Das wehren gegen besserung

waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Hallo Rachel, als Leidensgenossin speziell beim Autofahren drücke ich dir morgen ganz doll die Daumen! Gruß Waltraut
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Hallo ihr lieben Unmotivierten, ich wehre mich gegen den Begriff des "inneren Schweinehundes"! Ich glaube,das ist mit schuld daran,daß wir uns oft so schwer motivieren. Wie soll denn jemand,der sowieso nicht gut drauf und eher labil ist,so einen Kampf aufnehmen? Wenn ich jedesmal wenn ich einen Spaziergang machen will,erst diesen Schweinehund besiegen muß,da laß ich es doch lieber gleich. Meint ihr nicht auch,daß die Redewendung kontraproduktiv ist?? Ich merke jedenfalls,daß ich noch am ehesten in der Lage bin,etwas zu machen,wenn ich überhaupt nicht drüber nachdenke. Wenn ich einfach Schuhe und Jacke anziehe,den Schlüssel nehme und losgehe,ohne meinen Mann erst mal zu fragen,ob er mitgeht.Denn wenn er zögert,kann ich das sofort als Ausrede benutzen.Ohne zu überlegen,wohin ich gehe,vielleicht nur einmal um den Block,vielleicht krieg ich Lust auf mehr. Und wie Maggy sagt,keine großen Pläne machen,und nicht über morgen nachdenken. Manches geht natürlich nur geplant,aber da darf ich mich halt nicht überfordern. Eins schaff ich vielleicht. Und wenn nicht, dann ein andermal. Es ist schon so,daß wir uns gern unter Druck setzen. Wenn ich heute Lust gehabt habe,ein Bild zu malen,gibt es absolut keinen Grund,das morgen schon wieder von mir zu verlangen! Maggy,vielen Dank,du hast ein bißchen Druck von mir genommen! Oder wie Sara sagt "ich laß mich einfach in Ruhe" Fröhlichen Gruß Waltraut
dan
Beiträge: 100
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von dan »

Howdy, Seit einige Tage lese ich mit Interesse diesen Thread. Diesen Thema beschäftigt mich sehr. Weil ich auch mehrere organische Krankheite habe, finde ich mir immer in der Versuchung die Krankheiten als Entschuldigung zu benutzen. Statt einfach zu sagen, Ich will nicht, sage ich es geht mir nicht so gut. Danach ärgere ich mich das ich nicht den Mut hätte ehrlich zu sein. Ich entwickle auch eine komische Beziehung zu den Meds. Eine seit hasse ich die weil die beweisen meine Schwachheit aber auf die andere Seite sind die der Beweis das ich Kranksein darf. Ich frage mich oft ab ich wirklich Gesund sein will. Ich habe Angst das ich nicht stark genug bin Gesund zu sein. Habt ihr auch so Gedanken? übrigens bin ich auch eine die zuviel denkt. (mindestens meint meinen Mann das) Nach eine Stabile Woche geht es bei mir Richtung Runter. Ich freue mich wann ich wieder ins Bett darf. Morgen kann anders sein. dan
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Hallo Dan, lies mal den thread "Wehren gegen Besserung". Da geht es genau um dieses Thema,die Depression als Schutz vor dem selbstbewußten Leben. Lieben Gruß Waltraut
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Jaisst »

Hi Thomas, ohne Gefühle fühle ich mich doch besser kann sogar einiges genießen, wenn auch nur im Kopf. Deine Antwort hat mich aus der Fassung gebracht bin Gefühlvolles oder Verständnis nicht gewöhnt. Hätte vielleicht doch lieber alles ruhen lassen sollen, diesen Schnee von Gestern nicht ausgraben müssen hier. Ich habe 5 beste Freunde, 3 weiblich und zwei männlich. Zweien habe ich mal aus meiner Kindheit etwas zu erzählen begonnen, woraufhin sie anfingen zu heulen; ich selbst fand das (Erzählte) gar nicht so schlimm, war eher noch was Harmloses, verstand gar nicht, weshalb sie heulten. Na egal, sie sind sehr sensibel, habe natürlich nichts mehr über mich erzählt. Wir kennen uns seit 10-15 Jahren sie stehen auch jederzeit bereit für alle praktischen Notfälle und schöne Unternehmungen. Wollte eigentlich was anderes schreiben Therapie betreffend; nun wühlt in mir der längst vergangene Schnee, jetzt kommt der ganze Mist hoch. Das Schlimmste war: Mein Freund (als ich 16 war) lag ohne Bewusstsein im Krankenhaus; seine Mutter war eine Kollegin meiner Mutter, ich war dadurch informiert über seinen Gesundheitszustand, durfte aber nicht ins Krankenhaus zu Besuch, nur seine Eltern. Inzwischen waren 6 Wochen vergangen zwischen Hoffen und Bangen. Dann liefen mir seine Eltern über den Weg ganz schwarz gekleidet mein Herz blieb stehen. So erfuhr ich, dass mein Freund schon seit 3 Wochen beerdigt war; er war nach einer Woche gestorben. Meine Mutter hatte es mir nicht gesagt. Die Welt war aus den Angeln gehoben. In meinen Träumen irre ich auf dem Friedhof rum, es ist immer nachts, und ich kann sein Grab nicht finden. - Damals hatte ich keine Kraft, es zu suchen. Ja, ich weiß nicht, ob Therapie jetzt noch irgendetwas bringen würde, bin eigentlich ganz froh, dass meine Gefühle weg sind; ist zwar auch nicht das Wahre mal sehen. Danke, dass Du oder andere hier im Forum das anhörst/-hört, vielleicht hilft das ja schon mit der Zeit, wieder zu mir zu finden, will aber auch nicht meinen ganzen Müll hier zumuten. Danke für Deine Hilfe und viele Grüße von Jaisst
Thomas

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Thomas »

Hi Jaisst, irgendwem wirst du den "ganzen Müll" wohl mal zumuten müssen, er wird dir ja schon ein ganzes Leben lang zugemutet, warum nicht hier, wo es doch durchaus zum Thema passt. Aber ich nehme einen Einwand von dir sehr ernst, das musst du selbst entscheiden, was es mit dir macht: Wenn du den Deckel gerade fest drauf hast (wie immer man darüber denken mag, ob dir das gut tut) und du hebst ihn jetzt an, kannst du sehr schnell in eine akute Krise rutschen. Da wäre es vielleicht wirklich gut, du hättest jemanden an der Hand. Ob ich dir das wirklich wünschen soll, dass der Deckel fest draufbleibt- ich glaube kaum. Der Druck von innen ist groß, du hast ja sehr belastende Dinge erlebt und früher oder später holt dich die Vergangenheit ein- so glaube ich. Abgesehen davon ist doch deine Lebensqualität sehr reduziert- du lebst ja in einem "erlaubten Korridor" von Wahrnehmung und Gefühl, um das Schlimme ausblenden zu können, das dich dadurch fest im Griff hat und dein Leben regiert. Die Reaktion deiner Freunde beweist es: Du hast das Empfinden für deine eigenen Verletzungen verloren, hast eine innerliche Distanz dazu aufgebaut, um überhaupt damit leben zu können. Ich habe das auch mal so gemacht, erst mal ohne es zu wissen- ich glaubte wirklich, der ganze Mist sei "normal", so sei das halt und erst übers Kranksein kam ich heran an die Gefühle, die damit verknüpft sind. Diese schreckliche Geschichte von deinem verstorbenen Freund, den du nicht verabschieden und betrauern durftest, zeigt vor allem, dass deine Mutter in dieser Situation keinerlei Gefühl für dich hatte- ob das die absolute Ausnahme war, wirst du selbst am besten wissen. Wenn du dich auf den Weg machen würdest und eine Therapie wagst, kann es sich nur lohnen für dich. Du hast im Moment vielleicht zu sehr im Focus, irgendwie über die Runden zu kommen- verständlich. Aber wie gesagt- auch dein Leben soll doch gelingen, wie kann es das mit ein solcher Hypothek? Nur Mut- leicht ist das alles nicht, auch nicht mit Therapie, aber Nichtfühlen ist keine Alternative. Herzlicher Gruß von Thomas
rachel
Beiträge: 284
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von rachel »

Hallo Waltraut! Vielen Dank für das "Daumen drücken".:-) Hab die Fahrt gut überstanden, die Angst war weniger, und kam mir auch kürzer vor. Das ganze nochmal in vier Wochen. Wenn ich mich mal bei Dir revangieren kann, melde Dich. Gruss Rachel
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Super,Rachel!
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Jaisst »

Hallo Thomas, vielen Dank für Deine Antwort - werde gleich zu heulen anfangen - seit 20 Jahren (passiert mir nur im Zusammenhang mit Kindern und Tieren). Muss erst mal weiterarbeiten - schreibe später was dazu. Danke und herzliche Grüße auch von Jaisst
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Jaisst »

Hallo Thomas, danke wieder für Dein Verständnis und die Analyse meine Freunde betreffend, die Distanz zu meinen Verletzungen/Gefühlen kann ich jetzt erkennen, ja das leuchtet mir ein. Was meinst Du damit, dass Du erst übers Kranksein an Deine Gefühle kamst? Heißt das, Du bist auf Grund physischer Krankheiten (weil du evtl. alles "geschluckt" hast) zum Psychiater/Therapeuten überwiesen worden? Sozusagen psychosomatisch? Ich bin so gut wie nie krank - "schlucke" nichts und habe mich trotz Menschenscheu immer gewehrt, hatte deshalb mit 14 Jahren eine 4 in Betragen, weil ich meinen "Senf" zu jeder Art von Ungerechtigkeit (vom Lehrer ausgehend) geben musste und daraufhin als "aufsässig" galt. Inzwischen leide ich nicht mehr an Kontaktmangel, bin aber auch kein "Vereinsmeier" - hasse laute sinnlose Partys. Jedenfalls werde ich mal nicht an "Herzdrücken" sterben; früher war ich zu direkt, da fühlten sich manche vor den Kopf gestoßen, daraufhin bin ich "humaner" geworden *g*. Thomas, eigentlich wollte ich nur lesen in diesem Forum, Du hast mich aber gefragt, was ich für Erfahrungen mit dieser Krankheit gemacht habe und nun bin ich "in die Falle getappt" - das konnte nur mit dem "bedrohlichen" Rat enden, e n d l i c h eine Therapie zu machen; das geht aber nicht von einem Tag zum anderen, da muss ich erst noch eine Weile draufrumdenken. Momentan habe ich keine Depressionen, eher bin ich "durch" und habe mich in meinen jetzigen Zustand gerettet - wie immer der sich auch nennen mag - als "Folge" von Depressionen. Mir ist klar, dass das keine Lösung für immer ist. - Seit ungefähr 4 Wochen schreibe ich nachts, also habe Block und Stift neben meinem Bett (eigentlich Matratze, find ich gemütlicher), da ich sowieso keine Nacht durchschlafe. Morgens lese ich das dann bzw. habe nur die ersten drei Seiten vor 4 Wochen gelesen, seitdem schmeiße ich das alles ungelesen in eine Kiste, wollte das erst wegwerfen, aber vielleicht kann es ja wirklich mal interessant werden, falls ich evtl. doch mal irgendwann an St Nimmerleins-Tag bei einem Therapeuten lande. Ach noch was zu meiner Mutter: Sie war zeit Lebens Hypochonder, da das ja auch eine eigene Krankheit ist, konnte ich sie vor 4 Monaten überzeugen, zum Psychiater zu gehen, der hat sie zu einem Psychologen überwiesen, wo sie insgesamt 3x war; er hatte ihr scheinbar ins Gesicht gesagt, sie wäre ein ausgeprägter "Ich-Mensch"; das hat sie mir ganz erbost erzählt und meinte voller Inbrunst: "Dort geh ich nie wieder hin!". Viele Grüße Dich und alle von Jaisst
inka
Beiträge: 285
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von inka »

das wehren gegen besserung---anscheinend instinktiv aus dem unterbewußtsein--- kaum geht es mir einen einzigen tag besser, d.h. kein zusammenbruch, keine kotzerei, keine panikattacke, keine weinkrämpfe, nur ein bißchen kopfschmerzen und nicht wie sonst jeden tag höllische schmerzen, --nur ein einziger tag verschnaufpause-- kommen die anforderungen des lebens mit wucht--und ich breche unter der last--- keine ahnung wie das weitergehen soll--ob überhaupt--
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von maggy »

Liebe Inka, welche Anforderungen des Lebens kommen denn mit Wucht und lassen Dich unter ihrer Last zusammenbrechen? Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Thomas

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Thomas »

Hallo Jaisst, wie muss man sich das vorstellen- du schreibst nachts und weißt es morgens nicht mehr, wenn du es nicht durchliest? Das heb man alles gut auf, nichts wegwerfen! Hast du eigentlich Angst vor Therapie? Hört sich für mich so an, warum? Ich nehme schon an, weil du den alten Mist gerne unter Verschluss halten willst, oder? Für jemanden, dem es gut geht, findet sich kaum ein Argument, eine Therapie zu machen (wobei es dir ja nicht wirklich gut geht, du kommst zurecht). Wenn man dem sagen würde, anschließend sei er mehr er selber, versteht er das wohl kaum. Aber darum geht es schließlich doch und der Leidensdruck ist nur der Anlass, sich darauf einzulassen. So meinte ich das mit der Aussage, ich sei übers Kranksein wieder an meine Gefühle gekommen. Ohne die Notwendigkeit einer Therapie hätte ich noch lange so vor mich hinleben können und wäre mit ziemlicher Sicherheit ein Opfer der Mittelmäßigkeit und der Langeweile geworden. Der Teil, der verloren war von mir, der lebendige, war verschüttet und wäre verschüttet geblieben mitsamt allen Gefühlen, die damit zusammenhängen. Und mir geht es heute noch so, erklär mich ruhig für bescheuert, dass ich nach einer längeren Phase ohne Krankheit anfange, mich nach der Depr. zu sehnen weil ich immer noch nur so Kontakt bekomme zu gewissen Teilen meiner Persönlichkeit und zwar zu sehr wichtigen. Kreativität gehört dazu z.B. Andernfalls fühle ich mich schnell seicht und leer. Vielleicht bin ich da eine Ausnahme und natürlich würde ich sehr gerne auch ohne Depr. diesen Kontakt haben- aber momentan muss ich immer mal wieder hinein um mir "Anregungen" für meine weiter Entwicklung zu holen. Ich spüre diese Funktion, die Depr. für mich hat und die mich vorantreibt, sehr deutlich und sie ist nicht nur die verhasste Last, die mir das Leben versaut- das ist sie auch, aber nicht nur. Wie es sich wohl anfühlt, man selbst zu sein? Ist das vielleicht nur eine schicke, nichtssagende psychologische Redewendung? Obwohl ich sicher noch weit von diesem Ziel entfernt bin, verdichtet sich doch langsam für mich, worum es dabei geht: Es ist nicht ein bestimmtes Gefühl sondern eine völlig neue Qualität, mit Worten nicht zu beschreiben. Es ist das, worum unser Leben schon immer kreist, von Anfang an und ohne die riesigen Umwege, die uns das Leben aufzwingt, könnten wir nicht dahin kommen. Wenn du dich also irgendwann reif fühlst und stark genug, dich auf diese Suche zu machen, wer du wohl geworden wärst mit einer glücklicheren Vergangenheit, dann zögere nicht länger. Ich grüße dich herzlich! Thomas
Jaisst
Beiträge: 349
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Jaisst »

Hi Thomas, danke für deine Antwort und dein Interesse, ich schreibe dir morgen oder übermorgen etwas dazu, sitze momentan hier und lese mehr oder weniger - muss mein Auge seit gestern kühlen, deshalb kann ich nicht viel schreiben - bis bald herzlichen Gruß von Jaisst
Sansibar
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Sansibar »

Hallo miteinander! Ihr schreibt einander hier hin und her, ich weiss gar nicht recht, ob da auch noch neue Gedanken dazu passen (?)... Das ursrpüngliche Thema war anscheinend mal "Therapie, das Wehren gegen Besserung." Ich hätte da auch ein paar Gedanken dazu. Ich habe viel gelesen in diesem Forum, viele Schicksale haben mich betroffen gemacht, es hat mich sehr berührt zu sehen, wie liebevoll ihr hier miteinander umgeht und wie vielen Menschen es ähnlich geht wie mir. Es scheint mir, dass Depression oft eine Reaktion, eine Aggression ist, die man gegen sich selber richtet, weil man die Schuld für viele Dinge unbewusst bei sich selber sucht. Die Ursache dafür liegt anscheinend wirklich oft in der Kindheit, die viele von uns als kalt und mit wenig Geborgenheit erleben mussten. Daraus dann auch die Konsequenz "Ich kann mich nicht lieben und somit auch keinen anderen..." - viele Beziehungen scheitern, weil wir bei unserem Partner ein Stückchen Mutterschoss suchen, ein Stückchen von dem, was wir so lange vermisst haben als Kinder... Auch mir geht es so. Meine Eltern haben sich sich getrennt, als ich acht war. Meine Mutter hat selber unter latenten Depressionen gelitten und hat uns Kindern kaum Wärme vermitteln können. Mein Bruder hat sich besser gerettet aus dem Ganzen. Bei mir haben sich Esstörungen und Depressionen entwickelt, die ich seit vielen Jahren auch behandeln lasse. - Mit mehr oder weniger Erfolg. Es ging mir drei Jahre lang gut, doch dann habe ich mich von meinem Partner getrennt und eine weitere Depression folgte. Es blieb nicht bei der Trauer um die beendete Beziehung, sondern der ganze alte Kram von verpasster Kindheit und so kam wieder hoch. Mir ist heute klar geworden, dass in meinem Innern ein Mechanismus ist, der in bestimmten Krisensituationen ausgelöst wird. Ich gebe mich selber auf und wünsche mir wieder eine Mutter, die für mich sorgt. Es sind so schmerzhafte Gefühle, weil ich ja genau weiss, dass diese Zeit vorbei ist - und doch, in meinem Innern kann etwas diese Kindheit nicht loslassen. Ich habe oft das Gefühl, dass etwas in meinem Innern sich gegen Besserung wehrt. Es wehrt sich gegen Veränderung im Leben, gegen das Annehmen und Durchleben von Trauer. Ich habe das Gefühl, dass ich ständig vor mir selber flüchte. Auch ich habe das Gefühl, dass ich nicht lieben kann... - vielleicht, weil ich mir selber irgendwo im Weg stehe. Ich kann alle sehr gut verstehen, die das an sich schon erlebt haben. So oft habe ich das Gefühl, dass der Weg aus all dem raus nur eine Armlänge zu weit von mir wegliegt. Es gibt so viele Menschen, die viel viel Schlimmeres erlebt haben und die es dennoch schaffen... - meiner Meinung nach, weil sie mit sich selbst zutiefst verbunden sind, sich so akzeptieren, wie sie sind, sich selber liebhaben... Liebe Grüsse an alle....
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Liebe Sansibar, wahrscheinlich hast du recht mit dem Gefühl,daß der Weg aus dem Schlamassel nur eine Armlänge von dir entfernt ist. Es ist offenbar dieser ganz entscheidende Schritt,loszulassen,sich auf die - notwendige! - Veränderung einzulassen,ja ganz einfach erwachsen zu werden,ohne den man immer wieder stehenbleibt. Du bist wahrscheinlich schon ganz nah dran,es braucht noch ein Stück Mut! Ich empfinde das genauso wie du,diese Sehnsucht nach jemandem,der die Verantwortung für einen übernimmt,wenn es einem nicht gut genug geht,selbst zu leben. Aber wir sind erwachsen,kein Wunsch der Welt kann das wieder zurückdrehen... Und wir können es schaffen,uns dem zu stellen! Erzähl doch noch mehr von dir,wenn du magst. Lieben Gruß Waltraut
chris37
Beiträge: 174
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von chris37 »

liebe sansibar, oh, wie gut ich das verstehe. vielleicht hat waltraut recht, und der weg daraus ist nur eine armlänge fort. ich weiss es nicht. wenn es dir nichts ausmacht, dann würde es mich interessieren, wie oder weshalb eure beziehung auseinandergegangen ist seinerzeit. darin kann viel antwort liegen. aber natürlich nur, wenn du es erzählen möchtest. der mangel an zuwendung kann wohl nur ganz schlecht ausgeglichen werden, und auch nur dann, wenn man dazu bereit ist. sagen will ich, dass es dir vielleicht auch ganz schwer fällt, zuneigung anzunehmen, dauerhaft. daher dein gefühl des nicht-lieben-können. ich spreche ein wenig aus eigener erfahrung. ich habe mich allmählich von dem gedanken verabschiedet, dass anderen menschen viel schlimmeres passiert ist und sie dennoch besser mit sich auskommen als ich, der ja eigentlich gar nichts wirklich schlimmes passiert ist. der grosse, grosse unterschied ist aber, ob ein mensch es lernen konnte, zu sich selbst kontakt aufzunehmen sprich auch sich selbst zu mögen. wenn das ausbleibt, können die äusseren umstände noch so gut sein, die leere bleibt. das wehren gegen besserung ist für mich die angst vor mehr verantwortung für mich. ich würde gern jemanden neben mich haben, der ständig da ist und mich ein bisschen bemuttert. der witz ist, versucht dies jemand, laufe ich wieder weg. man könnte es ja verlieren......zum x-tenmal. schmerzhaft ist es tatsächlich, sich dieser mechanismen bewusst zu sein, was sie anrichten, und es dennoch nicht ändern zu können. du bist nicht allein, das ist so ziemlich das einzige, was ich defintiv weiss. ein lieber gruss chris
Sansibar
Beiträge: 3
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von Sansibar »

hallo waltraut, hallo chris, vielen dank für eure reaktionen... ja, diese beziehung. ich kann schon noch ein paar dinge dazu sagen... es stimmt, ich habe grosse mühe gehabt, seine zuneigung anzunehmen; ich hatte mühe, loszulassen. auf eine weise fand ich es so schön, dass mich mein partner so bedingungslos geliebt und akzeptiert hat, so, wie ich bin (auch mit meinen problemen). er hat ein ganzes jahr auf mich gewartet, bis ich zur beziehung endlich 'ja' sagen konnte, weil ich solche angst vor verletzungen hatte. die 1 1/2 jahre, die wir zusammen waren, hat er mich nie enttäuscht. wir hatten nie streit, weil wir beide angst hatten, eine harmonie zu zerstören. ich habe mich in sachen bedürfnisse sehr zurückgenommen, weil ich mühe hatte anzunehmen, wenn sie erfüllt wurden - und sei es nur ein film, den ich unbedingt sehen wollte. mit der zeit jedoch entstand eine immer grössere kluft zwischen uns, es haben sich meinerseits immer grössere frustrationen aufgebaut, weil ich das gefühl hatte, meine bedürfnisse kämen zu kurz. das schlimmste aber war, dass ich so oft immer über mich und über unsere beziehung reden wollte (sozusagen, um sie kontrollieren zu können). ich hatte das gefühl, dass wir uns nicht wirklich mehr etwas zu sagen hatten. durch die jahrelangen therapien habe ich mich mit mir so intensiv auseinandergesetzt, dass ich mich oft schon viel älter (als 25) fühlte und mein freund (27) erschien mir so jung und unreif. ich hatte das gefühl, dass ich viel investierte in die beziehung an gefühlen und an gut-wetter-stimmung, mein freund war sehr ruhig als person und war darauf eher angewiesen. sobald ich nicht so gut drauf war, bestand da eine riesige kluft zwischen uns. ich fühlte mich einsam in seiner gegenwart, konnte ihn aber auch nicht an mich ranlassen. in mir innen war irgendwie so eine wut und gleichzeitig ein grosser wunsch nach zuneigung. obwohl mich mein freund nie enttäuscht oder verletzt hat, habe ich mich nie wirklich fallenlassen können, ich konnte der sache irgendwie nicht trauen, hatte tief in mir innen das gefühl, dass an einer solchen liebe doch ein haken sein müsse - so wie eine art vertrag mit fussnoten. letztendlich war es das, was mich so unglücklich gemacht hat, dass ich den moment so selten geniessen konnte und mir ständig immer mehr wünschte.... danke, dass ihr da seid, es tut gut zu wissen, dass einen jemand versteht...
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Liebe Chris, da hast du was ganz Entscheidendes formuliert - wir suchen nach jemand,der uns an der Hand nimmt,und wenn es jemand tun will,laufen wir ganz schnell weg,weil wir uns nicht trauen,ihm zu vertrauen! Also müssen wir uns trauen,auch auf die Gefahr hin,wieder verletzt zu werden. Ja,aber den Mut haben... Ich bin dabei,es zu versuchen. An alle hier, Etwas anderes,was hier auch zum Thema paßt: angeregt durch das,was Inka heute in einem neuen thread ansprach,hab ich mir mal einiges ins Gedächtnis gerufen und möchte euch fragen,ob ihr das ähnlich erlebt? Kurze Zeit nach einem guten Arzt-oder Therapietermin sacke ich erstmal ziemlich ab. Am Morgen nach einem besonders schönen Abend geht es mir fast immer schlecht,fühle ich mich traurig und deprimiert. Wenn ich vom Urlaub heimkommend in unsere Straße einbiege,bin ich plötzlich ganz leer. Nach einem guten Telefongespräch fühle ich mich wie ein ausgedrückter nasser Schwamm. Wenn ich heftig gelacht habe,schießt plötzlich Traurigkeit in mich. Wenn ich mich über ein Geschenk freue,kommen zwei Minuten später schon Zweifel,ob es mir wirklich gefällt. Wenn ich jemand sage,daß es mir gut geht,falle ich garantiert anschließend in den Keller. Wenn ich beim Spielen verliere,kann ich sehr wütend werden,aber wenn ich gewinne,hab ich ein schlechtes Gewissen! Ich weiß nicht,ob das alles auf einer Linie liegt,aber für mich hängt es damit zusammen,daß ich nicht gelernt habe,ein positives Gefühl zuzulassen! Kennt das jemand? Einen schönen Tag! Waltraut
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von maggy »

Liebe Waltraut, danke, dass Du ein für mich so grundlegendes Thema ansprichst. Die von Dir genannten Beispiele könnte ich durch eine endlose Kette weiter ergänzen. Ich habe in meiner Kindheit immer den Satz gehört: du kannst machen was du willst, es wird sowieso nichts; da führt kein Weg hin. Ja, und so war es dann auch mein Leben lang. Selbst wenn ich etwas, das ich mir vorgenommen hatte schaffte (was mich kurzfristig glücklich machte), schlich sich durch mein Unterbewußtsein dieses Gefühl wieder ein: da führt kein Weg hin und ich war gefrustet, wütend, traurig und deprimiert. Später nützte es mir auch nichts, diese wunderbar positv-denkenden Bücher zu verschlingen, mit Sätzen wie z.B.: Es gibt immer einen Weg. Obwohl mir das vom Kopf her klar war, veränderte sich mein Grundgefühl nicht, im Gegenteil, mein Unterbewußtsein schien mich teilweise zu verhöhnen, wenn es mir wieder bewiesen hatte, was ich tatsächlich glaubte. Über lange Jahre hatte ich mir ja auch einreden lassen, dass ich das alles ändern kann, aber der Weg dahin ist steinig und es dauert sehr lange. 1998 änderte sich diese Vorstellung in mir, und zwar ohne dass ich es angestrebt hatte, innerhalb von 2 Monaten hatte ich auf spielerische Art und Weise, ohne dass ich es bemerkt hatte, mein Unterbewußtsein umprogrammiert. Die Methode ist (wie ich ja auch) ver-rückt, aber bei mir hat sie funktioniert. Wenn Du wissen willst, wie mir das gelungen ist (und vielleicht gilt es nur für mich) schreibe ich es gerne hier rein. Aber Achtung: es ist sehr einfach (gut, ein bisschen zeitaufwändig) und wie gesagt ver-rückt. Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
christabelle
Beiträge: 554
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von christabelle »

Hallo, Maggy! Ich will's wissen (ich hab' mich schon länger gefragt, wie Du die Kurve gekriegt haben magst) - je ver-rückter, desto besser! Danke und Gruß Christabelle
christabelle
Beiträge: 554
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von christabelle »

...und da ich schon mal hier bin - - mein Vater traut sich nicht zum Radiologen (der könnte ja was finde, der letzte Termin war nur für die Schilddrüse (die wird bei Depressiven doch als allererstes abegecheckt?!) - ich habe mit meinem Vater über meine Mutter gesprochen, woher seiner Meinung nach ihre Depressionen kamen, wann es begann, ob er sich auch schuldig fühlt... und jetzt ist noch viel schlimmer als vorher: mein Vater sagt, meine Mutter wäre schon in Behandlung gewesen, bevor sie sich überhaupt kennenlernten - und alles in ihrem Leben hat dazu beigetragen, die Erziehung, die Familienverhältnisse, der (aufgezwungene) Beruf - was sogar mir nahelegt, daß ich (nicht allein) schuld bin - und nun??? Nun ist da zum einen die Leere in mir, wo vorher die SCHULD saß - und zum anderen war das Leben meiner Mutter dann ja schon von Geburt an versaut, sie hatte nie eine Wahl, alle wichtigen Entscheidungen (s.o.) waren vorgegeben, ich finde keinen Punkt, wo ich sagen kann, hätte sie das anders gemacht, wäre ihr Leben noch lebenswert geworden - sie war einfach nicht zu retten, von Anfang an nicht, nicht von mir, nicht von meinem Vater, nicht einmal von sich selbst - ist das nicht SCHRECKLICH??? (Und da stelle ich noch nicht einmal die Frage, ob das nur für dieses eine verpfuschte Leben gilt oder vielleicht noch für andere - mein Vater sagt, er hat sich damit abgefunden, so ist das Leben halt - aber ich kann mich nicht abfinden - und mit so einem Leben kann ich auch nicht leben -). Danke fürs Zuhören, ein bißchen wirr, so wie ich mich halt fühle - und es steht unter "Wehren gg. Besserung", weil ich mich doch ohne Schuld besser fühlen müßte? Lieben Gruß Euch allen! Christabelle
waltraut
Beiträge: 926
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von waltraut »

Liebe Maggy, einen Versuch ist es mir jedenfalls wert!!! Danke im voraus, lieben Gruß Waltraut
anganima
Beiträge: 207
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von anganima »

Liebe Waltraut, ja, das kenne ich auch. Wenn es besonders schön war, denke ich sofort, warum kann es nicht immer so sein, und das gute Gefühl ist weg. Sofort macht sich der Mangel, den ich in meinem Leben empfinde bemerkbar und die Sehnsucht nach mehr von dem was mich glücklich macht. Wenn ich ein Geschenk bekomme, freue ich mich, und doch taucht auch der Gedanke auf, daß ich etwas zurückgeben muß, oder daß ich demjenigen schon lange kein Geschenk mehr gemacht habe und die Freude ist vorbei. Mit der einen Seite der Medaille ist sofort die andere Seite auch dabei. Aber ich lerne immer mehr beide Seiten im Gedächtnis zu behalten und mich daran zu erinnern, daß ich die Medaille umdrehen kann und die Wahl habe, wie lange ich auf nur die eine Seite schauen will. Ich mag dich. Sei gut zu dir. Anganima
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Das wehren gegen besserung

Beitrag von maggy »

Liebe Christabelle, liebe Waltraut, bin ein bisschen im Streß, weil man Mann heute Abend nach Düsseldorf fliegt und wir bis dahin noch einiges erledigen müssen. Ich schicke Euch heute abend eine Mail. Alles Liebe von Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
Antworten