Weinen

Cyberwalk
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Weinen

Beitrag von Cyberwalk »

Liebe Leidensgenossen,

ich habe ein Problem, das mir immer mehr zusetzt.

Vor über zehn Jahren begann meine Depression. Ich kenne diese erste große Depression nur als Zeit der absoluten Leere, der inneren Starre und totalen Abstumpfung. Ich war tatsächlich gefühlstot, habe nichts gespürt, nichts spüren müssen.

Nachdem ich in den letzten drei Jahren auf einem wirklich guten Weg war, geht es nun seit einiger Zeit wieder kontinuierlich bergab.

Ich kann diesmal die Dinge, die mich runterziehen, klar benennen, aber ich kann im Moment nichts dagegen unternehmen. Ich fühle mich hilflos und tief resigniert, ich fühle mich auch verlassen. Ich bin regelmäßig beim Arzt, ich habe verschiedene ADs versucht, ich reiße mich zusammen und gehe arbeiten, aber es wird für mich immer nur schlimmer.

Das Schlimmste aber für mich: Es gibt immer häufiger Situationen, in denen ich hemmungslos weinen muss (glücklicherweise nur, wenn ich allein bin). Und das ist etwas, das ich von früher nicht kenne. Früher war ich versteinert - auch vor mir selbst und musste nicht weinen.

Heute weine ich häufig im Schlaf, aber längst nicht mehr nur im Schlaf. Ich wünschte mir oftmals so sehr jemanden, der dann meine Hand hält und mich tröstet, aber da ist niemand und ich weine allein.

Ich zerfließe nicht im Selbstmitleid, ich reiße mich wirklich oft genug zusammen, aber die Traurigkeit sitzt so tief in mir drinnen, dass sie raus muss und ich weiß nicht, wie ich ihr begenen soll, außer sie zuzulassen und demütig zu ertragen.

So geht es jetzt seit Wochen. Phasen der Traurigkeit wechseln mit Phasen der Leere und Gleichgültigkeit und ich würde gerne wissen, welche Erfahrungen und vielleicht auch Strategien einzelne von euch mit dem Weinen haben.

Für alle, die mit mir zusammen weinen möchten, setze ich den Link eines wundervoll traurigen Liedes (Aufnahme bei YouTube) dazu, das mich schon beim ersten Hören im Innersten berührt hat, ohne dass ich den Text verstand. Nun kenne ich den Text und finde ihn wunderschön. Es ist das Lied "Ne me quitte pas" von Jacques Brel.

http://www.youtube.com/watch?v=uEAGoLHMMoA
sonnenwurm
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Re: Weinen

Beitrag von sonnenwurm »

Mein lieber Cyrano!

Was mir beim Lesen deiner Worte in den Sinn kam:

Du schreibst, dass die Traurigkeit aus dir raus muss und du nicht weisst, wie du ihr begegnen sollst. Ausser sie zulassen und sie demütig zu ertragen.

Mein Gedanke: Vielleicht genügt es, sie zunächst einfach zuzulassen und sie zu betrachten. Als etwas neues, als etwas, das dich verändern wird, etwas, das sich in dir gelöst hast.

Einfach nur zulassen.

Dein Sonnenwurm
ausdemEis
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Re: Weinen

Beitrag von ausdemEis »

Lieber Cyrano,

oder sollte ich "liebe" sagen? Bin mir nicht sicher.

Deine Worte haben mich irgendwie berührt. Ich bin noch nicht so lange im "Club" der Depressiven - habe vor zwei Monaten die ersten AD genommen und denke, dass es davor schon ein paar Monate angedauert hat, genau weiß ich es nicht. Von daher trifft es mich aber immer irgendwie, wenn jemand sagt, wie viele Jahre er nun schon damit zu kämpfen hat. Dann hoffe ich immer, dass es mir nicht so gehen wird. Dir wünsche ich, dass es Dir bald wieder besser und besser geht und Du die Depression vielleicht irgendwann sogar ganz überwinden kannst!

Ich finde übrigens, dass Du Dich nicht so unter Druck setzen musst, Dich "zusammenzureissen". Mit meiner zugegebenermaßen spärlichen Erfahrung würde ich sagen, dass dies Deine Gefühlslage nur verschlimmert - so ist es jedenfalls bei mir. Lass es lieber zu bzw versuche es zu akzeptieren. Das ist schwer, aber ich merke, dass es mir manchmal sogar gelingt und mir dann auch hilft.

Mit dem Weinen habe ich vielleicht sogar schon mehr Erfahrungen gemacht als Du. Das war von Anfang an bei mir so. Ich war zwar teilweise auch gefühlslos und wie versteinert, hatte aber sehr sehr oft stundenlange Weinkrämpfe. Nächtelang. Es hat mich geschüttelt, ich habe geschwitzt, mein ganzer Körper hat geweint. Es war schrecklich. Ich konnte einfach nicht aufhören. Irgendwann versiegen dann die Tränen...

Ich weiß nicht, ob ich Dir damit helfen kann, aber ich möchte Dir sagen, dass ich nie versucht habe, die Tränen zurückzuhalten. Ich fühlte mich auch nicht in der Lage dies zu verhindern. Einigermaßen gut ging es, wenn ich unter Leuten war. Dann war ich abgelenkt. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich dann für einen Augenblick alleine war - mich irgendwie mal kurz zurückziehen und "ausruhen" wollte - und es ging wenige Sekunden später los. Verzweiflung. Tiefe Verzweiflung war das einzige Wort, dass mir in diesen Momenten in den Sinn kam.

Man wünscht sich jemanden, der in dieser Situation bei einem ist. Der einfach nur dasitzt, einen vielleicht in den Arm nimmt. Das ein oder andere Mal hat dies meine Mutter getan oder mein bester Freund. Ich wünsche Dir, dass auch Du damit nicht immer ganz alleine sein wirst. Bis es soweit ist, setz ich mich einfach in Gedanken dazu. Vielleicht ist es Dir ein kleiner Trost, wenn Du Dir vorstellst, dass es Menschen gibt, die einfach mit Dir sein würden. Auch wenn sie es leider nicht sind...

Das Lied ist sehr schön, habe die Augen geschlossen und es wirken lassen. Traurig. Aber auch beruhigend. Alles Gute Dir!

Urmel
sonneundregen

Re: Weinen

Beitrag von sonneundregen »

chimera

Re: Weinen

Beitrag von chimera »

»Ne me quitte pas« ist wunderschön, Cyrano – danke Dir dafür. Vielleicht finde ich es so wunderschön, weil es so endlos traurig, so unendlich hilflos ist – es ist, als sänge ein endlos naives Kind; ein Kind, das den Verlust der Liebe ungläubig betrauert; ein Kind, das die Gesetze der Härte und der Kälte nicht versteht. Und vielleicht finde ich es wertvoll, sich diese Ursprünglichkeit zu bewahren – und vielleicht trauere ich ebenso um den Verlust selbiger.

Weinen finde ich unglaublich befreiend; ich bin sehr glücklich darüber, es wieder zu können – es bringt mich meinem Sein näher, es distanziert mich von der Härte und Kälte und Leere, die ich als am schlimmsten empfinde. Mehr vermag ich nicht zu schreiben, trotzdem es mir (vielleicht lediglich oberflächlich) im Moment wieder gutgeht. Vielleicht kam trotzdem Mitgefühl an; ich meine, das Gefühl, das Dich zu diesem Beitrag bewegte, recht gut nachempfinden zu können.


Alles Liebe Dir – ich wünsch' mir, daß Du Deinen Schatz bewahrst...
Chimera

P.S.: Ich hab' eine enge und emotionale Verbindung zu Frankreich und der französischen Sprache; den Text werde ich mir alsbald zu Gemüte führen.
alyssa

Re: Weinen

Beitrag von alyssa »

Regenwolke
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Re: Weinen

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Cyrano,

für mich ist Weinen oft wie ein Trost. Als Kind hab ich mir abends im Bett manchmal traurige Melodien vorgesungen und wenn ich dann geweint habe, habe ich mich warm und geborgen gefühlt. Ein bißchen von diesem Gefühl ist immer noch da, wenn ich weine - etwas Trauriges, Einsames, und etwas Warmes, Tröstliches. Ich entspanne mich und merke, wie meine Verzweiflung aus mir heraus gespült wird und ich danach gereinigt bin.

"Ne me quitte pas" ist wirklich wunderschön...

Gruß,
Regenwolke
Emriye2
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Re: Weinen

Beitrag von Emriye2 »

Lieber Cyrano,
wie Du weißt bist Du mir ans Herz gewachsen, obwohl wir uns nicht kennen. Es tut mir sehr Leid um Dich, dass Du Dich auch immer noch so quälst und ich weiß, dass diese verzweifelten Heulattacken sehr schmerzlich sind, wenn man damit alleine ist.

Mir geht es leider auch immer nohc sehr schlecht, mittlerweile 7kg leicher vor lauter zugeschnürter Kehle/Magen und mir fällt es schwer Dir Mut zuzusprechen, aber für maches gibt es einfach keinen Mut.

Das Lied hat was in mir berührt, obwohl ich mich eigentlich lebendig tot fühle.

Ich halte Dir die Hand und trockne Deine Tränen, das Leben ist einfach manchmal gnadenlos brutal.

liebe Grüße

emriye
rm
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Re: Weinen

Beitrag von rm »

ja, manchmal geht es wieder... gestern ging ich spazieren und plötzlich kamen Tränen...

..ich weiß nicht genau, warum gerade da und zu diesem Zeitpunkt, aber ich spüre, daß es die gewollte Einsamkeit war, tröstend, weil ich keinem Rede und Antwort stehen mußte, mich nicht rechtfertigen brauchte, einfach der Natur nahe war...

und gleichzeitig spürte ich, daß diese Natur es wie selbstverständlich hinnehmen würde, wenn ich nicht mehr da wäre und da mischte sich dann ein wenig Trauer mit ein.. erlösend und doch traurig, manchmal vermisse ich eine Hand.. und nicht immer kann ich mich selbst halten..

und dann kam auf einmal wieder der Gedanke: ich bin ja gut aufgehoben und werde auch gehalten, wenn ich es manchmal nicht merke und habe auch eine AUFGABE/ Sinn, nämlich zu versuchen, sorgsam mit mir, meinen Nahen und Nächsten und auch achtsam mit all denen umzugehen, die sich vielleicht nicht (mehr) so gut wehren können...

..eigentlich ein weites Feld für mich...

..als ich da so spazieren ging, kamen die Tränen und ich denke, sie haben ihren guten Sinn und sie helfen, daß Neues wachsen kann und darum schäme ich mich auch nicht, sondern bin glücklich, mal wieder weinen zu können.

Euch liebe Grüße von mir, Reinhart
Weltenwandlerin
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Re: Weinen

Beitrag von Weltenwandlerin »

Lieber Cyrano!

Nach dem du deinen "schützenden" Panzer nun los bist, liegst du quasi nackt auf der weiten, kahlen Ebene und die Steine piksen, und die Sonne brennt und der Regen tut auch weh. Alles tut weh.

Zum Glück, du leeeeebst! Wieder. Es wird irgendwann besser werden, ganz bestimmt. Deine Haut wird wieder dicker werden, aber hoffentlich kein Panzer mehr. Du hast glaube ich einen riesen Schritt gemacht.

Etwas ähnlich geht es mir auch seit ein par Monaten. Ich leide manchmal ziemlich, bin sehr erschöpft. Erkenntnisse schlagen gerade ein wie Meteore und hinterlassen riesige Krater in meiner löchrigen Kinderseele. Aber es ist gut, es waren eh nur Flicken, die nicht passten. Und nun kommt Luft ran, endlich.

Meine Thera sagte, ich werde langsam heil. Es ist ganz wunderbar, aber auch erschreckend. Ich habe so lange "geschlafen".

Alles Liebe,eine feste, hoffentlich Trost-spendene Umarmung,
blumige Grüße von Dornröschen
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Cyberwalk
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Re: Weinen

Beitrag von Cyberwalk »

Liebe Mitleser,

ich habe diesen Thread über das Weinen vorgestern Abend eröffnet und mich anschließend 2 Stunden sinnlos im Fitnesskeller ausgepowert, dann zitternd die Antworten gelesen und konnte dann selbst nicht mehr antworten, weil ich zu gerührt war.

Gestern bin ich nach der Arbeit ins Bett gefallen und so antworte ich nun verspätet und sicher nicht so, wie es jede einzelne Rückmeldung verdient hätte. Alle Antworten haben mich berührt, mich auch getröstet und mir geholfen.


Lieber Sonnenwurm,

es tut unglaublich gut, dich an meiner Seite zu wissen. Du hast im Grunde Recht. Es ist wichtig und ein großer Fortschritt, dass ich endlich die Trauer zulassen kann. Ich will nur nicht, dass es ein Dauerzustand wird, der in noch größere Verbitterung umschlägt. Es hat sich etwas gelöst und es war befreiend, aber im Moment empfinde ich die Traurigkeit als lähmend.


Liebes Urmel (was für ein süßes Wesen!),

vielen Dank für deine lieben Wünsche. Ich bin übrigens ein "Er". Ich finde sehr gut, dass du frühzeitig etwas gegen die Depression unternimmst, denn ich bin sicher, dass man auch diese Krankheit "verschleppen" und eine Behandlung entsprechend schwieriger machen kann.

Du schreibst von stundenlangen Weinkrämpfen - das ist für mich eine schreckliche Vorstellung. Früher dachte ich, dass es diejenigen besser haben, die weinen können, aber heute weiß ich, wie weh es tut. Bei mir dauert es meist nur so 15 Minuten, dann kann ich mich wieder fangen. Im Schlaf finde ich es besonders schlimm, wenn man morgens weinend aufwacht und im Grunde nicht weiß, warum.

Ich denke oft, dass es nie jemanden gab, er mich getröstet hat, aber wenn ich ehrlich bin, hat das wahrscheinlich auch damit zu tun, dass ich (aus Stolz oder Trotz) nie wirklich Trost zugelassen habe.


Liebe sonneundregen,

ich bin ein Mensch, der mit seinen Erfahrungen, seiner Lebenssituation, aber auch seinen Ansichten und Einstellungen andere zum Weinen gebracht hat, ohne zu wissen, warum und der selbst nie weinte und sicher war, niemals zu weinen. Ich kann dir versichern: Irgendwann wird es soweit sein. Vielleicht kommt sogar zuerst das Lachen zurück.

Du liegst übrigens 100%ig richtig. Es ist die Sehnsucht, ich fühle mich unendlich einsam, ich möchte jemandem etwas bedeuten.

Ich habe kürzlich einen mir nahen Menschen um eine ehrliche Einschätzung meiner Person gebeten. Das Ergebnis: ich bin intelligent, ehrlich, höflich, respektvoll, einfühlsam, poetisch, witzig, originell, hilfsbereit....alles eben, nur nicht: liebenswert, nett, sympathisch. Der Satz hätte mir gereicht, der Satz hat mir gefehlt: Du bist ein lieber Mensch.


Lieber chimera,

deine Antwort hat mich besonders berührt und es fällt mir besonders schwer dir zu antworten, weil ich das Gefühl (die Ahnung) habe, dass uns irgendetwas verbindet.

Es gibt wenige Dinge, die mich unmittelbar aufhorchen lassen, der erste Beitrag, den ich vor Monaten von dir gelesen habe, war so ein "Ding". seitdem schleiche ich etwas ängstlich um deine Beiträge rum (weil sie mich aufwühlen könnten).

Ich kann deshalb völlig daneben liegen, aber ich ahne bei dir enormes Talent, eine hohe Emotionalität, die besondere Gabe, andere unmittelbar und tief zu berühren, aber wahrscheinlich eben auch eine korrespondierende tiefe Einsamkeit, Verschlossenheit, Verletztheit. Alles Dinge, die man mir zuschreibt, die ich nicht sehen kann, die ich nicht spüren kann, die ich (noch) nicht in etwas Lebenstaugliches verwandeln kann.

Vielleicht ist der Schlüssel diese enorme Emotionalität, dieser ungestillte Durst nach Zuwendung, der anderen nicht zugemutet werden kann, der letztlich immer wieder zum Kampf gegen sich und die Welt führt. Immerhin werden die Kräfte im Laufe der Zeit schwächer und vielleicht schafft die Erschöpfung, was die Vernunft nicht geschafft hat.

Ich empfinde das Lied ähnlich wie du und deshalb geht es mir nahe. Wegen dieser ehrlichen, der erschütternden Naivität, die in der Welt kein gutes (glückliches) Ende finden kann. Ich bin mal intelligent, kühl, überlegt, kontrolliert, dabei schlagfertig und produktiv und dann wahrscheinlich unnahbar. Und ich bin mal unendlich naiv, unsicher, klein, allein, suchend, fragend, bittend.

Ich bin sicher, dass du (einiges) verstehst, das macht es mir unheimlich.


Liebe Wolke,

deine geschilderte Erfahrung macht mich ein bisschen traurig. Sicher hat Weinen auch etwas Befreiendes, aber im Moment des Weinens ist es doch eigentlich gerade der Trost, der fehlt und der so dringend gesucht wird. Wenn ich es richtig verstehe, hast du dich selbst getröstet (trösten müssen?) und diese Vorstellung finde ich traurig. Ich wünsche dir so sehr, dass du wenig weinen musst und dann immer getröstet wirst.


Liebe Emriye,

was kann ich dir sagen? Allein deinen Namen zu lesen, tut mir immer sehr gut, weil ich weiß, was für ein lieber Mensch du bist.

Es tut mir so leid, wenn ich lese, wie schlecht es dir geht und ich kenne diesen Zustand ja selbst so gut. Ich weiß, dass einen dann nicht viel erreicht. Ich halte trotzdem auch deine Hand und denke an dich. Es wird besser werden, für uns beide, ganz sicher.


Lieber Reinhart,

vielen Dank für deine Schilderung. Ich finde sie sehr schön und kann sie sehr gut nachempfinden. Ich wünsche dir von Herzen das, was ich mir auch selbst wünsche: Dass neben das Weinen auch wieder unbeschwerte Freude und Lachen und alle anderen Gefühle gleichberechtigt treten werden.


Liebe Mika,

du schreibst sehr richtige Worte. Du findest immer sehr schöne Bilder für die Dinge, die sich entwickeln und diese Bilder können auch sehr gut trösten.

Das Bild von der Kinderseele spricht mich sehr an. So fühle ich mich. Klein, verletzlich, unreif. Ich möchte mich immer öfter wieder lange schlafen legen, weil ich mich überfordert fühle.

Du schreibst lebendig und anschaulich, bist in Bewegung und ich glaube, dein Dornröschenschlaf ist schon lange vorbei.


Vielen Dank und alles Liebe euch allen
alyssa

Re: Weinen

Beitrag von alyssa »

Cyberwalk
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Re: Weinen

Beitrag von Cyberwalk »

Liebe alyssa,

die Welt ist voller Missverständnisse.

Um ehrlich zu sein, habe ich gedacht, dass sich dein Beitrag direkt an chimera wendet. Ich hatte angenommen, Ihr seid euch aus einem anderen Thread vertraut und du antwortest ihm unmittelbar mit einem lieben Gruß.

Ich hoffe, du bist mir nicht böse. In diesem Sinne pardon, merci und moi, je t'aime aussi!
rm
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Re: Weinen

Beitrag von rm »

Lieber Cyrano,

ich bin berührt von Deiner Antwort an alle hier... da spricht ein Mensch aus Dir, der in wenigen Worten viel über sich preisgibt und auch viel Wärme und Nähe transportiert und: anscheinend VERTRAUT ...

..Vertrauen will ich gerade wieder lernen und bin auf dem Weg... Lachen kann ich schon wieder besser, meist jedoch über mich selbst..

Naiv im Sinne von einfach bin ich ab und zu und finde das auch gut und richtig, naiv im Sinne von ZU gutgläubig finde ich zwar weniger gut in meiner momentan labilen Situation, hat aber wohl auch seinen Sinn...

..nämlich sich selbst besser kennenzulernen, sich langsam heranzutasten an Situationen, die einen verletzt hatten und verstehen lernen, in der Zukunft besser damit umzugehen..

das 'sich selbst kennenlernen' braucht Begleitung und deshalb bin ich auch gern u.a. hier im Forum und ich weiß, hier überwiegend verstanden zu werden. Das tut mir gut. Vor allem, wenn ich gewiß sein kann, evtl.bei überschrittenen Grenzen wieder einen Schritt zurücktreten zu können, ohne daß es mir oder anderen die Sprache verschlägt.

Danke nochmals für Deine Antwort und schicke Dir Sonne aus dem bayrischen Nizza, das ich jetzt mit Emma erkunden werde. Lieben Gruß von mir, Reinhart (auch an Emriye, Alyssa u. überhaupt alle hier)
Marie55
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Re: Weinen

Beitrag von Marie55 »

Lieber Cyrano,

ich bin seit langer Zeit mal wieder hier im Forum. Als ich Deinen Beitrag gelesen habe, war ich schon sehr traurig. Ich hatte immer gehofft, dass es Dir besser geht. Ich kann Dir leider nichts hilfreiches zu Deinem Beitrag schreiben, denn ich habe das Problem, dass ich seit ca. 9 Monaten garnicht mehr weinen und lachen kann.Früher hat mir das Weinen den Druck von der Seele genommen und mich dazu gebracht nachzudenken. Das fehlt mir schon sehr. Aber ich hatte auch mal eine kurze Zeit, in der ich so anfällig war, das jemand nur ein falschen Wort sagte und die Tränen sind gekullert. Das war mir dann doch oft sehr peinlich.
Ich wünsche Dir von ganzem Herzen, dass es Dir schon bald besser geht und Du nicht mehr allein bist.
Liebe Grüße
himmelblau
Weltenwandlerin
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Re: Weinen

Beitrag von Weltenwandlerin »

Lieber Cyrano,

vielen Dank für die Blumen! Jetzt hast du uns allen so ein schönes Feedback gegeben, aber wo bist DU dabei? Was kannst du gut? Was hast du schon alles geschafft? Wie geht es dir?

Liebe Grüße,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
ausdemEis
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Re: Weinen

Beitrag von ausdemEis »

...Cyrano powert sich vermutlich gerade wieder aus um dann festzustellen, dass er wieder eine Menge freundlicher Antworten bekommen hat


Lieber Cyrano,

Ich fand Deine Antwort an uns alle sehr einfühlsam und persönlich. Wirklich, ich glaube, dass Du ein tiefgründiger Mensch bist, der Stimmungen und Gefühle anderer sehr sensibel erfassen kannst. Mag sein, dass ich mich täusche, schließlich sind geschriebene Worte oft anders als die Wirklichkeit, aber es würde mich schon wundern, wenn ich mich irre.

Wenn Du Dich selber auch mit dieser Sensibilität betrachten kannst, dann glaube ich, dass Du Dich aus Deiner beklemmenden und bedrückenden Lage befreien kannst. Leider sagst Du, Du leidest schon seit Jahren. Das tut mir wirklich sehr leid.

Ich möchte Dich weder verletzen, noch Dir zu nahe treten, aber ist es möglich, dass Du die Depression in gewisser Weise für Dich "nutzt"? Bitte verstehe das nicht falsch. Ich kann mir vorstellen, dass es Momente gibt, in denen die Depression ein gutes... wie soll ich sagen... "Versteck vor der Welt" ist? Dass man sie manchmal gar nicht überwinden will, weil sie manche Dinge auch einfacher macht. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ich aus irgendeinem Grund eine Verabredung oder irgendetwas Versprochenes vergessen habe oder keine Lust dazu, dann ist es ein leichtes zu sagen "Du, es geht mir heute nicht gut." - und damit verstecke ich mich davor, mir und anderen einen Fehler einzugestehen.

Ich wiederhole mich, aber bitte verstehe das nicht falsch. Ich möchte Dir nichts unterstellen. Aber ich kann und will nicht verstehen, und auch nicht akzeptieren, dass Menschen wie Du, die ich sympathisch und einfühlsam finde, so lange unter dieser Krankheit leiden müssen. Die Depression macht mich oft gleichgültig, aber manche Dinge daran machen mich einfach nur wütend.

Viele Grüße vom süssen Urmel-Wesen
Cyberwalk
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Re: Weinen

Beitrag von Cyberwalk »

Liebe Mitleser,

ich lasse mir mit dem Antworten leider sehr viel Zeit. Zum einen fühle ich mich ziemlich leer und jeder Satz fällt mir schwer, zum anderen versuche ich, die Zeit neben der Arbeit mit stupiden Aktivitäten totzukriegen, um nicht nachdenken, um nicht hinschauen zu müssen.

Ich stopfe mich voll, um anschließend stundenlang wieder alles abzutrainieren, ich nehme Schlatabletten, um den fehlenden Schlaf der Woche nachholen zu können und laufe entsprechend benommen durch die Gegend.


Lieber Reinhart,

danke dir für deine netten Worte. Ich schreibe relativ offen, weil ich denke, dass viele Depressive ja seelisches Leid, die Einsamkeit, das Gefühl des Verlassenseins kennen und das Forum ja zudem ziemlich anonym ist. Du schreibst, du denkst, ich würde vertrauen. Ich habe noch nicht so recht darüber nachgedacht, aber das hat mich die Depression vielleicht tatsächlich gelehrt: Dass viele Menschen gut gesinnt und grundsätzlich hilfsbereit sind, auch wenn niemand die unendliche Sehnsucht und Leere stillen kann, die ich empfinde. Ich muss (erneut) lernen, dieses große Mangegefühl zu relativieren und wieder auf den Boden kommen.

Ich nehme an, dass Emma dein Hund ist. Ich hatte lange Zeit Angst vor Hunden. Eine Arbeitskollegin bringt ab und zu eine Hündin mit ins Büro, die auch etwas scheu ist und sofort mich als Spezi ausgesucht hat. Da war ich baff und gerührt. Liebe Grüße nach Aschaffenburg euch beiden aus dem Revier!


Meine liebe himmelblau!

Ein halbes Jahr habe ich nichts von dir gelesen und ich habe mich oft gefragt, wie es dir wohl geht. Ich hatte immer gehofft, dass du einen Weg aus der schwierigen Situation gefunden hast, aber ich hatte befürchtet, dass du nicht genügend Hilfe findest. Ich nehme an, dass sich die Umstände von damals nicht geändert haben und die Depression dich entsprechend gefangen hält? Ich würde mich freuen, kurz zu hören, wie es dir konkret geht. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute und denke an dich.


Liebe Mika,

danke für die Nachfragen.

Wie es mir geht? Nicht sehr gut. Ich bin jetzt seit einigen Tagen nicht mehr traurig, die Depression kommt wieder durch. Ich bin einfach so ratlos und enttäuscht (über mich selbst), dass ich eine kleine emotionale Auszeit brauche, um die Arbeit wenigstens zu schaffen. Bald habe ich zwei Wochen Urlaub, da werde ich versuchen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Was ich gut kann? Leider nicht sehr viel. Ich kann zuhören; wenn es mir gut geht, kann ich andere viel zum Lachen bringen; ich kann Dige schön reden (deshalb arbeite ich im Marketing): Und: Ich kann verzichten. Wenn ich etwas gelernt habe im Leben, dann ist es das Verzichten.

Was ich geschafft habe? Auch nicht sehr viel. Ich habe vor über zehn Jahren mal über 50 Kilo abgenommen und das Gewicht bis heute gehalten. Und ich habe eine daraus resultierende Essstörung mittlerweile besiegt.

Was ich nicht kann: emotionale Bindungen zu Menschen aufbauen und halten. Was ich nicht geschafft habe: Anschluss und einen Platz in der Welt zu finden.


Liebes Königsurmeli!

Ich höre oft, dass ich sensibel wirke. Ich selbst musste mich aufgrund besonderer Umstände früh gegen viele Anfeindungen wehren und musste immer auf mögliche Angriffe achten (und demzufolge andere Menschen in ihren Stimmungen beobachten). Dazu kommt, dass meine Schwester noch schwächer war als ich und ich immer ein Auge auf Schwächere und Unterdrückte habe.

Leider steht dieser großen Sensibilität auch eine entsprechend große Kälte, Leere, Enttäuschung, Desillusionierung gegnüber.

Ich kenne die Gefahr, sich der Depression zu ergeben und sie für sich zu nutzen sehr gut. Gerade deshalb habe ich in den letzten Monaten (Jahren) enorm gekämpft und wirklich viel versucht. Es ging mir zum ersten Mal seit Jahren eine Zeitlang richtig gut. Ich habe sicher den Fehler gemacht, mich zu sehr auf die Arbeit zu konzentrieren. Mit den Veränderungen, den Verschlechterungen dort (u.a. dem Verschwinden für mich wichtiger Bezugspersonen) geht es jetzt bergab. Aber du hast Recht. Ich darf mich der Depression nicht ergeben, gerade weil ich den Mechanismus ja kenne. Beim abschließenden Lesen meiner Antworten hier fällt mir übrigens grad selbst auf, wie negativ und wehleidig sie zum Teil sind. Das krieg ich heute abend leider nicht besser hin, aber es gibt mir zu denken.


Euch allen vielen Dank und liebe Grüße
ausdemEis
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Re: Weinen

Beitrag von ausdemEis »

Da schreibt er wieder


Lieber Cyrano,

ich habe mich schon auf Deine Antwort gefreut! Ja, Du hast Recht, Du klingst wirklich sehr negativ. Aber das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Du wieder angefangen zu schreiben. Du scheinst das Forum ja schon länger zu kennen.

Ich glaube, es tut wirklich jedem gut, hier zu schreiben. Und wenn es halt negativ ist - na und? Besser so, als mit niemandem reden. Und mir fällt es oft leichter, erstmal was zu schreiben, bevor ich vielleicht einen Freund einweihe.

<i>"Das krieg ich heute abend leider nicht besser hin, aber es gibt mir zu denken."</i>
--> Ist doch super! (Da kommt das altkluge Urmel mal wieder mit seinem spärlichen Halbwissen daher.. ) Ich hatte bisher einen einzigen Termin bei einem Therapeuten. Aber: Selbst dieses erste Gespräch hat mich derart zum Nachdenken gebracht, dass ich seither kaum erwarten kann, wieder dorthin zu gehen. Und auch wenn ich zurzeit Nachdenken oft mit Grübeln gleichsetzen muss, hat es doch irgendwie etwas Gutes. Man versucht (bzw. ich versuche), die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. "Walk around in someone else's shoes!" Das hat mein Englischlehrer immer gesagt - ich glaube, der Mann hat Ahnung

Viele Grüße!
Urmel
Clown
Beiträge: 4328
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Kontaktdaten:

Re: Weinen

Beitrag von Clown »

Ne me quitte pas

Habt ihr ihn angeschaut, in dem Link von Cyrano? Ich könnte heulen, wenn ich ihn das Lied singen sehe.

Eine glückliche Kindheit soll er gehabt haben, laut Wiki?
Kettenraucher, mit 49 an Lungenkrebs gestorben.

Ne me quitte pas.
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
alyssa

Re: Weinen

Beitrag von alyssa »

Ich konnte heute schon weinen und finde es klasse. Das zeigt mir, dass die sogenannte "Dame in schwarz" nun geht. Meinetwegen auch gerne friedlich.
Weltenwandlerin
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Re: Weinen

Beitrag von Weltenwandlerin »

Lieber Cyrano,

bitte für die Nachfragen. Gern geschehen! Hier geht es doch schließlich eigentlich um dich, oder?

Ist es vielleicht das, Cyrano? Das du mehr bei den anderen bist, als bei dir und deinen Bedürfnissen?

Es tut mir leid, dass die Depression wieder da ist. Wenn ich dich richtig verstanden habe, bist du erst traurig und dann depressiv, was offenbar keine Traurigkeit mehr beinhaltet bei dir? Wie kommt es dazu, was ist passiert, dass du nun nicht mehr traurig bist? War es zuviel? Darfst du nicht traurig sein?

Zwei Wochen Urlaub- das klingt gut. Ich hoffe, dass du die Zeit gut für dich nutzen kannst!

Also, was deine Ressourcen anbelangt...Das ist doch schon mal was. Du kannst gut zu anderen sein- jetzt fehlt nur noch, dass du gut zu dir selber bist. Das kann man üben, wirklich! Ich bin auch gerade dabei und freue mich über jeden Schritt, den ich mache.

Die Dinge "schön reden" empfinde ich nicht als negativ, sondern auch als eine Gabe. Wenn die Situation komplex-auswegslos erscheint, kann es die letzte Rettung sein, sie so umzudeuten, dass es sich wieder gut anfühlt. Aber auch hier wieder: nicht nur bei anderen, sondern auch bei dir selbst geht das! Und das hat nichts mit Schönrednerei zu tun, sondern damit, es sich nicht schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist, finde ich.

Du sehnst dich nach Nähe und stabilen Beziehungen, wunderbar! Diese Sehnsucht ist sehr wertvoll, sie kann dein Motor werden. Sie hat viel mit dem Leben zu tun. Auch hier scheint es aber so zu sein, dass zunächst einmal die Beziehung zu DIR selbst eine große Rolle spielt. Und dann, wenn sie stabiler und liebevoller wird, ändern sich auch die Dinge entsprechend der Resonanz außerhalb von dir, lieber Cyrano. Kannst du dich trauen, dich selbst zu umarmen?

Liebe Grüße von einer Übenden,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Marie55
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Re: Weinen

Beitrag von Marie55 »

Mein lieber Cyrano,

danke für Deine netten Worte. Hätte Dir schon längst geantwortet, doch ich bin von Montag-Freitag unterwegs. Mir ging es bis März wirklich sehr schlecht, trotz regelmässiger Therapiestunden.Seit April habe ich wieder Arbeit. Ich sollte glücklich sein, habe es auch versucht, und dabei wieder Alles andere verdrängt. Ich habe täglich gespürt, dass ich immer mehr abrutsche. Habe leider auch nicht die Kraft etwas zu ändern. Vorige Woche hatte ich zweimal auf der Autobahn eine Panikattacke. Mein Doc wollte mich krank schreiben, doch das geht auf keinen Fall.
Ich hatte doch mal zum Thema "nie mehr lachen" geschrieben. Heute könnte ich einen Thread eröffnen " nie mehr lachen und weinen". Ich mache nun seit 18 Monaten eine Therapie, doch mittlerweile glaube ich nicht mehr daran, dass es mir irgendwann wieder gut geht.
Lieber Cyrano und Mitleser entschuldigt bitte, dass ich schon wieder irgendwie zu viel geschrieben habe, was vielleicht niemanden interessiert. Ich sollte eben besser nicht schreiben.

Liebe Grüsse
himmelblau
Cyberwalk
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Re: Weinen

Beitrag von Cyberwalk »

Liebe Mika,

im Moment hab' ich das Gefühl, dass sich die ganze (reale) Welt von mir abwendet und deshalb tun deine Nachfragen wirklich gut.

Ich achte sicher schon viel mehr auf mich als früher. Ich hatte zwischenzeitlich wirklich gelernt, mich anzunehmen und auf andere zuzugehen. Eine Zeitlang ging es mir sehr gut.

Der Mensch hat ja sehr viele Bedürfnisse. Ich versuche gut für mich zu sorgen, aber mir fehlen immer noch einige elementare Dinge. Ich habe nicht das Gefühl, irgendwo richtig dazuzugehören, ich bin nach wie vor ein Einzelgänger. Ich habe kein klares Bild davon, wer ich bin, wer ich sein soll, was mir Halt geben kann (außer der täglichen Arbeit). Und: mein größter Mangel ist die fehlende Zuwendung, daran führt kein Weg vorbei.

Du hast es völlig richtig verstanden: (meine) Depression ist keine Traurigkeit, meine Depression ist immer eine Phase der Gefühlsstarre. Ich gucke dann versteinert, nicht traurig, sondern leer, tief resigniert, fast feindselig. Im Moment kann ich nicht traurig sein.

Die zwei Wochen Urlaub, die vor mir liegen, machen mir etwas Angst, denn wie es aussieht, werde ich die (gegenwärtige) Resignation nicht aus eigener Kraft überwinden können. Ich nehme mir aber schon Sachen vor, die ich unternehmen kann, vielleicht wird es mich etwas ablenken.

Gut zu sich selbst zu sein, halte ich mittlerweile auch für ganz wichtig. Ich habe es oft gehört, lange nicht verstanden, dann versucht, geübt, praktiziert und es hat geholfen. Es ging mir eine Zeitlang sehr gut.

Im Moment ist da vor allem die Gefahr eines wachsenden Selbsthasses und der alten Tendenz zur Selbstverletzung, um die Zurückweisung durch andere nicht zu spüren. Zum Glück kenne ich heute die Mechanismen und kann Vernunft annehmen.

Ich danke dir nochmal für deine Anteilnahme und hoffe, du nimmst meine finsteren Worte nicht übel. Für mich wird auch wieder die Sonne scheinen.


Liebe himmelblau,

ich danke dir aufrichtig, dass du geantwortet hast. Ich kann dir nur ehrlichen Herzens sagen, dass mich deine Situation immer sehr bewegt hat.

Es freut mich, dass du eine Arbeit gefunden hast, aber die Arbeit ist ja nur ein Teil des Lebens und sie darf nie eine Flucht sein. Wenn die übrige Lebenssituation voller Probleme ist, kann man sich ja gar nicht richtig auf die Arbeit konzentrieren oder gar freuen. Hast du wenigstens nette Kollegen und eine interessante Beschäftigung? Ich fürchte, du kriegst gar nicht viel mit und versuchst, zu funktionieren?

Liebe himmelblau, die Panikattacken sind sehr ernste Warnzeichen. Dein Körper wird sich melden, wenn du dich nicht schonst. Wenn niemand auf deine Seele achtet und du die Kraft nicht hast, wirst du vielleicht irgendwann zusammenbrechen. Bitte schildere deinem Arzt so eindringlich es dir möglich ist, dass du mehr Hilfe brauchst.

Sag ihm, dass die Therapie nicht wirklich hilft, dass du nichts empfinden kannst, sich deine Situation verschlimmert, Panikattacken hinzukommen und eine kurzfristige Krankschreibung nicht weiterhilft. Es muss sich grundsätzlich etwas ändern.

Ich möchte dir noch eine Rückmeldung geben. Du hast wenig - nicht zuviel - geschrieben, was du schreibst, interessiert mich nicht nur, es berührt mich und ich glaube, ich kann ahnen, wie es dir geht. Ich kenne das "Gefühl", lebendig versteinert zu sein, nichts empfinden zu können, nichts mehr vom Lachen, nichts vom Weinen zu wissen und das Leben nur noch zu ertragen. Gerade deshalb weiß ich auch, wie unglaublich schwer es ist, da raus zu kommen, aber glaube mir: Es gibt Wege da raus, ich habe es einmal geschafft und werde es wieder versuchen.

Alles Liebe



Ich möchte zum Schluss noch die deutsche Übersetzung einiger weniger Zeilen aus "ne me quitte pas" anfügen, die mich seit einiger Zeit begleiten.

Verlass mich nicht...
Schau, ich schenke dir Perlen aus Regen
aus einem Land, in dem es nie regnet.
Ich werde die Erde umgraben
noch bis nach meinem Tod,
um dich mit Gold und Licht zu bedecken.
Ich werde ein Reich schaffen,
in dem die Liebe regiert,
in dem die Liebe Gesetz ist,
in dem du die Königin bist.
Ich werde dir die Geschichte des toten Königs erzählen,
der starb, weil er dich nicht fand.
Verlass mich nicht.
bigfish
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Registriert: 6. Jun 2007, 10:09

Re: Weinen

Beitrag von bigfish »

Lieber Cyrano,

ich bin relativ neu hier und kenne dich nicht, aber was du hier geschrieben hast, hat mich -einschließlich des Liedes von J. Brel- sehr bewegt. Weinen ist etwas sehr heilsames, sofern mal es zulässt und sich selbst dabei im Arm halten kann. Ich glaube daran, dass es möglich ist, die angestaute Verzweiflung und Traurigkeit herausfließen zu lassen und sich dadurch zu befreien. Vielleicht ist es sogar der einzige Weg, der wirklich aus der Depression herausführt.
Ich wurde schon als kleines Mädchen immer dafür gelobt, wie tapfer ich doch sei. Das war auch so ziemlich die einzige "positive" Eigenschaft, derer ich mir sicher war und auf die ich stolz war. Ich konnte auch lange Zeit überhaupt nicht weinen. Umso befreiender finde ich es jetzt, wenn die Tränen fließen. Auch wenn es höllisch wehtut.
In diesem Sinne gratuliere ich dir zu deinen Tränen und wünsch dir, dass sie noch nicht versiegt sind. Es ist okay zu weinen, wirklich
Du bist nicht allein.
Lieben Gruß,
Alexx
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