Austherapiert

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olivia
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Austherapiert

Beitrag von olivia »

Ein Hallo an Alle,

heute hat mir mein Hausarzt gesagt, nachdem er meine ganzen Berichte von den vergangenen Jahren gelesen hat, dass ich sozusagen austherapiert bin. Natürlich gehe ich auch weiterhin zu meinem Neurologen und zur Therapie. Ich frage mich bloß was "austherapiert" bedeuten soll. Muss ich mich meinem Schicksal hingeben? Muss ich lernen mit meiner Erkrankung umzugehen, sie zu akzeptieren und versuchen so gut wie möglich damit zu leben?

Ich bin erst 40 und das Gespräch hat mich sehr heruntergezogen. Ich musste das jetzt irgendwie mal loswerden.

Liebe Grüße Olivia
Schnitze dein Leben aus dem Holz, das du hast.
Bernd2

Re: Austherapiert

Beitrag von Bernd2 »

Hallo Olivia,

mit "austherapiert" meint Dein Arzt ganz einfach, daß das therapeutische Potential ausgeschöpft ist. Um es einmal ganz eindeutig zu formulieren: Er wollte Dir damit sagen, daß man Dir nicht mehr helfen kann, da bereits alles unternommen wurde, jedoch offenbar ohne Erfolg. Das ist in der Medizin keineswegs selten; auch wenn viele Patienten gerne etwas anderes glauben möchten.

Es wundert mich allerdings, daß so etwas Dein Hausarzt sagt. Ich möchte nun keineswegs Hausärzte schlechtreden, aber sie sind sicherlich nicht die berufenen Fachleute für psychische Erkrankungen.

Du solltest daher Deine Situation vielleicht noch einmal mit einem Psychiater erörtern.

Gruß
Bernd
albert
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Re: Austherapiert

Beitrag von albert »

Hallo Olivia,

das Wort "austherapiert" tut mir leid für dich. Ich kann gut verstehen, dass es dich runterzieht. Auf der anderen Seite weiß ich von Betroffenen, die erst nach dieser Erklärung "austherapiert" wichtige therapeutische Schritte unternommen haben zu ihrer Gesundung. Ich finde, dass du immer noch alle Chancen hast zur Besserung. In diesem Sinne

Grüße von
Albert
Dendrit
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Re: Austherapiert

Beitrag von Dendrit »

Caroline1
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Re: Austherapiert

Beitrag von Caroline1 »

Hallo Olivia,

So ein Satz klingt natürlich für einen Patienten nicht sehr aufbauend, das ist richtig. Aber ich finde es gut, dass du hier nun deswegen nachfragst, denn: "austherapiert" im Sinne von "Ihnen ist nicht mehr zu helfen" kann man bei Depressionen ganz grundsätzlich NICHT sagen!

Was möglich ist, ist, dass dein Hausarzt nicht mehr weiß, wie ER dir helfen kann. Das ist allerdings ein himmelweiter Unterschied und ich finde, es zeugt weder von Kompetenz, noch von Sensibilität, wenn er dich mit solchen Aussagen konfrontiert.

Auf der andern Seite fragst du: "Muss ich lernen mit meiner Erkrankung umzugehen, sie zu akzeptieren und versuchen so gut wie möglich damit zu leben?" Darauf antworte ich dir mit einem eindeutigen JA!! Das ist eine Grundbedingung, mit Depressionen überhaupt fertig zu werden. Es reicht in der ganz großen Mehrheit der Fälle nicht aus, dass man "einfach" Tabletten schluckt und "brav" zur Therapie hingeht, in dem man da, grob gesagt, seine Stunden absitzt. Wobei ich nicht sagen will, dass das bei dir so läuft. Aber da du diese Frage so stellst, schien es mir wichtig, dich hierauf aufmerksam zu machen.

Es gibt Depressionen, die nicht ganz verschwinden, die nicht völlig heilen, da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als sie in sein Leben zu integrieren. Aber darin liegt auch gleichzeitig eine große Chance, nämlich die, dass du während und nach diesem Prozess eine ganz andere, viel höhere Lebensqualität haben kannst. Und diese Herausforderung solltest du annehmen, es lohnt auf jeden Fall!

In diesem Sinne alles Gute an dich,

Caroline
KristinaB
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Re: Austherapiert

Beitrag von KristinaB »

Hallo Olivia,

ich glaube, dass nur sehr sehr wenige Betroffene wirklich austherapiert sind. Dein Hausarzt mag überfordert sein ...

Ich hoffe, Du hast einen guten Facharzt.

Welche Medis nimmst Du? Es gibt hier sehr viele Möglichkeiten zu kombinieren, zu erhöhen.

Im "Notfall" suche Dir einen anderen Arzt oder besorge Dir das Buch von Brigitte Woggon: Behandlung mit Psychopharmaka.

Gebe niemals auf!

Alles Gute

Kristina
flocke
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Re: Austherapiert

Beitrag von flocke »

naja, also ich denke dass man manchmal dinge akzeptieren muss... die tehrapie kann ja nicht einfach wie mit zauberhand alles weg machen... sondern soll eben auch helfen dass man lernt mit der depression zu leben...


von daher ist man denke ich schon austherapiert, wenn man von therapie zu therapie hopst mit dem wunsch die therapie zu finden die die depression auslöscht und weg macht...

flocke
Pessimisten sind Optimisten mit Erfahrung
imagine
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Re: Austherapiert

Beitrag von imagine »

Liebe Flocke,
da hast du sicher recht, aber es ist mitunter schwierig, eine Krankheit anzunehmen, ohne Wenn und Aber und doch, da hast du ganz recht, oft ist das der Schlüssel zur Besserung.
An manchen Tagen kann man es gut, an anderen ein bisschen und manchmal einfach gar nicht.

Ich finde, die Kunst besteht darin, alle diese Zustände zuzulassen und mit ihnen zu leben.
Ich rede weiser, als ich lebe, aber so ist das eben mit der Theorie.
Mir hat vor langen jahren mal ain Arzt gesagt, ich sei tablettenabhängig, einfach so, ohne Erklärung oder Vorwarnung.
Ich war so geschockt, dass ich es ändern konnte, ich denke, dass ist es, was Albert meinte, mitunter bedarf es eines Schocks, damit man sein Schicksal akzeptiert und in die eigenen Hände nimmt, denn letzlch können wir uns, zwar mit Hilfe, doch nur selbst helfen

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
flocke
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Re: Austherapiert

Beitrag von flocke »

dass dass nicht leicht ist weiß denke ich jeder der damit zu kämpfen hat... mir ist nur wichtig, dass man eben "weiß" dass es nicht einfach wieder weg gemacht werden kann...denn wenn man mit dieser illusion von einer therapie zur nächsten geht, kann es nicht besser werden...

flocke
Pessimisten sind Optimisten mit Erfahrung
olivia
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Re: Austherapiert

Beitrag von olivia »

Hallo ihr Lieben,

danke für die vielen Antworten.

Mein Hausarzt hatte ich um meine Berichte gebeten um sich ein Bild machen zu können und um zu sehen ob er noch eine Idee hat. Natürlich bin ich bei einem Psychiater/ Neurologen/ Schmerztherapeuten in Behandlung bei dem ich mich sehr gut aufgehoben fühle. Dass mein Hausarzt in der Hinsicht unsensibel reagiert hat sehe ich genauso und ich bin am Überlegen ob ich mir einen anderen suchen soll. Einfach weil man ja auch eine hausärztliche Versorgung braucht und sich auch beim Allgemeinmediziner wohl fühlen sollte.

Ich bin nicht von einer Therapie zur nächsten gehopst. Ich bin seit fast 6 Jahren bei meiner Therapeutin und bin sehr zufrieden mit ihr. Ohne sie hätte ich viele Schritte und Veränderungen nicht gemacht. Ich war auch bei vielen anderen Fachärzten wie z. B. Orthopäden, Rheumatologen, Schmerztherapeuten weil ich auch chronische Schmerzen habe. Ich habe viel in Eigeninitiative unternommen: Selbsthilfegruppen, Naturheilmedizin, Bachblüten, etliche Formen der Entspannungstherapien, Krankengymnastik usw. Natürlich war ich auch in diversen Kliniken. Mir ist den ganzen Jahren immer etwas Neues eingefallen was ich noch ausprobieren könnte. Dieser Stillstand der momentan herrscht frustriert mich.

Zurzeit nehme ich Cymbalta 60mg und abends zum Schlafen Pipamperon 20mg. Meine Schilddrüse ist leicht vergrößert. Auch dafür nehme ich seit Kurzem ein Medikament ein.

Es sollte nicht so herüberkommen dass ich ungeduldig von einem Therapeuten zum nächsten hüpfe. Ich bin, wie gesagt, schon lange in Therapie und jetzt habe ich nun das Gefühl dass es nicht mehr weiter geht.

Darum meine Frage ob ich lernen muss mit meiner Erkrakung umzugehen.

Danke nochmal!
Liebe Grüße
Schnitze dein Leben aus dem Holz, das du hast.
Clown
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Re: Austherapiert

Beitrag von Clown »

Hallo Olivia,

«...jetzt habe ich nun das Gefühl dass es nicht mehr weiter geht.»

Entwicklung läuft nicht linear, das ist dir wahrscheinlich auch klar.

Wenn du noch in Therapie bist, wäre dein 'Stillstand' vielleicht ein wichtiges Thema, das angeschaut werden will? Verstecken sich womöglich hinter diesem Gefühl Fragen wie 'Was will ich eigentlich, wer bin ich' ?

Grüße,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
KristinaB
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Re: Austherapiert

Beitrag von KristinaB »

Hallo Olivia,

natürlich musst Du lernen, mit Deiner Krankheit umzugehen. Das muss jeder von uns, der nicht 100%ig wieder wie vorher ist.

Aber "austherapiert" ist für mich was ganz anderes und damit würde ich mich an Deiner Stelle nie zufrieden geben.

Welche Symptome belasten Dich im Moment noch sehr stark?
Auch danach sollte sich die Behandlung richten.

Ich drücke Dir die Daumen, dass es bald wieder vorwärts geht.

Alles Gute

Kristina
flora80
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Re: Austherapiert

Beitrag von flora80 »

Hallo Olivia,

also, als allererstes: ich glaube, dass der Begriff "austherapiert" im Zusammenhang mit Depressionen nie wirklich treffend sein kann.

Aber was mir aufgefallen ist: du schreibst, du seist seit sechs Jahren bei deiner Therapeutin und auch sehr zufrieden mit ihr, weil du viel gelernt hast. Das finde ich zunächst einmal sehr positiv! Nur, kann es es nicht sein, dass du einfach mittlerweile alles gelernt hast, was sie dir beibringen könnte? Nach sechs Jahren? Das bedeutet ja nicht, dass sie eine schlechte Therapeutin wäre, sondern einfach nur, dass andere Therapeuten vielleicht noch einen neuen Input geben könnten. Ich war vier Jahre bei meinem ersten Therapeuten, der mir dann von sich aus ganz ehrlich sagte, dass ich wohl nun alles wüsste, was er mir geben kann. Die Therapiestunden waren zwar immernoch entlastend, weil ich eben meinen ganzen "Kram" dort loswerden konnte, aber wirklich neue Ideen habe ich nach vier Jahren dort nicht mehr bekommen. Er war ein sehr guter Therapeut, aber meine Entscheidung, nach einem weiteren Klinikaufenthalt einen Wechsel zu machen, war im nachhinein die beste, die ich treffen konnte. Ich habe die Therapieform gewechselt von VT zur TP und außerdem bin ich zu einer Frau gewechselt. Vielleicht wäre es eine Idee, das mal zu erörtern und einen neuen Weg zu suchen? Jeder Mensch ist schließlich anders und jeder Therapeut auch. Vielleicht könnte dich auch ein Aufenthalt in einer Tagesklinik nach vorn bringen? Es gibt sicher noch 100 Möglichkeiten, lass dich nicht ins Boxhorn jagen. Nur weil deinem Hausarzt nichts mehr einfällt, heißt das nicht, dass "dir nicht mehr zu helfen ist". Vielleicht braucht es ein bisschen Mut, einen neuen Weg zu gehen, aber oft wird der belohnt!

Liebe Grüße von Flora
olivia
Beiträge: 136
Registriert: 13. Nov 2006, 16:55

Re: Austherapiert

Beitrag von olivia »

Hallo Clown, Kristina und flora,

nein, ich gebe mich nicht damit zufrieden angeblich austherapiert zu sein. Auch wenn mich dieses Gespräch sehr heruntergezogen hat so bin ich doch eine Kämpferin die sich doch immer wieder fängt. Ich gebe nicht auf und werde auch weiterhin versuchen dass ich wieder weiter komme. Ich werde zuallererst nicht mehr zu meinem Hausarzt gehen denn ich kann es nicht gebrauchen wenn ich nach einem Besuch bei ihm total frustriert bin ich tagelang danach noch grübele.

Den Therapeuten zu wechseln, daran habe ich auch schon oft nachgedacht aber meine Therapeutin ist mir so vertraut und sie weiss eben alles über mich und wie ich auf etwas reagiere. Es fällt mir sehr schwer mir vorzustellen nicht mehr zu ihr gehen zu können. Allerdings habe ich auch nur noch 8 Stunden und ob ich noch weitere Stunden bewiligt bekomme weiss ich nicht.

Ich denke eine Tagesklinik wäre zu anstrengend für mich. Ich leide an chronischer Erschöpfung und eine Tagesklinik hat ja wieder diesen Zwang genauso wie ich früher zur Arbeit musste. Diese Regelmäßigkeit bekomme ich nicht mehr hin. Meine Depressionen halten sich zurzeit in Grenzen. Auch mit der Antriebslosigkeit geht es für meine Verhältnisse. Meine Angstzustände sind momentan im Vordergrund und meine chronischen Schmerzen (Halswirbelsäule und fast täglich Migräne).

Mit der Akzeptanz ist es so ein Problem. Ich habe alles, was mich krank gemacht hat, "abgestellt". Darum kann ich es nicht verstehen warum es mir nicht wesentlich besser geht.

Ich danke euch für´s zuhören und für die Tips!!

Liebe Grüße
Schnitze dein Leben aus dem Holz, das du hast.
KristinaB
Beiträge: 113
Registriert: 25. Dez 2006, 11:00

Re: Austherapiert

Beitrag von KristinaB »

Hallo Olivia,

Du hast eine gute Einstellung.
Damit wirst Du weiterkommen.

Es kann übrigens sein, dass Cymbalta einfach nicht genug hilft. Neu ist noch lange nicht besser und wirksamer. Bei mir hat es nicht genug geholfen, und ich nehme jetzt wieder trizyklische AD.

Bis bald

Kristina
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