Sinnkrise

Heinz - Leo Laturell
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Sinnkrise

Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Liebe Nicole, ich habe mein ganzes Leben damit verbracht zu funktionieren, wichtig zu sein, für andere da zu sein und mich darin zu baden und wieder zu finden. Es gab keinen anderen Sinn für mich, als den, dafür da zu sein etwas zu Machen. Heinz Leo hier, Heinz Leo da. Wenn gebrannt hat, wo auch immer ich war der Ansprechpartner. Mitten in der Nacht klingelte das Telefon und ich stand auf fuhr, hin, tröstete, machte. Ich hatte die Fäden in der Hand und merkte nicht, wie sie mich fesselten. Eifersüchtig achtete ich darauf, dass mir niemand den Rang ablief. Es sollte keine fremden Götter neben mir geben. In meinen Urlauben brach ich grundsätzlich zusammen, war krank und immer irgendwie freudlos. Als ich´s merkte, dass da etwas mit mir nicht stimmt, konnt ich´s nicht mehr lassen. Ich wollte doch immer dazugehören, gemocht werden, geachtet. Der Verlust all dieser Wichtigkeiten brachte es an den Tag. Ich hatte keinen Sinn mehr. Einmal nichts tun, in Ruhe Musik hören, ein Buch lesen, mich den Musen hingeben, Fehlanzeige. Wenn ich heute so manchen Menschen aus meiner damaligen Zeit berichte, wie ich mich heute fühle, wie´s mir geht, ernte ich meistens nur ein ungläubiges Kopfschütteln. Diese meine Struktur macht mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung, wie´s so schön heißt. Wenn ich mich gut fühle glaube ich immer etwas tun zu müssen. Ich ertrag´s nicht auch nur eine Stunde herum zu sitzen. Wenn´s mir nicht gut geht, kann ich´s inzwischen annehmen zum Nichtstun quasi gezwungen zu sein. Aber das geht noch nicht lange so einfach. Eigentlich bin ich doch auch ein fauler Mensch und dennoch kann ich´s nicht genießen faul zu sein. Es verbietet mir niemand außer ich mir selbst. Inzwischen verbringe ich das Nichtstun meistens mit Grübeleien, dem Bauen von Luftschlössern und dem Planen von was auch immer. Ein tolles Beispiel für meine verrückte Denkweise ist, dass ich es hasse, wenn ich einmal nichts tun will, nur so herumgammeln will und dann die Sonne scheint und mich quasi auffordert, in den Garten zu gehen, oder Holz zu schlagen. Ja es ist verrückt, ich lasse mir vom Wetter gestatten nichts zu tun, faul zu sein, denn ich freue mich so richtig wenn´s regnet, dann ich´s vor mir selbst rechtfertigen. Inzwischen hab ich nur noch wenige Menschen wo es mir wichtig ist, wichtig zu sein. Aber ich muß nicht mehr funktionieren. Manchmal denke ich, dass diese schwere manische Depression so etwas wie die Offenbarung meiner Struktur ist. Die Manie gestattet mir etwas zu tun und die Depression gestattet mir nichts zu tun, faul zu sein, mich hängen zu lassen. Die Depression als Rechtfertigung?! Das wäre ja mal wieder ein ganz neuer Aspekt auf den ich da gekommen bin. Ja Nicole ich wünsch Dir viel Muse und eine Hand voll Menschen die Dich verstehen! Heinz - Leo
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Lieber Heinz-Leo, das ist das erste mal,daß ich das von jemand anderem höre. Ich bin auch oft richtig gequält,wenn das Wetter gut ist und mich auffordert,in den Garten zu gehen. Ich benutze auch gern schlechtes Wetter als Entschuldigung dafür,nichts tun zu können. Auch ich bin oft zu faul,etwas zu machen,aber leide dann schrecklich darunter. Auch kann ich absolut nicht stillsitzen und einfach die Ruhe genießen. Und genau wie du,erlebte ich die Sinnlosigkeit meines Lebens,wenn alle die Gelegenheiten zum Wichtigsein für andere wegfielen,zuerst an Wochenenden und im Urlaub,zuletzt dann ganz massiv mit dem Ende meines offiziellen Arbeitslebens. Heute weiß ich,daß mein Leben jetzt erst begonnen hat.Aber ich muß es Schritt für Schritt lernen! Ich hab übrigens schon vieles von dir mit großem Interesse gelesen. Aber so verblüffend wie heute war es noch nie. Gute Nacht, liebe Grüße Waltraut
dan
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Beitrag von dan »

Heinz-Leo, Danke für deinen Mail, ich kann dich gut verstehen. " denn ich freue mich so richtig wenn's regnet, dann ich's vor mir selbst rechtfertigen. " Diesen Satz kenne ich so gut. Es errinert mich an eine von meine alle erste Hausaufgabe beim Therapeutin, ich sollte eine Liste von Pflichten und Erholung. Wie beim wahrscheinlich viele von Uns in Forum war meine Pflichten Liste unendlich lang und die Erholung Liste hat einen einzigen Beitrag. Irgendwie habe ich geschafft fast alles in mein Leben als Pflicht zu sehen. Nur dann darf ich mir was erlauben wie Sport (der Arzt sagt ich soll das), Spielen mit meine Kinder,(muss eine gute Mama sein), Sex (muss eine gute Frau sein) usw..... Aber wann alles nur Pflichten sind geht auch die Freude weg. Für mich ist es immer noch schwer was zu machen weil Ich einfach das will. Ich muss alles Rechtfertigung. Weil ich Krankgeschrieben bin muss ich mich schonen aber wer sagt das mir nach der Krankschreibung? Ich sehe ich habe eine weite Reise vor mir aber es ist Nett soviel Mitreisende zu kennen dürfen- ,0) dan
susan
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Beitrag von susan »

Lieber Heinz-Leo, liebe Waltraut, liebe Dan........... durch eure Zeilen ist es mir erst richtig bewußt geworden, ja, mir fällt es auch viel, viel leichter, nichts zu tun, wenn es "dunkel und trist" draußen ist. Dann ist es wie ihr sagt, GERECHTFERTIGT Vor Jahren noch konnte ich überhaupt nicht zur Ruhe kommen, ich bin unentwegt hin und hergelaufen, habe wichtige und unwichtige Dinge erledigt, war am Ende eines Tages, immer total alle, aber ich war zufrieden mit mir, ich war nicht faul, ich war fleißig. Dieser Drang, etwas zu tun, immer etwas zu tun, diese stetige Unrast steigerte sich dann immer mehr, ich fing alles nur an, 10, 20 Sachen liefen zugleich, ich wurde immer unruhiger, unzufriedener, weil ich am Ende gar nichts geschafft habe. Und obendrein hat es mich imense Kräfte gekostet. Ein Nebenprodukt dieses Tuns war Migräne. Sie zwang mich ins Bett, zwang mich, mich hinzulegen - ich legte mich hin, mir blieb gar nichts anderes übrig, jedoch nicht ohne das schlechte Gewissen, nichts getan zu haben. Medikamente, Ruhe ....und dann ging es von vorne los...bis zum nächsten Migräneanfall. Es ging so gut wie gar nichts mehr, ich hatte über die Hälfte des Monats Migräne, die andere Hälfte war ich erschöpft, unzurfrieden, traurig....Mein Arzt riet mir, einen Kurantrag zu stellen....und ich kam in eine psychosomatische Klinik, in 7 Wochen habe ich gelernt, wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden, von 5Arbeiten auch mal 3 liegenzulassen - ohne schlechtes Gewissen. Ich habe gelernt, daß ich nicht unentbehrlich bin, auch mein Mann und meine Kinder können einige Aufgaben erledigen, mir helfen. Man könnte sagen ,mein Leben hat sich verändert - ich routierte nicht mehr nur, sondern da gab es auch Zeit für MICH, ich habe angefangen, Sport zu machen, ich machte Handarbeiten, ich konnte sogar mal ganz in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken und GAR NICHTS tun. Das war 1993 und ich profitierte jahrelang von dem Gelernten, dann ging es wieder los Migräne, Rückenschmerzen, Unruhe, Unzufriedenheit - Depression Ich habe dieses schlechte Gewissen, nein, jetzt heißt das "Schuldgefühle", weil ich so gut wie nichts mehr schaffe. Es ist noch dazugekommen, wenn ich etwas anfange, meldet sich eine Stimme in mir "Hat doch sowieso keinen Sinn" ....da ist ja noch die Depression, ich bin traurig, ich weine, ich fühle mich leer, es geht mir schlecht - ich KANN nichts tun, ich DARF mich hinlegen... Benutzen wir die Depression als Rechtfertigung? Ich komme auf dieselbe Frage wie Heinz-Leo....... Liebe Grüße Susan


dan
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Beitrag von dan »

Liebe Susan, meine Antwort- " Benutzen wir die Depression als Rechtfertigung" Ich glaube es ist unsere Rechtfertigung weil wir unsere Seele keine andere Chance erlauben. Ich habe noch vieles zu lernen wie ich auf meine Seele Hören könnte. Als ich die Therapie angefangen habe dachte ich das Ziel war meinen alten Alltag wieder zu schaffen. Nach einige Woche war ich entsetzt über den Kenntnis das mein Leben nie wieder wie vorher könnte. Das ist wann ich nicht wieder in so einen Loch fallen will. Ich hoffe es ist überhaupt möglich auf meine Seele zu hören ..... vielleicht bin ich naiv? dan
Heinz - Leo Laturell
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Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Hallo, noch was Aktuelles zum Thema. Ich habe gerade einen Spaziergang hinter mir. Das Wetter ist toll und ich schlage mich mit dem Gedanken, jetzt schon mit dem einschlagen von Holz zu beginnen, nach dem Motto, was getan ist ist getan, wer weiß was noch kommt. Ich hab mich seit gestern gedanklich derart unter Druck gesetzt, dass ich tatsächlich jetzt noch unbedingt in den Wald wollte, nein wollen müssen. Aber eigentlich hab ich keinen Bock drauf, will mich lieber mit etwas anderem beschäftigen. Ihr dürft raten was passiert ist? Ohne Vorwarnung plötzlicher Schwindel, Kopfschmerzen, Herzrasen und Angst. Mein erster Gedanke, nein so kann ich nicht in den Wald. Jetzt sitze ich hier und merke, dass ich wieder einmal diese Rechtfertigung gebraucht habe, um das ach so Notwendige nicht zu machen. Gruß Heinz - Leo
nicole
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Beitrag von nicole »

Hallo Heinz-Leo und alle anderen! Ja, mir geht es genau so. Um meine Krankheit besser ertragen zu können, nehme ich mir viele Dinge vor und bin ständig unterwegs. Alles was ich zu erledigen habe, würde ich immer am liebsten gleich auf einaml erledigt haben. Abends liege ich dann im Bett und habe ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht alles geschafft habe, mache mir Vorwürfe und setze mich selbst unter Druck. Das Resultat davon sind dann Panikattacken und Angstzustände, die mich zwingen einen Gang runterzuschalten. Doch das kann ich nicht akzeptieren, denn ich muss noch soviel tun! Oder wenn ich mal lieber durch die Läden gebummelt bin oder vor der Glotze gesessen bin, packt mich gleich die Angst, alles andere nicht mehr zu schaffen. Lieber Heinz-Leo, ich finde es schön, dass du es geschafft hast, nicht mehr ständig den guten Samariter spielen zu müssen. Das kann ich noch nicht. Ich kenne das nur zu gut, das ständige Ringen um Anerkennung und die Eifersucht auf alle, die mir etwas von dieser Anerkennung wegnehmen könnten. Ich will auch dazugehören. Aber muss ich das wirklich? Ich glaube nicht, aber ich kann es nicht abstellen. Ich komme auch nicht gut mit den Rückschlägen klar. Denn wer viel macht, sich für etwas einsetzt, erhält auch viel Undank und bekommt regelmäßig eins auf den Deckel. Ich kann es nie allen recht machen, was aber mein Bestreben ist. Ein nie erfüllbares Bestreben! Ich denke schon, dass das alles zu meiner Erkrankung beigetragen hat. Ich hoffe, dass ich irgendwann auch da rauskomme. Gruß, Nicole
Heinz - Leo Laturell
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Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Hallo Nicole, ich habe vor 2 Jahren eine Geschichte geschrieben. Es ist ein Teil meiner Geschichte. Ich möcht´sie dich gerne lesen lassen. Langsam glaube ich, dass ich meine Geschichten zu einem Buch zusammen fassen sollte. Allerdings hate ich bisher nicht den Mut dazu. Spießrutenlaufen eine frei erfundene Erzählung und fast wahre Geschichte von Heinz - Leo Laturell Ja, das ging mir irgendwie an die Nieren, damals, als sie mich anriefen um mir mitzuteilen, daß sie verstorben sei. Nein, geweint habe ich kaum, obwohl ich sehr traurig war, erschüttert. Ich konnte nicht weinen, war irgendwie verschlossen. Ein Indianer weint nicht, soll wohl heißen ein Knabe, ein Mann weint nicht. Na ja, dann ging´s mir halt doch an die Nieren. Ich ging zum Arzt. Also Nierenentzündung sagte er, ich solle viel trinken. die Nieren müßten gespült werden, das sei gut. Wir haben nie darüber gesprochen, jeder blieb für sich, mit seiner Trauer, mit seinem Gefühl. Irgendwie sind wir uns, sind der Trauer aus dem Weg gegangen. Als ich das erste Mal darüber redete, sagte mir ein Freund: Ja, so ist das Leben, ein Kommen und ein Geh´n. ich fühlte mich irgendwie nicht gut dabei, nicht ernst genommen. Lass dich nicht hängen, das Leben geht weiter, also ließ ich mich nicht hängen und irgendwie ging das Leben weiter. Diesen Freund habe ich nicht mehr gesehen, er war einfach weg, haben uns aus den Augen verloren. Wir konnten nicht mehr miteinander. Dann ist mir das doch auf den Magen geschlagen, hatte viel Wut im Bauch. Nein, ich wusste nicht so recht warum, aber mein Magen rebellierte. Also ging ich zum Arzt, Befund, ein Magengeschwür. Ja und dann habe ich geschluckt, meine Medikamente und meinen Ärger. So richtig besser wurd´s halt nie, aber wenn´s gebrannt hat, dort drin im Magen, dann habe ich mein Pülverchen geschluckt, gegen Sodbrennen. Zu viel überschüssige Magensäure meinte der Arzt und Galle die in den Magen hochsteige, dadurch hätte ich dieses Brennen bis in die Speiseröhre, dieses saure Aufstoßen. Na ja, sauer war ich oft und bei so Manchem, was mein Gegenüber von sich gegeben hat, lief mir die Galle über und dann ist´s mir sauer aufgestoßen. Aber mir war´s einfach zu blöd immer wieder etwas zu sagen und überhaupt runterschlucken ist ja doch besser, ich will ja keinen Streit und mich über solche Kleinigkeiten ärgern, ist ja eher kindisch. Mein Vater hat oft zu mir gesagt: Kopf hoch, da musst du durch. Na ja, das habe ich dann getan, hielt den Kopf hoch, auch wenn er mir manchmal zu schwer wurde. Während meiner Ausbildung hörte ich, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, wenn ich meine Meinung äußern wollte. Sollte wohl heißen, halt´s Maul, du hast keine Meinung zu haben und die Schikanen dienen nur deinem Besten. Ja, ich war einfach sauer, weil ich das Gefühl hatte, nur deshalb nicht dazu zu gehören, weil ich meine Meinung sage, oder sie vehement vertrete. Wenn mir etwas zuviel wurde, meine Grenzen überschritt, dann habe ich das gesagt. Nein, nein, so geht das nicht, du kannst nicht einfach tun und lassen was du willst. Du musst dich schon anpassen an das Tempo der Gemeinschaft, an die Vorgaben. Na ja, dann hab ich´s halt probiert, hab mich angepasst, bin mitgelaufen und wenn ich dann gemerkt hab, jetzt geht´s nicht mehr, bin ich ausgestiegen. Nein, so geht das nicht, du hast einmal ja gesagt, dann musst du auch dabei bleiben. Wieso muss ich eigentlich dann auch dabei bleiben, ich hab mich übernommen, es geht einfach nicht mehr. Und dann, ja dann bin ich immer öfter krank geworden, wenn mir´s zuviel wurde. Dann wurd´s irgendwie akzeptiert. Irgendwann hieß es dann, dass ich nicht belastbar sei, zu schwach und dann bin ich von vorne herein auch nicht mehr gefragt worden. Na ja und da hab ich mich eben auch beschissen gefühlt, einfach so ausgegrenzt, nicht mehr gemocht. Und schwach sein, also nicht belastbar, das war schon ein Makel für mich. Also hab ich mein ganzes Leben einfach viel ausgehalten, auch wenn´s mir zuviel wurde. Hab mir dann immer wieder die Meßlatte selbst höher gelegt. Na ja und wenn ich gefragt wurde, hab ich meistens ja gesagt, wollte ja dazugehören, gemocht werden und außerdem nein sagen ist für den Anderen ja so unangenehm. Ich will ja niemanden vor den Kopf stoßen. Manchmal hatte ich gehofft, daß die Anderen es ja merken, wenn´s mir zuviel wird und mich erst gar nicht mehr fragen und dann auch mal für mich da sind. Aber, wie gesagt, wenn ich krank war, ich meine natürlich so richtig krank, dann habe ich gesagt, ich kann jetzt nicht, mir geht´s nicht gut und dann haben sie mich in Ruhe gelassen. Aber wenn ich gesund bin, dann bin ich sehr verlässlich und jeder kann auf mich zählen, das wissen alle und deshalb trägt es mir auch niemand nach, wenn ich mal nicht kann, weil ich krank bin. Obwohl, manche, die es gut mit mir meinen sagen, ich soll mich nicht so hängen lassen und aktiv bleiben, das sei das Beste für mich um nicht immer an Krankheit zu denken. Ich hab mir schon recht viel Druck gemacht, wollte immer alles richtig machen und so. Dann hatte ich plötzlich diesen ungeheuren Druck in der Brust und immer einen roten Kopf. Also ging ich wieder zum Arzt. Mein Blutdruck sei zu hoch und dagegen gab´s wieder Pillen. Aber irgendwie blieb´s dabei, ich war fahrig, unruhig, fand nie so richtig Ruhe und am liebsten war ich alleine, weil ich mich irgendwie unter Menschen nicht wohl fühlte, so als wollten sie dauernd etwas von mir. Früher als Junge war ich sehr eigen, hab alles hinterfragt, nichts so stehen lassen, wie´s mir vorgetragen wurde. Ich war immer ein typischer Warummensch, na eben einer, der immer nach dem Warum, dem Sinn fragt und wenn ich´s geklärt hatte, dann war´s gut, dann konnt´ ich´s akzeptieren. Für manche Menschen war ich damit ein echtes Problem. Aber wer hat das schon gerne, wenn er sich erklären soll, bzw. das was er sagt. und sei es noch so unsinnig. Jetzt wo ich erwachsen bin tue ich das natürlich nicht mehr, auch wenn ich so vieles immer noch nicht verstehe, immer noch nicht akzeptiere. Wenn ich um Erklärungen bitte, etwas klären will, also klarstellen will, dann ist es eben nicht erwachsen. Erwachsene sind abgeklärt und cool und das bin ich selten und dann fühle ich mich auch manchmal so richtig unfertig und klein. Du bist einfach zu empfindlich, haben sie gesagt, sei ein Mann, nimm es nicht so schwer, und die, die mir das sagen, trauern um den Abstieg ihres Fußballclubs und brechen in Tränen aus, ganz so, wie es dem Ernst der Situation gebührt. So manches ging und geht mir unter die Haut. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie, also meine Haut, zu durchlässig ist. Na ja, dann bin ich eben eine empfindliche Haut. Irgendwann hat mich nichts mehr gejuckt. Das heißt, stimmt nicht so richtig. Ich ging wieder mal zum Arzt, wegen dieser roten Flecken auf der Haut, diesem Haut - Ausschlag. Die haben mich vielleicht gejuckt, so dass ich mir meine Haut ziemlich aufgekratzt hatte und ich war damals ziemlich aufgekratzt, soll heißen unruhig und nervös. Ich wurde dann ausgetestet, bzw. meine Haut von wegen allergischer Reaktion und so. Da gab´s schon so Einiges auf das ich empfindlich, meine natürlich allergisch reagierte. Empfindlich wollte ich nicht sein, aber allergisch, das kann eben schon mal passieren. Also, wie gesagt, bekam ich Anweisung welche Stoffe ich meiden sollte und bekam irgendwelche Salben und Tinkturen. Allerdings viel besser ist es damals nicht geworden. Manchmal sagen Menschen, ich sei eine ehrliche Haut und irgendwie stimmt da
s auch. Damals, als Junge habe ich mich dünn gemacht, hatte 20 Kilo Untergewicht, wollte wohl nicht mehr gesehen werden. Meine Mutter ging mit mir zum Arzt und da gab´s dann was zum Aufbauen. Später, als ich älter wurde, hab ich´s dann geschafft und hab mich dann so richtig breit gemacht, war einfach nicht mehr zu übersehen mit meinen 130 Kilo. Mir wird immer gleich so schwindlig, wenn ich meinen Kopf drehe. Irgendwie verliere ich dann die Orientierung und mir sitzt gleich die Angst im Nacken. Ja, Nackenschmerzen habe ich häufig, aber der Arzt sagt, er könne nichts finden. Ich solle meinen Kopf eben etwas vorsichtiger drehen, nicht so abrupt. Aber ich muss mich doch nach allen Seiten absichern, denke ich, obwohl, vielleicht hat er ja recht, mich ständig umsehen muss ja irgendwie schwindlig machen. Manchmal, wenn ich einen Baum im Wind schwanken sehe, werde ich unsicher, zweifle, ob es der Baum ist oder ich, der schwankt. und dann verliere ich meinen Halt, den Boden unter meinen Füssen. Ich weiß selbst nicht mehr so richtig, was für mich gut ist und was nicht. Andere scheinen es immer wieder zu wissen und prügeln dann mit ihren Rat - Schlägen auf mich ein. Ich meine es ja nur gut mit dir, sagen sie dann und ich bin mir nicht so sicher, mit wem sie´s gut meinen, mit mir oder mit sich selbst. Na vielleicht trösten sie sich mit diesen Rat - Schlägen nur selbst, ohne sie je beachtet zu haben. Vielleicht halten sie´s aber einfach nur nicht aus, wenn ich ihnen von mir erzähle, weil es sie berührt oder selbst betrifft. Meine Eltern haben es auch immer gut mit mir gemeint, selbstverständlich und haben mich vor so mancher unangenehmen Erfahrung bewahrt, Erfahrungen vor denen sie wahrscheinlich selbst mehr Angst hatten, als ich es haben konnte, damals. Ja, eigene Erfahrungen machen können ist das Schönste, was mir passieren kann. Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Leben zu wenige Fehler gemacht habe und die, die ich gemacht habe, bereue ich nicht. Ich bereue nur die Fehler, die ich nicht gemacht habe, denn damit habe ich mich selbst um Erfahrungen betrogen. Heute fällt es mir schwer, neue Erfahrungen zu wagen, habe einfach schiss davor, bekomme jedes mal Durchfall und irgendwie fühle ich mich auch so, beschissen. Warum? Ich habe Angst etwas falsch zu machen, bestraft zu werden und spüre auch, dass so viele wesentliche Erfahrungen für mich unwiederbringlich verloren, nicht mehr nachzuholen sind. Dieses Gefühl, etwas, nein, ganz viel in meinem Leben versäumt, einfach nicht selbst gelebt zu haben. Das Gefühl, immer wieder auf die Stimmen meiner Kindheit zu hören, Stimmen, die längst verklungen sind und doch scheinen sie all gegenwärtig. Ich höre sie, wenn ich mit Menschen spreche und fürchte mich vor diesen Menschen, ohne sie zu kennen. In mancher Frau begegnet mir meine Mutter und in manchen Mann mein Vater und dann höre ich sie reden, wie damals. Nicht selten reagiere ich dann wie damals, gekränkt, fühle mich angegriffen, nicht verstanden, abgelehnt. Ich versuche mich selbst zu sein, zu mir zu stehen, ja ich versuche es und manchmal gelingt es mir. Dennoch ist es schwer für mich, weil ich ja noch nicht einmal so richtig weiß wer ich bin, was ich will und dabei scheint mir die Zeit dafür, um das zu erfahren, zu kurz. Aber ich versuchs´s eben trotzdem. Na ja und dabei passiert´s dann wieder, Menschen schütteln den Kopf, sagen, der ist durchgeknallt, ist wohl auf dem Egotrip. Und jedes Mal hab ich Bauchweh, wenn ich etwas wage, Neues probiere, bin fast krank, habe das Gefühl mich für alles rechtfertigen zu müssen und das scheint kein Ende zu nehmen. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich nur die Wahl zwischen Pest und Cholera und dann denke ich, wenn ich´s sein lasse, bin ich tot, dann geht mir mein Leben verloren, dann nehme ich mir die Chance meines eigenen Lebensweges. Gruß Heinz - Leo
dirk
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Beitrag von dirk »

Hallo Heinz-Leo, hallo Nicole, ich kenne ähnliche "Unrast", die sich immer mehr steigert und zu Verwirrung führt. Man schafft dann fast nichts, weil man alles gleichzeitig tun will und nichts richtig tut, weil man, wenn man mit der einen Sache beginnt, an die anderen 5 Sachen denkt, die man jetzt gerade nicht schafft. Habt Ihr schon mal daran gedacht, ob nicht die Angst, die Ihr spürt, Ursache und nicht Folge dieser Unrast ist ? Bei mir ist es jedenfalls so, es ist die Angst Pleite zu gehen, die Angst zu versagen, letzlich auch die Angst erwachsen, selbständig und auch einsam zu werden usw. Für mich war die Tatsache, diese Ängste zu erkennen, zu benennen, und sich ihnen zu stellen (!), der Schritt zurück ins Leben. Es hat zwar die tieferen Probleme nicht gelöst, aber man wird so wieder therapier-, lern und lebensfähig ! Das entscheidende ist das Bewußtsein, das emotionale Erkennen der Zusammenhänge. Bloßes Reden hilft da nicht viel. Mir hatte ein Therapeut erklärt, ich hätte eine Angstneurose, böse Eltern etc. Er hatte zwar Recht, aber solange ich es nicht selbst erkannt hatte und vor allen Dingen die Ängste (die man ja gar nicht als solche wahrnimmt !) benennen konnte, hat es nichts genützt ! Gruß, Dirk
Heinz - Leo Laturell
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Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Lieber Dirk, es ist die berühmte Frage:Wer war zuerst, das Huhn oder das Ei? Manchmal scheint es mir so, als sei diese unklare Angst vor etwas was ich nicht benennen kann die Ursache für diese Rastlosigkeit, manchmal aber auch nicht. Ich habe eine grundsätzliche Lebensangst entwickelt, oder hatte ich sie schon immer? Ich weiß es nicht. Mit scheint es so, als habe "man" mir das in die Wiege gelegt, diese Unsicherheit, diese permanente Angst. Aber da gab es noch etwas. Angstfreie Zeiten, Zeiten in denen ich mich gut und sicher und selbstbewußt fühlte. Ich glaube eher, dass es der stete Tropfen war, der den Stein höhlte. Ich war und bin mein Leben lang sozusagen auf der Hut, mißstrauisch, vorsichtig. Es ist diese leichte Verletzlichkeit, diese Kränkbarkeit und die Angst davor, die mein Leben bestimmt. Ich gebe niemanden die Schuld für meine Entwicklung, obwohl das natürlich das leichtere wäre. Wenn ich mich habe verbiegen lassen, dann war es immer nur aus Angst. Angst nicht gemocht zu werdfen, Angst wie auch immer bestraft zu werden für meine Aufsässigkeit. Ja, ich war ein Aufsässiger Junge, habe gerade das, was die sogenannten Erwachsenen auch immer getan oder gesagt haben hinterfragt. Ich galt als frech und uneinsichtig, heute sagt man das nicht Anpassungsfähig. Was mir heute fehlt, ist manchmal der Mut des Abenteurers. Es gab Zeiten in meinem Leben, da hab ich mich mit meinen Vorgesetzten angelegt, gesagt was ich denke in dem guten Wissen, dass ich immer und überall wieder arbeiten kann. Ich hatte das notwendige Vertrauen in mich, es immer und überall zu schaffen. Manchmal bin ich mit dem Kopf durch die Wand, habe Chefärzte zu Besprechungen zitiert, nicht geladen und ihnen den Kram vor die Füsse geschmissen, wenn sie glaubten mir etwas auf´s Auge drücken zu müssen. Aber ich habe auch über meine Kräfte gelebt. Irgendwann, spürte ich, dass mich diese Kräfte verliesen, ich wurde zunehmend unsicherer, aängstlicher. Ich spürte, dass der Zeitpunkt meines Zusammenbruchs nahe war und verlor zunehmend das Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten. Dann begann die Zeit der ungesunden Kompromisse. Lieber einmal mehr ja sagen, als die Stelle zu verlieren. Ich fing an meine rebellische Art zu unerdrücken, ärgerte mich im Stillen über so vieles und drohte daran zu ersticken. So manchem bin ich über´s Maul gefahren mit der Konsequenz, das nichts mehr ging. Heute verschaffe ich mir gelegentlich Luft dadurch, dass ich in Leserbriefen Dampf ablasse, das was mir stinkt in Worte fasse. Ich mag mich mit vielem nicht abfinden und wenn ich etwas zu sagen habe tue ich das. Aber heute halte ich den Wind nicht mehr aus, der mir um die Ohren bläst. Ich stecke in dem Zwiespalt zwischen Mut und Angst. Aber ich wage auch manchmal nicht mehr mutig zu sein, weil ich der anderen Seite in mir damit ihren Raum nehme. Wie kann ein Mensch der derart mutig und klar seine Meinung formuliert auf der anderen Seite so depressiv sein? Es ist für mich ein Widerspruch in mir, den ich nicht begreife. Wo ist der Punkt,an dem ich ansetzé? Gruß Heinz - Leo
dirk
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Beitrag von dirk »

Hallo Heinz-Leo, Du schwankst offensichtlich zwischen den Extremen und findest nicht die Mitte. Das Schlimme bei Ängsten ist, daß wenn man ihnen ausweicht, diese immer schlimmer werden und anfangen Dein Leben komplett zu bestimmen. Vielleicht ist Dein "Mut" und Deine Aufsässigkeit ebenfalls ein Ausweichen vor einer Angst ?! Versuche die Angst zu finden, die Dich tgreibt, und zwar ganz konkret ! Ich glaube nicht, daß es eine generelle Lebensangst gibt, es stecken eine oder mehrere konkrete Ängste dahinter. Ich glaube, daß es außerordentlich wichtig ist, auch akzeptieren zu lernen. Ich habe meinen Ängsten viel Kraft dadurch genommen, daß ich die negativen Folgen, vor denen ich Angst habe, versuche, von vorneherein zu akzeptieren. Ich habe gelernt, daß ich meine Pläne verfolge, egal ob ich mich gut oder schlecht fühle. Früher habe ich immer gedacht: wenn ich mich gut fühle, dann .... Das ist völlig falsch ! Ich mache mein Leben nicht mehr davon abhängig, ob ich mich gut oder schlecht fühle. Und plötzlich konnte ich auch wieder Fruede und Spaß empflinden ! Nur so erreicht man wieder Autonomie, wenn Du jedoch auf die Angst hin ausweichst, wird Sie Dein Leben völlig beherrschen. Ich habe auch heute noch schlimme Tage, ja länger andauernde schlimme Phasen, aber ich durchlebe diese Phasen, weil ich weiß, daß nach dem Regen und dem Sturm auch wieder mal die Sonne scheint ! So habe ich meiner Depression die schlimmsten Zähne gezogen. Mein Problem ist heute, daß ich mich nicht überwinden kann, einen neuen Therapeuten zu suchen, da ich bisher immer sehr enttäuscht war. Dieses Problem schiebe ich jetzt schon bestimmt 1 Jahr vor mir her ! Viele Grüße, Dirk
dirk
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Beitrag von dirk »

Hallo Heinz-Leo, jetzt fällt mir doch noch etwas sehr wesentliches ein: Denke einmal, daß all die Dinge, die Dich so ärgern, die Du bei anderen nicht akzeptieren kannst, D e i n e Problematik berühren. Jemand, der z.B. mit Geiz kein Problem hat, der nimmt es zur Kenntnis, wenn er auf einen geizigen Menschen trifft, bemittleidet diesen vielleicht, er wird sich aber nicht über ihn ärgern. Wenn Du Deine Problematik erkennen willst, mußt Du nach innen schauen. Zu einem Schiksal gehören immer 2, diejenigen, die es einem zufügen, aber auch derjenige, der es erleidet. Deine Verantwortung besteht darin, wie Du damit umgehst. Du bist ein Teil des ganzen und wenn Du Deinen Fokus daraufhin veränderst, daß Du schaust, wie Du anderen etwas geben kannst oder für andere etwas positives bewirkst, wirst Du auch bei Dir selbst viel ändern ! Gruß, Dirk
Heinz - Leo Laturell
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Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Hallo Dirk, das eine ist das Wissen, das Andere das Verstehen. Die Zusammenhänge und Mechanismen sind mir deutlich. Mir fehlt es sozusagen an der Verknüpfung mit meiner Seele. Mein Verstand ist scharf, aber alles andre scheint verschwommen. Ich habe gelernt, bei meinem Ärger, bei meiner Ablehnung anderen gegenüber zuerst mal nach mir selbst zu schauen. Das habe ich quasi bis zum Exzess getrieben. Irgendwann hab ich´s dann geschafft, dass ich mich bei allem hinterfragte und mich selbst nur noch in Frage stellte. Ich musste erst einmal wieder lernen, mir nicht jeden Schuh anzuziehen und auch mal, ob´s nun gerechtfertigt ist oder nicht, mich über die Dummheit, den Geiz oder wer weiß noch was zu ärgern, ohne gleich wieder zu schauen, was hat das mit mir zu tun. Vielleicht ist meine Depression auf dem Boden dieser permanenten Selbstbetrachtung und Selbstdemontage gewachsen. Ich hatte irgendwann keinen Punkt mehr an dem ich mit mir selbst zufrieden sein konnte. Das ist die Kehrseite der Medaille. Gestatten wir uns auch einmal ärgerlich und wütend zu sein, neidisch und zänkisch, verlogen und intrigant. Ich habe nicht mehr den Anspruch perfekt zu sein, habe aber immer noch Angst vor dem unperfekten, auch was meinen Körper angeht. Das ich jetzt AD schlucke und wegen eines Bluthochdruckes auch noch einen Blutdruck Senker und ein Beruhigungsmittel ist für mich schon fast eine Kränkung. Nachdem ich doch die Zusammenhänge erkenne und eigentlich wissen sollte, wie ich mich zu verhalten habe, was ich tun kann um gesund zu bleiben, grenzt es fast schon an persönliches Versagen, dass ich jetzt Medi´s schlucke. Wenn ich hier im Forum schreibe, dann kann ich manchmal sehr viel vermitteln, Zusammenhänge aufzeigen, trösten und hilfreich sein. Aber mit dem was ich schreibe, zeige ich mir selbst auch die Zusammenhänge, tröste mich selbst ein bisschen und helfe mir auch selbst. Hilfe zur Selbsthilfe ist mein Motto und ich bin nicht mehr der hilflose Helfer. Über einen hilflosen Helfer! Ein Mensch erfährt so mit der Zeit, dass er als Helfer stets bereit. Er fühlt sich wohl, wenn man ihn ruft und jeder bei ihm Hilfe sucht. So gibt er manchen guten Rat und hilft auch sonst mit jeder Tat. Doch denkt er manchmal insgeheim, wird man mir auch mal dankbar sein? So hofft er dann auch lange Zeit, auf Zeichen dieser Dankbarkeit. Er wird gelobt, man fänd´ es toll, denn was er sagt sei wundervoll, er sei so stark und immer froh, mein Helfer mach doch weiter so. Auch er sucht Hilfe, er sucht Rat, ist das der Fluch der guten Tat? Er kann sich wenden, kann sich dreh´n, doch niemand scheint ihn zu versteh´n, hat nie gelernt, nach alter Sitte, er selbst zu sagen bitte, bitte! Gruß Heinz - Leo
nicole
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Beitrag von nicole »

Hallo Heinz-Leo! Ja, was soll ich zu deiner Geschichte sagen? Irgendwie ist das auch meine Geschichte und erzählt aus meinem Leben. Ich kenne das alles nur zu gut. Hast du noch mehr so Lebens-Geschichten? Deine Geschichte ist mir sehr nahe gegangen, denn sie ist so wahr. Aber das verstehen nur die, für die diese Geschichte auch wahr ist. Hallo Dirk! Du hast recht, dass es die Angst ist, die uns angst macht. Die Angst vor dem Versagen, der Isolation, dem Erwachsenwerden, dem Sterben, dem Krankwerden usw. hat mich krank gemacht. Ich wurde so erzogen. Meine Mutter ist dermaßen ängstlich, was sie auf mich übertragen hat. Sie hat mir als Kind immer Angst eingeredet. Komm bevor es dunkel ist nach Hause, sonst könnte dich ein böser Mann schnappen. Geh nie mit Fremden mit, nimm keine Süßigkeiten von anderen. Fahre nie Achterbahn, die sind nicht sicher. Gehe nie alleine weg, fahre nicht zu schnell mit dem Auto. Fahre nicht mit anderen im Auto mit. Rauche nicht, nimm keine Drogen. Mit Freunden in Urlaub zu gehen ist gefährlich. Usw. usw.. Aus all diesen kleinen Ängsten und Sorgen hat sich bei mir eine Panikstörung entwickelt. Auch der ständige Leistungsdruck meiner Eltern hat dazu beigetragen, dass ich nie zufrieden sein kann mit dem, was ich geleistet habe, sondern unzufrieden bin mir dem, was ich nicht geleistet habe. Tja, wie kommt man da wieder raus? Viele Grüße, Nicole
dirk
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Sinnkrise

Beitrag von dirk »

Hallo Nicole, zunächst ist es mit diesen Dingen wie mit einer Zwiebel, man muß einen Ring nach dem anderen entfernen. Der erste Ring ist, zu erkennen, daß es Angst ist. Der zweite besteht darin, daß Du Dich von diesen Ängsten nicht mehr leiten läßt, sondern selbst das Ruder übernimmst, d.h. daß Du das tust, was Du Dir vornimmst, egal, ob Du Angst davor hast oder nicht. Du mußt Dich Deinen Ängsten stellen und darfst nicht vor ihnen ausweichen. Hier ist die Psyche oft sehr trickreich, so daß Du auf der Hut sein mußt und Dich bzgl. Deines Verhaltens hinterfragen mußt. Wenn Du diest geschafft hast, ist die Angst damit noch nicht weg, aber Du hast gelernt damit umzugehen. Ich denke, daß in einigen Fällen auch einfach akzeptieren lernen wichtig ist, z.B. zu akzeptieren, daß Du diese Krankheit hast und damit leben mußt. Immer gegen an zu gehen ist auf Dauer tödlich. Erst wenn Du hier angekommen bist, kannst Du ggf. mit Hilfe eines Therapeuten Dich an die weiteren tieferen Schalen heranmachen, die wo die tieferen psychologischen Ursachen Deiner Probleme liegen. Eine ganz wichtige Erkenntnis war für mich, daß man als psycho gerne lamentiert, nach dem Motto "ich weiß, was mit mir los und wo meine Probleme liegen" oder "ich weiß, daß ich was tun müßte", aber man t u t es n i c h t !! Angst muß zum großen Teil "überwunden" werden und zwar dadurch, daß man die Dinge tut, vor denen man Angst hat oder eben geschehen läßt, wovor man Angst hat, denn das Schiksal läßt sich nur bedingt beeinflussen. Ganz sicher aber verliert man seine Angst nicht durch das Grübeln über das warum, wieso, weshalb. Viele Grüße, Dirk
maggy
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Sinnkrise

Beitrag von maggy »

Hallo Dirk, bei dem Wort "muß" krieg ich die Krise. Hattest Du schon mal Angststörungen, ich meine nicht "Unrast", sondern generalisierte Angststörungen? Ich habe meine Ängste nicht überwunden, ich habe sie angenommen, ganz ohne muß. Ich war in meinen Ängsten verwickelt und habe mich entwickelt. Alles Liebe von Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Heinz - Leo Laturell
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Beitrag von Heinz - Leo Laturell »

Hallo Dirk, was mich bei Deinen Beiträgen persönlich stört ist, dass ich immer das Gefühl habe belehrt zu werden. Ich finde es toll was Du so alles zu wissen glaubst und schon zur Lösung Deines Problems erreicht hast, wie Du analysierst und die entsprechenden Schlüsse daraus ziehst. Leider ist´s so und darüber kann ich selbst sozusagen ein Lied singen, es genügt nicht, einen scharfen Verstand zu haben und mit Logik an Angst und Depression heran zu gehen. Ich habe ganze Bände über Psychologie und Psychiatrie gelesen, habe mich mit mir und möglichen Zusammenhängen meiner Erkrankung auseinandergesetzt und am Ende gelernt, dass ich wohl mit mir, mit meiner Struktur leben werden müsse. Aber so richtig wirklich will das nicht funktionieren, weil´s einfacher ist es zu sagen, als zu leben. Uns alle hier geht es so, wir suchen nach Rezepten obwohl wir wissen, dass es keine gibt. Vielleicht sind wir ja auch gar nicht krank, sondern eben nur anders als die anderen. Vielleicht ist Depression und Angst etwas was zu unserem Leben gehört und es erhält nur durch unsere und eine medizinische Bewertung einen Krankheitswert, weil wir so gar nicht in das Bild des normal Seins passen. Wer will das letztendlich wissen. Was Du als lamentieren bezeichnest hat für mich etwas Abwertendes. Ich für meine Person habe in meinem Leben einfach zu wenig lamentiert, geklagt, habe einfach ertragen, was ich eigentlich nicht zu ertragen in der Lage war. Hier an dieser Stelle sei es uns gestattet zu klagen, oder wie Du es nennst zu lamentieren. In einem Punkt teile ich Deine Erfahrung. Ich habe gelrnt, dass die ständige Frage nach dem Warum und Wieso meiner Ängste und der verkrampften Ursachensuche mich nicht weiter gebracht hat. Ich würde gerne etwas von Deinen Ängsten erfahren, wie es anfing, wie Du sie erlebt hast und welchen mehr oder weniger erfolgreichen Weg Du eingeschlagen hast um damit zu leben. Vielleicht kann ich ja doch etwas von Dir lernen, ohne das ich es tun muss . Hast Du Dich stabilisiert oder hast immer wieder mal Rückfälle? Ja das würde mich interessieren! Gruß Heinz - Leo
maggy
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Beitrag von maggy »

Anders sein! Gestern abend war ich beim meditativen Kreistanzen. Wir waren 19 Frauen zwischen 25 und 68 Jahren. Meine Freundin, die den Kurs leitet, liest am Anfang oft einen Text vor. Diesmal war es ein Auszug aus einer Rede von Sitting Bull aus dem Jahre 18 Hundert irgendwas. Das Thema war: sich beeinflussen lassen. Der letzte Satz, sozusagen die Quintessenz lautete: "Niemand kann in etwas verwickelt werden, wenn er nicht zuhört." Alle lachten, nickten sich zu und wir begannen zu tanzen. Mich überkam ein seltsames Gefühl, ich konnte mich nicht konzemtrieren, ich wußte es hatte etwas mit dieser Quintessenz zu tun, aber ich wußte schon gar nicht mehr, wie sie genau gelautet hatte. In der Pause schaute ich mir den Satz nochmal an und dann wußte ich, dass er für mich nicht stimmte. Es gab Zeiten in denen ich nicht zuhörte, abschaltete und auf einmal fand ich mich in Sachen verwickelt, die ich gar nicht wollte. Seitdem ich genau zuhöre, werde ich nicht mehr in Sachen verwickelt, die ich nicht will. Ich empfand mal wieder anders als die Anderen, aber mir ging es, als es mir bewußt wurde, gut damit. Alles Liebe und einen Wunder-vollen Tag schickt Euch Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
dan
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Beitrag von dan »

Lieber Heinz Leo, Deine beitragen sprechen mich oft Mals an. "mit meiner Struktur leben werden müsse" das ist was ich will. Zum erstenmal seit Summer fühle mich diese Woche ausgeglichen. Ich kann nicht sagen das ich riesige Freude habe aber ich kann sagen ich bin erleichtert. Jetzt bin ich in der Lage einige Entscheidungen zu Treffen wie ich es weiter machen will mit Tabletten und Therapie. An Anfang habe ich total AD zu nehmen verweigert und jetzt habe ich Angst die Abzusetzen. Werde ich dann gleich runter gehen? Die andere Frage das ich habe ist mit den Therapie, bisher waren die Notsitzung. Offizial mache ich VT aber die Therapeutin ist auch ausgebildet in Analyse. Genügend Leichen in Keller habe ich aber ich weiß nicht ab das so Weise ist die aus zu holen. Macht das mir mehr fertig? Ich habe auch den gleichen Gedanken- "Vielleicht sind wir ja auch gar nicht krank, sondern eben nur anders als die anderen. Vielleicht ist Depression und Angst etwas was zu unserem Leben gehört und es erhält nur durch unsere und eine medizinische Bewertung einen Krankheitswert, weil wir so gar nicht in das Bild des normal "Seins" passen. Wer will das letztendlich wissen." Danke das du das so gut in Wörter beschrieben hast. Ich lerne jetzt "Lamentieren". Es ist krankhaft das nicht zu machen. Ich darf was sagen und muß nicht in einen Scheinheile Welt leben. Ich muß nicht alles drehen das es schön aussieht. Es gibt Pech in alle unseren Leben und wir dürfen das sagen. dan x
christabelle
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Beitrag von christabelle »

Hallo, Dirk! Wir haben noch nicht miteinander gesprochen, Angststörungen sind nicht mein Problem, ich bin "nur" depressiv - aber manche Dinge in der Herangehensweise sind doch ähnlich: ich war genau Deiner Ansicht - wußte alles über Depression (war bis dahin nur sekundär betroffen) - dachte, man muß halt auch mal machen, nicht nur reden oder drüber nachdenken, hindurchgehen, usw. usw. usw. - bis ich selbst getroffen war - plötzlich stand ICH da (der Macher und Problemlöser schlechthin, bis dahin hatte ich genau Deine Methode verfolgt, egal ob ich Ängste habe oder nicht, wenn es getan werden muß, tue ich es) - und ich KONNTE NICHT!!! Alle meine bewährten Methoden, mich zu etwas zu bringen, das ich nicht wollte oder wovor ich Angst hatte, halfen nicht mehr - schlimmer noch: plötzlich ging gar nichts mehr, es war überhaupt keine Entscheidung mehr möglich, NULL (mein 5-jähriger Sohn sagte , wir müßten mal waschen, der Wäschekorb wäre voll und er hätte nichts mehr zum Anziehen - und ich konnte nicht, nicht mal entscheiden, ob 30° oder 60°) - plus alle "üblichen" Symptome einer Depression, aber dieses hat mich so geschockt, weil ich nun genauso war wie die Leute, die ich bis dahin wg. ihrer "Schwäche" verachtet hatte ("geht nicht gibt's nicht!!!")- (das Schlimmste ist, daß ich offensichtlich nicht besonders lernfähig bin: ein Teil von mir verachtet mich wg. meiner Unfähigkeit, mich zusammenzureißen und weiter zu funktionieren) - jedenfalls würde ich gerne wissen, ob Du auch betroffen bist und wie Du Deine Krankheit erlebst, erzähl' mal etwas von Dir, von Deinen Gefühlen, wie sah Dein schlimmster Tag aus? Gruß Christabelle
dirk
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Beitrag von dirk »

Hallo Heinz-Leo, hallo Christabelle, ja, ich bin auch betroffen, ich habe schließlich von meinen eigenen Erfahrungen gesprochen. Heinz-Leo, wenn Du dies als "Belehrung" empfindest, ist das sehr schade. Ich weiß längst nicht alles über Depressionen und ich habe wahrscheinlich höchstens ein viertel der psychologischen Bücher gelesen, die Du wohl gelesen hast. Möglicherweise ist auch alles bei jedem ganz anders, möglicherweise gibt es aber auch Ähnlichkeiten. Ich hatte am Ostermontag 1999 einen starken Rückfall in eine Depression, wie ich sie 10 Jahre vorher schon mal hatte. Ich saß abends nach einem Familienfest vor dem Fernseher in meiner eigenen Wohnung und plötzlich stieg wie aus dem "Nichts" ein schwarzer Nebel aus mir hervor, es fiel wie ein dunkler Vorhang über mich. Von diesem Augenblick an war alles anders. Ich bekam Panik, da ich schon ahnte, was da mit mir geschah. Ich hatte Bauchschmerzen, mir erschien plötzlich alles farblos und mein Leben und alles,was dazu gehört, machte für mich keinen Sinn mehr. Alles, womit ich mich früher motivieren konnte und eine kleine "depressive" Stimmung verschwinden ließ, rief noch beschissenere Gefühle hervor. Ich drehte mich im Kreis. In den nächsten Tagen wurde es noch schlimmer. Dieses sonst vorhandene Gefühl einer gewissen Geborgenheit und Richtigkeit kehrte sich in Gefühle des Ausgestoßensein und abgeschnitten sein von der Welt, dem Leben und allen Menschen um. Auf anraten meines Stiefvaters ging ich zum Psychologen, um mir Medikamente verschreiben zu lassen. Dieser überredete mich, bei ihm eine Therapie zu machen, verschrieb mir Remergil 30 und Tavor, und empfahl mir seine beiden Bücher zu kaufen und zu lesen, welches ich auch tat. Nach etlichen schriftlichen Tests sagte er mir, daß ich ein "Angstneurose" und außerdem schlimme Eltern hätte. Er bat mir an, ihn jederzeit anzurufen, wenn es mir schlecht ging, wenn ich es tat, war er jedoch kurz und angebunden. Eine Therapie"stunde" dauerte max. 10 Min., wohlgemerkt bei voller Abrechnung, man ist ja privat versichert, meine Fragen und mögliche Diskussionen wurden mit dem Satz "Sie machen das, was der Doktor sagt" oder "das steht alles in meinem Buch" beantwortet. Als ich mit TM beginnen wollte hat er mir gesagt, daß er mit "Buddismus" nichts am Hut habe und die Therapie abbrechen würde, wenn ich dies tät. Ich habe die Therapie dann sehr enttäuscht abgebrochen. Christabelle, einen "schwärzesten Tag" gab es nicht, es waren Monate im Zustand völliger Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit und Hilflosigkeit. Ich konnte nächtelang nicht schlafen, da mich eine immense tiefe Angst kurz bevor ich einzuschlafen drohte überfiel, so daß ich hellwach und trotzdem todmüde war. Während der ganzen Zeit habe ich allerdings an einem festgehalten, ich bin, wenn auch zum Teil spät am Vormittag, ins Büro gegangen und habe meine Arbeit gemacht. Ich wußte genau, wenn ich damit aufhöre, ist Ende ! Meine Umgebung hat mich öfter gefragt, weshalb ich so blaß und leblos wäre. Ich habe in dieser Zeit viele Bücher gelesen und viel über mich nachgedacht und gegrübelt, hab mich aber nur im Kreis gedreht. Ich habe dann im Herbst eine Wochentherapie gemacht, wo ich viele wichtige Erfahrungen gesammelt habe, aber den Durchbruch hat es mir nicht gebracht. Den Durchbruch habe ich um Weihnachten herum gehabt indem mir als erstes b e w u ß t wurde, daß meine Hauptangst durch meine Selbständigkeit und das Ausziehen von zuhause, welches beides gegen April 97 geschah ausgelöst wurde. Ich verstand, daß die Welt nun halt auch anders aussah und daß die Kindheit nun beendet, also gestorben ist. Es muß etwas (hier die Kindheit) in Dir sterben, damit etwas neues (das erwachsene und selbständige Leben) entstehen kann. Deshalb auch die Angst vor dem Sterben, die in dieser Zeit besonders stark war, und die Gedanken, was denn wohl danach ist. Diese Angst hat auch verhindert, daß ich mich umbringe, was ich andernfalls wohl getan hätte. Ich merkte aber dadurch auch, daß es doch einen Menge Dinge gab, die mich am Leben festhalten ließen, obwohl ich sie nicht wahrnehmen konnte. Ich hatte schlimme Gedanken, die ich glücklicherweise wieder vergessen habe, weshalb ich sie nicht mehr wiedergeben kann. Ich begriff, daß diese Entwicklung halt auch notwendig und in gewissem Sinne auch normal ist. Ich begann zu akzeptieren, daß mein Leben weiterging und ich halt jetzt alleine lebe, trotzdem aber alles andere auch weiter da ist, meine Freunde, meine Eltern, mein Job, etc. Dann habe ich festgestellt, daß die beschissenen Gefühle, die mich immer wieder herutergerissen haben und die ich eingfach nicht fassen, nicht begreifen konnte, Angst sind, und zwar genau die oben geschilderte. Durch die Lektüre der Bücher "Wenn Angst krank macht" und "Wenn Angst das Leben lähmt" von Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen wußte ich, daß Angst sich ausweitet, wenn man ihr ausweicht und daß Angst "alles" besetzen kann. So erkannte ich, daß die Gefühle, die mich bei Gedanken an eigentlich positive Sachen immer herunterzog, die Angst vor der Angst ist. Dies ist der Deckel, der den Teufelskreis der Angst schließt. Das gemeine ist, daß man dies erst erkennen muß, um dort ausbrechen zu können. Weiterhin erkannte ich, daß hinter "dieser" "Angst vor der Angst" nicht mehr steht, als daß ich mich danach richten könnte und demnach nicht mehr leben könnte. Dadurch, daß ich mich nicht mehr danach gerichtet habe und wieder die Dinge tat, die mir früher Spaß machten, verschwand diese Angst und ich habe wieder Freude an diesen Dingen empfinden können. Deshalb habe ich gesagt, daß man sich nicht danach richten darf und das tun muß, was man sich vorgenommen hat. Der Psychologe hatte mit seiner Diagnose Recht, es hat aber nichts genützt, weil i c h die Angst erst konkret benennen mußte und weil i c h mir darüber b e w u ß t werden mußte. Ich habe auf diese Weise den Teufelskreis der Angst durchbrechen können. Es ist aber nur einer der oberen Ringe der Zwiebel, weshalb ich heute auch noch viele beschissene Tage kenne. Ich bin in der Tat begeistert über diese Erkenntnisse, weil ich nie geglaubt habe, daß es diesen Weg gibt, ich hatte das feste Denken, daß mein Leben nun unwiederbringlich zerstört wäre. Ich will meine Erfahrungen weitergeben, weil ich glaube, daß es auch anderen helfen kann, ihren Weg zu finden. Meine Herangehensweise ist gar nicht so sehr anders als Deine, Heinz-Leo, vielleicht bin ich nur etwas konsequenter im "sich selbst beobachten", daraus Schlüsse ziehen und danach zu handeln. Wenn Du Interesse an den Büchern hast, die m e i n e Sicht der Dinge stark verändert haben, dann empfehle ich Dir folgende: "Krankheit als Weg" von Thorwald Detlefsen und Rüdiger Dahlke und "Schiksal als Chance" von Thorwald Detlefsen Diese beiden Bücher sind "starker Tobak" und ich habe lange nicht alles verstanden, was da drin steht, aber das wenige, was ich verstanden habe, hat mir sehr geholfen. Falls Du jedoch mit Esoterik nichts am Hut hast, dann laß es lieber bleiben, diese Bücher zu lesen. Christabelle möchte ich sagen, daß es zwischen Wissen und Wissen einen großen Unterschied gibt, nämlich zwischen dem intellektuellen Wissen über
Depressionen, welches mir ja von euch vorgehalten wird, und dem Wissen des Erlebnisses, welches Du beschreibst. Du hast diesen Unterschied am eigenen Leib kennengelernt. Dieses Problem ist meiner Meinung nach auch das Problem vieler Psychologen. Ich merke anhand der neuen Kommentare, daß es doch recht schwierig ist, deutlich zu machen, was ich damit meine, das zu tun, was man sich vorgenommen hat. Ich meine damit nicht das Verdrängen von Gefühlen, welches ja gemeinhin als die Ursache vieler Depressionen beschrieben wird, sondern das B E W U ß T W E R D E N über das, was mich t r e i b t oder hemmt, damit ich mich nicht mehr treiben oder hemmen lasse, sondern selbst und autonom entscheiden kann. Ich nehme z.B. zur Kenntnis, daß ich oft traurig bin, diese Traurigkeit bekommt auch ihren Raum und ich beschäftige mich auch damit, warum ich oft traurig bin. Ich sage aber nicht eine Verabredung ab, weil ich traurig bin oder verschiebe einen Kinobesuch, weil ich traurig bin. Wenn ich Angst vor etwas habe, dann nehme ich dies erst zur Kenntnis, und tue das wovor ich Angst habe trotzdem, falls die Angst unberechtigt ist. Wenn die Angst jedoch berechtigt ist, zum Beispiel weil ich bei spiegelglatter Straße mit 180 über die Autobahn fahre, dann tue ich dies natürlich nicht. Ich hoffe, daß es jetzt etwas deutlicher ist, was ich gemeint habe, es geht darum, wieder Autonomie über das eigene Leben zu gewinnen. Abschließend möchte ich sagen, daß es viele Wege nach Rom gibt und ich Euch wünsche, daß ihr Euren findet. Meiner sollte lediglich eine Anregung sein, keine Belehrung. Ich wollte neue Denkanstöße geben, denn ich bin fest davon überzeugt, daß es für jeden einen Weg aus der Dunkelheit gibt. Und damit möchte ich Euch Mut machen, weiter nach Eurem Weg zu suchen. Viele Grüße, Dirk
maggy
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Beitrag von maggy »

Lieber Dirk, danke für die ausführliche Schilderung Deiner Lebenssituation. Jetzt kann ich verstehen warum Du so handeln willst. Ich hatte nur Schwierigkeiten mit dem "man" muß, weil ich einfach erlebt habe, dass es keine allgemeingültigen Patentrezepte gibt. Die Bücher von Detlefsen und Dahlke gaben auch mir den Anstoß mein Leben mal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Alles Liebe und einen angenehmen Tag von Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
nicole
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Beitrag von nicole »

Hallo zusammen! Ich leide unter einer Panikstörung, die viele psychosomatischen Beschwerden mit sich bringt. Anfangs ging es mir wie Christabelle. Ich hatte noch nie von Panikattacken gehört und alle meine bisherigen Verhaltensstrategien versagten plötzlich. Ich konnte rein gar nichts tun, deshalb war es für mich auch unumgänglich zuerst einmal mit dem Verstand an die Sache ranzugehen. Weil was hätte mir die Gefühlsseite gebracht, ich kannte diese Krankheit ja gar nicht. Lt. Arzt hatte ich eine vegetative Dystonie. Toller Begriff. Also habe ich viele Bücher gelesen, die mir erklärten was ich habe. Plötzlich waren die Panikattacken gar nicht mehr so schlimm, ich wusste jetzt ja was los ist. Mit den Büchern bin ich zum Arzt und sagte, dass ich das habe und was ich nun tun soll, weil ich mir nicht selbst helfen konnte. Erst die Vt hat mich gelehrt diese Krankheit anzunehmen und nicht gegen sie zu kämpfen. Heinz-Leo, ich finde schon, dass es Rezepte für die psychischen Krankheiten gibt, nur braucht jeder ein anderes. Ich habe in der Vt gelernt, welche Verhaltensweisen mir schaden und welche gut für mich sind. Ich habe gelernt meine Ängste zu ertragen, indem ich mich mit ihnen konfrontiere, so wie es Dirk gesagt hat. Heute, ein Dreivierteljahr später geht es mir wieder relativ gut. Der Weg bis hierher war nicht sehr einfach, aber ich habe an mir gearbeitet, habe mich in mich vertieft, ja ich habe mich da richtig reingehängt. Da hat Dirk schon recht, mann muss auch wirklich bereit sein etwas zu tun. Dabei tut man selten etwas direkt gegen seine Krankheit, sondern man tut etwas für sich. Mir fiel das unheimlich schwer, da ich selbst bei mir an letzter Stelle kam. Ich weiß nicht wie es bei einer Depression ist, aber es gibt Wege aus meiner Krankheit, genügend sogar. Oft sieht man diese Wege leider nicht, aber sie zu entdecken ist ein Abenteuer, das uns wachsen und reifen lässt. Ich denke nicht, dass man sich hier gegenseitig belehren will. Jeder erzählt von seinen Erfahrungen, so dass sich vielleicht ein paar damit identifizieren können oder Anregungen mitnehmen können. Es ist schwierig sich deutlich genug in geschriebenen Wörtern auszudrücken und nicht jeder ist wortgewandt. Ich sehe schon, mein Harmoniebedürfnis geht wieder mit mir durch! Viele liebe Grüße, Nicole
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Nicole, "man muss auch wirklich bereit sein etwas zu tun. Dabei tut man selten etwas direkt gegen seine Krankheit, sondern man tut etwas für sich." Diese Unterscheidung gefällt mir sehr. Mancher empfindet es als Hohn,daß er selbst etwas gegen die Krankheit tun soll,wenn es ihm so schlecht geht,aber "etwas für sich tun",darunter kann man sich eher etwas vorstellen. Und danke für dein Harmoniebedürfnis! Wir sind doch hier alle so leicht durch ein Wort zu verletzen und da ist es ganz gut,wenn immer jemand aufpaßt und versöhnt! Lieben Gruß Waltraut
christabelle
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Beitrag von christabelle »

Hallo, Dirk! Danke für die ausführliche Antwort, jetzt verstehe ich auch, wie Du's gemeint hast! Gruß Christabelle
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