wir sind die normalen

Antworten
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

wir sind die normalen

Beitrag von Calzino »

hallo zusammen,

ich habe neulich in bohnebergers fröhlichkeits-thread schon damit angefangen, aber da gehörte es bestimmt nicht hin.

ich habe geschrieben, dass wir die normalen sind, da wir krank werden in dieser welt und die einen auch nur krank machen kann.

jeden morgen werde ich auf der bundesstraße sinnlos überholt, geschnitten, angeblinkt und angehupt, und täglich sterben menschen dabei nun weil andere 3 minuten eher in der arbeit sein wollen, wo sie vermutlich gar nicht gerne sind.

ich kenne leute , die geben halbe vermögen für die biokost ihrer kinder um sie dann im X5 mit 18 l verbrauch in den kindergarten zu fahren, damit die balgen ja nicht einen meter laufen müssen.

freunde von mir kaufen ihre teakmöbel für den garten aus nachwachsenden plantagenholz um den regenwald zu schonen. kurz drauf fliegen sie auf die malediven zum tauchen, weil man ja nicht weiß wie schnell der meerespiegel steigt.

wir fahren in die klimakatastrophe im porsche mit 4 zonenklimaanlage und 500ps.

im irak starben tausende von menschen und täglich sterben mehr und dieser verrückte darf weiter ungestraft behaupten, die welt retten zu wollen.

wir machen permanent wider besseren wissen komplett sinnlose dinge die uns und unseren kindern die lebensgrundlage rauben können.

das sehe ich alles (und noch viel mehr) vollkommen klar vor mir.

und ich soll der verrückte sein?

die sogenannten normalen filtern das alles aus. sie verdrängen alles, was ihnen grad nicht in den kram passt. die sehen das gar nicht. und es ist für sie kein widerspruch es einerseits genau zu wissen und es trotzdem nicht in ihre wahrnehmung und handeln einfließen zu lassen. die sind verrückt!

und wenn ich gut drauf bin schaffe ich das manchmal auch. und wenn ich nicht gut drauf bin, dann kreist das alles in meinen kopf und lässt mich dann nicht schlafen und nimmt mir die ausgelassene freude am leben.

@bo, du hast gesagt, du wärst lieber bei den anderen. ok ich auch. trotzdem, ist das wirklich alles nur ein problem von irgendwelchen transmittermolekülen im großhirn? wir schlucken einfach ein paar pillen und die probleme sind beseitigt?

so, jetzt werde ich versuchen zu schlafen, aber das kreiste wirklich alles durch meinen kopf . ich bin wahrscheinlich doch der verrückte.

liebe grüße

jens
MenschMeier
Beiträge: 93
Registriert: 8. Mär 2006, 22:20

Re: wir sind die normalen

Beitrag von MenschMeier »

Hallo Jens,

was du ansprichst, ist - glaube ich - auch bei mir ein entscheidender oder sogar der entscheidende Anteil beim Verfestigen der depressiven Grundstimmung gewesen.

Auch wenn einige jetzt vielleicht der Meinung sind, dies gehöre als Randthema nicht in dieses Forum: Es gibt nach meiner Beobachtung sehr sehr viele, die bei ihrer berechtigte Unruhe über den Zustand der Welt und den Bewusstseinszustand vieler Menschen eine ganze Zeit schwanken zwischen verdrängen und "ohnmächtiger" Auflehnung.

Auch wenn wir uns dabei oft als klein und wirkungslos empfinden: Die beste Therapie dabei ist, einen Platz zu finden, in dem wir an der richtigen Stelle im Kräfteverhältnis der Gesellschaft ziehen. Das kann direkt in der Politik sein (z. B. bei auch mir) oder in anderen Bereichen. Wir sind nicht allein und das gute Beispiel steckt auch oft andere an. Es gibt nichts Gutes, ausser mensch tut es. Das Gefühl, einen Beitrag in der richtigen Richtung geleistet zu haben - und sei er anfangs auch noch so klein - gibt mehr Kraft zurück, als das langanhaltende Grübeln über den Zustand der Welt uns nimmt. Das sage ich nur deshalb hier, weil auch ich bis heute noch keinen optimalen Umgang mit meiner permanenten Grübelsucht gefunden habe, d. h. nach wie vor noch für meinen Geschmack zu viel Zeit in diesem eher passiven Zustand verliere. Ich will nicht verdrängen sondern diese "Energie" konstruktiv nutzen. Ganz sicher gibt es auch in deiner Gegend Menschen, die in dieser Hinsicht bereits aktiv sind. Schau mal vorbei - vielleicht könnte es dir da gefallen .

Lg mm

---
Ergänzung:
Mir wird immer ganz anders, wenn ich den Allgemeinspruch höre: "... ist doch normal" - oder "... ist doch nicht normal".
Mit der Zuordnung "normal" ist für mich soviel Negatives verbunden, dass auch ich gern lieber "verrückt" als normal bin .
Dendrit
Beiträge: 4976
Registriert: 23. Mai 2003, 11:14
Wohnort: Oberbayern
Kontaktdaten:

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Dendrit »

Hallo Jens,

das erinnert mich an das, was mein 1. Psychiater sagte, als ich meinte - ich kannte ja nur die stigmatisierten Gerüchte über Geschlossene - ich käme nicht mehr raus:

Die hier drin sind, sind ganz normal und "draußen" sind die Unnormalen. Und hier in der Geschlossenen werden die Leute aufgepäppelt, um wieder in der unnormalen Welt zurecht zu kommen.

Na ja, klingt sogar irgendwo logisch. Das andere Argument, dass die Uni für Gesunde kein Geld hat, beruhigte mich dann doch - in die unnormale verrückte Welt "da draußen" wieder rauszukommen.

LG, Manuela
Sunshine77
Beiträge: 261
Registriert: 11. Okt 2006, 20:55

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Sunshine77 »

Hallo zusammen!

Ich möchte euch allen durchweg zustimmen!

Die Mehrheit der Menschen fährt auf der totalen Ego-schiene was sich sowohl in dem menschlichen Umgang wiederspiegelt als auch in der Wirtschaft. Profit zählt fast nur noch: sowohl in der Firmenkasse als auch auf dem Sparbuch des einzelnen. Leider stimmt der Anspruch und die Realität aber oftmals nicht überein und so laufen viele durch die Gegend um sich gegenseitig mit ihrem Hab und Gut zu blenden - und dabei wächst das Minus auf dem Konto stetig bis die Insolvenz droht. Gefühle werden betäubt mit Besitz oder einem Rausch nach dem anderen und diejenigen die noch wirklich empfinden und es wagen das zu äußern werden niedergemacht oder für krank erklärt damit die anderen ruhiger weiterhin ihr Leben im Wohlstand leben können. Denke aber diese Haltung betrifft nicht nur uns depressive, sondern grundsätzlich alle die nicht der angesagten "Norm" entsprechen - siehe auch die Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen oder Gewichtsproblemen/das Altern und auch Hautfarbe/Religion.

Tja, diese Erkenntnis ist gut aber macht es uns allen das Leben inmitten dieser "anderen" auch nicht gerade leichter...

Nachdenkliche Grüße,
Tini
Bleib dir selbst stets treu

Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Calzino »

hallo manuela und mm,

ich war mir auch nicht sicher, wie das hier ankommt und so freut mich eure solidarität.

@mm: ähnliche gedanken hatte ich auch schon. und wie ich während der diskussion um die gesundheitsreform die geballte unfähigkeit aller politiker (zumindest von denen, die am keiner kamera vorbeilaufen können) in großer klarheit vor mir sah, bin ich noch kurz vor weihnachten einer partei beigetreten. hier in unserem ortsverein habe ich liebe menschen gefunden mit denen ich zumindest den politischen teil meines frustes teilen und auch etwas gegensteuern kann. wenn man nichts tun, wird sich auch nichts ändern, da hast du völlig recht.

@manuela: zum thema "drinnen" und "draußen" fällt mir folgendes ein. kennst du das buch "per anhalter durch die galaxis"? (ich mag das buch! ich kann dort herrlich lachen) dort baut ein mann ein haus, das er das "äußere des irrenhauses" nennt. er baut das haus so, daß das innere außen und das äußere (des irrenhauses) innen ist, also so eine art atriumhof.
den beschluß dieses haus zu bauen fasste er, nachdem er auf einer zahnstocherverpackung eine bedienungsanleitung für selbige gefunden hatte.
ich würde mir auch gern so ein haus bauen, um öfter mal draußen sein zu können. (vielleicht muß ich auch nur öfter mal in die kinderzimmer meiner töchter gehen!)

ganz normale grüße vom ganz normalen wahnsinn

jens
SchwarzeSchnecke

Re: wir sind die normalen

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo ihr!

Calzino und mm, eure Beiträge gefallen mir!


Ich möchte auch noch etwas hinzufügen:

Normalerweise neige ich ja dazu zu denken, daß ICH diejenige bin, die "gestört" ist. An manchen Tagen habe ich aber auch das Gefühl, daß es genau umgekehrt ist. Besonders deutlich empfand ich dies während der Fastnachtszeit: Ich dufte beobachten, wie viele Menschen, die das ganze Jahr über fast völlig unauffällig bzw. teilweise richtige Spießer sind, an diesen Tagen wie auf Knopfdruck fröhlich wurden, über alles (worüber sie ansonsten nur nörgelten) lachten, betrunken auf der Hauptstraße herumliefen, andere anpöbelten usw. Da konnte ich einfach nur noch den Kopf schütteln...!


Zitat Calzino:
"ich habe geschrieben, dass wir die normalen sind, da wir krank werden in dieser welt und die einen auch nur krank machen kann."

Da kann ich leider nur zustimmen. Inzwischen denke ich auch immer öfter, daß unsere gesamte (Leistungs- und Konsum-)Gesellschaft irgendwie krank ist. Und ich kenne eine Reihe anderer Leute, die dies ebenso sehen – auch Nicht-Depressive!


Zitat mm:
"Auch wenn wir uns dabei oft als klein und wirkungslos empfinden: Die beste Therapie dabei ist, einen Platz zu finden, in dem wir an der richtigen Stelle im Kräfteverhältnis der Gesellschaft ziehen." [...] Das Gefühl, einen Beitrag in der richtigen Richtung geleistet zu haben - und sei er anfangs auch noch so klein - gibt [...] Kraft zurück [...].

Auch dem kann ich mich anschließen.

*****

Allerdings, die Ausdrücke "normal" und "nicht normal" mag ich nicht: "Normal" bedeutet "der Norm entsprechend" – und was ist schon die Norm?!

Ich ziehe es vor, von "nicht gestört" bzw. "gestört" sowie "gesund" bzw. "krank" zu sprechen.

Hierzu eine (und auch MEINE) Definition von "Krankheit":

Erkrankung, (Morbus, griech: Nosos - vgl. dann Noxe) ist eine Störung der körperlichen, kognitiven, sozialen und/oder seelischen Funktionen, die die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden eines Lebewesens subjektiv oder intersubjektiv deutlich wahrnehmbar negativ beeinflusst oder eine solche Beeinflussung erwarten lässt. (http://de.wikipedia.org/wiki/Krankheit)

Und eine (meiner Meinung nach sehr zutreffende) Definition von "Gesundheit":

Gesundheit ist körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden und nicht die Abwesenheit von Krankheit (Definition der WHO, 1948).


VG, Anne
Liber
Beiträge: 1491
Registriert: 4. Jun 2006, 18:09

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Liber »

Hallo an alle,

ein interessanter Thread!

Das Bindeglied zwischen diesem Thread hier und dem Thread "Verletzte Gefühle Überwinden" stellt für mich das dar, was Erich Fromm in seinem Buch "Authentisch leben" beschrieben hat.

Dort beschreibt Fromm ganz genau, wie wir modernen westliche Menschen uns an die "Werte" und Normen unserer Gesellschaft (Profit, Geld, Marktwert, Macht) so komplett angepasst haben, dass unser authentisches Selbst vollkommen verschwunden ist. Statt dessen leben wir in einer Art Pseudo-Selbst, das gelernt hat, alles für "normal" und "richtig" zu halten, was es umgibt.

Die Depression (oder eine andere Erkrankung) tritt auf, wenn gespürt wird, dass etwas ganz und gar nicht stimmt, wenn das Pseudo-Selbst ins Wackeln gerät.

Da kann vieles zusammenbrechen, aber das ist die Chance, die Reise zum authentischen Selbst anzutreten.



Viele Grüße

Brittka
deca_53
Beiträge: 63
Registriert: 3. Jul 2006, 17:30

Re: wir sind die normalen

Beitrag von deca_53 »

Hallo,

in der Klinik war der Spruch "Hier drinnen sitzen die eigentlich Normalen" einer der am häufigsten gehörten.
Ich denke, es hat viel damit zu tun, dass Depressive meist sensible Menschen sind, die besonders unter der sozialen Kälte, dem Werteverlust und dem totalen Materialismus leiden.
Die Depression soll wohl in Zukunft zur zweithäufigsten Krankheit "aufsteigen".
Insofern hat die Depression auch eine gesellschaftliche und politische Dimension und ist keinesfalls nur ein persönliches Problem des/der Betroffenen.
Das ist jedenfalls meine Meinung.

Gruß
Gert
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Calzino »

hallo zusammen,

schön das euch gefällt was so in meinem gedanken kreist, wenn ich schlaflos im bett liege. nachdem ich es aufgeschrieben hatte, konnte ich übrigens gut schlafen.

gerade habe ich ein schönes beispiel für den ganz-normalen-wahnsinn lesen können: der beschluss der ministerpräsidenten zum nichtraucherschutz. ich danke eigentlich das sind alles vernunftbegabte menschen, die einen eid geschworen haben, schaden von den bürgern abzuwenden. aber das nur nebenbei!

@anne: normal = normgerecht das gefällt mir auch nicht, aber allein im betreff "wir sind die nicht-gestörten" ? da bleib ich doch bei normal. ich glaube es weiss jeder was gemeint ist.

@brittka: du gehts das mit fromm eher interlektuell an. da muss ich noch viel nachdenken, aber müsste es dann nicht ohne gesellschaftliche einflüsse ein art allgemeingültiges, authentisches (universelles?) selbst geben?

ich sehe durchaus die gesellschaftlichen normen, obwohl selbige dann doch individuell komplett anders bewertet werden.

ich z.b. fahre begeistert motorrad! (meine mutter sieht das viel realistischer) es macht mir riesenspaß! natürlich weiss ich wie gefährich motorradfahren ist, aber ich bin ganz locker in der lage es komplett zu verdrängen. wenn ich ich mir in aller klarheit die tatsächlichen gefahren vorstelle, setze ich mich wohl nie wieder auf ein motorrad. wisst ihr, ich kann es mir zwar vorstellen, aber es kommt nicht an mich heran. es ist komplett verdrängt. wider besseren wissen. andere denken da ganz anders.
es ist schon ein motorradfahrer während meiner ersten hilfe gestorben. er war nach einem unfall schwer verletzt. nach einer stunde sass ich wieder auf dem motorrad und bin nach hause gefahren. ich habe mich sehr schlecht gefühlt wegen des todes eines menschen aber ich war ohne angst vor dem motorradfahren.

ich glaube dass diese klarheit die ich in so vielen sachen habe, von solcher brutalität ist, dass wir menschen sie einfach nicht aushalten können. und deshalb kann sie uns auch krank machen. dafür gibt es einen schutz der da verdrängung, verleugnung und komplett destruktives verhalten heisst.

wahrscheinlich ist der wichtig. wenn unsere vorfahren auf mammutjagd sich in allen konsequenzen vorgestellt hätten was passiert wenn sie statt des mammuts einen säbelzahntiger treffen, dann würden wir wohl heute keine postings schreiben.

schon wieder spät. ich geh jetzt schlafen und träume von säbelzahntigern die motorrad fahren.

liebe grüße

jens
eligeo71
Beiträge: 270
Registriert: 25. Aug 2006, 01:01

Re: wir sind die normalen

Beitrag von eligeo71 »

Hallo

Was bringt es mir über die Welt zu schimpfen, oder gar ihr die Schuld für meine Krankheit zuzuweisen? Menschen werden depressiv, weil sie zum Bsp. traumatische Erlebnisse aus der frühesten Kindheit verdrängt und krankmachende Verhaltensweisen verinnerlicht haben und wohl kaum weil die Welt am" Absaufen" ist. Es bringt mich keinen Schritt weiter, wenn ich mir die täglichen schlimmen Meldungen reinziehe und mich dann damit tröste, dass Depression die einzig "gesunde" Reaktion darauf sei. Wenn mich meine Krankheit etwas gelehrt hat, dann vor allem den Blick nach innen zu wenden, mir aufmerksam zu begegnen und mich auf das zu konzentrieren was ich selbst ändern kann. Ich kann andere nicht ändern, aber sehr wohl mich selbst.

Gruss, Rainer
Ich bin der Mensch, welcher mein Leben entscheidet!
atetobi
Beiträge: 274
Registriert: 12. Feb 2004, 14:02

Re: wir sind die normalen

Beitrag von atetobi »

Hallo Jens,

ich kann mich allen meinen Vorrednern komplett anschließen. Sogar Rainer in einer seiner Aussagen: >Ich kann andere nicht ändern, aber sehr wohl mich selbst.< Nur leider lassen sich viele von den s. g. "Normalen" gar nicht darauf ein, weil sie überhaupt nicht auf den Gedanken kommen, sich mit sich selbst, den Auswirkungen ihre Verhaltens und den (Ver-)Änderungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Der Umgang mit einander ist rau und oft erbarmungslos, materielle Dinge werden extrem in den Vordergrund gestellt. Höflichkeit und Rücksichtnahme anderen Menschen gegenüber wird sehr klein geschrieben, alte Menschen werden ausgegrenzt, weil sie "zu teuer" werden. Es geht ja grundsätzlich nicht um die täglichen schlimmen Meldungen, sondern das Leben der Gemeinschaft insgesamt.

Was ich bezweifle, ist die Wirksamkeit eines persönlichen Einsatzes im Bereich der Politik. Für den Einzelnen ist es vielleicht hilfreich, an der Basis rumzuwuseln und sich dadurch besser zu fühlen, weil er irgendwie tätig ist. Aber ausrichten oder gar verbessern wird er politisch nichts. Ehrlich- und Durchsichtigkeit sind in der Politik nicht gefragt.

@ Rainer
Ja, viele Depressionen entstehen durch traumatische Erlebnisse, aber scheinbar leben wir in einer Welt, in denen diese Erlebnisse durch das Verhalten der Umwelt nicht bewältigt werden können oder sich noch verschlimmern. Nicht ohne Grund explodieren Depressionen auch bei Menschen, die keinerlei Traumata aus ihrer Kindheit und Jugend mit sich schleppen.

LG - Beate
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
Wycombe1
Beiträge: 278
Registriert: 7. Dez 2006, 15:22

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Wycombe1 »

Hallo,

hab den thread mit interesse gelesen und da fiel mir ganz spontan ein erlebnis in der tagesklinik ein:

eine mitpatientin erzählte eines morgens bei der therapie, das sie seit 4 uhr wach liege, da sie über den tierschutz und tierhaltung etc. gedanken gemacht hat und sie überhaupt nicht fassen kann wie brutal mit den tieren umgegangen wird.... sie hat sich sehr ausführlich zu diesem thema ausgelassen und war auch gedanklich immer noch damit beschäftigt.

als sie zuende geredet hat, hat der therapeut sie gefragt ob sie wüsste, warum sie so intensiv und für mehrere stunden über den tierschutz nachdenke, ja dafür sogar ihren schlaf "sausen" lässt? sie konnte das nicht wirklich beantworten und der therapeut sagte dann zu ihr "sie können wunderbar über alles und jeden nachdenken, stundenlang - aber wo bleiben die gedanken über sie und ihre erkrankung?"

da war sie baff. und wir anderen auch; aber er (therapeut) hat recht!

man kann sich über alles den kopf machen, sich aufregen, die ungerechtigkeit sehen usw. usf. - aber wohin bringt mich das in meinem persönlichen leben? nirgend wohin!!!

und ich denke auch nicht das das mit "normal" oder "unnormal" zu tun hat, sondern einfach mit der eigenen strategie des lebens!

türlich kann ich mich auch herrlich über alles aufregen, aber es bringt mir persönlich wirklich nichts, ausser magenschmerzen! ich versuche mein leben so zu leben wie ich es vor mir und meinen kindern verantworten kann und der rest interessiert mich nur am rande!

mag egoistisch, kleinkariert sein so zu denken, aber so fahre ich für mich am besten und darauf kommt es an - das es mir/meiner familie/freunden gut geht!

viele grüsse,
silke
Ich weiß freilich nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird.

Aber soviel weiß ich sehr wohl, es muß anders werden,

wenn es besser werden soll.



(G. C. Lichtenberg)
chrisp
Beiträge: 139
Registriert: 22. Dez 2005, 22:04

Re: wir sind die normalen

Beitrag von chrisp »

Interessanter Thread!

Soweit ich weiß, gibt es einige Psychologen, die zu deisem Thema veröffentlicht haben, z.B. aus der Ecke der Gestalttherapie.

Es gibt auch ein recht interessantes neues Buch, dass sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern die Psychologie. die Psychiatrie und die Psychotherapie lediglich im Dienste dieser kranken, entfremdeten, unmenschlichen (kapitalistischen) Gesellschaft stehen, sowohl in Therorie und Forschung, als auch in der Diagnostik und Behandlung. Letzteres, weil ihr Ziel ja ist, Menschen an diese Mechanismen anzupassen, sie für das System fit und leistungsfähig zu machen und es somit stabilisieren. Der Ansatz sei aber das system selber, denn es wird immer mehr Menschen krank machen und stärker werden, je mehr Menschen sich daran anpassen, bzw. (durch Psychotherapie) angepasst werden.

Ich finde den Ansatz sehr spannend und auch nicht unüberzeugend. Das Problem sind natürlich die faktisch kranken Menschen, die in diesem System leben und versuchen zu überleben - wo ist die Alternative?

Chrisp
qq777
Beiträge: 115
Registriert: 30. Jan 2007, 13:30

Re: wir sind die normalen

Beitrag von qq777 »

Wenn wir die Normalen sind wer sind denn die Unnormalen?
Es ist schon komisch und auch lustig.
Man geht zum zum Bäcker und verlangt 10 normale Brötchen und 5 Mehrkorn.
Wie wäre es denn wenn wir beim nächsten Einkauf 10 bescheuerte und 5 Mehrkorn verlangen?
Also wer er entscheidet in unseren beschis..... Welt was normal und was unnormal ist?
deary
Beiträge: 424
Registriert: 17. Jun 2005, 13:05

Re: wir sind die normalen

Beitrag von deary »

Hallo alle!

Interessanter Thread....
@Calzino: Per Anhalter durch die Galaxis ist eine herrliche Geschichte... manchmal wache ich auch auf, und alles ist gelb: der Bagger vor meinem Fenster, die Wiese vor meinem Haus, alles...

@Adonis:Gutes Beispiel, mit den normalen Brötchen, ich werd mal versuchen, am Sonntag 5 NORMALE und 5 BESCHEUERTE zu erwerben....

Ein Lied von " Wir sind Helden" macht für mich besonders klar, was von uns erwartet wird HEUTE/ in DIESER Gesellschaft und vor allem:, In MEINER Generation:
Das Lied setzt sich damit ungefähr genauso kritisch auseinander wie dieser Thread und ich zitiere mal ein paar Zeilen daraus:

"...Muß ich immer alles müssen, was ich kann?
Eine Hand in den Sternen, die andere im Hintern vom Vordermann?!
... Das ist das Land der begrenzten Unmöglichkeiten
wir können Pferde ohne Beine rückwärts reiten,
wir können alles, was zu eng ist, mit dem Schlagbohrer weiten,
wir können glücklich sein und
trotzdem Konzerne leiten...

Wir können ALLES schaffen,
genau wie die tollen dressierten Affen,
wir können alles schaffen,
wir müssen nur Wolln
.
.
.

müssen wir alles was wir können?
Wenn ich könnte wie ich wollte,
würd ich gar nichts wolln,
doch ich weiß, dass wir immer was
wollen solln..."
.
.
.

Abgesehen davon , dass ich als Depri leider nicht immer "wollen kann", bin ich froh, dass sich andere "Gesunde " (Normale) durchaus auch derlei kritische Gedanken machen.
Vielleicht kennt ja einer von Euch das Lied.
Ist auch von der Musik her nett...

Liebe Grüße
deary
Sieglinde1964
Beiträge: 1267
Registriert: 30. Dez 2006, 19:31

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Sieglinde1964 »

Erst mal zu dir, deary, schön, wieder mal von dir was zu lesen. Ich denke und wünsche, dass es dir im Moment besser geht.

Normal - nicht normal?! Genau! Was heißt das schon!?

Ich habe mich nie in meiner Depression als krank gesehen. Da sind andere krank, die krebskranken in meinem nächsten Lebensumfeld. Ich traue mich gar nicht zu sagen: Ich bin krank, weil ich Depressionen habe. Es ist was bei mir "durcheinander", das möchte ich mal so sagen. Dieses Durcheinander muss ich wieder ordnen und ich muss mir dabei Hilfe holen. Medikamentös und auch, ich habe bei einer Klinik vorgestern "angeklopft", in Form von Therapie.

Ich muss euch beipflichten, ja manches System, sei es der Arbeitsplatz oder die Gesellschaft, in dem/der wir zu bestehen haben ist tatsächlich krank und es kann den einen oder anderen krank machen, sogar scheitern lassen.

Über das "Gleichnis" mit den normalen und den bescheuerten Brötchen musste ich eben so schmunzeln, als gelernte Fachverkäuferin im Bäckerhandwerk habe ich mir die Situation bildlich vorgestellt.
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Calzino »

hallo leute,

der thread hat sich wirklich interessant entwickelt.

aber das beste stammt wirklich von dir @adonis:



normale menschen sind wie normale brötchen,
bekloppte menschen sind wie bekloppte brötchen

das ist die beste definition von "normal" und "bekloppt" die je gehört habe.

morgen werde ich es beweisen:

ich werde bekloppte brötchen verlangen und sie werden mich für bekloppt halten!

q.e.d.



bekloppte grüsse

jens
qq777
Beiträge: 115
Registriert: 30. Jan 2007, 13:30

Re: wir sind die normalen

Beitrag von qq777 »

Hi Leute, ich freue mich dass ich Euch zum schmuntzeln gebracht habe, aber denkt dran, hier im Forum gibt es einen Thread; dürfen Depris lustig sein, da bekomme ich schon ein schlechtes Gewissen.

Grüße, Adonis
Sieglinde1964
Beiträge: 1267
Registriert: 30. Dez 2006, 19:31

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Sieglinde1964 »

Jeder Schritt, sei er noch so klein,
in Richtung Lustigsein ist ein großer Schritt der Heilung von Depression entgegen.

Da brauchen wir kein schlechtes Gewissen zu haben.
qq777
Beiträge: 115
Registriert: 30. Jan 2007, 13:30

Re: wir sind die normalen

Beitrag von qq777 »

@ deary
Und? Erzähl mal, hast Du die 5 normalen und die 5 bescheuerten Brötchen bekommen?
Oder gibs zu --Du hast Dich nicht getraut

@ Calzino

...und wie wars bei Dir?

Bescheuerte Grüsse, A D O NI S

Ich habe was gegen Rasen auf der Autobahn,
ich bevorzuge Asphalt
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: wir sind die normalen

Beitrag von Calzino »

hallo adonis,

ich muss leider gestehen, dass ich mich nicht getraut habe. na ja, der bäcker war auch so voll.
aber ich habe das ganze wochenende vor mich hingekichert. zumindest immer wenn ich in ein brötchen gebissen habe.

hast du echt ein schlechtes gewissen, wenn du lustig bist?

liebe grüße

calzino
qq777
Beiträge: 115
Registriert: 30. Jan 2007, 13:30

Re: wir sind die normalen

Beitrag von qq777 »

hallo Galzino,

natürlich habe ich kein schlechtes Gewissen wenn ich lustig bin.
Stimmungsschwankungen bei uns Depris sind doch normal.
Und wir sind doch normal!!??, und nicht bescheuert wie die Brötchen, oder?

Bekloppte Grüsse, Adonis
Antworten