Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Antworten
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von ursus »

Vorletzte Woche habe ich einen entscheidenden Entschluss gefasst: Ich habe meine Freundin verlassen.

In den letzten Jahren habe ich viele falsche Entscheidungen getroffen und mich in Krisensituationen fast immer falsch, d.h. selbstzerstörerisch, verhalten. Jetzt bin ich, jedenfalls vernunftsmäßig, sicher, einen von zwei richtigen Entschlüssen gefasst zu haben. (Den anderen habe ich zwei Tage später gefasst. Ich war zu einem Gespräch beim Abteilungsleiter gebeten worden, hatte in der Nacht vorher nicht geschlafen, befand mich am Morgen in einem fürchterlichen Zustand und habe mir ein Döschen Tavor eingesteckt, um den Termin einigermaßen gelassen absolvieren zu können. Als ich im Zug saß, habe ich beschlossen, um eine Verschiebung des Termins zu bitten - ganz gleich, welche Konsequenzen das haben würde. Die Tabletten habe ich einem Kollegen zur Aufbewahrung gegeben.)

Meine Freundin führt zur Zeit ein Projekt in Süddeutschland durch und ist nur zwei Tage pro Woche in meiner Stadt. Ich habe einfach nicht mehr angerufen und ihre Anrufe ignoriert. Es waren nur zwei. Danach hat sie vermutlich die Situation verstanden.

Ich hatte ihr im Dezember zu ihrem Geburtstag einen Heiratsantrag machen wollen. Im nächsten Monat werde ich vierzig, und ich habe zwei große Wünsche: Ich möchte wieder im Leben Fuß fassen, und ich möchte eine Familie gründen.

Dafür wird es langsam Zeit. Ich will kein alter Vater werden. Ich weiß aus meiner eigenen Kindheit, zu welchen Problemen alte Eltern führen können. Mit meiner Freundin hätte ich mir eine Familiengründung vorstellen können. Als ich über unsere Zukunft sprechen wollte, hat sie gesagt, ich solle mit ihr nicht planen.

Über ein Grundproblem unserer Beziehung gibt es einen früheren Thread: http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1177314170. Ich bin sicher, dass meine Entscheidung richtig war, sie kam vermutlich sogar um Monate zu spät. Aber ich komme gefühlsmäßig nicht damit klar. Es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich an U. denke. Ich werfe mir vor, nicht genug Geduld gehabt zu haben. Ich leide unter dem Selbstvorwurf, sie unfair behandelt zu haben.

Auf der anderen Seite - und auch das ist eher gefühlsmäßig - sehe ich mich ausgenutzt. Ich erkenne immer deutlicher, dass U. mich für ein paar schöne gemeinsame Nächte gebraucht hat und mehr vermutlich nicht.

Nach meiner letzten Beziehung habe ich zweieinhalb Jahre gebraucht, um eine Frau zu finden, in die ich mich verlieben konnte. Ich hatte gehofft, dass es diesmal wirklich für ewig sei. Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Wenn ich meine Bekanntschaften weiter im Zweieinhalb-Jahres-Takt mache, kann ich mir den Strick nehmen. Die Enttäuschung und die Hoffnungslosigkeit machen mir das Herz schwer.

Gestern, als ein fürchterliches Wochenende ohne Schlaf zu Ende gegangen ist, habe ich überlegt, ob ich U. anrufen soll, um wenigstens unseren Sex zu retten. Es wäre eine Kapitulation, aber vielleicht besser als nichts.

Jetzt hoffe ich, dass ich nicht kapituliere. Und dass ich nicht wieder zu Alkohol greife.

ursus
Sanne_D
Beiträge: 18
Registriert: 20. Sep 2007, 20:01

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von Sanne_D »

Lieber Ursus,

während man anderen oftmals gute Ratschläge geben kann, ist man sich selbst eher ein schlechter Ratgeber. Ich hatte bis vorletzte Woche eine Beziehung (zweieinhalb Jahre lang), in der der Mann (soll ich ihn wirklich „Partner“ nennen?) sich nie wirklich auf mich eingelassen hat. Er sagte vor zwei Wochen, er hätte mich wahnsinnig gern, aber lieben könne er mich nicht und wir würden niemals eine echte Beziehung haben. In der ganzen Zeit durfte seine Ex-Freundin nicht von uns wissen, angeblich, da sie so ein unsicherer Mensch sei und er ihr nicht so sehr weh tun wolle.

Weißt Du, ich habe ihn so sehr geliebt wie noch niemals jemanden zuvor und ich war (dummerweise!) bereit, ohne Erwiderung zu lieben. Aber wohin hat es mich gebracht? Nur an tiefste Abgründe! Und dennoch war ich stets bereit, mit ihm zusammen zu bleiben, mit ihm Kinder zu haben, zusammen alt zu werden. Ich konnte noch mit keinem Mann so gut reden wie mit ihm und wir hatten viele gemeinsame Interessen.

Und wir hatten genialen Sex. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich jemandem wirklich hingeben konnte und ihm ging es wohl nicht anders, wenn ich seinen Aussagen glauben darf. Wir waren uns sexuell verfallen und ich fürchte wirklich, dass ich so etwas wie mit ihm nie wieder erleben werde. Aber andererseits: mir geht es jetzt besser. Ich habe diesen großartigen Sex nicht mehr, mir ist schlecht, wenn ich den Mann in Gedanken mit seiner neuen alten Freundin vor mir sehe, aber es gibt mir auch die Möglichkeit, freier von ihm zu werden.

Ich fühle mich auch ausgenutzt. Und da es ausgerechnet seine Ex ist, mit der er wieder zusammen ist, fühle ich mich wie ein Lückenfüller dritter Klasse... solange sie nichts von ihm wollte, waren wir zusammen und kaum schnippte sie mit den Fingern und sagte ihm mit Rehaugen, dass sie sich wieder in ihn verliebt hat, war er weg von mir. Da kann ich mich nur als Lückenfüller fühlen... und dieses Gefühl tut nicht gut.

Lass Dich bitte nicht dazu hinreißen, den Sex zwischen Euch zu retten. Das würde nur funktionieren, wenn Du diese Frau nicht lieben würdest. Aber sobald einer sein Herz mit reinhängt, ist eine Affäre kein reines Vergnügen mehr sondern vielmehr Schmerz und Quälerei! Das bringt es nicht. Du musst von dieser Frau wegkommen. Je länger es sich mit ihr hinzieht, desto schwieriger wird es.

Ich hab in dem anderen Thread, auf den Du hingewiesen hat, gelesen und ich kann Dich nur warnen: das sind absolut keine guten Voraussetzungen für eine Beziehung. So, wie sie mit Dir umgesprungen ist, war die Eifersucht auch völlig gerechtfertigt. Ich kenne diese Gefühle nur zu gut...

... auch alles ein Grund, warum ich gern etwas weniger Emotionen hätte... und ich habe nicht das Gefühl, dass es jemand außer meiner Familie und meiner engsten Freundin schätzen kann, dass ich so ein emotionales Wesen bin.

Was Du mir in dem anderen Thread sagtest, soll auch für Dich gelten: Halte durch!

Sanne
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von ursus »

Ihr Lieben,

langsam gerate ich in Panik. Meine Ex-Freundin hat vorhin angerufen. Es tut mir weh, sie so zu nennen. Ich habe den Anruf wieder ignoriert. Keine zwei Minuten später hat sie eine SMS geschickt: "nicht einmal mehr reden?"

Ich will sie nicht verletzen. Ich musste sie verlassen. Sie hatte mir gesagt, "mit mir kannst du nicht planen". Ich brauche aber jemanden, mit dem ich planen kann. Ich will endlich das Gefühl haben, dass es eine Zukunft für mich gibt.

Es hat so furchtbar weh getan, den Anruf zu ignorieren. Ich tue ihr Unrecht. Ich bin verzweifelt. Früher war immer ich derjenige, der dafür war, miteinander zu reden und gemeinsame Lösungen zu finden.

Ich komme mir schmutzig vor, dreckig, gemein. Ich schäme mich. Es hört nicht auf, ich empfinde nach wie vor sehr viel für U.

Ein oder zwei Tavor wären jetzt schön. Aber ich versuche durchzuhalten, was ich mir vorgenommen habe: keine Tabletten mehr im Dienst.

Die Geschichte ist für mich eine notdürftig versorgte Wunde, und jetzt ist sie wieder offen. Ich nehme mir mit aller Kraft vor, nicht zurückzurufen. Aber eigentlich habe ich schon kapituliert. Das einzige, was ich wirklich planen kann, ist die Niederlage. Ich werde U. anrufen und mich um eine Geste der Versöhnung bemühen. Ich werde mein Elend verlängern. Selber schuld.

Traurige Grüße
ursus
Skylla
Beiträge: 179
Registriert: 14. Jul 2006, 15:53

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von Skylla »

Hi Ursus!

Ich kann mir vorstellen, dass das gerade hart fuer dich ist... kannst du dein Handy abstellen oder ihre Nummer irgendwie blockieren? Es geht ja nicht darum, dass du nicht reden willst und sie gekraenkt ist, sondern darum dass es von dir gerade zu viel verlangt ist weil du damit nicht klar kommt.

Schreib ihr doch dass du Zeit brauchst und gerade auch nicht mit ihr reden moechtest und sie das bitte akzeptieren soll. Telefonisch wuerde ich ihr das nicht sagen, weil du dann vermutlich ungewollt in ein Gespraech verwickelt wirst.

Hat sie denn die Trennung als solche akzeptiert? Ihr muss doch klar sein, dass du nicht direkt von Beziehung zu Freundschaft switchen kannst. Wenn doch, dann verhaelt sie sich ehrlich gesagt etwas egoistisch... Sie sollte ihr Beduerfnis nach Freundschaft solange zurueckstellen, bis du dem auch entsprechen kannst.
Du tust ihr kein Unrecht, Ursus, sondern sie verlangt zuviel von dir!

Ich wuensch dir alles Gute, ursus, versuch so zu handeln wie es dir gut tut!

LG Skylla
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von ursus »

Während der Mittagspause kam eine neue SMS: "Dann schreib mir wenigstens." Jetzt habe ich mich entschuldigt. Es schmerzt sehr. Und noch eine SMS von ihr: "Ich bin Dir nicht böse. Muß nur jeden Tag an Dich denken."
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von ursus »

Hallo Skylla,

sie verlangt nicht zu viel von mir. Schon die Höflichkeit fordert, Anrufe nicht einfach zu ignorieren. Ich habe ihr auch niemals richtig die Trennung erklärt. Ich weiß gar nicht wirklich, wie man das macht. Ich würde es nicht übers Herz bringen. (Meine zweite Freundin hat sich an meinem Geburtstag von mir getrennt. Meine vorletzte Freundin hat mir nach dem Abendessen erklärt, dass sie keine Gefühle mehr für mich habe. Einfach so. Wäre ich meinem ersten Impuls gefolgt, hätte ich mich sofort vom Balkon gestürzt.)

Nein, ich glaube nicht, dass sie egoistisch ist. Sie ist jahrelang ausgenutzt worden. Ich wollte ihr das Gefühl geben, bei mir sicher zu sein. Einmal nicht ausgenutzt zu werden. Ich wollte ihr jeden Wunsch erfüllen. Deshalb war meine Enttäuschung so groß.

Mag sein, dass bei mir mal wieder die Hormone aus dem Gleichgewicht geraten sind. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, jemals wieder einen Menschen wie sie zu treffen. Die Vernunft sagt mir, dass es wohl nur eine Sache der Zeit ist. Aber meine Gefühle sagen etwas anderes.

Liebe Grüße
ursus
misajam
Beiträge: 19
Registriert: 16. Okt 2007, 20:10

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von misajam »

Lieber Ursus, ich habe deine Threads aufmerksam gelesen und sie berühren mich tief. Anscheinend haben wir Menschen, die sensibel sind und an Depr. leiden oft auch ähnliche Beziehungsmuster.
Du schriebst im Januar, dass ihr von Beginn an eigentlich nur Sex wolltet und ich glaube, schon da hast du dir etwas vorgemacht. In dir - so scheint es für mich nach dem Lesen - ist der tiefe Wunsch nach mehr Nähe und nach einer festen Beziehung vorhanden. Eine solch beschriebene Beziehung kann aber nur mit Schmerzen gelebt werden.
Ich selbst bin 50 und habe 29 (!) Jahre eine solche Beziehung mitgemacht. Meine "Große Liebe", die ich nie leben konnte, weil er die Möglichkeiten, die ich mir wünschte nicht eingeräumt hat. Dennoch hat er immer wieder Kontakt aufgenommen und ich war bis vor 9 Jahren nicht in der Lage, die Beziehung zu beenden. Wir haben alle Stadien der Nähe und der Distanz, der Liebe und des Hasses durchgemacht. Das zehrt!! Dann habe ich vor 9 Jahren meinen Mann kennengelernt und das hat mir geholfen. Jetzt ist der aber vor 1 1/2 Jahren gestorben und die Freundschaft zu dem anderen ist nie abgebrochen. Erst jetzt bin ich aber in der Lage "nur Freundschaft" zu leben und auf mich und auf meine Bedürfnisse zu bestehen, wenn es um "Zukunft" geht.
Manchmal ist die kurzfristige Befriedigung der Hormone auch ein Hindernis, wirklich die große Liebe zu treffen, weil man nicht offen dafür ist. Ich wünsche Dir viel Kraft und vor allem, dass du deine dazwischen notwendig erscheinenden Betäubungen im Griff behälst!
Skylla
Beiträge: 179
Registriert: 14. Jul 2006, 15:53

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von Skylla »

Hallo Ursus,

an dem was majasim schreibt ist viel wahres dran! Wenn man an der falschen Stelle/bei der falschen Person nach dem sucht was man moechte, dann haelt es einen davon ab tatsaechlich auch zu finden was man sucht.

Natuerlich gebieten es die guten Manieren, ein Telefonat nicht abzuweisen. Aber sind gute Manieren jetzt gerade besonders wichtig? Du moechtest niemanden wehtun, aber doch die Beziehung nicht wieder aufnehmen... wie soll das gehen? Das hoert sich an nach "wasch mich, aber mach mich nicht nass".
Vielleicht musst du auch deine Position noch einmal klar machen - wieviel ist denn bei ihr angekommen? Weiss sie dass du die Beziehung als beendet ansiehst?

Ich weiss, das macht alles keinen Spass... ich habe aehnliches hinter mir, habe eine Beziehung beendet zu jemand, der mir trotzdem noch sehr wichtig war und mir viel bedeutet hat. Mein Fazit: "sanftes Schlussmachen" gibt es nicht. Man kann nur versuchen so wenig wie moeglich zu verletzen!

Aber ein gewisser Egoismus ist auch von deiner Seite noetig - du musst darauf achten, was DIR guttut! Auch wenn es nicht dem Knigge entspricht.

LG Skylla
ursus
Beiträge: 159
Registriert: 22. Apr 2004, 12:52

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von ursus »

Hallo Majasim,

die Zeitdauern, die Du angibst, sind schwindelerregend. 29 Jahre! Ich rechne eigentlich nicht mehr damit, dass ich überhaupt noch so lange leben werde.

Meine "große Liebe" ist der Auslöser dafür, dass ich jetzt krank bin und hier schreibe. Ich bin ihr nehr als drei Jahre hinterhergelaufen, und wir waren zweimal für jeweils ein paar Monate zusammen. Ich habe sie mit einer Intensität und Leidenschaft begehrt, die ich zuvor nicht kannte. Und nachdem alles zu Ende war, wusste ich, dass ich das nie wieder erleben würde.

Ich habe versucht, meine Erwartungen ein wenig herabzuschrauben, und trotzdem keine Frau kennengelernt, die ihr gleich kam. Und dann bin ich beim Minimum angekommen. Im Januar wollte ich nur noch eine Frau, die ich gerne (!!) in den Arm nehme und mit der ich schönen Sex haben kann. U. hatte im letzten Jahr zweimal einen Mann gehabt. Sie war völlig ausgehungert. Wir hatten wirklich sensationelle Nächte.

Du hast recht - ich habe mir etwas vorgemacht. Ich habe mich sofort in U. verliebt, als wir uns kennengelernt haben. Ja, ich habe nach wie vor den Wunsch nach einer festen Beziehung, aber nichts, rein überhaupt nichts deutet darauf hin, dass ich es noch einmal dahin bringen werde.

Mir ist völlig klar, dass U. einen Platz in meinem Leben besetzt hält, auf dem vielleicht die Partnerin meiner Träume sein könnte. Aber ich habe es aufgegeben zu träumen. Ich weiß, dass U. für mich ein Hindernis ist. Aber ich habe nicht mehr die Kraft, mich ihr entgegenzustellen.

Ich habe auch nicht die Kraft für eine Trennung. Liebe Skylla, auch was Du sagst, stimmt vollkommen. Trennungen sind immer mit Schmerzen verbunden. Aber eben auch für mich. Und ich halte es nicht durch.

Liebe Sanne, Dir habe ich noch gar nicht geantwortet. Eine schreckliche Geschichte, die Du erzählst. Es tut mir vor allem deswegen sehr Leid, weil ich weiß, wie sehr Du mit Deiner Ertaubung zu kämpfen hast. Andererseits: Machen die Ekelgefühle gegenüber Deinem Freund und seiner Ex-Freundin die Dinge nicht auch ein wenig leichter?

Vor ein paar Monaten habe ich U. gesagt, "Du kannst ALLES von mir haben". Daran fühle ich mich gebunden. Ich habe mich entschlossen - nein, "entschlossen" ist der falsche Ausdruck, es ist fast schicksalhaft - das zu tun, wovor ihr alle warnt. Ich will jetzt versuchen, unseren Sex zu retten. Mir ist klar, dass das für mich sehr schmerzhaft wird. Ich weiß nicht, wie ich diese Schmerzen aushalten soll. Aber vielleicht geht es, indem ich mich fest auf die Momente konzentriere, in denen ihr Körper neben mir liegt, ich ihre Wärme spüre und mir vorstelle, dass sie etwas für mich empfindet.

Jeden Tag fahre ich mit dem Zug zur Arbeit, und niemand gibt mir Gewähr, dass ich mich nicht morgen auf die Schienen lege. Mein letzter Exzess mit Speed, Tavor und Alkohol hat mir drei Tage Amnesie eingebracht. Vielleicht geht es das nächste Mal ganz ins Auge.

Und dann: Mein Arbeitsvertrag ist krankheitsbedingt zum 31.3. gekündigt worden. Ich leite ein wichtiges Projekt. Heute wurde meine Projektskizze erörtert. Als ich in mein Büro zurückkam, dachte ich, ich werde jetzt arbeiten, bis ich tot umfalle. Hoffentlich vor Ende März.

Eine Freundin von mir geht regelmäßig zum HIV-Test in der Hoffnung, dass er mal positiv ausfällt. Sie will wissen, wann es zu Ende ist. Allmählich beginne ich, sie zu verstehen.

Ich weiß nicht, ob es noch verständlich und vernünftig ist, was ich hier schreibe. Ich habe seit letztem Wochenende insgesamt ungefähr fünf Stunden geschlafen. Den Rest der Zeit habe ich im Büro oder zu Hause im Chat verbracht. Wenn ich mir das Niveau anschaue, auf dem ich gelandet bin, überkommen mich Schamgefühle.

Ich habe seit gestern drei Mal mit U. telefoniert. Ich hatte ihr vor vier Wochen zum Abschied den "Amokläufer" von Stefan Zweig in den Briefkasten geworfen. Dann habe ich die Lampe ausgeschaltet, die abends in meinem Wohnzimmer brennt, wenn ich nicht da bin. Ich wollte keine Spuren mehr hinterlassen, war zeitweise kaum in der Wohnung. U. ist an den Wochenenden zu meinem Haus gefahren und hat geschaut, ob irgendwo in der Wohnung Licht brennt. Sie hat am Telefon geweint, als sie mir das erzählt hat. Und ich habe die verzweifelte Hoffnung, dass vielleicht doch nur meine Ungeduld das Hindernis ist. Wenn wir uns sehen, werde ich ihr alles an Liebe entgegenbringen, dessen ich fähig bin.

Ich schäme mich, aber ich bin einfach nicht mehr stark genug, mich so zu verhalten, wie ihr empfehlt.

Liebe Grüße
ursus
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von tommi »

Lieber Ursus,

mhh, deine Gedanken gehen immer wieder auf das einmal gesagte Wort zurück.
>>"mit mir kannst du nicht planen"
Ja, das hat sie mal gesagt, aber hat sie es wiederholt? Zeigt sie dir nicht, dass sie dich liebt und mit dir zusammen sein will?
Hast du dir mal überlegt, dass sie dir das damals aus Selbstschutz gesagt hat und sich genauso wie du in sie, in dich verliebt hat?

Ich weiß nicht worüber ihr am Telefon redet, aber eure Gefühle solltet ihr euch schon austauschen. Missverständnisse sind der Tod der Beziehungen.

Lieben Gruß
Tom
Bernd2

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von Bernd2 »

Hallo Ursus,

ich habe lange gezögert, meine Meinung zu Deiner Situation zu schreiben, aber nach Deinem letzten Beitrag muß ich es nun einfach tun. Es wird Dir vermutlich nicht gefallen, aber ich schreibe Dir aus eigener Erfahrung.

Du schreibst, daß Du nun den unbeschreiblichen Sex mit Deiner Ex retten willst. Davon kann ich Dir nur dringend abraten. Sex ist zwar unbestreitbar angenehm, kann jedoch niemals die Grundlage einer Beziehung zu einem anderen Menschen sein.

Wenn es nur (noch) Sex ist, was eine Beziehung zusammenhält, dann ist und war es vermutlich niemals eine richtige Beziehung. So ein Konstrukt wird in aller Regel im Scheitern enden, wobei dann zumindest ein Mensch auf der Strecke bleibt; meistens jedoch beide. Das erlittene Leid kann dann unsäglich sein oder werden.

Guter Sex ist eine sehr schöne Zutat, kann jedoch die Dinge, auf die es bei einer Beziehung zu einem anderen Menschen wirklich ankommt, niemals kompensieren. Zuneigung, Hingabe, und vor allem absolutes Vertrauen; das sind nach meiner Erfahrung die Dinge, die eine Beziehung wirklich tragfähig machen. Damit ist natürlich kein Gelingen für die Ewigkeit garantiert.

Gruß
Bernd
Sanne_D
Beiträge: 18
Registriert: 20. Sep 2007, 20:01

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von Sanne_D »

Lieber Ursus,

die Dinge, die Du mir in den vergangenen Wochen geschrieben hast, haben mir alle sehr geholfen. Und sie zeigen mir, was in Dir alles noch für wunderbare Kapazitäten stecken. Ich habe vor zwei Jahren mal einen Spruch gelesen und ihn zur Zeit neben dem Monitor liegen, weil er mich an schöne Dinge erinnert:
"Vergiss nicht, dass die Erde sich freut, deine nackten Füße auf sich zu spüren, und dass der Wind Verlangen hat, mit deinen Haaren zu spielen."
Kannst Du es Dir ein bisschen vorstellen? Sonne im Haar und ein frischer Wind und ein leichter Tag, an dem einfach nur zählt, da zu sein? Ich wünsche es Dir.

Meine Bedenken gegenüber U. sind die gleichen, wie oben. Gegenüber meinem Ex-Freund habe ich keine Ekelgefühle mehr. Ich bin viel ruhiger geworden und bin bereit, mit ihm nur noch eine Freundschaft zu haben, auch wenn ich ihn jetzt noch nicht sehen kann. In der letzten Woche habe ich einen Notruf an ihn abgesetzt und er hat sich sofort per Mail gemeldet, hat mir eine liebe Aufmunterung in den Briefkasten geworfen und mir deutlich gemacht, dass ich ihm nach wie vor sehr wichtig bin und dass er mich als Mensch nicht verlieren möchte. Und im Moment fühlt sich das für mich gut an: einfach nur wissen, dass er mich schätzt, dass er kommen und mich festhalten würde - und ich beginne zu begreifen, dass dies viel wertvoller ist, als eine Auf-und-Ab-Beziehung mit ihm, die von seiner Seite aus niemals eine echte Beziehung werden würde und in der ich mich immer wieder auf's Neue verzehre. Der fantastische Sex, den wir hatten, hat das jedesmal wieder neu angestachelt. Wir hätten viel früher damit aufhören sollen - dann ginge es mir jetzt bestimmt besser, weil ich den Kopf ein wenig freier von ihm bekommen hätte, der nach wie vor die große Liebe meines Lebens ist - und der als echter Partner immer unerreichbar war und es bleiben wird.

Ich habe angefangen, meine Erwartungen runterzuschrauben. Ich versuche - und im Moment klappt es sogar - so einen Mann wie meinen Ex-Freund nur noch als einen fernen Traum zu sehen, an den ich mich mit einem Lächeln erinnern kann.

Was viel mehr zählt, als eine so problematische Beziehung ist, dass wir DA sind, und spüren können, wie die Sonne auf unsere Haut scheint, wie das Salz auf unserer Haut schmeckt.

Ich habe jetzt eine neue "Beziehung" angefangen, in der es erstmal nur darum geht, ein bisschen Nähe und Sex zu haben. Wir wissen nicht, ob daraus mehr wird, aber wir denken auch nicht darüber nach. Und ich habe mit großem Erstaunen festgestellt, dass auch dieser Mann am Hals sehr gut riecht, und dass ich auch in seine Haut meine Nase graben kann, und dass ich meine Arme um ihn schlingen kann und dass meine Umarmung erwidert wird. Und es tut gut.

Lieber Ursus, schon mit Deinen wenigen Beiträgen an mich in diesem Forum bist Du mir wichtig geworden und ich möchte, dass Du das weißt.

Alles Liebe für Dich

Sanne
otterchen
Beiträge: 5118
Registriert: 3. Jan 2007, 10:43

Re: Ich habe meine Freundin verlassen - und komme nicht damit klar

Beitrag von otterchen »

Hallo Ihr Lieben,

dieses Thema betrifft mich nicht ganz - aber zum Teil halt doch. Es würde aber zu weit vom Thema abkommen, das hier zu schildern, deshalb möchte ich mit Euch nur eine Erfahrung teilen, die ich in den letzten Monaten machen konnte:

Ich habe all das, was ich aus der Beziehung mitnehmen konnte, irgendwie verinnerlicht. Es hat mich reicher gemacht, das kann mir niemand mehr nehmen.

Es ist wie das Glas Wasser: mir scheint, dass Ursus hier das halbvolle Glas sieht und es gerne voll haben möchte (was in Beziehungsdingen normal ist - ging mir auch immer so), dass ich es aber irgendwie geschafft habe (was total seltsam für mich ist, sowas hab ich noch nie empfunden), dass ich dieses halbe Glas Wasser als etwas Besonderes ansehe, was ich habe, was mir keiner wegnehmen kann.

Das, was ich in dieser betreffenden Beziehung erlebt habe, habe ich alles nochmal Revue passieren lassen, und ich fühle mich jetzt reicher (ich kann's nicht anders ausdrücken). Ich habe etwas bekommen, woran ich gerne zurückdenken mag. Klar macht mich das manchmal auch etwas wehmütig - aber oft genug erfüllt es mich auch einfach nur mit einer tiefen Freude und mit Wärme.

Das geht natürlich nicht, wenn man noch mitten im Trennungsprozess steht. Aber ich möchte einfach ein wenig Hoffnung mitgeben, dass es möglich ist, daran nicht zu zerbrechen, dass man es nicht ganz tief in sich zu vergraben braucht, sondern dass es einen Weg gibt, die guten Dinge abzuspeichern und sich auch nach langer Zeit noch daran zu wärmen.
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
Antworten