Bleibt alles anders II

chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Liebe Lisa,

ja, son büschn Hilfe brauche ich wohl schon. Die PKV würde leider in meinem Falle sicherlich alle Leistungen ausschließen, die Zahnbehandlung und Psychotherapie betreffen, insofern bleibt nur die GKV. Abgesichert beziehungsweise krankenversichert war in den letzten 7 Jahren nur sehr sporadisch; bin ja im Schuldenloch und besitze nicht mal sowas wie ein Bankkonto. Vor ein paar Tagen wurde hier schon kurz mal der Strom abgestellt, das konnte ich dann aber gerade so noch hinbiegen. Sozialpsychiatrischer Dienst, Schuldnerberatung und so hab' ich schon alles durch – gebracht hat's leider nichts.


Viele Grüße und vielen Dank,
Chimera
Andrea37
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Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Andrea37 »

Hallo Chimera,
das hört sich alles nicht so gut an.
Ich habe übrigens nichts gegen Dich und gönne Dir auch so viel Frauen wie Du verträgst- ich stehe sowieso nicht auf Frauen.
Gibt es für Dich keine beruflichen Alternativen? Du bist doch selbständig, oder? Vielleicht doch besser ein Angestelltenverhältnis eingehen und dann eventuell Verbraucherinsolvenz machen?

Gruss
Andrea
Holgi
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Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Holgi »

Hi Chimera

Ja, -Jammerdepression- ( ein Ausdruck für mein machmaliges Verhalten, in Sitzungen bei meinem Therapeuten ) ist eigentlich genauer betrachtet, der Oberbegriff, für jede Form von Depression ( nur meine Meinung ).
Egal ob polare, bipolare, schwere usw., usw.
In jeder Art von Depression kommt doch immer das gleiche hoch.
Ich komm nicht aus dem Bett, das ist mir zu schwer, ich weiß nicht, wie ich das bewältigen soll, das schaff ich nicht, das bringt doch sowieso nichts, usw., usw.
Selbstaufgabe und Schlammwühltaktik.

Auszug aus -Holgis- Leben vor seinem ersten Treffen, mit dem "Kärcherspezialisten".

Ich hatte da so meine schöne "Suhlgrube". Schöner, sandiger, schleimiger "Jammersumpf". Es war ein herrliches Gefühl jeden Tag darin zu baden. Das allerbeste, ich hatte "Publikum", die mich jeden Tag "bestätigten" in meinem Dasein. "Du hast es aber echt nicht leicht", "Man, das würde ich aber nicht wollen", "Oh, nimm dir doch mal eine Auszeit" usw., usw.
Das Schöne, daran war, das mein "Schlammloch" durch diese Sprüche, immer wärmer wurde. Warum sollte ich da raus und mir "Klamotten" anziehen, ich hatte doch alles, was ich "brauchte".
Dunkelheit beim Untertauchen, Mitleidsbekundungen beim Auftauchen ( wärmt ja ) und schönen, sandigen Schleim auf meiner "Haut".
Bis zu dem Tag, als jemand kam ( mein Thera ) und beschloss, mich aus meinem schönen "Schlammloch" rauszuziehen.
Hab mich total gewehrt. Aber der Typ hat in guter alter "John Wayne Art", seinen "Kärcher" gezogen und meine Haut mit kaltem Wasser von dem Schleim befreit.
Tat weh.
Nun stand ich da. Nackt aber sauber und es war kalt. Was tun ?
Klamotten anziehen, was sonst.

Ab und zu springe ich nochmal in das "Schlammloch", aber ich sehe dann, wie meine "Klamotten" dreckig werden.
Und die sind wirklich zu teuer dafür.

Ganz liebe Grüße an Dich Chimera
und an alle hier im Forum

Holgi
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Danke, Andrea. (Bin sehr überrascht...)

Ja, ich bin selbstständig, aber unter chaotischen Umständen. Es würde zuweit führen, versuchte ich, selbige irgendwie verständlich darzulegen. Meine Schulden sind vergleichsweise gering; Verbraucherinsolvenz lohnt sich somit vermutlich nicht – bin aber gerade dabei, das mit einem Berater abzuklären; da spielen noch ein paar andere Faktoren mit rein. Fakt ist, daß es schwierig bis unmöglich ist, dieses Schlamassel mal zu überkommen – ich werde wohl meine Grandiosität entdecken müssen, um es zu schaffen. Diese liegt leider weniger in meinem Job – meine Berufswelt ist sehr technisch, sehr kalt, sehr menschenleer, sehr virtuell; das ist eher Gift für 'nen eher kommunikativen, human orientierten Menschen wie mich.

Für die Selbständigkeit eigne ich mich generell schon; ich bin einigermaßen hochqualifiziert und in nicht-depressiven Zeiten sehr leistungsfähig und zu allen Schandtaten wie Nachtschichten, Feiertags- und Wochenendarbeit und unermüdlichem Einsatz bereit. Die anderen Fragen kann ich im Moment nicht beantworten – ich weiß nur, daß ich so, wie ich nun schon seit langer Zeit lebe, regelmäßig abstürze und wohl auch in Zukunft immer wieder abstürzen werde.

Ich habe an und an Affairen und viele (platonische) Freundinnen, habe aber nicht viele Frauen. Bin abgesehen von kurzen Unterbrechungen seit sechs Jahren Single – sonst hätte ich wohl kaum Passagen aus einem autobiographischen Buch eines Autors, der in jungen Jahren an seelischer Vereinsamung starb, hier eingesetzt.


Viele Grüße Dir und alles Liebe,
Chimera
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Der zaubert doch gleich wieder ein breites Schmunzeln auf mein Gesicht, der Holgi – »Schlammwühltaktik«

Danke Dir, es hat auch heute wieder »Klick« gemacht bei mir...
Andrea37
Beiträge: 99
Registriert: 28. Jun 2006, 13:53

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Andrea37 »

Hallo Chimera,
man kann grundsätzlich nicht sagen, dass sich Verbraucherinsolvenz erst ab einem gewissen Betrag lohnt. Sicherlich muss man berücksichtigen, dass die Kosten des Verfahrens bei mind. 1.500 € liegen und daher kleineren Schuldsummen in keinem Verhältnis zu den Kosten stehen. Wegen der der Verfahrenskosten kann man Stundung beantragen. Als Selbständiger müsstest Du sowieso Regelinsolvenz beantragen.
Würde Dir empfehlen, Dich nicht auf einen gewerblichen Schuldenregulierer einzulassen und auch bei den Anwälten muss man vorsichtig sein.
Hohe fachliche Qualifizierung und Arbeitseinsatz sind für eine selbständige Tätigkeit nicht unbedingt ausschlaggebend. Du kannst noch so gut sein, wenn Du Dich nicht vermarkten kannst. Spreche aus eigener Erfahrung.
Bin jetzt sehr müde und schreibfaul.

Gute Nacht
Andrea
jes
Beiträge: 681
Registriert: 14. Okt 2004, 00:48

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von jes »

Guten Abend wünsch ich euch.

Jammerdepression ? Okay das war jetzt wieder nicht ganz ernst gemeint, oder ? (Bin ja manchmal ganz gut schlecht von Begriff )

Suhlen im Dreck, in Trauer, im Schmerz, und obwohl das alles so scheiße ist, komm und will ich vor allem nicht daraus. In diesem Zusammenhang hab ich ein Bild aus Kindertagen im Kopf. Ich konnte da gerade krabbeln, war ein Sauwetter und ich in Regenkleidung, meine Zunge draußen um gerade die olle dreckige Pfütze auszutrinken. Das ganze gibt es wirklich als Beweissfoto.
Okay, kleiner Ausflug
Passend zu im Dreck suhlen.
Fiel mir gerade beim Schmerz, Herzschmerz, Deprischmerz ein, an den ich mich ja ach so gern klammer und dabei frage ich mich wieder mal, will ich davon denn loslassen ?
Nö, bin warscheinlich pervers

Wenn ich mir meine Musik anhör, bin ich nicht verwundert, aber ich mag die halt, die melancholische Stimmung. Das bin ja ich, oder ein Teil von mir. Wuahhh, wirr, Stop, nicht mein Thread. Sorry Chimera, entschuldige ich mich mal wieder.

Weisst du, mir ist heut noch so durch den Kopf gegangen was hier mit dir und deinen Worten passiert. Du schreibst und sie kommen alle (überteibe jetzt mal ein kleines bisschen). Die Klicks allein, die Antworten. Du bist halt eine große Persönlichkeit. Und jeder der hier schreibt denke ich möchte ein wenig dazu gehören, gesehen werden, gelesen werden.
Dabei kam mir natürlich auch in den Sinn das ich hier vermehrt schreibe, und habe mich gefragt warum ?
Ich denke einfach in meinem Fall möcht ich auch mal gesehen werden, die kleine graue Maus, die im wirklichen Leben keiner hört . (Was da eigentlich besser wäre, da käme nämlich meine von Data anerkannte Rechtschreibschwäche nicht zum Vorschein)
Was mir hier auch schon mal passiert, nicht immer kommt ne Reaktion, wie auch, auf so Wirres Zeug ?
Was ja manchmal nicht mal mit dem Thema zu tun hat. Thema verfehlt, 6, so hieß das mal in der Schule

Meine Güte was red ich hier,
gute Nacht
Jessica

P.S. zum Glück kann ich über mich selber lachen

Edit: ein Tipfehler, ja ich! hab einen gefunden
Sich selbst zu lieben ist der Anfang einer lebenslangen Romanze.

(Oscar Wilde)
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Hi Jessica,

büschn unstrukturiertes wirres Zeug ist immer gut – ich als oller Aufmerksamkeitsdefizitssyndromler hab' da völliges Verständnis... Und ich sehe es ebenso wie das Anderl: Ich nehm' Dich in letzter Zeit als viel offener wahr – und freu' mich ob [nee, eigentlich »über« – der Data moniert auch da ganz gerne büschn rum ] diese(r) Deine(r) Plapprigkeit.

»Und jeder der hier schreibt denke ich möchte ein wenig dazu gehören, gesehen werden, gelesen werden.«

Ja, darüber denke ich auch ab und an büschn nach – und meine, daß es vielleicht die in »meinen« Threads trotz des Schmerzes komischerweise immer reichlich vorhandene Energie und Lebendigkeit ist, die irgendwie anziehend ist – vielleicht spürt man die überirdische Sehnsucht des jungen C. nach Leben, nach Lebendigkeit und Liebe, vielleicht jedoch isses auch nur lustig, dessen immergleiche Leiden zu lesen. Wir haben alle wohl büschn viel Sehnsucht nach 'ner seelisch lebendigen Community, in der man mehr sein darf als Masquerade oder Getrieberad – und aus diesem Grunde »darf« man hier auch das Thema verfehlen.

Regenwolke schrieb weiter oben etwas davon, »Teil eines großen Kosmos zu sein«. Das hat mich sehr berührt; und ich denke, unsere Seele braucht dieses Gefühl, braucht dieses Bewußtsein so sehr, Teil eines Mikro- oder Makrokosmos zu sein, sowohl als Sehender als auch Gesehener – was nicht gesehen wird, stirbt irgendwie oder schläft 'nen fett traurigen Schlaf oder wird aufgrund der Wut ob des Nicht-gesehen-Werdens destruktiv und macht depressiv.

So – an dieser Stelle is' aber verfrüht Schluß mit Lebendigkeit. Auch das müde Chimera muß nun schlafen und verbleibt wirr, doch auch heute mit promillelosen Grüßen.

Chimera
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Hallo Andrea,

hier nun die (hoffentlich nicht zu umfangreiche) Antwort:

»man kann grundsätzlich nicht sagen, dass sich Verbraucherinsolvenz erst ab einem gewissen Betrag lohnt. Sicherlich muss man berücksichtigen, dass die Kosten des Verfahrens bei mind. 1.500 € liegen und daher kleineren Schuldsummen in keinem Verhältnis zu den Kosten stehen. Wegen der der Verfahrenskosten kann man Stundung beantragen. Als Selbständiger müsstest Du sowieso Regelinsolvenz beantragen.«

Bei mir geht es ja eigentlich nur um Altschulden. Diese können bei gutem Verhandlungsgeschick durchaus niedrig sein; das hängt allerdings noch vom Ausgang eines Verfahrens ab, das erst 2008 stattfinden wird. Dieses Verfahren war ja einer der wesentlichen Gründe meines aktuellen Zusammenbruches. Meine Selbständigkeit wirft generell Gewinn ab und ich konnte bereits 70% des ursprünglichen Betrages abzahlen – dann kam die große Depression und seitdem geht es nur noch sehr, sehr stockend voran.

»Würde Dir empfehlen, Dich nicht auf einen gewerblichen Schuldenregulierer einzulassen und auch bei den Anwälten muss man vorsichtig sein.«

Welche Alternativen gibt es denn dann? Die Schuldnerberatung half mir ja nicht – sie gaben mir Auflagen, die ich auch erfüllte, und dann bekam ich keinen Termin mehr. »Melden sie sich in einem Jahr wieder.« Höh! Die Schuldnerberatungsstelle in meiner Stadt ist leidet mega-überlastet; ich hab' da wirklich schon alles versucht.

»Hohe fachliche Qualifizierung und Arbeitseinsatz sind für eine selbständige Tätigkeit nicht unbedingt ausschlaggebend. Du kannst noch so gut sein, wenn Du Dich nicht vermarkten kannst. Spreche aus eigener Erfahrung.«

Ja, das mußte ich auch bereits erfahren; Du hast absolut recht. Bei mir ist der Fall allerdings noch ein wenig anders gelagert; die Selbständigkeit liegt mir quasi im Blut – ich komme aus einer Selbständigenfamilie und (fast) mein gesamtes Umfeld war immer selbstständig. Und genaugenommen bin auch ich schon seit Ewigkeiten quasi-selbständig; also kein existenzgründendes Greenhorn.

Willst Du (in meiner Branche) erfolgreich selbständig sein, mußt Du:
a) Mega-durchsetzungsfähig, einigermaßen streß- und druckresistent und so weiter sein.
b) Erstmal an Jobs rankommen – das funktioniert in 80% der Fälle über Empfehlungen und Kontakte zu Entscheidungsträgern, eher selten über klassische Werbemaßnahmen. Und Du brauchst interesseweckende Sonderstellungsmerkmale.
c) Die Jobs unter Beibehaltung von Wirtschaftlichkeit in einem angemessenen Zeitrahmen zur Zufriedenheit der Kunden ausführen können.
d) Die Kohle dann auch erhalten (bricht auch einigen das Genick).

Mein Problem ist eher das immer wieder auftretende Burnout-Syndrom – ich mach' den Job nu' seit 17 Jahren (wurde mit 19 ins Haifischbecken geworfen), da is' in manchen Zeiten eben nicht mehr viel mit Inspiration. Aber in meiner süßen kleinen »Firma« stecken nun eben diese 17 Jahre Know-How und ziemlich viel Kohle; das gibt man nicht so schnell und nicht so gerne auf. Gäbe es das Burnout-Ding nicht beziehungsweise nur in schwächerer Form, könnte ich meine Altschulden innerhalb von 3 Monaten oder so regulieren – ich habe recht viele Aufträge und recht gute Kunden; ab und an lehne ich sogar Aufträge ab, weil ich sowie weiß, daß ich die Kraft und die Zeit nicht aufbringe, sie zu bewältigen. Wenn man allerdings 2 Monate lang fast nicht arbeiten kann, isses klar, daß man schnell wieder im Finanzloch landet.

Der liebe Holgi hat mich jetzt wieder mit Hochdruck abgekärchert; insofern hab' ich mich jetzt entschlossen, mich wieder für ein paar Monate zusammenzureißen – und mit Hochdruck weiterzuarbeiten.


Vielen Dank und liebe Grüße,
Chimera
Guitaranderl

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Guitaranderl »

Hm... bist Du auch so ein lonesome Rider, der allein durch die Wüste reiten muss und allenfalls Pferd und Colt als Partner akzeptiert?

Das Bild kommt mir, wenn ich Dein letztes Posting sehe, Chimera-Hombre. Ich frage mich, wieso ich den Eindruck bekomme, dass (auch) Du meinst, Du müsstest immer alles allein wuppen...

Es kann doch nicht sein, dass eine Fa. Aufträge ablehnt, wenn es am Markt einen Haufen von Leuten gibt, die sich sicher gern ein bisschen was dazu verdienen möchten; gerade in der - idealisierten - Werbebranche.

>mich wieder für ein paar Monate zusammenzureißen – und mit Hochdruck weiterzuarbeiten.
Das klingt nicht gut; gar nicht gut.
chrigu
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Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chrigu »

Hallo Holgi,

danke für Dein Bild mit dem Schlammloch und dem Kärcher. Ich bin großer Fan von solchen Bildern, weil sie mir Dinge bewusst machen, die vorher irgendwie diffus in meinem Kopfnebel herumwaberten.

Aber dann sind plötzlich Situation, Gefühl und sogar die Lösung ganz klar.

Mein Kärcher hatte definitiv noch nicht genug Druck, um den ganzen Schlamm wegzubekommen, das habe ich jetzt gemerkt. Also schalte ich jetzt mal einen Gang höher damit und lege mir schon mal warme Klamotten bereit.

Viele Grüße
Chrigu
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Regenwolke »

Na, ob "Weiterarbeiten mit Hochdruck" so das Richtige ist, da beschleichen mich auch Zweifel. Wenn möglich einen Teil der Arbeit an junge willige und billige Kreative zu delegieren ist doch keine so schlechte Idee, oder?

Im Gegensatz zu Dir Holgi - und offensichtlich ja auch zu vielen anderen hier - konnte ich mit dem Begriff "Jammerdepression" übrigens noch nie was anfangen, wahrscheinlich ist mir deshalb das Bild mit dem Schlammloch auch sehr fremd, wenngleich es eine deutliche Sprache spricht.

Für mich ist Depression nicht warm, sie ist eiskalt. Wie nackt in einen Eisblock eingefroren sein. Da geht keine Bewegung mehr, man kann das Leben draußen nur gebrochen erkennen und die eigene Stimme klingt - wenn überhaupt - lediglich fiespsig und klein durch das dicke Eis. Da ist kein Schlamm am Körper, da ist eh schon alles roh. Mit dem Kärcher nicht zu retten, nur mit langsamer Wärme. (Oder ist das jetzt jammerig depressiv, wenn ich mich in einem solch düsteren Bild "suhle"?)
Guitaranderl

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Guitaranderl »

100 % Zustimmung, Wolke!
Ein lonesome Rider kreiert seine Probleme selbst, überwindet sie selbst und genießt auch als Einziger den emotionalen Ertrag. Delegieren ist ja schön und gut, aber Delegieren bedingt vertrauen können. Außerdem bleiben wir ja nicht "allein der Gute/Besondere", wenn wir abgeben...
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Lieber Andreas-Hombre, liebe Regenwolke,

sorry, aber so einfach, wie Ihr das seht, isses nicht – es ist schlicht unmöglich, diese Jobs zu delegieren. Einigermaßen erfolgreich bin ich nur, weil ich mich auf eine Nische spezialisiert habe, und weil die Kunden eben meinen »Style« wollen – hört sich jetzt wohl blöde an. Und ich kenne (schon von der rein technischen Seite; die benötigte Software ist mega-teuer sowie mega-komplex und wird von Kollegen eigentlich nie genutzt) keine anderen Graphiker, die diese Jobs machen könnten. Oftmals bauen die Jobs auch auf älteren Jobs auf, die ich irgendwann mal machte, und bei denen niemand außer mir den Durchblick hat. Wie gesagt, auch kreative Jobs sind komplizierter und stärker von Technik geprägt, als man gemeinhin vielleicht denken mag. Aber es ist besser, wenn wir diese Diskussion jetzt lassen; sie gehört nicht hierher.

Ich möchte nicht alles alleine wuppen, Andreas – es war immer einer meiner größten Wünsche, kein lonesome Rider zu sein. Meine Depression begann übrigens in einer Zeit, als mich mein früherer Geschäftpartner »verließ« – nicht aufgrund von Differenzen oder Unstimmigkeiten oder so; er zog eben wegen seiner Partnerin in eine andere Stadt.

Ich sehe im Moment schlicht keine andere Lösung, als es allein zu wuppen – seit Jahren suche ich verzweifelt nach einem Ausweg, aber ich fand ihn nicht. Von drei Jahren war ich schonmal in exakt derselben Situation – ich schmiß alles hin, ging zum Sozialamt und hing für ein paar Monate depressiv untätig rum – und was brachte es mir? Absolut nichts, die Aufgabenstellung wiederholt sich. »Es kommt alles wieder, was nicht zuende gelitten wurde...« Oder so... Hätte ich mich damals nicht fallenlassen, wäre ich heute zumindest schuldenfrei.


Viele Grüße,
Chimera
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

»Ein lonesome Rider kreiert seine Probleme selbst, überwindet sie selbst und genießt auch als Einziger den emotionalen Ertrag. Delegieren ist ja schön und gut, aber Delegieren bedingt vertrauen können. Außerdem bleiben wir ja nicht "allein der Gute/Besondere", wenn wir abgeben...

Nur 20% Zustimmung, Andreas. Ich hab' nichtmal 'ne Ahnung, worin der emotionale Ertrag bestehen könnte.

Über Dein gestriges 11:17-Uhr-Posting denke ich noch nach; mit selbigem haste was in mir getroffen. Gelänge es mir besser, die Mitte aus Job und Privatleben, die Mitte aus Anspruch und Grenzen zu finden, wäre ich wohl nicht ein ständiger Burnout-Kandidat.
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Für mich ist Depression nicht warm, sie ist eiskalt. Wie nackt in einen Eisblock eingefroren sein. Da geht keine Bewegung mehr, man kann das Leben draußen nur gebrochen erkennen und die eigene Stimme klingt - wenn überhaupt - lediglich fiespsig und klein durch das dicke Eis. Da ist kein Schlamm am Körper, da ist eh schon alles roh. Mit dem Kärcher nicht zu retten, nur mit langsamer Wärme. (Oder ist das jetzt jammerig depressiv, wenn ich mich in einem solch düsteren Bild "suhle"?)

Sehr treffendes Bild, Regenwolke – in der tief-depressiven Talsohle empfinde ich das ganz ähnlich. In der tiefen Depression produziert schon alleine der Körper nicht mehr die Kraft, dem Kärcher standzuhalten. Aber wie ist es in den Zwischenstadien; in den Stadien, in denen man am Scheideweg steht, in denen man spürt, daß man wieder ein wenig Kraft hätte, sich zu entschlammen? In diesen Stadien finde ich Holgis Weg sehr zielführend.
chrigu
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Registriert: 20. Mär 2006, 12:20

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chrigu »

Hallo zusammen,
hallo Regenwolke

da ich Holgis Bild zugestimmt habe, fühle ich mich jetzt auch angesprochen von Euren Postings.

Ja, stimmt, viele erleben die Depression als kaltes Gefängnis, so wie von Regenwolke beschrieben. Da ist dann auch nichts mit suhlen.

Aber es gibt eben auch welche, die sich durchaus gerne darin suhlen (ich denke jetzt auch gerade an die Frage nach dem Gewinn). Die, die sich suhlen, sind bestimmt vom Typ lonesome Rider, Deine Beschreibung im letzten Post, Andreas, triffts schon ganz gut... - obwohl ich auch versuche, mal jemanden an meiner Seite zuzulassen.

Deshalb besteht für mich durchaus ein Unterschied zwischen jammerig-depressiv (Schlammloch) und depressiv (Eisblock).

Viele Grüße
Chrigu
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Holgi »

Hi Ihr Lieben

Selbstaufgabe = Eisblock
Schlammwühltaktik = Suhlgrube

Grüße an Euch

Holgi
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Ich seh's so, daß wir hier wieder die alte Diskussion um die Pole »Sich zusammenreissen versus sich fallenlassen«, »Hart zu sich sein versus sich der Schwäche ergeben«, »Latente emotionale Probs prominent ans Licht zerren versus emotionale Probs in der Gnade des Schattens belassen« entstand. Was denn nu' wann richtig und zielführend ist und wer denn hier nu' der lonesome Rider sein soll, durchschaue ich offengestanden nicht mehr. Welchen Gewinn Jammern einbringen könnte, außer dem, Verdrängtes und Ungelöstes, also etwas, das sowieso da ist, zu konfrontieren, verstehe ich ebensowenig; Sekundärgewinne halte ich für totalement sinnlos.

@ Holgi: Na, dann ist die Schlammwühltaktik ja wenigstens schon 'ne Schwingungsebene höher angesiedelt als die Eisblocktaktik.
Regenwolke
Beiträge: 2214
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Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Regenwolke »

Lieber Chimera,
ok, sehe ich ein, daß es nicht so einfach ist, Deinen Job von anderen mitmachen zu lassen. Vielleicht gehts da wirklich eher um das rechte Maß, also darum, für genügend Kraftquellen außerhalb zu sorgen, die es möglich machen, neue Energie in den Job zu tragen.

>in der tief-depressiven Talsohle empfinde ich das ganz ähnlich. In der tiefen Depression produziert schon alleine der Körper nicht mehr die Kraft, dem Kärcher standzuhalten. Aber wie ist es in den Zwischenstadien; in den Stadien, in denen man am Scheideweg steht, in denen man spürt, daß man wieder ein wenig Kraft hätte, sich zu entschlammen?

Für mich beschreibt das Eiszeit-Bild auch die Talsohle einer schweren Depression, die (bei mir) vor allem durch ein Gefühl von "Abgeschnitten-Sein" gekennzeichnet ist.
Um mal bei dem Bild zu bleiben: Ich glaube, aus diesem Eisblock kommt man zunächst von allein nicht raus, es braucht dann Hilfe von außen oder einen Wetterumschwung. Also: Es wird langsam Frühling, die Sonne scheint, das Eis fängt an, zu schmelzen und auf einmal spüre ich meine Glieder wieder, fühle, daß Bewegungen möglich sind. Diese Kraft muß ich nutzen, muß mich bewegen, selber Wärme erzeugen, von Innen das Eis zum Schmelzen bringen, damit es nicht wieder einfriert, sobald das Tauwetter zu Ende ist. Und angenommen, ich habe es geschafft und bin aus dem Eisblock raus, dann stehe ich ja zunächst immer noch nackt da. Dann muß ich wieder lernen, genau hinzugucken (der Blick ist ja jetzt nicht mehr durch das Eis verzerrt), damit ich sehe, wo es Kleidung gibt und Nahrung. Ich muß wieder lernen, zu sprechen, damit ich bekomme, was ich brauche. Ich muß lernen, auf den Schutz, den das Eis gegeben hat, zu verzichten und geeignetere Mittel für meinen Schutz finden. Auf Therapie bezogen ist das sicher ein Punkt, wo ein Therapeut ermutigen und fordern muß, trotzdem, ich glaube einen Kärcher brauch ich da immer noch nicht. Für mich verformt Druck eigentlich in erster Linie.

Liebe Chrigu,
vielleicht hast Du recht, und es gibt diese verschiedenen Formen der Depression. Meine Beschreibung oben ist ziemlich subjektiv.
Was ich allerdings auch kenne, ist "die süße Lust der Melancholie", bißchen traurig, bißchen sehnsuchtsvoll, den Blick immer in die Ferne gerichtet auf das, was ich eh nicht haben kann. Das war aber für mich bisher was anderes, als Depression. Muß ich nochmal drüber nachdenken.

Muß jetzt weg.
Schönen Abend euch,
Regenwolke
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Holgi »

Hallo Wolke

-für mich verformt Druck eigentlich in erster Linie-

Bingo. Also ich gehe mal davon aus, das die Depri -Druck- ist.

Druck = zusammenpressen
Gegendruck = in die ursprüngliche Form zurückbringen


Hallo Andreas

Ich weiß ja nicht, ob Du das Gefühl kennst, selbstständig zu sein, oder in einer Familie augewachsen bist, von Selbstständigen.

Ich kenne das Gefühl von chimera.
Der Grundgedanke von Dir mit dem -LR- ist im Grunde genommen das, was die "Welt" von ihm sieht, oder sehen will.
Ich selber bin in so einer Familie aufgewachsen. Ich bin auch selbstständig, kenne dieses Scheißgefühl, das du dein Bestes gibst, um deinen Eltern zu gefallen.
Du bist so richtig gut und punktest super und das einzige was kommt ist Kritik "also das hätte ja noch besser sein können".
In solchen Familien zählt Geld nicht Liebe. Punktum.

Glaub mir delegieren können wir.

Und an alle, das war ein -Auszug aus HOLGI´S Leben-.


Wenn mir, in meinem ach so tollen Leben, nicht immer alles abgenommen wäre und ich mal öfter einen Tritt in den Arsch bekommen hätte ( symbolisch gemeint ), wär wohl der passende auch gewachsen.

Jetzt jammer ich auch schon wieder.

Grüße

Holgi
Guitaranderl

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Guitaranderl »

>Ich kenne das Gefühl von chimera

Tja, Holgi, da hast Du mir was voraus, denn - obwohl ich diesen Freds schon seit Wochen nachhänge, fällt es mir immer noch schwer, mich in Chimera´s Gefühlswelt hineinzuversetzen.
Zum Beispiel stolpere ich über diese Aussage:
>Aber es ist besser, wenn wir diese Diskussion jetzt lassen; sie gehört nicht hierher.
Klar, da ist ein Stück Berechtigung dran, aber ich rieche da auch ein Ausweichen. ich meine, o.k., ich arbeite zwar selbstständig, bin aber Angestellter, dafür wiederum seit über 25 Jahren in Marketing und Vertrieb tätig und habe viel mit Agenturen und Kreativen zu tun. Die Leute in meinem Umfeld, die ausbrannten, warum immer die mit überzogenem Perfektionismus und der Unfähigkeit, Dinge abzugeben. Im übrigen kann man auch Standardabläufe prima abgeben... um vielleicht das besonders Anspruchsvolle doch selbst zu regeln.

>Ich sollte mit 36 nun wahrlich erwachsen sein; mein Erzeuger hat es jedoch geschafft, mich in eine Situation zu manövrieren, aus der ich – so scheint es – nicht mehr herausfinde.
Wo Holgi gerade so schön das eigentliche Ziel all des Abrackerns nennt, würde ich gern noch einmal kurz auf diesen wunderschönen Satz zurückkommen. Ich erlebe ihn als paradox. Wenn Du, Chimera, mit 36 Jahren erwachsen sein wolltest, dann würdest Du die Verantwortung für Dich tragen und nicht versuchen, sie weiterzugeben. Aber genau das ist ja das Problem am Erwachsensein; selbst die Verantwortung für das eigene Handeln zu tragen.. und sich auch ein bißchen die Möglichkeit zu nehmen, das Päckchen jemanden anderes aufzuladen.
Und mit dem Herausfinden.. seufz, ja, da brauchst Du bestimmt Jemanden, der Dir hilft, aber es gibt diesen Weg. Es wird aber ein anderer sein als der bisherige.
Insofern bleibt es ja vielleicht doch nicht alles anders..

Beste Grüße
Andreas
Holgi
Beiträge: 753
Registriert: 28. Okt 2006, 19:43

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Holgi »

Hallo Andreas

Deinen Worten entnehmend, hast Du ein gutes Studium absolviert. Außerdem arbeitest Du in einem Konzern, der sehr gute Fortbildungsmöglichkeiten hat.
Also -Marketing = Trimmen auf Verkaufserfolg-.

Ich kenne beide Seiten, da ich Dienstleister bin für Agenturen und Maketingabteilungen.

Eine eigene Biospähre für sich, wenn sie aufeinander treffen ( Sorry ich muß gerade smunzeln, wenn ich so an meinen Alltag denke, über das Kompetenz-Gerangel zwischen Agentur und Marketing ).

Naja, wie dem auch sei.
Du bist im Marketing und Vertrieb. Deine Aufgabe ist es, die Produkte gewinnbringend an den Mann zu bringen ( Marketing ).

Chimeras Aufgabe ist, die Produkte "in die passende Szene zu setzen", damit sein Kunde sie vorteilshaft gegenüber seinem Mitbewerber, präsentieren kann ( Design ).

Der Druck kommt letztendlich von dem Auftraggeber.

Du hast in Deiner Aufgabe nur ein Ziel.
Chimera hingegen zwei.

Ergo B-O

Ich kenne übrigens viele Marketings, die an B-O leiden.

Ist so in unserem Job.

Grüße Dich

Holgi
chimera

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von chimera »

Lieber Andreas,

ich möchte nicht ausweichen – ich will doch einfach nur meine persönliche Thematik, von deren Lektüre nicht auch andere Schreiber und Leser profitieren können, nicht allzu pralle hier ausbreiten. Es mag sein, daß es meinem Auftreten nicht immer anzumerken ist, aber im Grunde meines Herzens denke ich sehr sozial und habe stets auch das Gegenüber und die Gemeinschaft im Blick.

»Die Leute in meinem Umfeld, die ausbrannten, warum immer die mit überzogenem Perfektionismus und der Unfähigkeit, Dinge abzugeben.«

Ja, damit hast Du vom Prinzip natürlich absolut recht. Ab und an [aber ganz selten ] kam mir der Vorwurf mangelnder Teamfähigkeit schon zu Ohren.

»Im übrigen kann man auch Standardabläufe prima abgeben... um vielleicht das besonders Anspruchsvolle doch selbst zu regeln.«

Leider hab' ich im Regelfall nur Jobs, die fast keine Standardabläufe umfassen. Ich war im früheren Leben Junior AD und Teamleiter in 'ner Agentur und weiß somit im Regelfall schon, welche Abläufe delegierbar sind und welche nicht – alle Jobs, die ich im Moment habe, sind es nicht. Ich sehne mich ja nach Easy-going-Standardjobs, hab' aber nur Aufträge, die den ganzen Mann erfordern. Und die packe ich oftmals nicht, wenn mein Spirit, mein Konzentrationsvermögen und meine Kreativität am Boden sind.

Rest der Antwort folgt; bin mal wieder völlig erschöpft...


Lieber Holgi,

Du hast den Kern meines Erlebens mal wieder perfekt getroffen – bin somit gerade wieder büsch umgebeamt. Danke dafür – Kommentar folgt.


Herzliche Grüße,
Chimera
Guitaranderl

Re: Bleibt alles anders II

Beitrag von Guitaranderl »

>Außerdem arbeitest Du in einem Konzern, der sehr gute Fortbildungsmöglichkeiten hat.
Stutz.. Kannst Du hellsehen?
Antworten