er könnte ja, wenn er nur wollte...

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Calzino
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Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Calzino »

hallo zusammen,

das ist der spruch meiner schulzeit. damit hat man mich mit 13 jahren aus dem gymnasium geschmissen.

heute - 35 jahre später - bin ich wieder genauso weit.

ich kann nicht. ich kriege es nicht hin. einfachste sachen. ich tue nichts. ich kann nicht. ich hätte die zeit, das ist nicht das problem, aber ich mache es nicht. ich surfe, ich lese, ich fühle mich unwohl, ich habe ein schlechtes gewissen. es schadet mir. ich verliere umsatz, das finanzamt droht mit vollstreckung. kunden sind sauer. ich bestelle ware zu spät. ich mache versprechungen von denn ich weiß, dass ich sie nicht halten kann. aber ich tue nichts!

ich weiss, was ich tun müsste, aber genau das tue ich nicht. ich mache wider besseren wissens nichts.
ich kann diese blockade richtig körperlich spüren, aber je mehr ich dagegen anrenne, desto unüberwindlicher wird sie.

es kotzt mich einfach nur an. warum ist da so schwer? im meinem kopf ist das kein problem mehr, aber praktisch (oder besser gefühlt) bin ich immer noch 13. leider bin ich schon 48 und meine existenz hängt nicht unerheblich davon ab.

ich brauche keine organisatorischen ratschläge. die habe ich alle schon gehört.

ich wollte mich nur einmal auskotzen....


lg

calzino
Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Sunshine77 »

Eine Frage die mir beim lesen spontan einfiel:

Liegt dir denn deine derzeitige Arbeit überhaupt oder ist sie insgesamt eher pflicht um ein Einkommen zu haben? Berufliche Neuorientierung mit 48 wäre bestimmt nicht leicht, aber gäbe es denn etwas was du beruflich vielleicht lieber machen würdest und auch könntest?
Bleib dir selbst stets treu

Clown
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Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Clown »

Moin Jens,

es klingt nach übler Klemme und Angst, was du schreibst.

Damals hatte niemand Verständnis oder Interesse, nachzuschauen, was für den 13-jährigen nicht stimmte an der Schule oder in seinem Zuhause. Er sollte funktionieren und fertig.

Wer schaut heute danach, was du brauchst? Eine Partnerin vielleicht, deine Thera, wenn du wieder Termin hast bei ihr und - zu jeder Zeit, du selbst.

Was brauchst du in dieser Situation, die du geschildert hast? Entlastung? Unterstützung? Halt? Wie könnte das konkret aussehen?

Jetzt erzähl ich dir noch kurz, warum bei mir etwas angeklungen hat, als ich gerade dein Posting las: Ich stelle zur Zeit fest, dass ich wegen meines Umzugs (850 km weit ) auch zunehmend Empfindungen der Enge, des Drucks, des Nichtatmenkönnens habe. Wie du schon an meiner Beschreibung siehst, sind mir meine Bedürfnisse ganz gut bewusst und ich weiß schon, was ich für mich tun kann, damit es mir besser geht.

Das wünsche ich dir auch!
Lieben Gruß,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Denker
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Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Denker »

Hallo calzino,
kann dich gut verstehen, habe oft ähnliche Blockaden. Vielleicht ist das hier für dich interessant:
http://www.bychan.de/procrastination/

Ach ja, einen Spruch aus meiner Schulzeit kann ich auch noch beisteuern:

"Man kann aus einem lahmen Traktor eben keinen flotten Sportwagen machen"

Gruß
Denker
rm
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Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von rm »

Hallo Jens,

>ich weiss, was ich tun müsste, aber genau das tue ich nicht. ich mache wider besseren wissens nichts.<

Kenne ich zur Genüge, aber wer sagt Dir, daß das, was Du meinst tun zu müssen, wirklich das richtige für Dich ist? (siehe ff von Tini):

>Liegt dir denn deine derzeitige Arbeit überhaupt oder ist sie insgesamt eher pflicht um ein Einkommen zu haben? Berufliche Neuorientierung mit 48 wäre bestimmt nicht leicht, aber gäbe es denn etwas was du beruflich vielleicht lieber machen würdest und auch könntest?<

Und was würde dabei TROTZDEM
Dein 'wirtschaftliches 'Überleben' sichern? Wie könnten Deine existentiellen Grundbedürfnisse materieller Art in Zukunft aussehen bzw. was wäre denn wirklich wichtig für Dich?

>Was brauchst du in dieser Situation, die du geschildert hast? Entlastung? Unterstützung? Halt? Wie könnte das konkret aussehen?<

Wenn ICH die Frage von Clown beantworten sollte (was ich nicht wirklich kann, da ich Dich zu wenig kenne) würde ich antworten: vorerst ein wenig Halt und Unterstützung und wenn es nur für ein kleines Stück des Weges wäre

Lieber Jens, ich wünsche Dir, daß Du in Deiner Situation nicht allein gelassen bist, auch wenn das in Deinen Augen jetzt - da es von mir kommt - komisch klingen mag.

Komm gut über den Tag! LG, Reinhart

Tini
Clown
tupac

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von tupac »

Hallo Calzino,

ich wollte dich nur kurz an etwas erinnern.

Du hast mir die Geschichte erzählt, wie du mit dem Rauchen aufgehört hast. Und die fasziniert mich immer noch, vielleicht, weil ich selbst gerade wieder meilenweit davon entfernt bin.

Du hast damals etwas umgesetzt, an dem du zuvor schon so oft gescheitert warst, daß du es fast als unabänderlich akzeptiert hattest. Doch in dem Moment, als du die Angst, diesen Schritt zu tun, als deine eigene Angst angenommen hattest, fiel es dir leicht, zumindest viel leichter als erwartet.

Du konntest, weil du nur wolltest...

Liebe Grüße
Bahia
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Calzino »

hallo ihr,

danke für eure antworten

@reinhart: ich freue mich sehr über deine antwort. und nochmehr über deine aufmunterten worte. und @tini oh nein, es hat (leider) nichts damit zu tun, was ich gerade tue. es ist meine neuorientierung mit 46 die ich da gerade mache. also ich habe einen kleinen laden für bogensportartikel (und das als leidenschaftlicher bogenschütze). nun gibt´s da einiges, was ich nicht als reine lust empfinde, aber das meine ich hier nicht.
und die existentiellen grundbedürfnisse materieller art trifft es auch nicht. es ist mehr eine leistungsverweigerung der prinzipiellen art.

@ denker: danke für deinen link. aber den kenne ich schon länger. da finde ich mich durchaus wieder, aber ich sehe die procrastination und die depression mittlerweile als eine einheit. die phasen der verweigerung habe ich immer nur in meinen depressiven episoden (@ bea). aber trotzdem stehen da immer wieder interessante sachen.

@ clown was brauche ich in dieser situation? ich wollte mich wirklich nur auskotzen gestern. aber schon das schreiben ordnet meine gedanken. das allein tut mir schon gut. ich kenne niemanden, mit ich solche sachen besprechen könnte. und deshalb gibt es auch niemanden der nach mir schaut außer ich und meine thera. aber soo.. schlimm finde ich das garnicht. ich kann mich gut mit mir selbst beschäftigen in den letzten wochen.

mein problem ist das ....lassen. ich renne dagegen an. das funktioniert nicht. alles wird immer schlimmer.

wahrnehmen - zulassen - annehmen - loslassen ( otterchen)

das ...lassen, das nicht wollen... der kontrollverlust... das fällt mir so schwer...

diese leistungsverweigerung, das ist wirklich uralt. das sitzt sehr tief. ich habe selten so viel angst gehabt in meinem leben wie jetzt wo ich davor stehe.

montag bin ich bei meiner thera. ab september habe ich wöchentliche termine.

ach leute, manchmal zweifle ich einfach. da denke ich ich habe keine kraft mehr. aber das stimmt nicht. trotz aller tränen, zweifel und unsicherheit: heute geht es mir besser. ich bewege mich!

danke für eure hilfe

liebe grüsse

jens
KristinaB
Beiträge: 113
Registriert: 25. Dez 2006, 11:00

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von KristinaB »

Hallo Jens,

heute ist draußen schlechtes Wetter. Das ist ideal um sich warm anzuziehen und sich eine heiße Tasse Tee oder Kaffee zu machen.

Und dann loslegen ...

So versuche ich es zumindest immer wieder.

Hast Du eigentlich auch viel Kundenkontakt?

Ist das Geschäft mit Pfeil und Bogen eigentlich wetterabhängig?

Schreibe mal, wike es Dir heute ergangen ist.

Viele Grüße

Kristina
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Calzino »

hallo bahia,

dein posting habe ich erst gelesen, nachdem ich meines schon losgeschickt hatte.

ich finde es schön, dass du dich erinnerst, aber ich denke, du hast mich nicht ganz richtig verstanden.
es soll leute geben, die das rauchen allein mit ihrem willen aufgehört haben. immer wenn ich das gewollt habe, bin ich kläglich gescheitert. das unbedingte wollen ist der falsche weg!

erst als ich verinnerlichen konnte, dass die entzugserscheinungen, die das nicht-rauchen so unerträglich machen, nicht etwa vom fehlendem nikotin kommen, sondern einzig und allein meine -ziemlich irrealen- eigenen ängste sind.

wie ich diese ängste als die meinen annehmen konnte, da war es auf einmal kein problem mehr nicht mehr zu rauchen. das ganze hat nichts mit nikotin zu tun. es gibt keine entzugserscheinungen, es gibt nur ängste, die du dir selber machst.

natürlich wollte ich nicht mehr rauchen, aber der prozess des aufhörens hatte mit "wollen" nichts zu tun.
das war (man kann es echt nicht oft genug schreiben!)

wahrnehmen - zulassen - annehmen - loslassen


"er könnte ja, wenn er nur wollte" ist eine ganz böse falle, in die ich immer und immer wieder reintapse.

soviel zum thema rauchen.

liebe grüße

jens
melocotón
Beiträge: 76
Registriert: 11. Mai 2007, 21:37

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von melocotón »

das habe ich auch immer gehört.
und dass ich ja eigendlich so stark und inteligent bin.

man kann aber nur so viel wie man macht. und dass ist eben so. man macht was man kann.

und manchmal kann man einfach nicht mehr. meine therapeutin sagt zu meinem schulversagen dass ich seelisch zu belastet währe. und das gehört nun mal auch dazu.

nicht nur die körperliche und geistige fittness, auch die seelische ist ausschlaggebend.
Calzino schrieb:
> hallo zusammen,
>
> das ist der spruch meiner schulzeit. damit hat man mich mit 13 jahren aus dem gymnasium geschmissen.
>
> heute - 35 jahre später - bin ich wieder genauso weit.
>
> ich kann nicht. ich kriege es nicht hin. einfachste sachen. ich tue nichts. ich kann nicht. ich hätte die zeit, das ist nicht das problem, aber ich mache es nicht. ich surfe, ich lese, ich fühle mich unwohl, ich habe ein schlechtes gewissen. es schadet mir. ich verliere umsatz, das finanzamt droht mit vollstreckung. kunden sind sauer. ich bestelle ware zu spät. ich mache versprechungen von denn ich weiß, dass ich sie nicht halten kann. aber ich tue nichts!
>
> ich weiss, was ich tun müsste, aber genau das tue ich nicht. ich mache wider besseren wissens nichts.
> ich kann diese blockade richtig körperlich spüren, aber je mehr ich dagegen anrenne, desto unüberwindlicher wird sie.
>
> es kotzt mich einfach nur an. warum ist da so schwer? im meinem kopf ist das kein problem mehr, aber praktisch (oder besser gefühlt) bin ich immer noch 13. leider bin ich schon 48 und meine existenz hängt nicht unerheblich davon ab.
>
> ich brauche keine organisatorischen ratschläge. die habe ich alle schon gehört.
>
> ich wollte mich nur einmal auskotzen....
>
>
> lg
>
> calzino
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ich bin das nur gewesen, um das zu werden was ich sein kann

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„Le je n’est pas le moi.“
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: er könnte ja, wenn er nur wollte...

Beitrag von Calzino »

hallo zusammen,

es geht mir schon wieder etwas besser. diese abwärtspirale habe ich jetzt verlassen. ich funktioniere wieder so halbwegs.

ich finde es erschreckend wie ich immer wieder in die selbe falle renne. wiederholzwang? es ist wirklich so wie vor vielen, vielen jahren. ich fühle mich heute noch genauso allein und unverstanden wie damals. nur die rolle meiner eltern und lehrer die habe längst selbst übernommen. 40 jahre verdrängte gefühle kommen langsam wieder hoch. das ist zuviel auf einmal. und ich schimpfe mit mir wie meine eltern.
meine thera sagte zu mir: ihr inneres kind kommt immer wieder. das geht nicht wieder weg. und jedesmal wird es mehr toben, bis sie es endlich mal wahrnehmen. mein kleiner jens macht es wie damals: er blockiert trotzig und total.

auslöser war diesmal wohl eine meiner "leichen" im keller. sorgfältig unterdrückt, kaum noch im bewustsein vorhanden, suchen sie sich immer wieder ihren weg. ich habe da in zeiten in denen ich noch viel geld verdiente ein wohnung gekauft. leider ist eine schrottimmobilie. statt altersvorsorge ist das heute mein größtes risiko für altersarmut. ich habe immer brav zinsen und tilgung bezahlt und auf eine verbraucherfreundliches urteil der gerichte gewartet. leider fand das nie statt. nun lief die zinsbindung aus und es gab post von der bank. das neue angebot liegt etwa 4%punkte über den marktüblichen zinsen mit begründung, die immobilie sei nicht werthaltig. ich müsste mich dringend darum kümmern, aber ich es nicht bisher nicht getan. ich habe jetzt einen termin mit einem befreundeten rechtsanwalt. mögliche optionen klären: klage, vergleich, persönliche insolvenz, ins ausland absetzen.. das ist ja nun eher eine reale angst. aber auch von reales ängsten sollte ich mich befreien. ich sollte mal aufräumen, da gibt's bestimmt noch mehr.


@ kristina
klar habe ich kundenkontakte. ich habe einen ladengeschäft und ich bin allein. damit komme ich sehr gut klar.
das geschäft läuft nicht schlecht und ich hätte viele ideen es noch besser zu machen, aber das kriege ich überhaupt nicht gebacken im moment. es weniger wetterabhängig als man vielleicht glauben würde.
es habe heute einiges geschafft, nicht mit begeisterung, eher pflichterfüllung.

lg

calzino
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