Bin ich hier richtig?

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Peter07
Beiträge: 1
Registriert: 18. Okt 2007, 13:26

Bin ich hier richtig?

Beitrag von Peter07 »

Die Sendung über Depression bei Quarks und Co habe ich mit Interesse gesehen und habe den Test mit den 10 Fragen gemacht. Das Ergebnis sagt mir, das ich "möglichst bald Ihren Arzt konsultieren" soll. Meine "Angaben weisen auf eine ausgeprägte behandlungsbedürftige Depression hin."

Nun, 10 Fragen können natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Sie sollen, meiner laienhaften Meinung nach, die Teilnehmer zu eigenen Gedanken über Ihre Probleme anregen und sagen lieber einmal zu oft "ab zum Arzt" als einmal zu selten.

Nun würde ich nicht die "Mühe" auf mich genommen haben mich ein wenig in das Thema Depression einzulesen und hier zu schreiben, wenn da nicht doch der Gedanke existieren würde, dass ich vielleicht betroffen sein könnte.

Ein wenig Vita bevor ich zu meiner eigentlichen Frage komme:

Ich bin 39 Jahre alt, verheiratet und habe 3 Kinder. Vor 8 Jahren ist meine damals 5-jährige Tochter durch einen Unfall gestorben. Die Zeit danach war für mich sehr hart und ich bin seitdem nie wirklich wieder der Alte geworden. Als Selbständiger war ich vorher recht erfolgreich, danach ging es bergab, aktuell reicht das Geld gerade noch so zum Leben. Ich bin ein sehr stark analytisch denkender Mensch mit einem getestetem IQ von über 130. Das weiß fast niemand in meiner Umgebung, und das ist gut so. Ich bilde mir nichts darauf ein, denke aber manchmal, dass ich mit weniger "Potential" zum Grübeln zufriedener wäre.

Auch wenn einige Symptome, laut angelesenem Halbwissen, für eine Depression sprechen

- vorherrschend gedrückte Stimmung
- Schwunglosigkeit, innere Unruhe
- fehlendes Selbstwertgefühl
- starke Selbstkritik
- negative Zukunftsperspektiven/Hoffnungslosigkeit

stehe ich grundsätzlich stabil im Leben und wirke nach außen hin recht "normal"

Ich bin nicht sehr gesprächig, genieße jede sich bietende Zeit, die ich allein bin. Ich vermeide, wenn möglich, Familientreffen und Kontakte zu engeren Bekannten/Verwandten. Abends gehe ich regelmäßig früh ins Bett um in Ruhe zu lesen oder einfach nur viel zu schlafen. Wenn ich ehrlich zu mir bin, aber auch um meiner Frau auszuweichen, die im Wohnzimmer fern sieht. Gegenüber Fremden oder flüchtigeren Bekannten bin ich freundlich und "unauffällig". Gute Freunde haben sich damit abgefunden, dass ich gerne für mich bin und meine Ruhe haben will.

Ein wirkliches Problem ist meine Antriebslosigkeit. Auf der Arbeit stehen immer wieder einzelne Arbeiten an, die ich endlos vor mich her schiebe. Ich kann mich nicht aufraffen sie zu erledigen, lese lieber irgendwelche Artikel im Internet oder schaue mir TV-Serien auf dem Bürobildschirm an. Nur um die Zeit herumzukriegen. Ich mache mir immer mehr Vorwürfe, warum ich manche Arbeiten nicht endlich anfange. Aber irgendwie suhle ich mich im Selbstmitleid und fühle mich mit den selbst erzeugten und auferlegten Schuldgefühlen wohl.

Krankhaft depressiv schätze ich mich nicht ein, eher als Eigenbrötler.

Mein Problem ist, dass ich keinen habe, mit dem ich über diese Probleme sprechen kann, bzw. mag.

Sind das jetzt wirklich nur die üblichen Probleme mit dem täglichen Leben, oder mag doch mehr dahinter stecken. Muss ich mich einfach versuchen mehr am Riemen zu reißen? Ich habe kein Vertrauen zu irgendeinem Arzt und suche deshalb hier, bewusst anonym, Rat.
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von otterchen »

Hallo Peter,

zunächst willkommen hier im Forum.

Nun, einige der von Dir geschilderten Symptome entsprechen durchaus der Diagnose Depression - eine wirkliche Gewissheit wirst Du aber nur von einem Facharzt bekommen.

Ich kann verstehen, wenn man so ein "dummes" Gefühl dabei hat und sich scheut, zum Arzt zu gehen. Aber: wenn Du einen chronischen Schnupfen mit Dir herumschleppst, gehst Du ja auch zum Arzt, oder? Es beeinträchtigt Dich, Du weißt, dass Dein Befinden anders (nämlich besser) sein kann.

Bis dahin kannst Du Dich ja noch hier im Forum umschauen - sicher findest Du manche Themen, die Dich ansprechen. Gib doch mal das eine oder andere Stichwort in die Suchmaske ein; das Thema hat es sicher schon gegeben.

Tausch Dich mit uns aus, schau, was Dich anspricht... Du wirst erkennen, ob Du Dich hier verstanden fühlst... und vielleicht auch, ob Du (sicherheitshalber?) mal mit einem Arzt sprechen solltest - Dir zuliebe

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
SisterGoldenHair
Beiträge: 1485
Registriert: 2. Aug 2007, 14:23

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von SisterGoldenHair »

Hallo Peter,

ich fürchte, die Neigung zum Grübeln hat nichts mit dem IQ zu tun. Sicher habe ich keinen solchen, und grübel ständig. Ein früherer Chef wollte mir nicht glauben, dass ich "ständig denke", und meinte, ich sei wahnsinnig... :o)
vielleicht hatte der's schon erkannt... ;o)
In einem psych. Buch habe ich auch mal von "Denksucht" gelesen...

Aber zu Dir - bei solch schmerzlichen Verlusten kann ich leider aus einem reichen Schatz an Erfahrungen sprechen. auch wenn ich kein Kind durch einen Unfall verloren habe... u. a. aber in jungen Jahren die halbe Familie durch Unfälle/Suizid. Und genau genommen habe ich mein Leben nicht wirklich auf die Reihe bekommen. Ich bin jetzt 48.........

Ein Kind zu verlieren ist zweifellos ein äußerst traumatisches Erlebnis, wenn man das überhaupt so in Worte fassen kann.

Wahrscheinlich hast Du damals schon angefangen, Dich zurück zu ziehen. Hattest vielleicht auch Schuldgefühle... u. ä.

Ich glaube, was in einer Beziehung ganz wichtig ist - dass man GEMEINSAM trauert. Nicht jeder für sich alleine.

Du merkst ja selbst u. a. auch schon, dass Du Deiner Frau ausweichst, während sie fernsieht, und ich stelle mir gerade so vor, wie das weitergehen kann. Sicher wollt Ihr Euch doch nicht gegenseitig auch noch verlieren !?

Möglicherweise fällt es einem analytisch denkenden Menschen schwer, solche (gefühlsmäßigen) Dinge zu akzeptieren.
Aber es regelt sich eben nicht alles mit dem IQ - und das ist jetzt wirklich nicht stichelig gemeint.

Der Körper geht irgendwann seine eigenen Wege. d. h. für mich, er sagt - hier stimmt etwas nicht mehr. Und vielleicht ist es ja auch ganz gut so, wenn er das tut, weil man sonst immer so weiterwurschteln würde... bis irgendwann gar nix mehr geht.

Deshalb fände ich es erstens ganz gut, wenn Du Dich bei Deiner Frau und bei Deinen Freunden öffnen könntest. Es könnte Dir helfen und ihnen wahrscheinlich auch !

Und zweitens würde ich mir unbedingt fachliche Hilfe holen. Vielleicht bekomme ich jetzt Schelte, aber manchmal habe ich den Eindruck, dass gerade Männer sich diese Hilfe nicht gerne holen. Eben, WEIL sie oftmals etwas über den Kopf regeln wollen.
Das funktioniert aber nicht immer.
Und auch ein Mann kann mal "schwach" sein.
Er SOLL es sogar :o) denn damit zeigt er doch nur, dass er ein ganz normales Wesen ist.

so, das war jetzt mal etwas direkt formuliert, was mit dazu spontan eingefallen ist.

Ich wünsch Dir viel Kraft, bes. zu einer guten Entscheidung. Der Anfang ist ja schon gemacht... :o)

Liebe Grüße
Ulli


***

"die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern, dass er nicht tun muss was er nicht will"

:o)



(Jean-Jacques Rousseau)
misajam
Beiträge: 19
Registriert: 16. Okt 2007, 20:10

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von misajam »

Lieber Peter,
ich kann mich dem nur anschließen. Habe auch lange Schwierigkeiten gehabt, meine Krankheit wirklich anzuerkennen. Kämpfe gerade wieder mit mir...
Ich bin auch relativ neu auf dieses Forum gestoßen und habe viel gelesen die letzten Tage. Du wirst vielleicht das eine oder andere finden, in dem du dich selbst erkennst.
Flami
Beiträge: 23
Registriert: 7. Jun 2007, 13:26

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von Flami »

Hallo Peter,

ob du hier richtig bist weiß ich auch nicht. Aber du wirst es mit der Zeit schon rausbekommen. Ich bin schon eine Weile hier im Forum.Ich habe aber, bis auf eine eigene Frage am Anfang, noch nie irgendwo mitgeschrieben. Das hier ist also auch "Premiere". Mal sehen...Ich bin eher der Mitleser- Typ. Das allerdings war für mich in der letzten Zeit sehr hilfreich. Dein Eigenbrötlerdasein erinnert mich aber stark an mich selbst, nur versuche ich in letzter Zeit mehr Kontakt mit Menschen zu haben (nicht nur im Netz)und stelle fest: Das hat mir gefehlt...!!! Und es macht Spaß!!!Allerdings habe ich das mit Hilfe einer sehr guten Therapeutin geschafft. Alleine ist sowas, glaube ich jedenfalls, schwierig. Das mit deiner Tochter tut mir sehr leid, das ist wahrscheinlich eines der schlimmsten Dinge die einem passieren können. Ich habe zwar selbst (noch) keine Kinder, aber genügend Neffen und Nichten, die ich bestimmt schrecklich vermissen würde.
Liebe Grüße
Billa
Beiträge: 8
Registriert: 12. Okt 2007, 21:22

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von Billa »

vieles, was Peter hier angesprochen hat, könnte auch von mir geschrieben worden sein.

ich frage mich, warum ich mir hier angemeldet habe.
obwohl es mir eigentlich gut geht, hänge ich schon einige Jahre 'in den Seilen'

ich war auch gelegentlich bei Ärzten - aber ohne Erfolg. Organisch war ich gesund (was mich einerseits freute), aber im Gegensatz zum Schnupfen, kann man sehr schlecht erklären, warum man überhaupt gekommen ist. Wenn man nicht mit dem Kopf unterm Arm oder einem extremen Trauma ankommt, kann man sich sehr schlecht verständlich machen.
Man steht sich auch selbst etwas im Weg.
Ich habe schon mehrfach versucht zu beschreiben wie ich mich fühle, und wenn ich den Text dann lese, lösche ich ihn wieder, weil es sich wie die reine Nörgelei anhört. Es sind viele, an sich banale Einzelheiten, die einen mürbe machen.
Ausserdem, wenn man wirklich in einem Tief ist, kann man sich nicht aufraffen, zum Arzt zu gehen, es ist einem alles egal u. man will nur seine Ruhe haben .
Als ich dann tatsächlich beim Arzt war, wollte ich nicht direkt eine ganze Litanei vom Stapel lassen (Gejammer eben), sondern habe nur die auffälligsten Sachen erwähnt, wie innere Unruhe u. Schlafstörungen usw.
dann kam der freundliche Rat: fahren Sie erst mal in Urlaub, dann sehen wir weiter.
Der Arzt kann natürlich auch nicht so ohne weiteres erkennen od. wissen, was es einen an Überwindung kostet, überhaupt zu kommen.
und wenn man sich richtig durchsetzen könnte, bräuchte man ihn eigentlich nicht, oder?



ähnlich wie Peter wünsche ich mir jemanden, mit dem ich mal über alles reden könnte, und scheue gleichzeitig davor zurück u. verhindere es sogar.
- anstatt meine Arbeit zu machen, surfe ich im Inet u. habe dutzend and. "wichtige" Dinge zu tun u.keine zeit für die wirklich notwendig zu erledigenden Arbeiten.

ich möchte am liebsten auf u. davon gehen - und rühre mich umsoweniger von der Stelle.

so wurchtel ich halt weiter - u. wenn ich hier (u.i.einem and.Forum) so manche Krankengeschichte lese, dann schäme ich mich fast, was zu sagen.

ich habe das Gefühl, dass ich mich irgendwann irgendwo verloren habe und nicht genau weiss, wie ich mich wieder finden kann.

nach aussen sieht das kaum jemand - man kann es sehr gut vor sich u. anderen verstecken.

ich hoffe es macht nichts, dass ich das hier in Peters Beitrag geschrieben habe - es ähnelt in vielem meiner Situation u. ich wollte deswegen nicht einen extra Thread aufmachen.

frdl. Grüsse
Billa
SisterGoldenHair
Beiträge: 1485
Registriert: 2. Aug 2007, 14:23

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von SisterGoldenHair »

Hallo Billa,

ich finds gut, daß Du hier geschrieben hast - daß Du überhaupt geschrieben hast.

Leider bin ich etwas in Eile, aber soviel möchte ich noch sagen zu Thema Arzt und Urlaub:

In einem Artikel über Depression habe ich letztens gelesen zur Reaktion von Außenstehenden - u. a. "Du brauchst nur mal Urlaub"...

EIN DEPRESSIVER BRAUCHT KEINEN URLAUB SONDERN KOMPETENTE HILFE, steht dort geschrieben. Und das sehe ich auch so.

Durch den Artikel bin ich übrigens auch in dieses Forum gekommen...

Liebe Grüße
Ulli


***

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:o)



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otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von otterchen »

Ach herrje, die Leute immer mit ihrem "Urlaub"
*seufz*

Sie meinen es ja gut, können sich aber nicht vorstellen, dass ein Depressiver sich halt NICHT an Urlaub oder sonstigen Sachen mehr erfreuen kann.
Ich habe da eine schöne Broschüre bei mir herumliegen, aber es gibt sie leider nicht online. Ob man sowas scannen und verbreiten darf? Bestimmt nicht

Darin kann sich der Betroffene gut wiederfinden, aber es gibt auch einen Teil für Angehörige, was ich sehr begrüße.
Ich stöbere mal im Internet, vielleicht finde ich da was.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von otterchen »

Hallo,

das hier finde ich zum Einstieg für Betroffene und Angehörige recht hilfreich:

http://www.medizinfo.de/kopfundseele/de ... prtips.htm
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Billa
Beiträge: 8
Registriert: 12. Okt 2007, 21:22

Re: Bin ich hier richtig?

Beitrag von Billa »

hallo Otterchen,

vielen Dank für deine Mühe u. die Information. Zu vielem kann ich 'ja' sagen, genau so ist es bei mir.

Zu den Symptomen kann man noch hinzufügen, dass man selbst liebevolle u. gutgemeinte u. guttuende Hilfe u. Verständnis manchmal als Störung u. Belästigung empfindet, dafür dann Schuldgefühle hat, u. sich wiederum nicht wohlfühlt.

Inzwischen habe ich mich etwas erholt, auch ohne Ps-therapie.
Meine Hausärztin hatte eine SchilddrüsenErkrankung festgestellt u. dafür nehme ich ein leichtes Präparat. Auf anraten des Psychoth. nehme ich Joh.kraut in hoher Dosis u.es geht langsam aufwärts.
Ich warte aber noch auf einen Termin für eine erste Besprechung für eine Therap.

frdl. Grüsse
Billa
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