Schuld und Sühne

Antworten
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Liebe Foristen,

hier ist schon eine Menge Weises, Wahres und Wichtiges geschrieben worden in der letzten Zeit, das mir sehr weitergeholfen hat.

Vor allem die Threads, die sich um das Annehmen und Loslassen von Gefühlen drehten bzw. um das Loslassen generell haben mir viele Erkenntnisse und neue Anstöße gebracht.

Aber jetzt erlebe ich etwas ganz komisches: Ich lese die Threads und sie könnten genauso gut in chinesischen Schriftzeichen geschrieben sein. Die Worte dringen nicht mehr zu mir durch und auch die Erkenntnisse, die ich damals hatte, sind irgendwie nur noch ein Schatten, nichts Greifbares mehr.

Dabei könnte ich doch vor allem all die Dinge, die ich über das Loslassen gelernt habe (nicht nur theoretisch, sondern auch wirklich innerlich), gerade so gut gebrauchen!
Oder funktioniert Loslassen nur, wenn es an der Zeit dafür ist?

War es für mich zu früh, Schuldgefühle loszulassen? Aber ich habe mich wirklich ein Stückchen freier gefühlt und habe gespürt, dass ich mich irgendwann ganz frei davon machen kann.

Eine Illusion?

Denn jetzt sind die Schuldgefühle in viel größerem Ausmaß zurückgekehrt. Diese Schuld ist für mich konkret, beweisbar und nicht wegzudiskutieren. Beweis sind all die Menschen, die ich mal lieb hatte (oder immer noch lieb habe) oder die mich mal lieb hatten und die sich nun zurückziehen müssen, weil sie mich nicht mehr ertragen können.
Einige dieser Menschen kann ich auch nicht mehr ertragen, aber dass sie umgekehrt auch mit mir nichts mehr zu tun haben wollen, das tut ziemlich weh.

Aber ich kann es auch verstehen, weil ich an ihrer Stelle nicht anders gehandelt hätte. Und ich kann über mich nur den Kopf schütteln, weil ich mich selbst nicht verstehe, wie ich Leute so vor den Kopf stoßen konnte, so herablassend sein konnte, sie so demütigen konnte, sie so verletzen konnte. Es tut mir unendlich leid und nun ist es zu spät, sie um Verzeihung zu bitten, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.

Diese Schuld und dass sie mir nicht vergeben werden kann, das erlebe ich als riesiges Gewicht. Um diese Schuld loszulassen, bräuchte ich Vergebung. Aber ich selbst kann mir diese Vergebung nicht geben und ich glaube auch nicht daran, dass ich sie mir überhaupt geben kann - so funktioniert das System nämlich nicht.

Oder wird die Schuld leicht genug zum Loslassen, wenn man sühnt? Ist es nun die Sühne, das Alleinsein zu erleben und zu erleben, wie sich die Menschen von einem abwenden? Ist das ein Weg?

Ich weiß es nicht und da mir sowohl die Schuld als auch die obigen Fragen schlaflose Nächte bereiten und ich das große Bedürfnis habe, mich darüber austauschen zu können, bin ich mal endlich wieder so mutig (oder einsam), und eröffne einen Thread.

Hilflose Grüße
Chrigu
Mrs.DeepSea
Beiträge: 196
Registriert: 15. Jun 2006, 21:11

Re: Schuld und Sühne und Versöhnung

Beitrag von Mrs.DeepSea »

Liebe Chrigu,

deine Gedanken und Zweifel kenne ich nur allzu gut...
sind sie nicht auch eigentlich DAS Hauptthema der Depression?

Ich glaube, letztendlich geht es fast ausschließlich darum, ob man sich selbst etwas verzeihen kann.
Was nützt es einem, wenn ihm ein anderer verzeiht, man kann aber selbst eigentlich nicht damit leben? Und ist es nicht so, dass man nur etwas ändert, wenn man sich selbst die Frage gestellt hat: möchte ich SO weiter machen? Wird mir das wieder passieren?
Nur, wenn ICH an MIR arbeite, kann ICH etwas ändern.
Also bin ich doch mit mir selber vor "Gericht".
Und nur, wenn ich bereue, kann ich den Weg dazu überhaupt finden, etwas zu ändern.

Bleiben die Schmerzen, die damit verbunden sind...
das mit dem "mit-sich-selbst-hadern" und die Ablehnung der anderen, die nicht vergeben können/wollen, weil sie gekränkt sind (oder weil sie selbst nicht näher hinschauen können und nicht in der Lage sind, sich auch selbst kritisch zu hinterfragen oder oder oder was auch immer)

Die anderen können wir nicht ändern.
Vergangene Zeiten können wir nicht ungeschehen machen.
Loslassen scheint das einzige, was uns dann nur helfen kann...
Und das tut weh

Doch können wir entscheiden: leiden wir weiter oder machen wir uns frei?
Kämpfen wir für einen Neu-Anfang oder suchen wir uns andere Menschen, die uns auf unserem Weg begegnen und wagen dort einen unbelasteten Neu-Anfang?

Sich selbst verzeihen...
Ist es nicht so, dass wir in dem Moment immer so entscheiden und handeln, wie wir es eben in diesem Moment nicht besser tun können/wollen/wissen?

Im Nachhinein ist man immer schlauer...
Oh ja.. meine Güte, was habe ich für 'Fehler' gemacht, wen habe ich nicht alles schon vor den Kopf geschlagen... und meine jetzige Situation schreit nur so laut wie es schreien kann nach "LASS-LOS" und "HADERE-NICHT" und "STOßE-DEN-ANDEREN-NICHT-SO-VOR-DEN-KOPF"...
Ich mache es mir - weiß Gott - nicht leicht, in dem ich sage, dass ich eben im Moment es nicht besser weiß, dass ich eben im Moment nicht die nötige Kraft aufbringe, etwas zu ändern.
Aber es ist so.

Ich kann nur an mir arbeiten.
Für mich sorgen.
Und versuchen, in Bewegung zu bleiben.
Nicht in der Depression verfallen - und unglücklich darüber sein, dass die jeweilige Situation so fatal ist.
Ich darf nicht aufhören, daran zu glauben, dass ICH einen Weg finde. AKTIV!

Und jede aktive Entscheidung heißt:
Etwas muss enden und etwas wird weiter gelebt/ausgebaut.
Ich muss loslassen und gleichzeitig mutig etwas anpacken.

Das Wichtigste ist doch:
KANNST DU DIR IN DEN SPIEGEL SCHAUEN?
Erkennst du dich in deinen Taten und Entscheidungen?

DU und DEIN Spiegel - auf mehr kommt es nicht an.
Und wenn du mit dir im Reinen bist,
dann können vergangene Menschen dir wieder begegnen oder wenn sie nicht wollen, dann können sie auch weg bleiben.

Du hast diese Leichtigkeit schon gespürt in deinem Leben?
Versuche dieses Gefühl in Erinnerung zu rufen.
Es muss herrlich sein

Ich selber war bisher nur ganz nahe dran an diesem Gefühl....
aber ich glaube daran, dass es der einzige Weg ist.
Und so gesund!!!

Ganz liebe Grüße an dich -
ich habe zu viel geschrieben... eine Abart von mir.
Wollte dich nicht damit erschlagen.
Aber "ich kann eben nicht anders"

Claudi
Kiesch
Beiträge: 154
Registriert: 16. Sep 2006, 19:13

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Kiesch »

Meine liebe Chrigu,

ich frage mich gerade, wer dir diese Schuld zugewiesen hat.
Jemand anderes, oder du selber?
Hat wirklich jemand gesagt "DU BIST SCHULD"????

Bei mir gibt es dabei 2 Seiten, einmal die Schuldzuweisung meiner Eltern, mit der ich aber ganz gut leben kann, denn heute weis ich: ICH WAR KIND UND HATTE KEINE SCHULD.

Dann sind da aber noch ganz andere Dinge in meinem Leben, deren Schuldzuweisung ich mir selber zulaste.
Es sind Kleinigkeiten und auch ganz grosse Dinge. Zeitweise kann ich "LOSLASSEN", aber wenn`s mir eben nicht so gut geht, ist all das wieder da.
Habe noch nie daran gedacht daran ernsthaft zu Arbeiten, weil ich mich mit meinem Leben oft genug bestraft fühle.

Vielleicht würden aber auch meine Strafen milder ausfallen, wenn ich diese Schuld loslassen könnte.

Dafür Sühnen kann ich nicht, weil ich es oft einfach nicht verstehe.

Denke ich kann dir damit nicht weiterhelfen, deswegen meine Frage woher die Schuld kommt.

LG skippie
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Liebe Claudi,

danke für Deine lange Antwort, die Länge ist für mich kein Problem, außerdem gehöre ich auch nicht gerade zu den Kurztextern.

>letztendlich geht es fast ausschließlich darum, ob man sich selbst etwas verzeihen kann.
Da hast Du sicherlich recht. Da ich mir aber selbst (noch?) nicht verzeihen kann, suche ich die Vergebung bei anderen. Dass ich sie dort nicht bekomme, bestätigt aus meiner Perspektive natürlich nur die Berechtigung der Schuldgefühle.

>Und nur, wenn ich bereue, kann ich den Weg dazu überhaupt finden, etwas zu ändern.
Auch hier gebe ich Dir recht. Aber Schuld und Reue über diese Schuld geben mir keine Perspektive mehr auf den Weg hin zur Änderung. Sie lähmen mich. Sie lähmen mich sogar so konkret, dass ich mich auf dem Fußboden meiner Wohnung wiederfinde, unfähig, mich zu bewegen.

>Vergangene Zeiten können wir nicht ungeschehen machen.
Und damit hadere ich wohl am allermeisten. Ich fühle mich so wie ein Kind, das bei etwas ertappt wurde, was es nicht darf: Brennendes Gesicht, das Gefühl, nie wieder geliebt zu werden und den sehnlichsten Wunsch, alles wieder rückgängig machen zu können.

Eigentlich sollte ich demütig die Konsequenzen tragen, weil es eben nicht rückgängig zu machen ist und ich ich bin und war und selbst gehandelt habe. Aber auch das kann ich nicht. Es tut einfach zu weh. Es tut so weh, dass ich mich hier auch hinter kryptischen Worten verstecke und längst nicht alles preisgeben kann, was in mir brodelt und droht.

>Ist es nicht so, dass wir in dem Moment immer so entscheiden und handeln, wie wir es eben in diesem Moment nicht besser tun können/wollen/wissen?
Nein, leider nicht. Ich habe wider besseren Wissens gehandelt, weil ich mich nämlich schon total in meinem Lügennetz verstrickt hatte und noch weitere Lügen notwendig waren, damit ich mein Gesicht wahren und meine Fassade aufrecht halten kann. Dabei wusste ich, dass man mich nur ohne Fassade wahrhaftig sehen und annehmen kann. Ich habe gesehen, dass andere unter meinem Handeln leiden, aber ich habe nur an mich gedacht.

>KANNST DU DIR IN DEN SPIEGEL SCHAUEN?
>Erkennst du dich in deinen Taten und Entscheidungen?
Beide Male nein. Ich kann immer weniger in den Spiegel schauen. Und ich erkenne etwas in den Taten und Entscheidungen, was ich vielleicht mal war, was ich aber um nichts in der Welt sein möchte, weil es auch mir so sehr schadet. Weil es mir in jeglicher Hinsicht den Boden unter den Füßen wegzieht.


Liebe Skippie,

>ich frage mich gerade, wer dir diese Schuld zugewiesen hat. Jemand anderes, oder du selber?
Das ist eine gute und wichtige Frage. Und ich weiß es nicht! Vielleicht hat man mir erst die Schuld zugewiesen und ich habe sie dann "angenommen". Aber ich bin mir wirklich nicht sicher. Ich glaube, dass ich einfach nach und nach erkannt habe, dass ich schuldig bin, weil Leute mir Grenzen aufgezeigt haben, mir gezeigt haben, dass ich ihnen weh tue und schade.
Ich habe auch erkannt, dass ich einfach viel verdrängt habe, um weiterhin normal und unbeschwert durchs Leben laufen zu können.
Aber irgendwann sind die Gewichte dann nicht mehr zu verdrängen.

Ich denke einfach, dass die Dinge anders wären, wenn ich mich anders verhalten hätte. Daraus ergibt sich einfach, dass ich schuldig bin, so oder so. Und das fühlt sich für mich so erdrückend an, dass es mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft nimmt - wie so oft zeigt mir zuerst mein Körper, dass etwas im Argen liegt.

Viele Grüße
Chrigu
Kiesch
Beiträge: 154
Registriert: 16. Sep 2006, 19:13

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Kiesch »

Liebe Chrigu,

das du es nicht weist, könnte aber doch auch heissen, dass es garnicht so ist oder?
Wofür solltest du Sühnen?
Das du anderen gegenüber deine Meinung vertrittst?
Das du anderen weh tust, weil dir weh getan wurde?
Das Menschen, die dich nicht verstehen sich abkapseln?

Weist du, ich kennne dich nur als tollen Menschen und damit stehe ich ja nu auch nicht alleine da*zwinker*

Es gibt keinen Menschen auf dieser Welt, der vollkommen ist. Jeder hat seine Ecken und Macken.
Und das ist auch gut so, denn sonst hiessen wir nicht mehr Menschen, sondern Maschienen!

Vielleicht solltest du deine kleinen oder auch grösseren Makel einfach mal annehmen und dann schauen, welche andere dir enge Menschen haben.

Man sollte sich selber so sehr mögen, dass man sich so akzeptiert, wie man ist und nicht, wie andere einen haben wollen.
Denn wenn man soweit ist, wäre man zumindest in der Lage das bischen Schuld in die Hosentasche zu stecken und das mit einem Lächeln im Gesicht.
Aber auch das müssen wir eben noch lernen)))
Denn dann könnten wir zumindest schonmal loslassen, falls jemand eine Schuldfrage an uns stellt.

Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein!!!! Ich glaube wirklich zu werfen würde sich niemand trauen!!


Drück dich
skippie
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Liebe Skippie,

Du hast zwar im Kern recht, aber meine Schuld und damit auch die Wurzel meiner Schuldgefühle liegen tiefer und auch anders.

Denn ich habe ja nicht einfach anderen weh getan, weil mir weh getan wurde. Die Menschen, die sich zurückziehen, tun das nicht, weil sie mich nicht verstehen. Sie tun das, weil sie sich vor mir schützen müssen und nicht anders können. Das tut ihnen sicherlich auch weh, aber sie befolgen damit eigentlich nur den Rat, der hier so oft gegeben wird: Sie grenzen sich zu ihrem eigenen Wohl ab.

Ich weiß, dass niemand vollkommen ist, jeder Fehler hat. Ja, das ist menschlich.
Aber es gibt eben Dinge, die mir sehr leid tun, die ich anderen angetan habe. Die ich getan habe, weil ich nur an mich gedacht habe, oder weil ich nicht erkannt habe, dass die Menschen ein wahrhaftiges Interesse an mir haben, weil es mir wichtiger war, eine Fassade aufrechtzuhalten als mich zu zeigen.

Das ist auch menschlich. Aber es ist trotzdem nicht richtig. Denn ich lebe nunmal nicht alleine auf diesem Planeten und wenn ich mit anderen wie auch immer sozial interagieren möchte, dann kann ich sie nicht treten und mich dann wundern, dass sie weghumpeln oder sie gar versuchen daran zu hindern.

Meine Schuldgefühle sind nun mal da, auch wenn ich weiß, dass es viel schlimmere Menschen als mich gibt und auch wenn ich weiß, dass ich auch gute Seiten habe.

Deshalb geht es mir auch nicht darum, so zu sein, wie andere mich gerne hätten. Dass das nicht funktioniert und nicht richtig ist habe ich gelernt. Ich möchte nur gerne so sein, dass ich mit mir im Reinen bin.

Dass ich in den Spiegel schauen kann, so wie es Claudia oben beschrieben hat.
Und das ist eben sehr schwer.

Liebe Grüße!
Chrigu
Mrs.DeepSea
Beiträge: 196
Registriert: 15. Jun 2006, 21:11

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Mrs.DeepSea »

Liebe chrigu...
ich kann gut verstehen, was du schreibst....
Wie bei mir selbst, stolpere ich immer wieder über das Wörtchen "SCHULD"... es ist so ein schwer beladenens Wort und es schmeckt bitter und lähmt denjenigen, der sich nicht freisprechen mag/kann.
Du hast Menschen weh getan.
Du kannst diese Menschen verstehen, dass sie sich vor dir schützen.
Du hast nicht daran geglaubt, dass sie dich annehmen würden, so wie du bist. Weil du selbst nicht an dich glaubst und wahrscheinlich bisher nie wirklich erlebt hast, dass dich jemand einfach mag??
Du weißt so viel - kennst die Werkzeuge.

Ich weiß grad selber nicht, ob ich von mir rede oder ob ich allein aus deinem Text meine Worte wähle...

Was muss passieren, bis du fühlst, dass du OK bist?
Wie könntest du dir verzeihen?
Wann darfst und kannst du glauben, dass dein wahrer Kern so liebenswert ist?

Versuche den ersten Schritt auf dich zu.
Wenn du versuchst, dir Gutes zu tun, dann werden andere folgen.
Und wenn du dich daran übst, auf dich zu hören, wird es dir auch irgendwann gelingen zu glauben, dass auch andere dir Gutes tun wollen, weil du es (dir) Wert bist.

Das klingt so weise - und wie aus jedem guten Ratgeberbuch.
Ich weiß

Doch ich versuche auch daran zu glauben.
Momentan gelingt es mir nur mühselig.
Mein Gegenüber zu Hause zieht mich immer wieder runter und beweist mir, wie wenig wichtig ICH bin....
Doch ich versuche meine Werkzeuge aufrecht dagegen zu stämmen.
Ich bin es Wert, verdammt!
Ich habe viele Fehler gemacht in meinem Leben.
Aber ich habe auch viel Scheiße erlebt, für die ich nichts kann.
Und ich bin nicht unfehlbar. Und wenn man mich trietzt, dann trete ich irgendwann zurück.
Momentan fehlt mir die Kraft.
Aber ich halte an meinem Glauben fest.

Daran, dass ich ein Mensch mit Ecken und Kanten bin - und dass ich mich selbst so annehmen lerne und mich nicht mehr scheue so zu zeigen, wie ich nun mal bin.
Ich bin OK.

Und das bist auch sicher du, liebe Chrigu.
Ich weiß nicht viel von dir. Ich gebe zu, ich bin eine Forianerin, die nur vereinzelt in anderen Threads mitliest und sich äußert...
Aber für mich sind so ziemlich alle Menschen OK und vor allem liebenswert, wenn sie sich nicht scheuen, die eigenen Fehler und Untiefen ihres Lebens anzuschauen.
Menschen, die fühlen, die kämpfen und die an sich arbeiten und einfach so viel sehen, dass sie kaum ertragen können, weil sie sehr sensibel sind -
das sind für mich liebenswerte Menschen.
Sie sind weder oberflächlich noch gleichgültig - und das ist eine Menge Wert!!!

Auch, wenn das jetzt vielleicht eine Liebeserklärung an alle Depressive war
Ich meine es ganz ernst!

Sei gut zu dir.
Auch, wenn du zunächst nicht daran glaubst... übe dich darin, lass es zu.
Sei deine Freundin. Fang bei dir an!

Ganz liebe Grüße
Claudi
Prometheus07
Beiträge: 2
Registriert: 9. Jun 2007, 16:28

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Prometheus07 »

Hallo zusammen,

also wenn ich das richtig verstehe, Chrigu, dann hast Du Menschen, die Dir ziemlich nahe standen, irgendwie übel mitgespielt und sie vergrault. Und dass Du dafür verantworlich bist, misst Du daran, dass Dein Handeln (was es ist, sagst Du nicht) das ausgelöst hat und Du entsprechendes Feedback von diesen Leuten bekommen hast (sie haben sich von Dir abgewendet oder sogar gesagt). Und jetzt kommst Du nicht recht mit Dir selber klar, weil Du Dich so verhalten hast, dass das alles so gekommen ist und Du Dich nun wohl ziemlich allein fühlst und vor einem Scherbenhaufen stehst, an dem Du Deiner Ansicht nach die Schuld trägst. Soweit richtig verstanden?

Nun, einige der anderen Beiträge versuchen nun, gerade diese Frage der Schuld irgendwie zu vernebeln, finde ich. Ich denke, die Frage der Schuld (immerhin hast Du diesen Thread auch so genannt) ist tatsächlich wichtig hier. Die erste Frage muss schon sein: Bist Du nun verantwortlich für diese Entwicklungen und damit schuld oder wird Dir diese Schuld von anderen zugewiesen und Du übernimmst sie dann? Wie siehst Du das? Daraus leitet sich doch ab, wie Du damit umgehen musst.

Aus Deinen Beiträgen, Chrigu, lese ich, dass Du die Verantwortung auf jeden Fall bei Dir siehst (sonst korrigiere mich). Dann - finde ich jedenfalls - nützen die hier ganzen gut gemeinten, aber im Kern wenig nützlichen Beschwichtigungen doch nichts. Sich im Spiegel anschauen und mit sich "im Reinen sein" bedeutet, dass man so handelt, wie man es für richtig hält, dass man dazu stehen kann. Man kann sich dann über andere ärgern oder auch über sich selbst, aber man weiß doch, dass man prinzipiell das Richtige tut.

Und das ist meiner Ansicht nach das, was Du anstreben solltest, Chrigu. Dich so zu verhalten, dass Du es als richtig empfindest (denn das entspricht dann auch Dir), selbst wenn es Überwindung kostet. Der alte Spruch "Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu" zeigt ja, dass sich darüber schon viele vorher den Kopf zerbrochen haben. Jedenfalls ist es doch so, dass man sich gern und zufrieden wieder ins Gesicht sehen kann, wenn man etwas geschafft hat, etwas Gutes. Und wenn Du Dir das Ziel setzt, Dich so zu verhalten, wie Du es richtig findest und das schaffst, dann wirst Du stolz auf Dich sein und andere auch.

Kurzum (ich wollte nicht viel über mich schreiben, aber das ist es, was ICH aus meiner Vergangenheit gelernt habe): Überlege, wer und was Dir wichtig ist und was Du als richtig empfindest. Dann verhalte Dich danach und Du wirst sehen, es geht aufwärts. Wenn man so ein Ziel formuliert hat, dann wiegen die Hindernisse auf dem Weg dahin (Angst vor Zurückweisung, Auseinandersetzung, Alleinsein) auch nicht mehr so schwer.

Viele Grüße
Prom
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Holgi »

Hallo chrigu

Als "Ex-Schlammwühler" will ich Dir auch mal ein paar Zeilen schreiben.

Ich kann zu 100% Deine Gefühle nachempfinden. Ich hatte mir schon einen Thread überlegt -"Gehöre ich noch hierher"-. Auch ich empfinde, das viele Beiträge nicht mehr zu mir durchdringen. Ein sehr befremdendes Gefühl, weil ja so viele liebe Forianer mir gerade in meinen Downs geholfen haben.

Vielleicht eine Stufe der Gesundung ?

Ich habe mich unter sehr schmerzlichen Gefühlen, von dem getrennt, was mich krank gemacht hat. Schuldgefühle waren mein täglicher Begleiter. Mache ich wirklich alles richtig, tue ich dem auch nicht zu weh, wird er/sie mich noch mögen oder lieben, muss ich so handeln ?????

Antwort : JA

Ja verdammt, Schmerz bedeutet auch Leben. Ich lebe, endlich. Ich bin auf gleicher Augenhöhe mit meinen Mitmenschen, endlich. Ich kann mich wehren, endlich. Ich kann meine persönliche Meinung vertreten, endlich. Meine Schuld- und Sühnegefühle treten allmählich in den Hintergrund, ENDLICH.

Ich bin niemanden Rechenschaft schuldig, nur mir selbst gegenüber. Und ich kann in den Spiegel schauen und sagen : "Du bist eine Persönlichkeit, mit Fehlern zwar, aber genausoviel wert wie jeder andere".

Das man Schmerz, Schuld oder Sühne empfindet, wenn eine Veränderung vollzogen ist, ist ganz normal. Du darfst Dich nur nicht in den Erinnerungen verlieren, das da ja auch schöne Zeiten waren.

Das Leben ist in stetigem Wandel. Geh weiter Deinen Weg. Wir sind nicht geschaffen dafür, in einer Felsspalte zu sitzen um zu warten, das uns das "Wasser des Lebens" rausspült. Wir müssen es schon suchen und das ist nunmal nicht einfach.

Egal wie Dir die Welt auch begegnet. Wenn Du ehrlich Dir gegenüber und Deinen Mitmenschen bist, kannst Du nur gewinnen. Alles negative, was Dir dann entgegenschießt, kannst Du getrost abprallen lassen. Das ist sowieso nicht wichtig.

Ich wünsche Dir die Kraft. Glaub an Dich. Dein Leben lebenswert zu leben, ist wichtiger als all der Schwachsinn, mit dem unsere Umwelt uns begegnet.

Viele Grüße

Holgi
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Liber »

Liebe Chrigu,

um dein Thema schleiche ich nun schon eine Weile herum . Denn es ist ja auch ganz stark MEIN Thema.

Scham, Schuld, Schuldgefühle - die Begleiter fast meines ganzen Lebens.

Der Umgang damit ist für mich heute eine Frage meiner Sichtweise, des Blickwinkels, den ich einnehme, geworden.

Wenn ich in einem depressiven Loch bin, dann bin ich im Zentrum meiner Schuld, dann BIN ich meine Schuld mit allem drum und dran, dann scheint es kein Entrinnen zu geben. So empfand ich deinen Beitrag, liebe Chrigu.

Wenn ich mich aber ein Stück daneben stellen kann, mich aus dem Strudel herausnehmen kann, dann kann ich sehen:

Die "Schuld" hat bei mir verschiedene Gesichter. Einmal ist da mein grundsätzliches sehr tiefes und frühes Gefühl von "Schuld", dass ich überhaupt existiere - sehr früh in der Kindheit entstanden und viele Jahre von Bemühungen begleitet, diese "Schuld" irgendwie abzutragen. "Versagte" ich hier in meinen Augen, waren Schuldgefühle die Folge. Zum Beispiel, wenn ich die Erwartungen anderer nicht erfüllte, es jemandem nicht Recht machte, gar an mich selbst dachte! - all das war von Schuldgefühlen begleitet. Auch heute tauchen sie immer wieder mal auf (je nach meiner Verfassung).

Mit dem Loslassen dieser grundsätzlichen "Schuld" aber - ich schulde meinen Eltern nichts und sie schulden mir nichts - hat sich etwas geändert. Wir haben in einem anderen Thread darüber geschrieben.

Erwartungen haben einen anderen Stellenwert bekommen. Wenn andere Menschen etwas von mir erwarten, sind es IHRE Erwartungen. Ich KANN ihnen nachkommen, wenn es für mich richtig ist, ich MUSS es aber nicht. Ich mache mich nicht "schuldig", wenn ich es nicht tue.

Aber auch meine eigenen Erwartungen bleiben nun bei mir: Ich habe kein Anrecht darauf, dass jemand anderes meine Erwartungen erfüllt. Denn auch diese Kehrseite der Medaille war ja da. Ich konnte maßlos enttäuscht und verzweifelt sein, wenn jemand anderes meine Erwartungen nicht erfüllte. Als würde mein Leben (wie damals in der Kindheit) davon abhängen. Überhaupt waren meine Erwartungen an enge Bezugspersonen in ähnlicher Weise maßlos, wie ich sie umgekehrt auch an mich als maßlos empfunden hatte.

Nun sind da gesunde Grenzen am Entstehen.

Und die Schuldgefühle haben hier immer weniger Platz.

Und jetzt ist da noch die andere Art "Schuld", von der Du schreibst, liebe Chrigu. Etwas getan zu haben, mit dem man sich nach dem eigenen Gewissen schuldig gemacht hat. Eine Schuld, die auch nicht mehr gutzumachen ist.

Auch ich habe mich in dieser Weise schuldig gemacht. Und es wird kaum einen Menschen geben, der diese Art Schuld in seinem Leben nicht kennt.

Wenn es mir schlecht geht, wenn ich im "Loch" bin, glaube auch ich heute immer noch, dass mir diese Schuld nie vergeben werden kann.

Doch auch hier ist es entscheidend, von wo aus ich auf diese Schuld schaue. BIN ich diese Schuld, oder kann ich auf den Menschen schauen (mich), die in einer Situation, in der sie schwach, verzweifelt, voller Angst, oder auch leichtsinnig, unbedacht, eitel, selbstbezogen war, trotz des besseren Wissens falsch gehandelt hat?

Kann ich diesem Menschen, mir, vergeben?

Ich habe bis vor kurzem auch immer geglaubt, dass eine Vergebung bedeuten würde, als existiere diese Schuld dann sozusagen nicht mehr.

Aber so ist es für mich nicht. Vergebung macht die Schuld nicht rückgängig. Das geht nicht mehr. Es ist merkwürdig, aber ich empfinde es so, als nehme ich eigentlich jetzt erst die Verantwortung dafür an. Ich erkenne an: "Ja, ich habe mich schuldig gemacht. Ja, es ist nicht mehr zu ändern." Das ist so.

Solange ich mit mir, mit dieser Schuld hadere, mich selbst geißele und fertig mache, schiebe ich diese Verantwortung im Grunde immer noch von mir weg. Ich starre auf die Schuld wie das Kaninchen auf die Schlange. Das Anerkennen bedeutet aber, Konsequenzen für das HEUTE zu ziehen.

Solange ich mich mit meiner Schuld beschäftige, brauche ich keine Konsequenzen für HEUTE ziehen, nicht die Verantwortung für mich HEUTE zu übernehmen. Solange bin ich gelähmt.

Was würde es bedeuten, HEUTE die Verantwortung zu übernehmen?


Liebe Chrigu, alles Liebe!

Brittka
Majuha10
Beiträge: 464
Registriert: 2. Nov 2005, 16:32

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Majuha10 »

Liebe Chrigu,

ich finde mich in deinem Posting ein stückweit wieder, weil auch ich mich wieder ein wenig verloren habe und vermute, dass wir da im Moment an ähnlichen „Baustellen“ sind. Dank deines Hinweises habe ich ebenfalls den „verletzte Gefühle überwinden“ und „Loslassen“ Thread in der vergangenen Nacht in aller Ruhe gelesen.


Erinnerst Du die „Parabel der Trapeze“, von Maggy ?

Ich schrieb dazu folgendes:

Ein Artist erreicht dieses Loslassen der Trapezstange und das "verharren im Nichts" nur durch immer währendes Training. So sehe ich auch das Loslassen. Es ist ein permanenter Prozess und nicht immer bin ich dabei in meinem Selbst. Nicht immer wird es von Erkenntnissen begleitet, aber jedes Loslassen gibt ein Mehr an Sicherheit und Freiheit.

Ich habe in den vergangenen Wochen / Monaten viele positive Erfahrungen gemacht und trotzdem bin ich von jetzt zu gleich abgestürzt und alles schlug über mir zusammen. Mit einem Mal waren alle Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle wieder da und ergriffen Besitz von mir.

Ich hätte, nein ich habe genau so wie Du

War es für mich zu früh, Schuldgefühle loszulassen? Aber ich habe mich wirklich ein Stückchen freier gefühlt und habe gespürt, dass ich mich irgendwann ganz frei davon machen kann.

fragen können.

Ich hatte das Glück, dass mir der vermeintlich berechtigte Grund mich aktuell schuldig zu fühlen überraschend entzogen wurde!!

Erneut durfte ich nun hinschauen, was ist es was mich umtreibt? Was verbirgt sich hinter meinen Schuld- und Schamgefühlen? Ich stellte mir erstmals die Frage, ob ich mich nicht in meinen Schuldgefühlen eingerichtet habe, weil es bequem für mich ist. Hält es mich nicht ab etwas zu verändern?


Dieses Hinschauen tut weh, aber dass ich hinter dieser Schuld meine Bedürftigkeit nach Nähe und die Sehnsucht nach Partnerschaft entdeckte ist für mich ziemlich erschreckend und Angst besetzt. Mit diesem daraus entstehenden Schmerz weiß ich überhaupt nicht umzugehen und daher flüchtete ich mich in meine mir hinreichend bekannten Schuldgefühle.

Durch den persönlichen Austausch mit mir vertrauten Menschen hier aus dem KND* gelingt das Festhalten an der Schuld nicht mehr sondern ich beginne meine Bedürftigkeit wahrzunehmen. Das Zulassen geschieht z.Zt. glaube ich in einem direkten körperlichen Schmerz und es fällt mir sehr schwer es anzunehmen, aber ich kann mich dem auch nicht entziehen.

Dank deines Postings liebe Chrigu kann ich nun die Perspektive wechseln und komme mir dadurch wieder näher.

Ich wünsche dir ebenfalls ganz viel Kraft hinter die Gefühle zu schauen.


LG Maruschka



* Grüße an Clown und Petz und meinen herzlichen Dank für den Mittwochabend.
Mrs.DeepSea
Beiträge: 196
Registriert: 15. Jun 2006, 21:11

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Mrs.DeepSea »

Liebe Brittka,
ich DANKE dir für deine Worte (Zitat):

"...Ich habe bis vor kurzem auch immer geglaubt, dass eine Vergebung bedeuten würde, als existiere diese Schuld dann sozusagen nicht mehr.

Aber so ist es für mich nicht. Vergebung macht die Schuld nicht rückgängig. Das geht nicht mehr. Es ist merkwürdig, aber ich empfinde es so, als nehme ich eigentlich jetzt erst die Verantwortung dafür an. Ich erkenne an: "Ja, ich habe mich schuldig gemacht. Ja, es ist nicht mehr zu ändern." Das ist so.

Solange ich mit mir, mit dieser Schuld hadere, mich selbst geißele und fertig mache, schiebe ich diese Verantwortung im Grunde immer noch von mir weg. Ich starre auf die Schuld wie das Kaninchen auf die Schlange. Das Anerkennen bedeutet aber, Konsequenzen für das HEUTE zu ziehen..."
(Zitatende)

Ich habe so nach Worten gerungen. Bin oftmals in dem Gedanken "SCHULD" verschlungen...
Doch da ist noch so was wie Verantwortung!
Und diesen Dreh dorthin
- raus aus der lähmenden Schuld - rein in die aktive Verantwortung, die zwar auch schmerzlich ist, aber so viel befreiender sein kann -
darum geht es doch.

DANKE!

Ein total wichtiger Thread auch für mich...
Ich hoffe, Chrigu sagt es so viel wie mir in diesem Augenblick!!!

Liebe Grüße
maggy
Beiträge: 1150
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von maggy »

Hallo Ihr Lieben,

solange ich mich schuldig gefühlt und erlebt habe und mich zu "meiner Schuld" bekannt habe, bewegte sich gar nix(passiert auch heute immer mal wieder, aber hält nicht mehr so lange an). Schuldig sein oder mich schuldig fühlen ist nämlich ein sehr starrer Prozess, da kommt nix in Bewegung, aber das Leben ist Bewegung und Wandel.
Das Wort Schuld habe ich aus meinem Vokabular gestrichen. Ich habe mal mit einem Versicherungsvertreter, der wissen wollte, ob denn nun unser Mitarbeiter schuld hat an einem Autounfall (harmloser Blechschaden), darüber diskutiert, dass unser Mitarbeiter nicht Schuld ist, aber die Verantwortung für das Vorgefallene übernimmt. Ich habe 20 Minuten gebraucht um ihm zu erklären, was das für mich für einen Unterschied ausmacht.
Wenn ich nämlich die Verantwortung übernehme, komme ich ins handeln. Ich nehme das was passiert ist, als von mir verantwortet an. Folge davon: nur das, was mir gehört kann ich auch loslassen. Für das, was ich nicht als zu mir gehörend anerkenne, möchte ich immer und immer wieder von anderen "freigesprochen werden" (was natürlich unmöglich ist).

Das war ein bisschen in Kürze was mich zu dem Thema bewegt, bin nämlich auf dem Sprung, um mir einen schönen Nachmittag zu machen .

Alles Liebe
von
Maggy
-------------------------------------------

Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
imagine
Beiträge: 1068
Registriert: 18. Jun 2006, 20:46

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von imagine »

Liebe Chigru,
Es scheint, als säßen wir alle im selben Boot!!??
Claudi und herzliches Beileid zu deinem Gegenstück

Aber, auch das hört sich vielleicht seltsam an, ich unterscheide immer zwischen Schuld, die ich manchmal tatsächlich habe und Schuldgefühlen, die mich kaputt machen.

Wenn ich mich schuldig gemacht habe, dann vesuche ich das anzunehmen und den anderen ziehen zu lassen, anders geht es meiner Meinung nach auch gar nicht.

Im Moment gelingt mir das ganz gut, ich muss nicht mehr so sehr in der Vergangenheit wühlen und mich grämen, oder geißeln.

Und siehe da, was passiert?

Ich lerne neue Menschen kennen!!

Aber und das muss ich betonen, ich muss mich allein auf den Weg machen, dann bin ich frei...
Wenn ich zum Beispiel neue Menschen mit meinem Mann kennenlernen möchte, dann ist das fast unmöglich, er hat das Bedürfnis nicht und mir fehlt dann die Ruhe, die ich brauche!!

Immer dann, wenn ich in letzter Zeit MEINEM Gefühl getraut habe und MEINEN Weg gegangen bin, kam was positives dabei heraus, manchmal war es auch nur der Stolz es alleine geschafft zu haben.
Tatsächlich gilt es immer wieder herauszufinden, wo man steht und SEINEN Weg zu gehen.
Hört sich vielleicht einfach an, aber das ist es keineswegs!!!

Und noch etwas, manchmal muss man einfach die Vergangenheit vergangen sein lassen, denn im Hier liegt die Kraft und in der Zukunft das Leben.

Ich weiß, ich schwätze weise daher, aber im Moment gelingt es mir grade


Imagine

einen lieben Gruß in die Runde
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Antworten. Sie bringen mir neue Anstöße und auch Mut und nicht zuletzt tut es gut, "gehört" zu werden.
Und es tut so unendlich gut, "gehört" zu werden und nicht abgelehnt zu werden, sondern so liebevolle Antworten zu bekommen. Vielen Dank! Das bedeutet mir gerade jetzt sehr viel.

Liebe Claudi,

es ist genauso, wie Du es schreibst. Fast ein bisschen unheimlich, so als hättest Du die Worte aus meinem Kopf genommen. Aber eben nur fast unheimlich... sondern irgendwie auch schön und beruhigend, weil es bedeutet, dass ich nicht allein mit diesen Gedanken bin.

>Was muss passieren, bis du fühlst, dass du OK bist? Wie könntest du dir verzeihen? Wann darfst und kannst du glauben, dass dein wahrer Kern so liebenswert ist?
Die Vergebung aus mir heraus erscheint mir im Moment unerreichbar. Deshalb scheine ich darauf zu warten, dass mir andere vergeben. Es ist so, als müsste erst diese Vergebung kommen, bevor ich mir auch selbst vergeben kann.

Ich brauche die Bestätigung von außen, dass ich liebenswert bin, bevor ich selbst daran glauben kann.

Mir ist bewusst, dass dies die falsche Reihenfolge ist, denn Selbstwertgefühl kann nur von innen kommen, wenn es echt sein soll. Das von außen dazugegebene kann dann noch zusätzliche Unterstützung sein.

Aber momentan kann ich mich aus dieser "Falle" noch nicht befreien.

>Wenn du versuchst, dir Gutes zu tun, dann werden andere folgen.
Oh, das wäre so schön!

>Das klingt so weise - und wie aus jedem guten Ratgeberbuch.
Da bin ich auch Königin in dieser Disziplin: Anderen Ratschläge erteilen, die ich selbst nicht umsetzen kann...


Lieber Prom,
Du hast es richtig verstanden Dein erster Absatz ist ein heftiger Volltreffer.

>Dein Handeln (was es ist, sagst Du nicht)
Mein erster Gedanke war, dass ich es nicht sage, weil ich es schon so oft hier geschrieben habe, dass ich befürchte, anderen mit der ewig gleichen Geschichte auf die Nerven zu gehen. Aber vielleicht sage ich es auch nicht, weil ich mich schäme? Weil ich mich so gerne hinter Worten und noch lieber hinter kryptischen Worten verstecke? Weil es eines meiner größten Probleme ist, Dinge von mir preiszugeben? Erst recht Dinge, die mir unangenehm sind, denn dann muss ich mich konkreter Kritik stellen.

Du bist neu hier und ich erwarte auf keinen Fall, dass Du Dir all meine Postings antust, deshalb versuche ich, Dir kurz zu erzählen, was passiert ist: Vor fast zwei Jahren habe ich die Liebe meines Lebens getroffen. Es ist mir immer noch unbegreiflich, dass jemand wie er sich in jemanden wie mich verlieben konnte (was schon viel über mein Selbstbild sagt), aber es ist so passiert.
In der Folge ist in Gesprächen mit ihm das passiert, was sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht (aber das habe ich erst später erkannt): Ich habe gelogen. Ich habe ihm von mir und meinem Leben erzählt und alle diese Geschichten "angepasst", so gedreht wie ich dachte, dass er es gut finden würde. Ich habe mich nicht als perfekt dargestellt, aber ich habe Dinge verändert, verbogen.
Das hat er natürlich gemerkt. Und trotz seiner Bitte, doch einfach nur ehrlich zu sein und ich selbst zu sein, habe ich damals nicht verstanden, worum es geht. Er sagte, all mein Verhalten und meine Vergangenheit sei menschlich und er würde nicht über mich richten, weil mein Verhalten damals nichts mit ihm zu tun gehabt hat. Wenn ich ihn aber anlügen würde, dann hätte das sehr wohl mit ihm zu tun, dann würde ich mich gegen ihn richten, gegen ihn agieren.

Es geht nämlich darum, man selbst zu sein. Sonst kann man nicht erwarten, dass die anderen einen mögen und selbst wenn sie einen mögen, dann mögen sie ja doch nur eine Fassade, die man aufgebaut hat.

Er sagte mir, ich solle ihm einfach vertrauen, so sehr, wie ich noch nie vertraut habe.

Auch das habe ich nicht verstanden.

Und wenn man eine Lüge aufrechthalten muss, dann erfordert das weitere Lügen. Schließlich verstrickt man sich immer mehr und sitzt in einem Netz aus Lügen.

Was würdest Du tun, wenn Dich jemand immer wieder und ständig anlügt, obwohl Du ihn oder sie gebeten hast, einfach nur ehrlich zu sein? Du wirst zutiefst misstrauisch, das geht gar nicht anders, das ist ein Schutzmechanismus. Du verlierst Vertrauen und beginnst, an allem zu zweifeln, denn Du kannst nicht wissen, was wahr und was gelogen ist. Du leidest und obwohl der oder die andere sieht, dass Du leidest, lügt sie weiter. Sie arbeitet gegen Dich! Sie lässt Dich leiden für den Preis, ihr Gesicht wahren zu können.

Erst nach und nach habe ich erkannt, dass ich so mit allen Leuten umgehe, die mir nahestehen. Dass ich wenig von mir preis gebe, dass ich die Dinge und mich gerne anders (und besser) darstelle, als sie wirklich sind.

Und ich mag nicht als Entschudlgigung heranziehen, dass ich wenig Selbstwertgefühl habe und mich reflexartig anderen gegenüber aufpolieren muss, um angenommen zu werden. Das ist mir zu wenig, das ist mir zu passiv.

>Man kann sich dann über andere ärgern oder auch über sich selbst, aber man weiß doch, dass man prinzipiell das Richtige tut.
Ja, und obwohl ich wusste, was richtig ist, habe ich das Falsche getan.

Ich merke gerade, dass diese Antwort sehr lang geraten ist und ich gerade total k.o. bin.
Ich werde Euch allen noch antworten, weil mir so viele Dinge dazu durch den Kopf gehen. Aber jetzt noch nicht.
Holgi, Brittka, Maruschka, Imagine, Maggy ich freu mich total, dass Ihr auch hier seid! Auch wenn das ja eigentlich unangebracht ist, weil das bedeutet, dass Euch das Thema auch belastet, aber Ihr wisst schon, wie ich es meine.

Liebe Grüße
Chrigu
imagine
Beiträge: 1068
Registriert: 18. Jun 2006, 20:46

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von imagine »

Liebe Chigru,
ich kann dich verstehen ,war ich doch sehr ähnlch gestrickt, aber die Frage ist doch warum,oder?
Ich denke mir mal, keinen hat die Wahrheit, meine Wahrheit je interessiert, oder schlimmer noch, sie wurde sogar in Abrede gestellt.
Das hat mich dann veranlasst, zu lügen oder die Dinge schön zu reden.
Ich habe deine Geschichte auch noch nicht gekannt, aber ich kann dich so gut verstehen...
Aber, auch dann trifft dich keine Schuld, du hast es zwar bewußt gemacht, aber aus einer inneren Not, ja sogar einem inneren Zwang heraus.
Wenn man einmal zutiefst misstrauisch und verletzt ist, dann wird es so unheimlich schwer, wieder Vertrauen zu fasse, weil ja auch das neue Vertrauen wieder enttäuscht werden könnte...
Und das kann es auch in der Tat!!
Aber dennoch hilft nur Vertrauen, in dich und andere Menschen aus diesem Gefängnis der Lügen heraus zu kommen, anders geht es nicht!!
Ich weiß, wovon ich spreche, habe ich es doch mein Leben lang genauso gemacht

Lass dich umarmen, ich schick dir ein wenig Hoffnung

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
nachteule
Beiträge: 126
Registriert: 2. Dez 2004, 09:02

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von nachteule »

Liebe Chrigu,

>>Es tut mir unendlich leid und nun ist es zu spät, sie um Verzeihung zu bitten, weil sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.
<<

Dieser Satz von Dir springt mir ins Auge. Ich denke es ist nie zu spät, jemanden um Verzeihung zu bitten.
Um Verzeihung bitten darf sich nur nicht an Erwartungen knüpfen. Es wird durch eine Entschuldigung nicht automatisch alles wie früher.Man muss da schon ehrlich sein.
Wenn Dir wirklich daran liegt bitte die Menschen, die Du meinst verletzt zu haben um Verzeihung. Ich bin sicher, die meisten weren Dir verzeihen, was nicht automatisch bedeuten muss, dass sie wieder mit Dir zu tun haben möchten. Ein verletzter Mensch baut seine Schutzwände erst einmal auf.
Aber DU hast dann alles getan, was Du tun konntest.
Vielleicht können diese von Dir verletzten Menschen irgendwann auch wieder auf Dich zukommen, vielleicht auf einer ganz anderen Ebene als zuvor, aber wie auch immer DU musst den ersten Schritt machen.

Bitte diese Menschen um Verzeihung, ich glaube dann kannst Du auch leichter Dir selbst verzeihen.

Ich wünsche Dir viel Mut und Kraft,
liebe Grüße
Tina
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Hi Holgi, alter Schlammwühler ,

>Ich bin niemanden Rechenschaft schuldig, nur mir selbst gegenüber.
Hm... Wenn ich anderen Leid zufüge, dann muss ich meine Schuld eingestehen. Mir gegenüber und anderen gegenüber. Ich möchte mich entschuldigen und möchte, dass die Entschuldigung angenommen wird, weil sie ein Schritt zur Vergebung ist.

Aber vielleicht stimmt es, dass ich letztlich nur vor mir selbst geradestehen muss.
Deshalb habe ich in der Vergangenheit so gerne und so viel verdrängt, weil ich nicht vor mir für all die Dinge hätte geradestehen können. Jetzt versuche ich es, und anscheinend bin ich ein ziemlich harter Richter (das entdecke ich übrigens auch: Wenn jemand sich so verhält, wie ich mich früher verhalten habe, dann macht mich das unglaublich rasend, ich übertrage alle die eigentlich gegen mich gerichtete Wut auf diese Person).

>Wenn Du ehrlich Dir gegenüber und Deinen Mitmenschen bist, kannst Du nur gewinnen.
Wie wahr. Und auch die Erklärung dafür, warum ich so viel verloren habe. Sogar mich selbst.

Ich habe tatsächlich in dieser Felsspalte gesessen und gewartet, rausgespült zu werden, weil ich nicht eingesehen habe, selbst zu handeln und die Verantwortung dafür zu übernehmen.


Liebe Brittka,

ich hatte irgendwie gehofft, dass Du Dich hier meldest, weil ich weiß, dass Dich dieses Thema auch umtreibt und weil Du für mich so oft den Nagel auf den Kopf triffst. Danke

>Vergebung macht die Schuld nicht rückgängig.
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich ertappe mich dabei, dass ich einerseits hoffe, dass Vergebung die Schuld rückgängig macht, andererseits aber genau das fürchte. Die Erinnerung an die Schuld als Mahnmal, meinst Du es so? Als etwas, das nun auf meinem Weg steht und wenn ich zurücksehe, dann weiß ich, dass ich nicht mehr so handeln sollte?

Ich habe immer noch Angst davor, Verantwortung zu übernehmen. Wieviel leichter ist es doch, sich in dem Schuldbewusstsein zu verstecken und einfach nur selbst zu geißeln, statt wirklich die Verantwortung zu übernehmen. Das war mir bisher gar nicht so bewusst, aber dank Deines Postings geht es mir so wie Claudi!

>Was würde es bedeuten, HEUTE die Verantwortung zu übernehmen?
Das ist so eine schwere Frage! Es würde bedeuten, mich so anzunehmen, wie ich war und wie ich bin. Es würde bedeuten, Fehler zu sehen, einzugestehen und dann auch wieder loszulassen, weil sie ein Teil der Vergangenheit sind, aber eben auch nur das.
Aber es würde wohl tatsächlich in erster Linie bedeuten, Konsequenzen zu ziehen. Aber welche? Das weiß ich nicht. Obwohl ich ahne, dass ich es doch weiß, aber dem nicht ins Auge sehen will. Ich habe Angst vor diesen Konsequenzen, ohne sie genau benennen zu können.

Liebe Brittka, was bedeutet es für Dich, heute die Verantwortung zu übernehmen?


Liebe Maruschka,
>Dieses Hinschauen tut weh, aber dass ich hinter dieser Schuld meine Bedürftigkeit nach Nähe und die Sehnsucht nach Partnerschaft entdeckte ist für mich ziemlich erschreckend und Angst besetzt.
Diese Sehnsucht und Bedürftigkeit habe ich auch, aber ich finde es gar nicht erschreckend. Aber für mich (und nur für mich!) reicht das zur Begründung meiner Schuld nicht. Es kommt mir vor, als würde ich es mir dann zu einfach machen (wie gesagt, das gilt wirklich nur für mich).
Oder verstecke ich mich dahinter, dass ich diese Begründung für nicht ausreichend oder zu einfach halte, weil ich mich so gerne noch weiter geißeln möchte? Ich habe es mir sicherlich auch bequem gemacht in dieser Felsspalte der Schuld und dachte, ich kann rausgespült werden...

Ich kann meine Bedürftigkeit und Sehnsucht wahrnehmen, aber ich kann sie nicht ganz und gar zulassen. Ich glaube, ich habe da zuviel Angst vor den Schmerzen. Aber anders wird es wohl nicht gehen.

Liebe Maggy,
>nur das, was mir gehört kann ich auch loslassen. Für das, was ich nicht als zu mir gehörend anerkenne, möchte ich immer und immer wieder von anderen "freigesprochen werden"
Ich kann meine Gedanken dazu noch nicht formulieren, aber dieser Satz trifft es ganz tief und ganz richtig. Sobald ich die Worte sortiert habe, werde ich darauf antworten.

Liebe Imagine,
>Immer dann, wenn ich in letzter Zeit MEINEM Gefühl getraut habe und MEINEN Weg gegangen bin, kam was positives dabei heraus, manchmal war es auch nur der Stolz es alleine geschafft zu haben.
Du machst mir Mut. Ich weiß, wie schlecht es Dir noch vor kurzem ging und ich freue mich für Dich! Ich glaube, Du hast den berühmten Zipfel erwischt, lass ihn bloß nicht los!

Ich danke Euch für alle Eure Gedanken.
Liebe Grüße
Chrigu

Nachtrag:
Liebe Skippie,
Deine Worte hallen noch nach... und ich stelle fest, dass unter denen, die ich meinte um Verzeihung bitten zu müssen, auch einige sind, die mir Schuld ganz bewusst zuweisen. Sie haben es sich damit aber ziemlich leicht gemacht, weil sie auch einen Teil der Schuld tragen.
Das ist mir nun aufgegangen. Es trifft zwar nicht auf alle zu, aber doch auf einige.

Liebe Grüße
Chrigu
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Liber »

Liebe Chrigu,

die Erinnerung an die Schuld als ständiges Mahnmal ... nein, so habe ich es nicht gemeint. Mit dieser Sicht bliebe ich ja auch in dieser "Schuld" stecken wie in einem Sumpf. Sondern ich habe das Annehmen in dem Sinn, wie Maggy es beschrieben hat, gemeint.

>nur das, was mir gehört kann ich auch loslassen. Für das, was ich nicht als zu mir gehörend anerkenne, möchte ich immer und immer wieder von anderen "freigesprochen werden"<


Das Wort Verantwortung ist besser als dieses Wort "Schuld"!

Zu deiner anderen Frage später noch!

Erst mal liebe Grüße

Brittka
Prometheus07
Beiträge: 2
Registriert: 9. Jun 2007, 16:28

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Prometheus07 »

Hallo zusammen, hallo Chrigu,

ich finde diesen Thread wirklich sehr interessant, weil er viele Aspekte und Gedanken anspricht, die für mich auch wichtig sind. Die ganzen Beiträge sind wirklich sehr spannend. Holgi hat auf jeden Fall Recht, wenn er sagt, dass Schmerzen zum Leben dazu gehören. Und das soll man auch nicht immer so schlimm finden. Wenn wir keinen Schmerz empfinden könnten, könnten wir auch keine Liebe, Freude und all die anderen Gefühle empfinden. Akzeptieren wir Schmerz doch einfach als Phase, bevor es wieder aufwärts geht. Für dieses Aufwärts kann man selber etwas tun. Und da passt dieses Beispiel mit der Felsspalte wirklich gut. Wir dürfen nicht nur da sitzen und warten, bis das Schicksal uns wieder die guten Gefühle gibt. Wir müssen handeln und versuchen, uns und unser Umfeld ein bisschen so zu bewegen, dass es wieder gut wird. Und dafür müssen wir natürlich schauen: warum geht es mir denn gerade so schlecht? Was ist dafür verantwortlich, ggf. wer ist dafür verantwortlich und inwiefern? Bin ich selbst dafür verantwortlich bzw. in welchem Ausmaß? Was kann ich tun, um diesen Teil, für den ICH verantwortlich bin, wieder ins Lot zu bringen? Und dann muss ich diese Erkenntnis als meine Verantwortung annehmen und auch umsetzen!

Der Unterschied zwischen Verantwortung und Schuld ist vielfach diskutiert worden. Verantwortung in diesem Sinne bedeutet doch, dass der Auslöser, die Ursache bestimmt werden kann. Um in der Nähe des Beispiels mit dem Versicherungsmenschen oben zu bleiben:
Bei einem Autounfall gibt es (so steht es sogar auf dem polizeilichen Formular) einen VERURSACHER, der Auslöser des Unfalls ist. Schuld ist dagegen ein moralischer bzw. wertender Begriff, der natürlich immer in Abhängigkeit von dem jeweiligen Individuum etwas unterschiedlich sein kann. So kann ein Dieb zwar verantwortlich für eine entwendete Geldbörse sein, sich aber keiner Schuld bewusst sein. Man kann auch lügen und damit verantwortlich für bestimmte Ereignisse sein, ohne sich einer Schuld bewusst zu sein.

Wichtig ist es daher, finde ich, dass man wirklich für sich klärt, was man als "richtig" empfindet. Das ist die Grundlage der Beurteilung von Schuld. Wie es aussieht, Chrigu, trägst Du die Verantwortung für die Entwicklungen (und hier kann ich das Schutzargument von imagine nicht nachvollziehen, dass Du das aus innerer Not heraus getan hättest, denn Du schreibst ja, dass Dein Freund Dir doch die Möglichkeit gegeben hat, die Wahrheit zu sagen. Und Du schreibst nicht, dass Du dieses Verhalten wegen früherer Enttäuschungen anwendest) - wenn ich Dich richtig verstanden habe. Dann ist die Frage von Brittka genau richtig: "Was würde es bedeuten, HEUTE die Verantwortung zu übernehmen?"

Es scheint mir, dass Du Dich so sehr mit der moralischen Seite (der Schuld) beschäftigst, dass Du Dich vielleicht nicht so sehr mit der Verantwortungsseite auseinandersetzt. Die ist natürlich schwerer, weil man sich da mit sich selbst UND anderen Menschen auseinandersetzen muss, weil man etwas an sich ändern und sich überwinden muss. Dagegen ist das Leiden in moralischer Schuld nur mit sich selbst (gewissermaßen also als "Sühne" - Dein Titel des Threads) mit weniger Überwindung verbunden. Aber an Deiner Verantwortung (nicht im Titel )und den für eine Änderung damit verbundenen Konsequenzen ändert sich dadurch nichts. Willst Du vorwärts kommen, musst Du die Verantwortung annehmen, übernehmen, die Konsequenzen für Dich und Dein Handeln daraus ziehen und Dich überwinden, danach zu handeln. Und zwar dauerhaft. Warum? Wie Tina denke ich, man sollte um Verzeihung bitten, wenn man Fehler gemacht hat. Aber Lügen sind ein sensibler Punkt bei Menschen, weil sie Vertrauen zerstören. Deshalb sollte man eins wirklich tun: Wenn man um Verzeihung bittet, sollte man dann auch wirklich ehrlich sein. Denn eine zweite Entschuldigung ist nicht mehr besonders glaubwürdig...

Und da scheinen mir doch die Konsequenzen und Deine Verantwortung recht klar zu sein: Kläre für Dich und das Umfeld, das Dir wichtig ist, wo Du nicht die Wahrheit gesagt hast und verhalte Dich in Zukunft nicht mehr so. Vertrauen bilden ist eine langfristige Angelegenheit, erwarte daher am Anfang nicht zu viel von den anderen.

Vielleicht solltest Du auch, falls Du allein nicht weiterkommst evtl. mit Hilfe durch einen Thera, klären, warum Du Dein Umfeld eigentlich anlügst.

Viel Erfolg mit den Erkenntnissen aus seinen eigenen Erfahrungen wünscht Dir
Prom

PS: Kurz noch zu Holgi: die Diskussion schwankt immer zwischen Extremen, ob man nur sich selbst oder auch anderen gegenüber Rechenschaft schuldig bzw. verantworlich ist. Und kein Extrem ist doch wirklich lebensnah. Natürlich ist es für uns selbst wichtig, dass wir vor uns bestehen können, aber dabei hat auch Einfluss, welches Feedback wir von anderen bekommen. Und sobald wir soziale Kontakte haben, tragen wir auch Verantwortung für die weitere Entwicklung dieser Kontakte. Der Mensch ist ein soziales Wesen
chrigu
Beiträge: 2081
Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von chrigu »

Hallo zusammen,

ich habe Eure Postings sehr oft gelesen und erstmal sacken lassen.

Und festgestellt, dass ich tatsächlich noch nicht an dem Punkt "Verantwortung übernehmen" stehe, sondern noch an dem Punkt, im Schuldbewusstsein zu verharren und auf Erlösung durch Sühne zu hoffen.

Oder anders: Ich bin noch passiv. Ich bin noch in der Felsspalte drin und scheine doch darauf zu warten, dass mich etwas (jemand?) rausspült.
Obwohl ich das weiß und eigentlich auch die theoretischen Werkzeuge habe, um von passiv zu aktiv zu wechseln, bin ich irgendwie noch gelähmt. Quasi in der Schuldenfalle, in dem oft zitierten Sumpf.

Deshalb, liebe Brittka, habe ich Dein Post auch erst gar nicht verstanden und das Mahnmal ins Spiel gebracht.
Aber Maggys Satz trifft es wirklich ganz und gar:
>nur das, was mir gehört kann ich auch loslassen. Für das, was ich nicht als zu mir gehörend anerkenne, möchte ich immer und immer wieder von anderen "freigesprochen werden"<
Aber wie gelange ich dorthin? Mir fehlt da irgendwie noch der Schlüssel, die Erkenntnis, das Gefühl - ich weiß noch nicht mal, was genau fehlt. Ich weiß nur, dass ich Maggys Satz lese und spüre, dass dadrin die Wahrheit enthalten ist, die mir weiterhilft. Aber irgendwie ist das nur in meinem Kopf und noch nicht in meinem Herzen.
Deshalb: Wie komme ich dorthin, wie mache ich den Schritt von passiv zu aktiv, von der Schuld zu Verantwortung?

Oder ist es so, dass es einfach noch nicht an der Zeit ist?
Ich habe so lange andere Menschen belogen, ohne dass sich mein Gewissen geregt hat. Vielleicht muss jetzt erstmal die Sühne-Zeit kommen? Oder meine ich das nur, weil es bequemer ist, in dieser Felsspalte zu verharren, statt sich rauszutrauen (man könnte ja immerhin von einem Stein erschlagen werden)?

Hallo Prom,
Du bist mir jetzt fast ein bisschen unheimlich, weil Du die Dinge wirklich richtig und im Kern triffst.

Und durch Dein Post ist mir vollends klar geworden, dass ich hier die moralische Seite der Schuld bis in den letzten Winkel ausleuchte, um mich nicht der Verantwortung stellen zu müssen.

>Deshalb sollte man eins wirklich tun: Wenn man um Verzeihung bittet, sollte man dann auch wirklich ehrlich sein. Denn eine zweite Entschuldigung ist nicht mehr besonders glaubwürdig...
Tja, und auch hier hat die Erkenntnis bei mir leider erst viel zu spät eingesetzt... Und jetzt ist es vermutlich schon fast zu spät
Aber eben nur fast, denn sonst könnte ich jetzt auch gleich aufgeben und das möchte ich nicht.

Du schreibst auch von eigenen Erfahrungen. Darf ich fragen, welche Erfahrungen und welche Erkenntnisse das sind?

Viele Grüße
Chrigu
ege0804
Beiträge: 436
Registriert: 13. Aug 2004, 17:31

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von ege0804 »

hallo,

selbsthilfe statt selbstjustiz!

auch falsch verstandene therapie im sinne von: du must erst ein besserer mensch werden, wenn du 'geheilt' werden willst. das führt natürlich auch dazu das ich mich nach gescheiterten therapieversuchen oder klinikaufenthalten, nur noch schlechter und schuldiger, als hoffnungslosen fall sehe.
manche leute glauben sogar sie müssten solange therapie machen bis sie das 'paradies' (je nach therapiekonzept) erreicht haben. manche einrichtungen oder therapeuten warnen genau davor nicht.

schuld macht krank. in der vergangenheit festkleben und angst vor der zukunft - das macht depressiv.
im jetzt leben, den moment auskosten, das beste aus der situation machen - das ist anti-depressiv.

ernst herhaus (autor vieler selbsthilfebücher (trockener alkoholiker); z.B gebete in die gottesferne)hat das mal so formuliert:
'selbsthilfe statt selbstjustiz'
du musst dich für eins von beiden entscheiden und es dann auch tun.
ich glaube ich selbst kann mir inzwischen wieder verzeihen! seit dem geht es mir besser. wo kommen diese schuldgefühle eigentlich her? wer impft uns ein was falsch oder richtig ist?

das ist auf jedenfall das elternhaus, die kirche. das kann später aber auch ausgeprägter politischer idealismus sein. ein guter mensch sein. ökologische verantwortung übernehmen. auch manche moralischen und politische ideale die ich nicht leben kann verursachen schuldgefühle.
ich glaube tief in uns drinnen steckt immer noch der glaube ich müsste für alles was nicht richtig oder unmoralisch ist später mal bezahlen - die religionen reden vom jüngsten gericht und von der erbsünde.

freiheit dagegen das ist was ganz anderes. freiheit ist: 'sich nicht mehr vor sich selber schämen' (friedrich nitzsche)
ihr glaubt garnicht wie schamlos und ohne schuldgefühle es sicht gut leben lässt.
wilhelm busch: 'das gute dieser satz steht fest ist stets das böse das man lässt'

viele grüße ernie
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Schuld und Sühne

Beitrag von Holgi »

Ich bin der, der ich bin !

Klingt vielleicht ein bischen zu biblisch, aber hat doch was.

Verantwortung - JA. Schuldgefühle - NEIN.

Ich schlage, trete, bestehle, beleidige und hintergehe niemanden. Das wären für mich Situationen, wenn ich es tun würde, um Schuld und Sühne in mir aufkommen zu lassen.

Da ich aber -mein Leben- endlich lebe und mein Umfeld mit mir nicht mehr "spielen" kann, reagieren meine Mitmenschen verstört.

Versuchen immer und immerwieder mir die Schuld einzureden, das sie nicht mehr mit mir so umgehen können, wie SIE es gewohnt waren.

Wie gesagt, ich bin niemanden Rechenschaft schuldig, nur mir selbst gegenüber.

Ich vertrete endlich meine ehrliche Meinung und wenn mein Gegenüber ein Problem damit hat, ist es sein Problem.

Ich güße Euch alle

Holgi
-
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen.

@ Prom
- Der Mensch ist ein soziales Wesen -
Du hast recht. Die Menschen, die zuviel von --SOZIAL- haben, landen da wo wir jetzt sind.
Antworten