Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

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ff
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Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von ff »

Hallo zusammen,

lange war ich nicht mehr hier, denn ich habe zwar nach wie vor noch keinen Job oder eine Arbeit, die mich von HartzIV endlich befreit, dennoch hatte ich Ziele und ging diese an. In der Hoffnung, dass was passiert.
Unentgeltich - für mich eine Probe und eine Beschäfitgung an sich, was gut ist, um das Gefühl zu haben, man kann noch was - arbeite ich momentan noch ein paar Wochen für eine große Sportveranstaltung für die Orga der Veranstaltung. Vielleicht bekomme ich ja auch eine kleine Aufmerksamkeit.
Seit Wochen ging es deswegen recht gut, weil ich wieder drin war. Habe auch Seminare zwischenzeitlich besucht, die nicht viel Geld kostetem oder die mir mein Freund bezahlt hat, obwohl er auch momentan nur einen Mini-Job hat. Aber ich schöpfte wieder Hoffnung.
Am Wochenende hatten wir Klassentreffen in meiner Heimatstadt. Das erste Mal war ich dabei, da ich doch über vierhundert Kilometer fahren musste. Aber ich wurde mitgenommen und konnte bei Freunden übernachten.
Ich wusste, was kommt: Mein Haus, mein Auto, meine Yacht etc.
Ich sage ja immer noch, ich bin Freiberufler (von HartzIV will ich nicht reden weil mich diese Tatsache schon fertig macht.) Tja,ziemlich viele sind inzwischen arriviert, haben eine gute Karriere gemacht und, und , und.
Noch was: Ich konnte meinem alten Wagen die Strecke sowieso nicht zumuten, auch wenn es näher gewesen wäre, hätte ich mich wohl weiter weg vom Veranstaltungsort versteckt.
Auf dem Parkplatz vor dem Lokal waren dann auch wie erwartet einige Luxusautos zu sehen.
Ich weiß, mit einem klaren Kopf würde ich so was nicht viel beimessen.
Aber ich fühlte mich immer ein bisschen wie ein Looser. Habe hin und herstudiert, zwar auch zu Ende, wusste nie, was ich machen sollte und, und, und.
Ich habe früher die Leute als furchtbar langweilig empfunden, die sofort wussten, was sie machten. So geradlinig kann doch kein Leben sein. Aber die aber haben es nun geschafft. Sind Richter, Professoren, Chefarzt geworden und ich fühle mich so blöd, minderwertig und hocke noch nach über 15 Jahren Examen immer noch in meiner Studentenbude, die klein und preiswert ist.
Ich habe auch eine Künstlerseele in mir (sagte mir auch meine Ärztin seinerzeit in der Klinik) und Künstler haben sowieso nie viel Geld oder einen hohen Status, okay es gibt Ausnahmen, die man sich dann zum Vorbild nimmt.
Nur ich will nicht mehr "Student" sein, ich will auch weiterkommen. Seit über vier Jahren schlage ich mich mit Tabletten und Depris herum.
Als ich in den alten Schulort zurückkam, wurden automatisch Erinnerurngen wach. Es war ein sehr sentimentales, melancholisches Gefühl. Vieles kam hoch. Da merkte ich, ich war schon immer so wie heute und vor vier Jahren brach dann wohl die Depression endlich aus. Vielleicht ist es das, womit ich zu leben habe. Ich weiß, dass viele meinen Kampf mit der Depression "bewundern", dass ich manche Situation, in die manche noch nicht waren oder auch nie hineinkommen, gut "gekämpft" überstehe.
Ich war ein sehr ängstliches Kind, wohlbehütet doch sollte ich mich immer nach oben orientieren, immer besser als die anderen sein, mich immer mit gutbürgerlichen Leuten umgeben. Reiten, Tennis, Golf waren schon damals Statussymbole, die gerade meine Mutter mir anlegte. Ich sollte Karriere machen, etwas sein. Klar in unserem Umfeld, Nachbarschaft sind alles Ärzte, Architekten, Akademiker oder Firmenchefs gewesen. Meine Mutter sagte immer: Der oder die hat es geschafft! Ein Schlag in meine Magengrube, der sich nie traute -aus Angst zu versagen, sich dem Gespött freizugeben, der Looser zu sein.
Gestern surfte ich durchs Netz und schaute mir die Infos an, von meinen ehemaligen Klassenkamerad/innen. Chefarzt, Firmenchefs usw. Auch Leute sind dabei, die einfach frech sich dem Leben gestellt haben und ich fühle mich so klein, minderwertig und denke, ich träume mir nur was vor.
Das sind echt Momente, in denen ich sterben will. Das Leben schaffe ich dann nicht mehr.
Ich mache mich immer kleiner und kleiner. Ich weiß, dass liegt in unserer Familie. Meine Schwester kann nicht loben, nur tadeln, meine Mutter sieht Gespenster, wo keine sind.
Ich bin neidisch, aber in einer zerstörerischen Form. Wenn große Leute scheitern, beruhigt mich das. Vielleicht typisch deutsch.
Wieso bin ich immer noch auf dem Weg und versuche jetzt etwas aufzuholen, was ich verpasst habe oder versäumt? Ich will kein Looser mehr sein.
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von Chiron »

Hallo ff,

Deine Gefühle und Gedanken kann ich gut nachvollziehen.

Aber was ist Dir persönlich wichtig im Leben?
Was wünscht Du Dir für Dich selbst, unabhängig von irgendwelchen Statussymbolen?

Machen Geld und Karriere wirklich glücklich?
Ich denke, nein.
Glücklich ist der, der zufrieden mit sich und seiner Situation ist.
Es ist schwierig in der heutigen Situation einen Job zu finden. Trotzdem hast Du die Möglichkeit etwas anderes zu tun.
Z.Bsp.: 1-€-Job oder Ähnliches.
Lerne Deine Tätigkeiten wertzuschätzen, dann werden es auch andere tun.

Du bist künstlerisch begabt. Dann lebe diese Begabung aus, schöpfe Kraft daraus.
Du wirst Erfolg haben, sobald Du Deine Arbeit selbst für wichtig hältst.

Versuche Dich unabhängig vom Urteil Deiner Mutter und Schwester zu machen.
Du bist wertvoll, weil Du da bist, einfach als Mensch ohne wenn und aber.

Alles Liebe und Gute,

Chiron

(die noch nie so arm und "perspektivlos" wie gerade war und trotzdem glücklich mit den positiven Begebenheiten, die ihr im täglichen Leben geschenkt werden)
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
moonlight
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Re: Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von moonlight »

Menschen, die die Karriereleiter empor geklettert sind, ein gut gefülltes Bankkonto haben, haben zum einen auch ihre Probleme und zum anderen sind sie dadurch noch längst keine besseren Menschen.

Ich finde es toll, dass du noch Ziele hast. Finde es toll, dass du nicht aufgibst und grad auch diese unentgeltliche Arbeit leistest.

Kann es sein, dass du vielleicht unbewusst versuchst dich von deiner Mutter abzunabeln, in dem du genau so bist bzw. handelst, wie sie es scheinbar nicht will?

Und dann kommt noch hinzu, dass du gut behütet warst. Das führt häufig dazu, dass man sich nichts zutraut, weil halt auch mancherlei Erfahrung fehlt und das Wissen, was man sich wirklich zutrauen kann.

Liebe Grüße
Moonlight
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
ff
Beiträge: 80
Registriert: 25. Aug 2003, 22:44

Re: Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von ff »

Hallo zusammen,

danke für die Antworten.Ich denke, da ist was Wahres dran. Vielleicht bin ich auch nie richtig ich gewesen. Nur eine Illusion oder eine Rolle, die ich gespielt habe.
Ich kann mich momentan schwer durchsetzen, mir fehlen die Worte und die Taktik.
In Gedanken oder mit jemandem darüber reden, das ist easy. Aber wenn die Situation kommt, dann bin ich schwach. Das merkt man dann auch an meiner Stimme.
Sobald ich Erfolgserlebnisse habe, bin ich wie ausgewechselt.
Ich glaube, ich mache mir manchmal vieles vor, vielleicht träume ich ja auch. Aber das ist für mich positiv, das lenkt ab und ich will mich auch beweisen. Doch in Konfliktsitautionen habe ich weiche Knie, Druck auf dem Magen und einen Klos im Hals.
Bin eher ein Fluchttier, das davonläuft und sich versteckt. Doch in unserer Welt muss du ein Raubtier sein.
Und infolge des Klassentreffens habe ich nun auch gemerkt. Es war schon immer so in meinem Leben. Ein paar mal ausgebrochen und versucht sich zu wehren. Doch mit hoher Nervosität.
Ich weiß momentan nicht, was und wo meine Qualitäten und Qualifikationen sind.
Im Kopf, in meinen Vorstellungen ist alles okay und verständlich. Die Umsetzung, die Praxis sieht anders aus. Da versage ich schnell und oft. Das macht mich kleiner und kleiner.
Und das Kleinsein kann ich nicht akzeptieren und will es auch nicht. Ich will stark sein und selbstbewusst.
Aber vielen Dank für Eure netten Worte.

Liebe Grüße
ff
024341788
Beiträge: 1
Registriert: 18. Sep 2007, 13:53

Re: Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von 024341788 »

Hallo ff,

das ganze was du schreibst,kann ich gut nachvollziehen. Als ich deinen Kommentar gelesen habe, dacht ich, das hätte ich auch schreiben können. Die Erwartungen der Eltern immer einer der Besten zu sein, Karriere zu machen, etwas zu schaffen. Erfolgreicher Job, Familie, Geld und alles was zu Glücklichsein dazugehört. Komischerweise hatte ich all das einmal und erfüllte so alle an mich gestellten Erwartungen, aber dann wurde der Job zuviel. Burnout, einfach ko, kaum Freizeit, keine Freunde. Dann die Kündigung vor nun 4 Jahren. Seither ging die Ehe kaputt, sehe meine 3 Kinder kaum noch, bin oftmals depressiv, kein echter Job, Suizidgedanken mal mehr mal weniger und die Scheidung, die in den kommenden Wochen bevorsteht. Manchmal rappel ich mich auf und dann kommt diese depri wieder und schlägt zu. Scheinbar liegt das in der Familie. Mein Vater hatte das als er so alt war wie ich und jetzt hat er es auch wieder. Eine Zeit lang habe ich Medikamente genommen, aber irgendwann wieder abgesetzt. Überlege ob ein stationäre Behandlung vielleicht besser wäre.
Ach übrigens steht bei mir auch ein Klassentreffen an. Aber das könnte ich gar nicht ertragen dahinzugehen und zu sehen, wie toll es alle geschafft haben und was soll man dann als "Looser" bzw. "Selbsständiger" sagen. Ich bin froh, keinen Kontakt dahinzu haben und ziehe mich lieber zurück.
Na ja, das ganze was ich schreibe, hilft dir wohl leider nicht - bis vielleicht auf die Tatsache, dass du nicht der einzige bist, den es trifft (ein schwacher Trost).

Wünsche dir dennoch Besserung und Verständnis
Frauschlotterbeck
Beiträge: 267
Registriert: 17. Dez 2004, 19:29

Re: Minderwertig, perspektivenlos, Täuschung oder Realität?

Beitrag von Frauschlotterbeck »

Hallo ff, das mit Minderwertig kenne ich auch sehr gut.

Habe Arbeit (noch) Wohnung und kann mich eigentlich gut selbst versorgen.
Dann bin ich in einer Klinik,wegen Postraumatischer Belastungsstörung und Depressionen und bekomme zu hören, ich hätte sehr viele negative Verhaltensmuster und wäre sehr aggressiv,weil ich stolz darauf bin einiges in meinem Leben gut gemeistert zu haben.Das würde Neid in anderen wecken, die es nicht so gut hinbekommen haben.
Mein Selbstwertgefühl war noch nie sehr ausgeprägt.aber durch solche Aussagen, werde ich mich noch mehr von Anderen zurück ziehen.
Ist dann Freude auch kein angemessenes Verhalten? oder denke ich nur wieder negativ.

Grüsse von einer sehr verwirrten und ihrer eigenen Wahrnehmung nicht mehr trauenden

Juliane
Es geht aufwärts hat die Maus gesagt.............



als sie von der Katze die Treppe raufgetragen wurde
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