Ein Nichts

kowalski
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Ein Nichts

Beitrag von kowalski »

Hallo,

ein Nichts bin ich, habe ich meinem Therapeuten in einer der letzten Sitzungen gesagt.
Ich denke und fühle dieses Nichts, es macht sich körperlich wie psychisch bemerkbar.

Wenn ich analysiere, bemerke ich allerdings auch, dass es nicht stimmt. Dass es nicht in Vollendung auf mein Leben zutrifft. Es gibt viele Dinge die ich in meinem Leben, ich bin 42, habe eine Ausbildung handwerklich und ein Studium der Pädagogik, die scheinbar beweisen sollen, dass ich nichts NICHTS bin. Dennoch fühle ich mich wie ein Nichts und niemand.
Äußerlich betrachtet würde sicher niemand auf die Idee kommen, dass ich solche Gedanken hege und pflege. Dennoch befinde ich mich seit ich denken kann in dem Zustand, nichts zu taugen, nicht beklastbar zu sein, alles falsch zu machen, abgewertet gegenüber anderen zu sein. Manchmal kippt diese Stimmung um, es zeigt sich Selbstüberschätzung und Degradierung meiner kompleten sozialen Umwelt. Dieser Zustand hält meist nicht lange an, dann falle ich wieder in das tiefe Loch der Selbstzweifel und Lebensfeindlichkeit.
Zwei Suizidversuche habe ich hinter mir. Als teenager und als Mittzwanziger. Angebliches Versagen ind der Schule Auslöser des ersteren, Lebensunlust, Verzweiflung, Depression(?) als "Gründe" für den zweiten.

Heute bin ich fast wieder soweit. Befremdlicherweise habe ich große Angst vor dem Tod. dennoch sehne ich ihnmir herbei.

Vor zwei Jahren trennte sich meine Frau nach 12 Jahren von mir, etwa 1 Jahr danach starb meine Mutter überraschend an Krebs. Ich war am Boden, bekam Panikattacken, Ängste, Herzrasen, Valium und hatte Todesangst und Mißempfindungen. Unzähliche Arztbesuche folgten, alle ohne klinisches Ergebnis. Lediglich Borreliose wurde als eine noch mögliche Ursache in den Raum gestellt. Oder Depression, psychische Krise. Über die letzten beiden Jahre besserte sich der körperliche Zustand. Keine Panikattacken mehr, kein Herzrasen. Aber immer noch diese körperlich fühlbare "Unsicherjeit". Das Gefühl . es stimmt was nicht udn es könnte ja was passieren.

In Beruflich fühle ich mich sehr gestresst. Auch erfolglos. kein/kaum positiven Rückmeldungen. Nur eine ganze Menge zeitlichen Stress, keine Minute zum Aufatmen. Alles muß schnell geschehen. Kritik kommt von allen Seiten. Offenbar macht man nichts gut.
Ich fühle mich bestätigt in meiner Selbstentwertung, die ich ja schon früh eingeimpft bekommen habe; elterlicherseits. Wie oft habe ich gehört: "Das kannst du nicht. Du bist ein Versager. Ob du das schaffst?? Ok, das hast du jetzt geschafft, aber jetzt mußt du ja erst noch dies und jenes machen um wirklich Erfolg gehabt zu haben ...."
Die kritik von allen Seiten, oder zumindest das fehlende Lob, die fehlende Anerkennung ist allerdings ein Kennzeichen meines Berufes.

Konflikte und Streit sind die täglichen Ingredienzien. Ich will es nicht noch weitere 20 jahre ertragen müssen. Dafür ist mir mein Leben zu schade.

Ich weiß nicht mehr weiter, weiß keinen Rat mehr. Therapie ist ein kleinschrittiges Unterfangen. Soziale Kontakte habe ich, bis auf meine Lebensgefährtin, fast keine mehr. Menschen finde ich mittlerweile hassenswert.
So, wie mich auch.

Gruß
Anne Blume
Moderator
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Anne Blume »

Lieber Wilhelm,

herzlichen willkommen hier im Forum. Ich hoffe, Sie werden hier hilfreiche Unterstützung finden.
Bitte beachten Sie jedoch, dass wir hier keine Krisenintervention leisten können. Geeignetere Stellen finden Sie in diesem Forum unter der Rubrik "Notfallnummern".
In unseren Forenregeln haben wir festgelegt, dass Postings mit suizidalen Inhalten verboten sind, da diese triggern könnten.

Herzliche Grüße

Anne Zink
moonlight
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Bitte, gib nicht auf!

Beitrag von moonlight »

Lieber Wilhelm,
dein Beitrag hat mich ziemlich erschüttert.

Deine Worte wirken ganz ruhig, ganz sachlich. Wie sieht es in dir aus?
Müde Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit oder auch Wut? Vielleicht beides?

Bitte, sag nicht, dass Therapien nur kleine Schritte bringen. Es kommt auf die Therapie an und auch auf die Chemie zwischen Patient und Therapeut.
Falls du negative Erfahrungen gesammelt hast, suche unbedingt weiter.
Schaue doch auch einmal oben rechts unter "Notfallnummern".
Wie lange dauert diese Therapie schon?
Ich kann dich aber verstehen. Wenn es mir schlecht geht, wünsche ich mir auch, dass dieser Schmerz so schnell wie möglich aufhört. Dann ist jeder Tag eine Qual.
Ich habe seit so vielen Jahren immer wieder lange und weniger lange Phasen, in denen ich teilweise total am Boden bin, keine Lebensfreude mehr habe.

Du schreibst, du hast analysiert, dass es vieles in deinem Leben gibt, das beweisen soll, dass du nicht ein "Nichts" bist. Beweist es dir das auch?
Erzähle ein wenig mehr. Was macht dich stolz auf dich? Was magst du an dir?
Bitte, versuche nicht sofort "nichts" zu schreiben.

Was denkst du, wann haben diese Gedanken in dir ganz genau angefangen, dass du nichts taugst, nichts richtig machst, nicht belastbar bist?
Ja, ich habe von den Suizidversuchen gelesen, auch dass es so ist, so lange du zurückdenken kannst. Aber ich wüsste es gern genauer.

Wie bist du aufgewachsen? Erzähl doch mal von deinem Elternhaus und den Wünschen, Erwartungen an dich.

In welchen Situationen kippt deine Stimmung? Wie genau äußert sich die Degradierung deiner Umwelt usw.?

Manchmal sehnst du deinen Tod herbei - ja, diese Sehnsucht kenne ich. Und ebenso wie du habe ich Angst davor. Für diese Angst bin ich sehr dankbar. Denn das Lebens hat ganz sicher noch Schönes zu bieten.
Und wenn ich aus diesen schlimmen Phasen raus bin, kann ich mich auch wieder freuen. Dann merke ich, dass doch noch Lebensfreude in mir ist.

Magst du erzählen, warum sich deine Frau von dir getrennt hat? Kam es für dich unerwartet?
Habt ihr Kinder?

Erzähle mir von deiner Mutter. Wie war sie?
Mein Schwiegervater ist vor einigen Jahren sehr plötzlich und unerwartet an Krebs gestorben. Es hat uns alle umgeworfen. Er war ein toller Mann. Grad auch für mich ein wichtiger Bezugspunkt.

Kannst du - außer mit dem Therapeuten - mit anderen Menschen über das, was in dir ist, reden? Mit deiner Lebenspartnerin z. B.

Bitte, gib nicht auf!
Und wenn dir nach reden ist, rede oder schreibe hier alles auf.

Du gehst in eine Therapie, das ist schon ein guter Weg.
Bekommst du Medikamente in irgendeiner Form?

Alles Liebe
Moonlight
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Hai Wilhelm

ich lese deine Verzweifelung, aber im Gegensatz zu anderen lese ich daraus keine Sui-Ankündigung, sondern dass du versuchst zu widerstehen, dass du einen anderen Ausweg suchst.

Ich hatte die überaus seltene und für mich gewinnbringende Möglichkeit für eine Zeitlang `aus der Gesellschaft hinaustreten zu können´.
Das ist ein waghalsiger Schritt, einer auf dem man sämtliche Sicherheiten verläßt und sozusagen einen Schritt ins Nichts hinein wagt.
Doch dadurch hatte ich die Möglichkeit eine Atempause zu bekommen. Ich nutzte die Zeit, nahm mir vor das dieses eine Jahr, das ich mir noch gegeben hatte, nur `mein´ Jahr sein sollte, ich mich nur um mich, um meine Seele, kümmern wollte.
Das tat ich, ich erstellte sozusagen ein Bild von mir: Wer bin ich? was bin ich? was will ich für mich?
Es half mir. Heute lebe ich wieder in der Gesellschaft, allerdings etwas unkonventionell.

Im Hauruckverfahren wirst du sicher nichts an dir ändern können, aber vergiss nur nicht dass auch die kleinen Schritte eine Besserung sind - nimm sie wahr, vergegenwärtige sie dir immer wieder, kleine Schritte sind erfolgreicher als große - denn sie bleiben dir erhalten, du kannst auch nach Niederschlägen wieder auf sie zurückgreifen, ihnen wieder den richtigen Platz zuweisen.

Wichtig ist auch dass du nicht auf Anerkennung von anderen in deinem Beruf wartest.....DU selbst mußt dir die Anerkennung zollen, denn nur du weißt was du geleistet hast.

>>>Menschen finde ich mittlerweile hassenswert.<<<

glaub ich dir nicht
Ich denk mal du verzweifelst nur an ihnen weil du keinen Umgang mit ihnen weißt.
Und du schreibst hier.....das ist ein Schritt in die richtige Richtung - auch wir hier sind Menschen, wenn auch nur virtuelle bislang für dich. Aber hier kannst du lesen was und wann du willst, kannst abschalten wann du willst, brauchst nicht zu antworten.
Vielleicht kannst du das als einen neuen, vorsichtigen Beginn sehen!

*liebe Grüße von einem virtuellen fisch*

feuerfisch
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moonlight
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@ Feuerfisch

Beitrag von moonlight »

Was meinst du mit "aus der Gesellschaft heraustreten können"?
Und was meinst du damit, dass du heute etwas unkonventionell lebst?

So manches Mal wünsche auch ich mir eine Auszeit, in der ich mal ganz abschalten, weder zuhören, noch reden, noch antworten muss.
Wenn aber eine Familie vorhanden ist, ist das nicht so einfach.
Gleichzeitig ist das auch nicht ungefährlich. Es kann gut gehen, so wie offensichtlich bei dir.
Es kann aber auch schief gehen, dass der Mensch dann wirklich die Kurve nicht mehr bekommt.
Diese Angst habe zumindest ich. Angst, dass zu viel Ruhe zu viele Gedanken mich überfluten, ich sie nicht verarbeiten kann.

"Die Menschen sind hassenswert." - Ich kann nicht beurteilen, wie fest bzw. in welcher Form dieser Gedanke in Wilhelm steckt.
Aber ich weiß, dass ich teilweise - in den Momenten, in denen ich mich so schrecklich einsam und unverstanden fühle - auch eine gewisse Wut fühle auf die Menschen um mich herum.
Für diese Momente ist es dann sehr real.
In den Momenten, da es mir gut geht, mag ich die Menschen auch wieder. Auch das ist dann real.
Ist also ein stetiges Kommen und Gehen.

Ebenso ist es wahrscheinlich mit Sui-Gedanken. In dem Moment sind sie real.
Und je nachdem, was dann noch kommt, können sie u. U. (ganz schnell) schrecklich real werden.

Gut ist, wenn wir es dann schaffen zu reden - gegen die eigene Angst und Verzweiflung, gegen diesen Gedanken anzureden.

Aber es stimmt schon - Ziel sollte sein, dass wir uns gegenseitig ermutigen, trösten, zum Nachdenken anregen.

Wie kommst du auf "Feuerfisch"?
.

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kowalski
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Re: Ein Nichts

Beitrag von kowalski »

Vielen dank für deine Antwort, Moonlight.


Nun, ganz sachlich schreibe ich diese Zeilen. Innerlich stecke ich voller Verzweiflung, Misanthropie, Hoffnungslosigkeit, dass es jemals mit meiner Gefühlswelt und Weltwahrnehmung besser wird, Selbsthaß ... viele und vor allem diametral stehende Gefühle.

Im Prinzip dachte ich immer:"So ist eben die Welt. So, wie ich sie Wahrnehme, ist sie eben. So nimmt sie jeder wahr." So ist es aber nicht, ich habe mich nur an meine entsetzliche Leidensfähigkeit gewöhnt. Und denke eben mittlerweile auch, dass alles so schlecht ist, wie ich es empfinde.
Dass man die Welt mit ganz anderen Augen sehen und mit anderen Gefühlen wahrnehmen kann, ist mir heute mehr als klar.

Mein Therapeut war mir von Beginn an sympathisch. Ich habe mich auch sofort geöffnet und ihm haarklein alles erzählt, ja sogar aufgeschrieben. Ihn hat das verwundert, dass jemand so schnell so offen sein kann und daraus geschlußfolgert, dass ein Teil meiner Sozialbeziehungsprobleme vielleicht darin begründet liegt, dass ich mich zu schnell öffne und vielleicht auch von jeder eher oberflächlichen Beziehung zuviel erwarte.
Ich jedoch habe mich schnell und komrpomißlos geöffnet, weil ich glaubte, dass es nichts bringt, mit wichtigen Dingen zurückzuhalten; nur die schonungslose Offenheit bringt estwas.
Ansonsten hört er mir zu, gibt gelegentlich Kommentare oder Verweise auf Kindheit.
Aber Heilung? Linderung? Stellt sich bei mir nicht ein. Auch, wenn ich verstehe, dass die ein oder andere Reaktion von mir heute, mit Dingen in der Kindheit/Sozialisation zusammenhängt.
Heilung, so sagt er, könne er mich nicht. Besser sei der gedanke, dass ich mich mit seiner Hilfe heilen könne.
Da es mein erster Therapieversuch ist, kann ich dazu wenig sagen/beurteilen. Ich bin jetzt 1x wöchentlich seit 5 Monaten dort.

Die Dinge, die ich im Leben erreicht habe zeigen scheinbar, dass ich nicht ein Nichts bin.
Wäre ich - nach außen - ein Nichts, so hätte ich sie niemals erreichen können.
Das Nichts manifestiert sich in meiner eigenen Bewertung meiner Person oder der Dinge, die sie tut.
Ich werte mich ab. Oder die Dinge, die ich tue.
Dinge die gut gelaufen sind, ja Erfolge, werte ich ab. Sie spielen quasi keine oder nur eine sehr kurze Rolle in meinem Gefühlsleben. ich kann sie quasi nicht dem "Haben" auf dem Konto gutschreiben und sie nach Bedarf, in schlechten Zeiten, abheben und mir zugute kommen lassen. sehr schnell ist das was ich ereicht habe selbstverständlich oder ich werte es als alltäglich ab.
Eigentlich sollte mich meine berufliche Karriere stolz machen, andere materielle Dinge (Haus, Garten, Autos usw.), meine kulturellen Tätigkeiten (Verein gegründet, Komnzerte, Lesungen veranstaltet, einem kleinen Dorf einen kulturellen Rahmen gegeben damit), meine Fähigkeit partnerschaftl. Beziehung zu leben, meine musischen Fähigkeiten (Bands etc.), mein handwerkliches Geschick in vielerlei Hinsicht, meine intellektuellen Fähigkeiten.

-----> alles wertlos ind der Gesamtbeurteilung


Der erlernen der eigenen Wertlosigkeit hat in meiner Teenagerzeit angefangen. Da wurde mir bei kleinen Mißerfolgen (3er74er)in der Schule immer wieder durch Mutter eingebleut, wie Unvermögend ich bin. Meine Mutter tat es verbal, mein Vater körperlich. bei meiner schwester lief die Schule reibungslos.
Dann wollte ich den erlernten handwerksberuf nicht beibehalten. Von meinen Eltern wurde es mir als "abbrechen" der Laufbahn honoriert und ein ungewisses Ende diesbezüglich prophezeit.
Ich orientierte mich um, machte Abitur nach, dann Studium usw. jeder dieser Schritte wurde von meinen Elter mit dem Kommentar versehen: haben schon viele versucht, auch viele abgebrochen. Warten wir mal ab, ob diu es schaffst.
Honoriert, ja, ich möchte sagen als erfolgreicher Sohn wurde ich erst wahrgenommen, als ich am Ende dieses Weges stand und es tatsächlich geschafft hatte. Erst damit, war ich zu jemandem in ihren Augen geworden.
Die Gedanken der Unvermögenheit begleiteten mich natürlich all die Jahre, das hatten meine Eltern mir ja gut beigebracht. Rückschläge, Mißerfolge, die es natürlich auch gab und VOR ALLEM auch heute noch gibt, wurde sofort von mir auf das "SOLL"-Konto verbucht. das schöne am Soll ist, Schulden begleiten einen recht lange und gelangen trotz Buchungen auf der (Gut-)haben Seite immer wieder in den Horizont der Wahrnehmung.


Meine Stimmung kippt meist in solchen Situationen in denen, sachlich gesehen ein geringer Mißerfolg da ist ( was falsch gemacht auf der Arbeit bsp, eine Kleinigkeit) und dennoch schwingt sich diese Kleinigkeit zur pers. Katastrophe auf. Die Person insgesamt ist schlecht und untauglich.
Allerdings ist die negative Bewertung nicht immer situationsabhängig. Es ist auch eine latente Schwarzseherei und Abwertung, negative Sicht auf das Leben vorhanden.

Ist es so, dass ich aufgrund meiner eigenen Mißerfolge mich selbst nicht mehr gutheißen kann, beginne ich mein Umfeld abzuwerten.
beispielsweise wohne ich in einem ort, an dem ich nicht wohnen will, oder glaube nicht wohnen zu wollen. Ich habe keinerlei Kontakt zu den dörflichen Anwohnern hier. ich lebe völlig isoliert, auch, weil ich glaube, sie sehen mich als einen Sonderling an. In dem Augenblick werte ich mein Umfeld ab, mache sie verantwortlich für mein Versagen. Gleichzeitig frage ich mich, versuche objektiv zu sein, ob es denn wirklich meine Versagen ist, was die Situation so hat werden lassen, oder ob denn nicht objektiv die "anderen" merkwürdig sind.
In jedem Falle degradiere ich die anderen und werte mich selbst zum Beispiel als Nonkonformisten auf. Allein, um mich selbst zu schützen vor einer weiteren Autodiagnose. "DU selbst bist der Fehler"
Da ich meist in Gruppen große Schwierigkeiten habe, ist diese Reaktion die Summe und Notwendigkeit meiner Erfahrungen.
manchmal glaube ich schon am Gesicht meines Gegenübers, an ganz kleinen Mimiken ablesen zu können, dass mich dieser als Sonderlin entdeckt hat, als unsicheren Menschen längst entdeckt hat und promt werde ich dann unsicher und beginne mich als Person abzuwerten. In dem Sinne: "Siehst du, da ist wieder jemand, der dich erkannt hat. Er grinst über dich, nimmt dich nicht für voll ... usw." Meine Reaktion ist dann: Abbruch der Beziehung und Deklaration zum nicht weiter verfolgenswertem Kontakt. Das ist das Standardprogramm, welches abläuft, wenn es schlimm kommt vesrtehe ich die Situation so, dass ICH ja derjenige bin, der falsch ist.


Freude, positive Empfindungen habe ich ganz selten. manchmal weiß ich gar nicht mehr, was Freude ist. I. d. R. verkommt alles zur Bedeutungslosigkeit und ich wüßte auch spontan nicht, worüber ich mich wirklich - auch dauerhaft freuen könnte. Wennjemand meine Lebenssituation bewerten würde, käme er sicher zu dem Schluß, dass diese Lebensumstände Grund zur Freude sind. Leider offenbar nicht für mich.

Meine Frau hat sich von mir getrennt, weil ich zu wenig Empathie zeigen kann. Den lange vorhersehbaren Tod ihrer alten Mutter habe ich als Notwendige Kausalität des Sterbens infolge des Lebens bewertet. (!)
Ca. ein Jahr später stirbt meine Mutter ganz überraschend. ich würde obiges nie mehr sagen!

Es kam mehr oder weniger überraschend, die Trennung.Es stand mehrere Monate im Raum, ich hab es nie geglaubt, dass sie es wirklich tun würde.
Daher tatsächlich überraschend.Wir haben keine Kinder, wie ich auch heute keine habe.

Meine Mutter war keine tolle Frau. Sie war eine - für mich - bemitleidenswerte Frau, die krankhaft leistungsorientiert und leicht depressiv war. Zudem empfand ich sie als bürgerlich/spießig und von ihrem Intellekt her nicht vorteilhaft ausgestattet. Allerding emotional!

Mit meiner derzeitigen lebensgefährtin kann ich über all das nicht reden. Reden schon, sie hört mir auch zu, kann aber gar nichts davon nachvollziehen. Leben - offenbar in einer ganz anderen Welt - daher habe ich die versuche, mit ihr in die Tiefe zu gehen, eingestellt. Wir reden nur noch über Alltag (Einkaufen, kochen, Wetter, Urlaub ...)
Von ihr weiß ich diesbezüglich, nach drei Jahren, gar nichts persönliches. Bei ihr und für sie ist die Welt offenbar ein Sonnenschein.

Ich nehme Medikamente, ja. Insidon heißt das Zeugs. Es sollte mich beruhigen., mich von meinem Herzrasen, Panikattacken und Schlafstörungen bringen. Es hilft nur bedingt.


Gruß

Wilhelm
moonlight
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allerlei Gedanken auf deine Gedanken

Beitrag von moonlight »

Hallo Wilhelm,

danke für deine ausführliche, offene Antwort.

Mir schwirren jetzt so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich aufpassen muss, nicht alles durcheinander zu erzählen und den roten Faden zu behalten.

Zunächst zu Insidon. Das Medikament habe ich auch gegen meine Angstattacken und ihre Auswirkungen bekommen.
Es dauert einige Monate, bis es richtig wirkt und du stabilisiert bist.
Ich kann dir also da Hoffnung machen. Bitte, versuche noch ein wenig Geduld zu haben
Vielleicht ist auch die Dosierung noch nicht richtig. Sprich doch einmal mit deinem Therapeuten darüber. Aber bitte in keinem Fall selbst etwas an der Dosierung verändern!

Deinen Therapeuten kann ich natürlich nicht beurteilen, will ich auch nicht.
Kann dazu nur sagen, ich hab schon manches hinter mir. Unter anderem eine Therapeutin, die mir wohl zugehört, aber falsche Schlussfolgerungen gezogen hat. Hinzu kam, dass sie mir Ergebnisse genannt, mir gesagt hat, was ich tun müsste.
Inzwischen kann ich sagen, dass es besser ist, wenn ich die Antworten selbst finde – oder anders ausgedrückt (wie dein Therapeut) es sagt, mich selbst heile.
Dass du sofort offen geredet und sogar aufgeschrieben hast finde ich gut. Mache ich übrigens ebenso. Es steckt zum einen ein großer Leidensdruck dahinter, der so handeln lässt und zum anderen das Wissen, dass mit möglichst vielen Informationen bestmöglichst etwas in die Wege geleitet werden kann.

Was hat es in dir ausgelöst, als er gesagt hat, dass du vielleicht zu schnell zu offen bist?

Wie genau geht er auf dich ein? Du schreibst zwar von Verweisen und Kommentaren, aber kannst du das auch detaillierter beschreiben?

Dass du schon erkannt hast, dass vieles mit deiner Vergangenheit (Kindheit…) zusammenhängt, ist – finde ich – schon sehr gut.
Es geht nicht um Schuldzuweisungen, nur um das Erkennen von sogenannten Programmierungen.
Ich habe jedenfalls Jahre dafür gebraucht. Das zu erkennen bedeutet auch, dass du mal besser mit dir selbst umgehen, dich selbst besser verstehen kannst. Und das wiederum ist ein großer Schritt zur Selbstliebe, zur notwendigen Gelassenheit.

5 Monate sind objektiv betrachtet eine kurze Zeit. (ja, ich weiß für dich eine lange Zeit, da du es subjektiv betrachtest)

Du schreibst, dass in dir viele und vor allem diametral stehende Gefühle sind.
Dementsprechend steht deiner Menschenscheu gewiss auch Neugier auf Menschen gegenüber, Hoffnung gegen Hoffnungslosigkeit, Stärke gegen Schwäche, Mut gegen Verzweiflung usw. Du siehst wahrscheinlich im Moment nur das, was du als negativ einordnest.
Du schreibst von Selbsthass. Ist es nicht auch ein Stück weit Selbstliebe, dass du dich noch nicht ganz aufgibst? Mal so provozierend gesprochen.

Ja, auch ich dachte immer, dass es eben so ist, dass eben die Welt so ist.
Als Jugendliche konnte ich mir nie vorstellen, dass es tatsächlich Menschen geben kann, die nicht nur oberflächlich sind und Partys feiern. Natürlich hab ich nichts gegen Partys, aber ich brauchte auch schon damals viele Gespräche, möglichst tiefe Gespräche. Deshalb war ich schon damals häufig traurig und verzweifelt.
Ist alles eine Sache der jeweiligen Wahrnehmung und Stimmung.
Es ist deine derzeitige Wahrnehmung, dass alles so schlecht ist, wie du es empfindest. Nimm es so an. Verurteile dich nicht selbst dafür. Aber versuche auch kleine Schritte zu gehen, denn so schlecht ist alles eben nicht – wie du es ja auch weißt.
Woher weißt du es, dass es so schlecht nicht ist? Was ist dir in der letzten Zeit Schönes und Wertvolles begegnet?

Magst du eigentlich Tiere? Ich mag sie sehr. Inzwischen hab ich auch einen Hund. Ist für mich keine Flucht vor den Menschen, aber eine Hilfe nicht ganz unterzugehen. Und obendrein hilft es mir Kontakt zu halten.
Bitte nicht denken, dass ich aus rein egoistischen Gründen einen Hund habe. So ist es nicht. Ich bin eine Tiernärrin durch und durch.
Und weil ich weiß, wie gut es tun, wie sehr helfen kann, gebe ich gern den Rat darüber nachzudenken.

Das, was du erzählst, zeigt, dass du eine Menge erreicht hast, gute Dinge. Schafft nicht jeder.
Aber ich verstehe dich gut und bestimmt nicht nur ich. Da ist zum einen der einem eigene Perfektionismus, der das Leben so schwer macht.
Obendrein habe ich die Angewohnheit mich schön niedrig zu halten, dann falle ich nicht so tief, wenn mal jemand mein wahres Ich erkennt. Sprich, wenn mich tatsächlich jemand mag (oder noch schlimmer – wenn ich beginne mich zu mögen) und dann herauskommt, dass ich doch eine absolute Null bin, dann falle ich so tief, dass ich es womöglich nicht überlebe.
Wenn jemand mal etwas Positives über mich sagt, überhöre ich das glatt.
Wenn irgendein Chef mich mal gelobt hat bzw. lobt, dann höre ich das natürlich auch nicht. Alles aus besagten Gründen.
Könnte es dir ebenso gehen?

Hinzu kommt, dass ich zwar materielle Dinge und soziale Komponenten durchaus wichtig finde und auch (in guten Zeiten) genießen kann, aber letzten Endes kommt es mir auf etwas anderes an – auf den tieferen Sinn meines Lebens. Wichtiger als das „Vergängliche, Austauschbare“ ist mir das „Unvergängliche, mein Leben überdauernde“.
Kommt dir das bekannt vor?

Es tut richtig weh, was du von deiner Teenie-Zeit bzw. von deinen Eltern schreibst.
Es tut auch weh, weil ich so gut nachfühlen kann.
Bei mir war es meine Mutter, die mir mit Worten und Taten eingebleut hat, dass ich ein Nichts bzw. einfach nur lästig bin. Der Vater war allerdings in seiner Weise auch nicht anders. Er war einfach nicht da.
Und was habe ich gekämpft um die Liebe und Anerkennung von ihr.
Und da gibt es diese Schlüsselsätze und –situationen in meinem Leben, die mich immer wieder einholen.
Noch heute verstehen sie mich nicht. Warten immer darauf, dass ich „angekrochen“ komme, scheitere und versage.

Hmm, was meinst du mit „3er74er“?

Haben deine Eltern immer alles durchgezogen und auch niemals „versagt“?
Ich mag den Begriff „versagt“ nicht. Ich empfinde ihn eigentlich nicht als negativ, aber im heutigen Sprachgebrauch hat er einen negativen Touch.
Waren sie immer super erfolgreich?
Es würde mich interessieren, welche Erwartungen ihre Eltern an sie gehabt haben.
Ist deine Schwester älter als du? Seid ihr beide „Wunschkinder“?

Fühlst du dich schuldig, weil du deine Mutter so siehst?

Klar, wenn du in deinen Augen „versagst“, dann passt das doch prima in dein Lebensschema.
Und es ist ganz typisch, dass schon geringste (scheinbare) Misserfolge zur persönlichen Katastrophe werden. Ich könnte dir unzählige Beispiele aus meinem Leben nennen. Beispiele, die anderen nicht einmal auffallen.

Ebenso typisch ist es, dass auch das Umfeld abgewertet wird.

Und auch dazu, dass du manchmal glaubst am Gesicht deines Gegenübers manches (natürlich negative) zu entdecken, könnte ich ein Buch schreiben.
Da bin ich richtig groß drin. Es hätte mir manches erspart, wenn ich es geschafft hätte, über meine Wahrnehmungen zu reden.

Aber diese negativen Programmierungen sind kein unlösbares Schicksal. Man kann sie ändern.

Niemand ist „merkwürdig“. Wir sind alle sozusagen Produkte unserer Erziehung, unserer Erfahrungen und unserer Umwelt. Auch das hat nichts mit Schuldzuweisungen zu tun.

Du schreibst, du hast meist Schwierigkeiten in Gruppen. Meist heißt nicht immer.
Stimmt’s - in guten Momenten kommst du damit klar, kannst vielleicht sogar (ein klein wenig) genießen.
Nur in schlechten Momenten geht gar nichts mehr. Da ist dann auch der Gedanke, den anderen lästig, eine Last zu sein, unangenehm aufzufallen und auch noch den letzten Rest Achtung und Liebe zu verlieren. Also ist es besser sein Heil in der Flucht zu suchen.

Freude und positive Empfindungen hast du nur ganz selten. Auch hier gilt – ganz selten bedeutet – es gibt sie. Schreib sie dir auf!!

Ich denke, die meisten Frauen haben damit ein Problem, dass Männer zu wenig Empathie zeigen können.
Was die Mutter deiner Frau angeht, hast du sicherlich in gewisser Weise Recht, aber umgehauen hätte ich dich dafür auch.
Aber da bist du absolut kein Einzelfall.

Und dass die Trennung mehr oder weniger überraschend kam, ist wohl – bitte verzeih mir das – auch recht typisch für das männliche Denkverhalten.
Nein, ich wehre mich dagegen, Verhalten, Gefühle und dergleichen in Schubladen einzuordnen, aber ich mache immer wieder die Erfahrung, dass Männer die Warnzeichen der Frauen nicht wahrnehmen (können / wollen).
Ist jetzt auch kein Vorwurf. Frauen haben ja obendrein auch so ihre Eigenarten.
Und letzten Endes hat das alles auch etwas Liebenswertes.

Sieh es nicht so streng, dass deine Lebensgefährtin nicht ganz nachvollziehen kann, was in dir steht. Es ist natürlich – wie soll ein Mensch etwas erkennen, was er nicht kennt?
Wir können nicht nachvollziehen, dass andere Menschen immer ausgeglichen oder gar ausgelassen, glücklich und zufrieden sind.

Allerdings solltest du unbedingt weiter mit ihr zu reden. Gib ihr und dir die Chance.

Liebe Grüße
Moonlight
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Hai moonlight

ich möchte hier nicht Wilhelms Thread mit meinen Zeugs zerreden. Er nimmt ja auch dich als direkten Ansprechpartner, das ist ok so.

Nur meine ich viele Parallelen zu mir selbst in seinem Text zu erkennen und habe versucht ihn darum ein wenig Mut zum Weitermachen zu geben.
All dieses Geringschätzen seiner Selbst kenn ich sehr gut, tue es selbst. Auch das rein logische Öffnen in der Thera kenn ich - und auch meinen Thera hat es überrascht.

Aber egal, wie gesagt, ich mag hier nix zerreden - wenn du mehr wissen möchtest, dann schreibe mich doch direkt an!

*wink*

feuerfisch (der ein sehr schöner Fisch ist, bei dem ich mich in seinem Verhalten teilweise wiederfinden kann)

.
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
kowalski
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Re: Ein Nichts

Beitrag von kowalski »

hallo feuerfisch,

ich nehme jeden als direkten ansprechpartner, der sich dazu hinreißen läßt

danke auch dir.

mich interessiert auch, wie du dich aus der gesellschaft verabschiedet hast. erzähl doch mal.
wie lebst du heute?


gruß

ps: ich weiß nicht, ob ich dir, moonight, heute noch antworten kann. ansonsten morgen früh. außerdem habe ich dein thema eben gelesen.
kowalski
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Re: Ein Nichts

Beitrag von kowalski »

noch was, feuerfisch. du hast geposted, als ich meinen erste, lange antwort auf moonlights antwort geschrieben habe. ich wußte zu dem zeitpunkt also noch nicht, dass noch eine zweite person, du nämlich, auf mein eingangspost geantwortet hat.

gruß
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Hai Wilhelm

>>>mich interessiert auch, wie du dich aus der gesellschaft verabschiedet hast. erzähl doch mal.
wie lebst du heute?<<<

Zwei Fragen auf die ich nicht so einfach und schon gar nicht in kurzen Worten antworten könnte.

Verabschiedet aus der Gesellschaft hatte ich mich eigentlich schon zuvor, als 1-jährige Vorbereitung auf meinen Sui-Versuch (ich wollte so wenig Schaden wie möglich hinterlassen). Das Einzige was ich danach noch hatte war meine Arbeit, die mir jedoch gekündigt wurde - eben wegen diesem Versuch.
Danach entstand ein Spruch bei mir:

Wenn ich alles loslassen kann, auch das Letzte, mein Leben, so kann ich vorher noch einmal alles versuchen.

Ich gab mir 1 Jahr dafür.

Das wirkliche, richtige Begreifen dieses Spruches kam erst im darauffolgenden 1/2 Jahr...diese unendliche Freiheit die man sich selbst damit gibt.
Und auch das Aufdröseln: in Bindungen die man eingehen möchte - und welche, die man niemals wieder eingehen möchte (mit Bindungen meine ich hier nicht nur persönliche, sondern auch sachliche, Großes und Kleines, jede Art Bindung halt).
Also eine Art `Selbstfindung´.

Schon vor meinem Versuch bekam ich von einem lieben Menschen ein Angebot:
er hatte ein riesiges Haus, mit mehreren Wohnungen, umgeben von einem wirklich großen Grundstück, mitten im Wald -> mitten im Nichts. Laut seinen Worten: "Ich suche Menschen wie mich, die ebenso suizidal sind wie ich"

Als ich nach meinem Versuch dann dieses Angebot annahm und dort hin zog, lebten wir zu fünft da. Alles Menschen mit Störungen, alles Menschen für die das Leben so nicht mehr weitergehen konnte. Wir lebten dort mit unseren wenigen eigenen Regeln. Rücksichtnahme auf den Anderen. Miteinander statt gegeneinander. Essen möglichst gemeinsam. Toleranz.

Es gab dort niemanden der einen krumm anschaute weil man liegen blieb. Niemanden der es komisch aufnahm weil man tagsüber schlief und Nachts wach war.
Versteh mich nicht falsch, auch dort war nicht alles rosig, aber man konnte `zu sich selbst´ finden, versuchen wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Und alles was man dort tat, das tat man weil man selbst es wollte und nicht weil es jemand anderes erwartete.

Manchem begegnet man nur selten - sie hatten einen anderen Tagesrhytmus als man selbst. Die meisten aßen etwa gegen 3 Uhr - Nachts!
Auch das war dort so eine Sache die ich für mich lernen konnte: der Spiegel, der mir dort vorgehalten wurde.....Entscheidungen treffen.
Kannst du erahnen wie es sein kann wenn keiner eine Entscheidung trifft? Die Frage: "Sollen wir etwas Essen? Hast du Hunger?" wurde ja schon meist nicht wirklich beantwortet, aber bei der Frage "Was sollen wir denn Essen?" scheiterte es endgültig. Fazit: alle hatten Hunger.....und alle gingen hungrig ins Bett.
Spätestens nach ein paar Tagen lernt man zu sagen was man möchte

Außer uns ständig dort Wohnenden kamen auch immer mal wieder Leute einfach nur auf ein paar Tage um dort abzuschalten, um eine Pause zu bekommen. Ich kenne nur eine Einzige, der es nicht gut tat dort zu sein. Ansonsten haben wir alle etwas von dort für uns selbst mitgenommen.

Nach einigen Monaten war es für mich Zeit dieses Haus zu verlassen. Schon Monate zuvor hatten einer meiner Mitbewohner und ich beschlosse das wenn einer von uns auszieht, wir uns gemeinsam eine Wohnung suchen. Nicht als Paärchen, sondern einfach nur weil wir merkten dass wir gut miteinander klar kommen. Und keiner von uns beiden wollte mehr alleine wohnen. Aber *lach* just am Tage unseres Umzuges wuden wir ein Paar - das war nicht geplant und hat mich auch ganz schön quer geschossen.
Aber seither leben wir zusammen und unterstützen uns gegenseitig. Wir brauuchen ja einander nichts vorzumachen und können leichter ahnen wie es dem anderen geht.

Ich machte eine Schulung mit und fand auch wieder einen Job.
Wohnung, Job.
Alles Alltäglichkeiten - und doch haben sich sozusage meine Prioritäten verschoben. Ich verdiene lieber weniger Geld und habe dafür weniger Stress als im Architekturbüro. Ich arbeite als Behinderte mit anderen Behindeten. Klar allerdings dass ich auch in dem Bereich Stress habe - ich kann nicht Nein sagen - also hab ich mir gleich zwei Jobs aufbürden lassen. Trotzdem kann ich damit besser leben, es geht bei uns menschlicher zu.
Ich fahre eine alte Schrottkarre - sie läuft noch und dass mich der eine oder andere deswegen schief ansieht stört mich nicht.
Ich gehe offen mit meiner Krankheit um - wer mich deswegen verurteilt ist selbst Schuld.
Ich weiß nicht wie ich es richtig sagen soll, das ich unkonventionell lebe findet sich in vielen ungezählten Kleinigkeiten wieder, weniger in den großen Dingen.

Außer eine Sache, die ich für mich persönlich als große Sache sehe: ich versuche seither mich auf dem künstlerischen Gebiet zu betätigen.

Aber um das Ganze hier mal zu einem Abschluß zu bringen:
- wie ich aus der Gesellschaft getreten bin, dass kann nicht jeder.
- die Atmosphäre des Hauses ist nicht beschreibbar, auch nicht WIE es einem gut tut, das muss man selbst erleben
- wie ich heute lebe äußert sich in Kleinigkeiten, aber es ist allemal besser als das was ich hatte (gut bezahlten Job, Kind, Haus, Mann)

ich bin heute mehr `ich´

Liebe Grüße - auch an Moonlight

feuerfisch

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feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Noch etwas:

meine Mutter bezeichnete mich als `unwertes Leben´

Mein Thera versucht seitdem ich ihm davon erzählt hatte (das war ursprünglich beileibe nichts besonderes für mich) mir klar zu machen, dass ich traumatisiert wurde. Und noch mehr, er versucht mir die entsprechenden Gefühle zu diesem Ausspruch zu entlocken. Es gelingt mir jedoch nicht über die reine Berichtsebene, über die Logik hinaus, Zugang dazu zu finden - geht es euch vielleicht ähnlich?

*wink*

feuerfisch

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moonlight
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@ Feuerfisch

Beitrag von moonlight »

Lieber Feuerfisch,

bin jetzt etwas unter Zeitdruck und kann deinen letzten Beitrag wohl leider erst morgen intensiv lesen.
Aber etwas mir Wichtiges möchte ich sofort loswerden - "Bitte, entschuldige meine Nachricht an dich von vorhin."

Bevor ich ihn abgeschickt habe, dachte ich, dass ich mich reichlich krumm ausgedrückt habe und das durchaus falsch verstanden werden kann. Ich sollte auf mein Bauchgefühl hören, seufz.

Ich habe deinen Beitrag so wahrgenommen wie du ihn gemeint hast. Er hat mich zum Nachdenken gebracht.
Hab meine Gedanken einfach kreisen lassen, aber mich ziemlich dumm ausgedrückt. Ist nicht immer so einfach, Gedanken in Schriftform zu bringen, besonders wenn's einem grad nicht so gut geht. Mir geht es so.

Ich war und bin nicht der Meinung, dass du etwas zerreden wolltest.
Bitte, verzeih mir. War wirklich nicht bös gemeint.

Hab auch aus echtem Interesse nach deiner Geschichte gefragt.

Und "Feuerfisch" macht mich neugierig, weil es ein ungewöhnlicher Name (finde ich zumindest) für ein Nick ist.
Es ist tatsächlich ein sehr schöner Fisch.
Und ich mag Fische im Allgemeinen.

Mehr sag ich jetzt erst mal nicht, weil ich deinen letzten Beitrag nur ganz, ganz flüchtig überflogen habe.

Alles Liebe, Moonlight
.

Es sind nicht die großen Feuden, die am meisten zählen. Es kommt darauf an, aus den kleinen viel zu machen. (J. Webster)
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

@ Moonlight

ich sehe nichts wofür du dich entschuldigen müsstest!

noch schnell *einen schönen abend* rüberschicke

feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von kowalski »

meine mutter sagte als ich 13 war zu mir: dich hätte ich besser nicht bekommen!

mit 16 fand ich ein formular über einen abtreibungsversuch im wohnzimmerschrank.
passte aber vom datum nicht zum meinem geburtstag.

meinen geburtstag feiere ich seit jahrzehnten gar nicht oder nur mit meiner partnerin


meine mutter hat mit einem messer nach mir geworfen, als ich mit einer schlechten note (2er/4er) nach hause kam



.. aber man kann nicht sein leben lang, die eltern für das eigene leben verantwortlich machen.
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Hai Wilhelm

ja, so ähnlich erging es mir auch


>>>.. aber man kann nicht sein leben lang, die eltern für das eigene leben verantwortlich machen.<<<

und das hier stimmt zwar, aber man muss doch die Zusammenhänge erkennen - das als Erstes. Danach gilt es die als falsch erkannten Verhaltensweisen (die darauf beruhen) zu verändern - der für mich weitaus schwierigere Teil.
Sicher, es nützt überhaupt nichts wenn man in der Verganenheit verharrt, aber es ist doch dringend notwendig den Ursprung zu erkennen. Wie sonst könnte man etwas ändern?

Bei mir kommt noch dazu dass ich `Fehlgefühle´ (so nenne ich das für mich) habe. Ich denke das es für mich auch wichtig ist legitime Gefühle meiner Mutter gegenüber zu empfinden - aber da ist nichts, keine Wut, kein Hass. Diese Gefühle sind nicht schön und sicher ist meine Mutter auch nur zu einem Teil daran Schuld was sie mir angetan hat.

Aber ich möchte gerne das es mir besser geht!
Ich möchte Gefühle empfinden die wahr und echt und angebracht sind!

Nicht Scham und Schuld für etwas worauf ich stolz sein müsste.....

Irgendwann werde ich ihr vielleicht verzeihen können - aber das wird und muss erst dann sein, wenn ich den Schaden den sie angerichtet hat ausgleichen kann.

Ich habe über lange Jahre hinweg die Schuld bei mir gesucht....es wird Zeit dass ich die Schuld dort lasse wo sie hingehört.

Ein Schritt nach dem anderen - ich würde auch gerne viel weiter sein.
Aber da wo ich heute stehe ist schon viele Schritte weiter als da wo ich war
Leben ist Bewegung

feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Greteline1 »

Naja also Hassenswert ist schon Hart oder?!Kein Mensch ist Verantwortlich für meine Situation !Natürlich besteht der Neid und Wut weil man sich auch ein gesundes glückliches Leben aber ich versuche mich an anderen Dingen zu freuen oder einfach zu HOFFEN -Aber wir sind Menschen-und werden Akzeptiert es ist eine Krankheit eine Fehlfunktion im Gehirn das ist Fakt .Dir alles Gute !!!Kleiner Tipp versuchs mal mit ner Unterstützenden Medikation
Greteline1
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Greteline1 »

Hallo Feuerfisch tut mir leid wegen Gestern!Lieben Gruß
feuerfisch
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Re: Ein Nichts

Beitrag von feuerfisch »

Hai Greteline

habe ich von hassenswert geschrieben?

"Ich denke das es für mich auch wichtig ist legitime Gefühle meiner Mutter gegenüber zu empfinden - aber da ist nichts, keine Wut, kein Hass.Diese Gefühle sind nicht schön und sicher ist meine Mutter auch nur zu einem Teil daran Schuld was sie mir angetan hat. "

Hast du eine Ahnung von meiner Geschichte?
Was oder wer gibt dir das Recht über mich zu urteilen?
Was oder wer sagt dir ob ich Medis nehme oder nicht?

Und wer um Himmels Willen sagt dir ob ich nicht auch selber Mutter bin, und vielleicht auch unter schlechtem Gewissen meinem Kind gegenüber leide?

Stell Fragen bevor du die Antworten gibst!

Sprich für dich oder diskutiere mit uns!

Aber sei nicht so abfällig einem Menschen gegenüber den du nicht kennst.

Gute Nacht

feuerfisch
.
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BeAk

Re: Ein Nichts

Beitrag von BeAk »

Liebe Greteline,

Kannst Du das Wort Sardismus definieren?

Es geht hier um weit mehr, als ein Depression.

Ich denke das Freuerfisch allen Grund hat ihre Mutter zu hassen und es wäre gut, wenn sie es nur ein bischen könnte.
BeAk

Re: Ein Nichts

Beitrag von BeAk »

Liebe Greteline,

Kannst Du das Wort Sadismus definieren?

Es geht hier um weit mehr, als ein Depression.

Ich denke das Freuerfisch allen Grund hat ihre Mutter zu hassen und es wäre gut, wenn sie es nur ein bischen könnte.
Greteline1
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Greteline1 »

Sorry wollte niemanden verärgern habe das eher aiuf meine Situation bezogen.
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Greteline1 »

Entschuldigung war verpeilt hab nur ein Teil gelesen tut mir sehr leid .Passiert nie wieder.
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Greteline1 »

Danke liones für deinen Rat!!!!
Lioness
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Re: Ein Nichts

Beitrag von Lioness »

Hey Greteline,

Du kannst Deinen Beitrag selber editieren und somit den Inhalt löschen. Klicke dazu das Icon (Blatt mit Stift) rechts neben dem Datum in der Titelzeile Deines betreffenden Postings an.

Gruß
Lioness



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