nicht gegen ihren Wunsch nach Zuneigung und Bemuttern,aber ich selbst geh als Erwachsene auf sie zu und fordere sie als Erwachsene heraus. "Meine Eltern haben nur Erfahrung mit dem Kind, ihre Art hat mich "artig" gemacht, sie wenden das an, was früher doch so gut funktioniert hat." Ist dieses "artige" Wortspiel von dir? Es hilft! Ich werde nicht artig sein,d.h ich werde auf die alten Praktiken nicht reagieren,aber ich werde versuchen,"erwachsen" zu sein,nicht "artig",aber aufrichtig. Danke dir herzlich für deine Gedanken! Ich wünsche dir einen schönen Tag! Waltraut
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von Jaisst »

Hallo, ich grüße euch alle, mich zerreißt es gerade wieder; das "Mutterkapitel" macht mich fertig. Theoretisch ist mir alles klar, vor allem Leos Einstellung, die Mutter zu akzeptieren, wie sie nun mal ist, das versuche ich schon seit ewigen Zeiten und mir würde es auch gelingen, wenn sie mich ebenfalls so akzeptieren würde, wie ich bin - aber nein, sie reizt mich immer wieder bis zur Weißglut mit ihren Kommentaren und an mir Rumgenörgele, was ich auch mache und denke - alles ist falsch, sie weiß es besser - auch kann ich überhaupt nicht Autofahren, fahre seit 20 Jahren unfallfrei, auch Führerschein für Lastkraftwagen; meine Kinder habe ich natürlich auch völlig falsch erzogen usw. usf. Wenn wir bei mir zu Hause etwas feiern, stampft sie erst mal zur Couch - schmeißt sich drauf und schnarcht ca. 1 Stunde; sie steht nur zum Essen auf, sitzt schon am Tisch, wenn die ersten "Sachen" draufstehen und beginnt, geräuschvoll zu essen (eher zu fressen). Aber das nehme ich inzwischen alles hin (mit der Einstellung "sei tolerant", kannst sie eh nicht mehr ändern, so ist eben etc.). Wenn dann alle Gäste am Tisch sitzen, ist sie meist schon fertig mit ihrem Gemampfe - steht auf und knallt sich wieder auf die Couch. Das kann ich auch schon fast etwas lustig finden. Ansonsten will sie natürlich auch bestimmen, wie die Feier verlaufen soll, nämlich mit Fernsehen "Musikandenstadl" oder so was in der Art und das sehr laut, ansonsten schnappt sie ein, was nicht zu vermeiden ist, da der Fernseher bei Feierlichkeiten ausbleibt! - Das war jetzt nur mal ein kleines harmloses Beispiel. Andererseits tut sie mir schrecklich leid, wie ihr ja schon schriebt (klingt eigenartig) die Schuldgefühle, die man hat. - Na ja, z. B. ist sie manchmal sehr bescheiden (allerdings weiß ich nicht, ob das nicht aus Geiz ist): Sie möchte z. B., wenn es dann mal soweit ist, keine Feier zu ihrer Beerdigung, sondern ich solle mit meinen Kindern nur die Urne ins Grab legen und dabei den Radiorekorder ihre "Stadl-Musik" abspielen lassen! Das muss man sich mal bildlich vorstellen - grotesk! - Aber da sie das wirklich will, werde ich es so machen - und dann werde ich wie ein Schlosshund heulen und meine Kinder werden darüber sehr erstaunt sein, aber so wird es kommen, ich sehe es ganz deutlich vor mir - und dann werde ich wahrscheinlich wirklich zum Psychiater gehen - weshalb konnten wir uns nie verstehen? Um diese Frage wird sich dann mein Leben drehen, so eine Sch ..., weshalb kann man das nicht jetzt schon klären? Es ist nicht möglich. Viele liebe Grüße an alle von Jaisst (die wieder nur von sich erzählt hat, aber oben wurde schon alles gesagt, mehr weiß ich nicht).
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von maggy »

Liebe Waltraut, ich habe gestern abend mit meiner Mutter telefoniert und mal wieder festgestellt, dass sie nicht in der Lage ist über ihre Bedürfnisse und das was sie braucht zu reden. Sie umschreibt etwas so lange, bis ich ihr sage was sie meint und ihr meine Hilfe anbiete. Dann kann sie allen sagen was ihre Kinder alles für sie tun, ohne danach gefragt zu haben. Sie hat nie gelernt um etwas zu bitten. Sie ist 87 und wird sich nicht mehr ändern. Braucht sie auch nicht. Sie hat in ihrem Leben so viel geleistet. Ich spüre, dass sie einfach eine Bestätigung von uns haben will, dass das was sie gemacht hat gut war. Sie erzählt immer mehr von früher und von ihrer Kindheit und ich kann ihr dann sagen, warum sie in dieser und jener Situation, während meiner Kindheit und Jugend, so gehandelt hat. Ja, sie wird langsam zum Kind, dass um Liebe und Zuneigung betteln würde, wenn sie es denn je gelernt hätte. Ich glaube solange ich meiner Mutter nicht signalisiert habe, dass ich erwachsen bin, hat sie mich wie ein Kind behandelt. Vor 20 Jahren stand sie in meiner Küche und ich hatte mal wieder in ihren Augen etwas falsch gemacht (es ging wie damals oft um das Thema wie ich mit meinem 5-jährigen Sohn umging) und sie sagte: "Kind, das kannst du doch so nicht machen." Ich war damals 31, nahm meinen ganzen Mut zusammen um meine Wut in einer Sprache ausdrücken zu können, die sie verstand und sagte: "Ja, Mutti ich bin zwar Dein Kind, aber ein Kind bin ich nicht mehr und als erwachsene, verheiratete Frau eines 5-jährigen Sohnes, handle ich so." Sie hat es immer wieder neu probiert, aber unser Miteinander hatte trotzdem eine andere Qualität bekommen. Wir konnten sogar manchmal über uns, und unser unterschiedlich sein, lachen. Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Jaisst, daß du von dir schreibst,ist doch in Ordnung! Das kann genauso hilfreich sein wie wenn man genau auf den andern eingeht.Es hilft so viel,wenn man weiß,daß man nicht als Einziger solche krausen und unguten Gefühle hat!! Was du beschreibst,klingt erstmal ziemlich schwer zu ertragen. Und doch spüre ich auch bei dir eine Sehnsucht und Liebe,die dir zu schaffen macht. Wie alt ist deine Mutter? Lebt dein Vater? Und wie kommt er damit zurecht? Vielleicht wäre es keine schlechte Idee,dir auch mit einer Therapie helfen zu lassen,damit fertig zu werden,daß deine Mutter es dir so schwer macht sie zu lieben? Liebe Maggy, du hast wirklich ein großes Herz! Es beschämt mich,wenn du sagst,deine Mutter braucht sich nicht zu ändern nach allem,was sie geleistet hat! Und du sprichst so liebevoll von ihrem Betteln um Bestätigung. Warum bloß fällt es mir so schwer,meiner Mutter diese Bestätigung zu geben? Weil ich immer noch darauf warte,sie selbst von ihr zu bekommen? Alle eure Zuschriften bestätigen mir eins: ich muß sie loslassen! Ich kann nichts erzwingen,was sie mir nicht (mehr?) geben kann,aber ich kann versuchen,Respekt ihr gegenüber zu gewinnen,indem ich sie lasse. Ganz lieben Dank und Gruß! Waltraut
chris37
Beiträge: 174
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von chris37 »

hallo ihr lieben, es juckt mich geradezu in den fingern, zum thema mutter etwas beizutragen. ich bin, seit ich denken kann, ein nervöser, leicht gereizter und eigentlich immer unter stress stehender mensch, ängste kommen und gehen, ich habe sie noch nicht im griff. meine mutter, sehr ängstlich und dadurch auch krankgeworden, hat aber mich damit recht gut im griff. ein beispiel eines telefonates letzten freitag. sie rief an. sie. das heisst, irgendwas wollte sie ja von mir. sie fragte kindlich-ängstlich in vorbeugender abwehr jeglicher probleme, naa, och du, alles ok bei dir? oder muss ich mir sorgen machen, ich schlaf ja so schlecht, weil ich mir immer sorgen mache um dich....... anstatt zu schreien sagte ich fast tonlos, ne, musst nicht, alles ok. prompt, kaum hatte ich das ausgesprochen, kam ihr typisches fröhliches naja, mehr wollt ich nicht (dann stöhnt sie vor schmerzen),mistwetter heute, naja, ich geb dir mal deinen vater (ich hatte nicht darum gebeten). das gespräch mit meinem vater verlief auch freudlos für mich, er wollte bloss abladen und mir seine neuesten weisheiten, die er in bärbel schäfers nachmittag-talk-show gelernt hat, mitteilen..... wisst ihr, das sind so momente, wo ich spätestens erkenne, woher meine nervöse unruhe und angst herkommen. aber, wie wird man das los?? das "ANGST ESSEN SEELE AUF" habe ich auch schon für mich entdeckt, nichts passt besser. ich grüsse euch herzlich chris37
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von maggy »

Liebe Waltraut, danke, für die wunderbare Einschätzung meines Herzens,...aber weißt Du, eigentlich entwickelt es sich nur wieder zu dem was es mal war, als ich in diese Welt hineingeboren wurde. Tatsache ist, dass ich einfach keine Lust mehr hatte zu leiden. Und gelitten habe ich immer dann, wenn ich etwas anders haben wollte, als es ist. Da ich von Haus aus faul bin, habe ich aufgehört andere ändern zu wollen, was mir sowieso nie gelang. Die einzigsten, die ich nie ändern wollte waren meine beiden Söhne, ja...und sie haben mir dann gezeigt, wie das LEBEN (also ich meine jetzt nicht mein kleines Leben, sondern die Existenz überhaupt) funktioniert. Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Petra
Beiträge: 19
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von Petra »

Liebe Waltraut, wie alt ist Deine Mutter? Als meine Mutter im September 2000 starb, war sie fast 87 und ich erinnere mich, daß sie die letzten Jahre auch oft sehr besitzergreifend warund mich auch oft wie ein Kind behandelt hat. Ich konnt ihr das nicht übelnehmen, wer weiß, wie ich selbst einmal bin - im Alter und wer weiß, möglicherweise denken dann meine Kinder über mich so oder ich mach mir auch oft Gedanken, was diese Erkrankung wohl für Auswirkungen auf meine Kinder hat. Wie werden sie mich einmal sehen? Ich wäre froh, wenn ich meine Mutter noch hätte und vermisse sie sehr, mit all`ihren Fehlern und Schwächen. Liebe Grüße Petra
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Chris, warum müssen wir uns so an unseren Müttern reiben? Warum können sie uns nicht loslassen,bis wir sie fast hassen? Und zwar ganz gleich,ob sie an uns herummeckern oder sich vor uns klein machen - es kommt auf dasselbe heraus. "anstatt zu schreien sagte ich fast tonlos, ne, musst nicht, alles ok." Ich glaube,wir müssen auch mal schreien,damit sie überhaupt merken,was sie tun!! Ich habe einmal geschrien vor Jahren. Meine Mutter war zu Besuch und benahm sich so,als ob sie sich für die Luft entschuldigen müßte,die sie atmet. Da schrie ich sie an,ich hätte es satt,daß sie mir mein Leben lang Schuldgefühle gegeben hat und schmiß einen Korb mit Videobändern,der im zweiten Stock stand,durchs ganze Treppenhaus hinunter. Meine Mutter schluchzte einige Stunden(!) lang und mein Mann brachte sie dann zum Bahnhof. Wir haben uns dann in einigen Briefen ausgesprochen,aber sie hat es nicht wirklich verstanden,und die Besserung hat nicht angehalten. Trotzdem war es nötig - ich wäre sonst erstickt. Ich glaube,wenn ich den Mut gehabt hätte,die Diskussion weiter fortzuführen,wäre manches besser geworden. Liebe Chris,ich hoffe,daß deine Nervosität und Gereiztheit sich bessern können,wenn du dich dem Thema stellst. Ich sehe für mich keinen anderen Weg. Liebe Maggy, "Da ich von Haus aus faul bin, habe ich aufgehört andere ändern zu wollen, was mir sowieso nie gelang." Das ist eine herrliche Begründung.Aber sie hat was für sich... Liebe Petra, meine Mutter ist gerade 85 geworden. Aber es ist bei ihr eben nicht eine Frage des Alters. Sie hat diese Verhaltensweisen immer gehabt,ich erinnere mich an schreckliche Szenen,wo sie laut schluchzend auf dem Sofa lag,weil ich als 16jährige unfreundlich gewesen war. Und sie hatte immer die Art,uns nicht zuzuhören,sondern uns wie Püppchen zu betrachten,die ihr gehören und die - nicht immer - niedlich waren. Aber ich verstehe deinen Schmerz,und ich bin mir ganz sicher,daß ich meine Mutter entsetzlich vermissen werde,wenn sie nicht mehr da ist. Ich denke sehr oft darüber nach,wie schlimm es ist,daß Frauen Kinder bekommen,die sie sich meist heiß gewünscht haben und die eine Zeitlang ihr größtes Glück sind,und daß diese selben Kinder früher oder später sich nur noch wehren gegen ihre Mütter,sie als Last oder schlimmer empfinden und ihr ganzes Leben durch die Mutter,die sie doch in den meisten Fällen wirklich geliebt hat,belastet wird! Da ich keine eigenen Kinder habe,kann ich es immer wieder mit Trauer bei anderen und uns selbst beobachten. Meine Mutter hat uns,als wir klein waren,und es in der Nachkriegszeit nichts gab,selbst Bilderbücher gemalt und Geschichten geschrieben. Sie hat mit uns Spiele gespielt aus selbstgebastelten Spielsteinen,Puppen gemacht aus einem Stück Sack,die wir heiß geliebt haben,wie kein Kind heute seine Puppe lieben kann. Sie hat uns nächtelang vorgelesen (Heidi oder Nesthäkchen),wenn wir krank waren,sie war eine Woche im Gefängnis,weil sie für uns Lebensmittelkarten gefälscht hatte usw,usw. Es tut mir so weh,daran zu denken,und trotzdem kann ich sie immer wieder kaum ertragen. Warum ist das so???? Lieben Gruß euch allen waltraut
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von maggy »

Liebe Waltraut, da hätte ich ja gerne Mäuschen gespielt, als Du den Korb mit den Video-Bändern durchs Treppenhaus geschleudert hast. Hattest Du dann nachher Schuldgefühle oder wirkte es befreiend für Dich? Oder vielleicht beides und wenn ja in welcher Reihenfolge? So eine Geschichte habe ich auch noch: Nachdem ich meiner Mutter im Sommer 81 klargemacht hatte, dass ich kein Kind mehr bin, kam sie das nächste Mal einen Tag vor dem Heiligen Abend zu uns. Mein Mann holte sie vom Bahnhof ab und sie setzte sich ins Eßzimmer. Als mein Mann ihren Koffer ins Gästezimmer bringen wollte sagte sie: "Nee, laß ihn mal hier unten, da ist mein Kittel drin, den brauche ich jetzt um die Fenster zu putzen, die kann man ja über Weihnachten nicht so lassen." Sie fummelte in ihrem Koffer rum und ich bekam den absoluten Blackout und schrie: "In meinem Haus werden die Fenster geputzt wenn ich das für nötig halte (ich deutete auf die nächste Sitzgelegenheit) und du setzt dich jetzt auf diesen Stuhl und denkst über dein Leben nach." Dem folgte stundenlanges Weinen und Jammern (diese Undankbarkeit, was sie nicht alles schon für mich getan hätte und das sei jetzt der Dank dafür...und...und...und) und dann ließ sie sich durch ihr Enkelkind ablenken. Am 2. Weihnachtstag ließ sie sich dann von meiner älteren Schwester, die auch in Bayern wohnt, abholen und hat die restlichen Tage, die sie eigentlich bei uns hätte verbringen wollen, bei ihr verbracht. Wir hatten dann 1 ½ Jahre keinen Kontakt. Ich denke, dass hat meiner Mutter sehr weh getan. Ich war so sehr mit meinem Leben, das in erster Linie mit Depressionen, Panikattacken und Ängsten ausgefüllt war, beschäftigt, dass ich froh war mich nicht ständig vor ihr rechtfertigen zu müssen. Früher wenn sie bei uns war hat sie immer automatisch meine "Aufgaben" übernommen. Irgendwann lag ich dann krank im Bett und sie konnte hier schalten und walten wie sie es sich vorstellte. Vor allem konnte sie zu Hause erzählen, dass sie jetzt mal wieder alles gründlich sauber gemacht hätte (zu bemerken wäre noch, dass ich eine Putzfrau hatte, die 3 Mal die Woche kam) und ich wieder eine Weile Ruhe hätte; denn ich hätte ja so viel zu tun und käme nicht zu solchen Sachen wie putzen, Schränke ausräumen usw. Unsere Nachbarin fragte mal unseren Sohn was die Omi denn eigentlich die ganze Zeit mache, wenn sie bei uns sei, man sieht sie nie im Garten oder auf der Terrasse. Er sagte zu ihr: ach weißt Du, sie putzt und putzt und putzt, ich glaube sie putzt uns eines Tages alle zum Haus raus. Ja und nach diesen 1 ½ Jahren hätte sie von mir aus putzen können so viel sie gewollt hätte, es hätte mich nicht mehr gestört...aber...machte sie nicht. Sie setzte sich in den Garten und sah den Kindern beim spielen zu . Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Kirsten
Beiträge: 56
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von Kirsten »

Liebe Waltraud! und Euch, denen das Thema auch so auf der Seele liegt.. Ich frag mich, wo der Unterschied liegt, in unserem Empfinden gegenüber unseren Müttern. Weil ich einmal ganz genauso empfunden habe meiner Mutter gegenüber, und ich habe darunter entsetzlich gelitten. Und gekämpft. Fast überflüssig zu sagen, daß mir das nichts gebracht hat. Ich weiß nicht wo die Lösung liegt, aber für mich war es glaube ich so, daß ich irgendwann aufhören konnte zu versuchen, immer das selbe Gefühl für meine Mutter haben zu wollen. Was ich anderen Menschen gegenüber nie erwarten würde!!! Als ich endlich zulassen konnte, daß ich sie manchmal zutiefst ablehne, ihre Ansichten manchemal echt bescheuert finde, und sie auch anklagen konnte für das was sie an Schaden angerichtet hat, war endlich auch Platz für gute Gefühle und Anerkennung. Ich hatte viele Schuldgefühle, hatte oft auch Angst sie zu verlieren mit meiner neuen offenen Art mit ihr umzugehen. Wir haben furchtbar viel gestritten und auch geweint, aber für mich kam etwas wunderbares dabei raus. Es ist noch immer so, daß sie mich offensichtlicher braucht als ich sie. Aber das hängt wohl eher damit zusammen, daß ich sie nicht belasten will, sie schützen will. Ich kann noch immer nicht ganz ehrlich zu ihr sein (Sie weiß z.B. nichts von meiner Depression), aber welchem Menschen gegenüber öffnet man sich denn so ganz? Warum sollte Sie da eine Sonderstellung haben? Ja, Waltraud, es macht einsam wenn man seine Eltern aus der Ferne betrachtet. Meine Art damit fertig zu werden ist die, daß ich mein Gefühl von Heimat woanders suche. In mir, bei Freunden, an Orten... Ich kann (noch) nicht meine eigene Mutter oder mein eigener Vater sein, brauche schon meine Mitmenschen. Es wäre vielleicht das gesündste, alles in sich zu finden, ist aber für mich noch gar nicht vorstellbar. Und verdammt hart, wenn man sein Leben lang etwas vermissen mußte. Ich kann einfach nur dazu ermutigen, das eigene Empfinden jeden Moment ernst zu nehmen. Die Schuldgefühle entstehen doch meistens dann, wenn man etwas nicht will (wollen darf), was man tatsächlich gerade doch will. Umso weniger Zeit ich mit dagegen ankämpfen vergeude, desto eher hat auch wieder ein neues Gefühl Platz. Schaffe ich auch nicht immer, aber ich weiß, das es stimmt. Liebe Grüße, Kirsten
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Maggy, zuerst Riesenbefreiung,dann schreckliche Schuldgefühle,dann aber doch wieder Befreiung,aber nicht allzu lang... Bei dir war die Kur radikaler und hat offenbar wirklich gewirkt!! Lieben Gruß Waltraut
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von waltraut »

Liebe Kirsten, aus deinem Brief spricht eine große Reife. Du hast das geschafft,um das offenbar viele hier,nicht nur ich,sehr kämpfen. Du hast deine Mutter loslassen können als Mutter und sie doch als Mensch nicht verloren. Und es klingt so,als ob du sie wirklich lieben kannst. "Als ich endlich zulassen konnte, daß ich sie manchmal zutiefst ablehne, ihre Ansichten manchemal echt bescheuert finde, und sie auch anklagen konnte für das was sie an Schaden angerichtet hat, war endlich auch Platz für gute Gefühle und Anerkennung." Da gehört sehr viel Mut dazu,aber es leuchtet ein,daß die guten Gefühle erst durchkommen können,wenn sie nicht mehr von einer dicken Schicht geheimer böser Gedanken und Gefühle überzogen sind. Warum aber scheust du vor dem Schritt zurück,mit ihr über deine Depression zu sprechen? Willst du sie nur schonen? Oder hast du Angst vor ihrer Reaktion? Würdest du sie damit zu nahe heranlassen? Wäre es nicht möglich,daß es ganz wichtig sein könnte,mit ihr darüber zu reden??? Nur so eine Frage... Lieben Gruß Waltraut
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Loslsung von der Mutter

Beitrag von Jaisst »

Hi liebe Waltraut, danke für dein Verständnis; mein Vater hat meine Mutter und mich verlassen, als ich 3-4 Jahre war - (was ich heute verstehen kann [meine Mutter muss irgendeine Persönlichkeitsstörung haben] - ich hing wie verückt an meinem Vater) er hat den Kontakt (2 bis 3 Mal im Jahr) zu mir gehalten, bis er starb. Wenn ich das jetzt so schreibe, tut sie mir schon wieder unsagbar leid - aber es ist aussichtslos, mit ihr ist nicht zu reden - sie hält mich für ein ganz "undankbares Kind". Viele liebe Grüße von Jaisst
Antworten