Strategien entwickeln

trude
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von trude »

Hallo ihr,

ich finde das immer sehr spannend und konstruktiv welche Strategien es für den Umgang mit "Krisen" gibt.

Glücklicherweise sind meine Depressionen nicht so heftig, so daß ich bisher in Krisenzeiten immer über ambulante Hilfen wieder "Boden unter den Füssen" bekommen konnte.

Aber grundsätzlich hab ich in akuten Krisenzeiten eine Adressensammlungen bei mir. Wichtig ist da logischerweise, daß ich 24 Stunden jemand erreichen kann und immer noch mal Varianten, falls es bei den einen gar nicht geht, niemand da ist, oder ich mich da gar nicht aufgehoben fühle (auch wenn das in den jeweiligen Momenten eigentlich unerheblich ist...). Und je mehr ich bei mir habe, desto sicherer fühle ich mich dann, auch wenn einzelne Leute da gar nix von wissen, wie z.b. eine Psychiaterin, die ich privat von meiner Kindheit her kannte.

Interessanterweise habe ich irgendwann festgestellt, daß das eigentlich eine Bewältigungstrategie aus meiner Kindheit ist, wo ich immer mindestens zwei Personen (meistens etwas weiter weg) im Kopf hatte, wo ich mir in Krisenzeiten vorgestellt habe zu denen zu gehen um dort Schutz suchen zu können.

Mittlerweile ist es ein Mix aus Ambulanzen, Kliniken, Telefonseelsorgen, psychiatrischen Diensten, Psychologen, und ein bis zwei private Adressen.
Und ich freu mich immer über neue Adressen, die ich meiner Samlung hinzufügen kann.

Mitunter kann mich auch die Beschäftigung, was oder wen ich in bestimmten Situationen aufsuche, schon wieder etwas aus dem Tief herausbringen, da ich ja dann aus mir rausgehe um mich mit äußeren Bedingungen zu beschäftigen und nicht nur allein in meinem tiefen Loch sitze.

Allen Strategen hier liebe Grüße

Trude
Heckenrose
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Registriert: 31. Mär 2003, 16:31

Re: Strategien entwickeln

Beitrag von Heckenrose »

Leider konnte ich in den letzten Tagen nur weiter lesen, aber nicht schreiben. Ich freue mich, dass das Thema so positiv aufgenommen wurde, obwohl es so ernst und irgendwie auch erschreckend ist. Zugegeben, ich hatte zwischendurch Angst, dass hier ein Stopp kommt, denn als der Begriff "chronische" Suizidalität fiel, las sich das selbst für mich -die ja einige Krisen durchgemacht hat und sich intensiv mit dem Thema beschäftigt- mit einem unguten Gefühl. Vielen Dank an unsere Moderatoren! Nun, ich will das Thema auch in der Tat hier nicht vertiefen, weil es mir nicht um eine Krisenintervention in diesem Sinne geht, sondern erst gar nicht dahin zu kommen. Und was bedeutet chronisch? Selbst chronische Krankheiten können jahrelang ruhen oder mit einer wirkungsvollen Prophylaxe gut eingeschränkt werden.

Liebe Cieloazul, liebe Trude
vielen Dank für Eure Ratschläge. Auch ich habe innerlich oft meine Helfer an meiner Seite. Führe Gespräche mit ihnen und bekomme so manchmal ein klareres Gefühl für die nächste Entscheidung.
Krisenhilfe in verschiedene Schritte zu unterteilen, finde ich sehr gut.

Inzwischen habe ich meine erste-Hilfe-Kiste gedanklich erweitert. Es gibt die allgemeine erste-Hilfe-Kiste, darin eine Krisenbox und eine Notfallbox. Heute morgen kam mir der Gedanke, mir eine schöne Holzbox zuzulegen und eine echte Ele-erste-Hilfe-Kiste zu basteln. Inhalt: Karteikarten mit Tipps, z. B. "Helfer fragen", Lieblingsfilm, Fotos, Lieblings-CD ... Bedarfsmedikamente ... Telefonnummern, Taxigeld ... Ich stelle mir vor, dass so eine Box das beruhigende Gefühl vermitteln kann, dass echte Hilfe greifbar ist.


Ihr habt mir bisher sehr, sehr geholfen!!!


Fall wir uns nicht mehr lesen wünsche ich allen schöne Feiertage. Seid gut zu Euch.

Liebe Grüße,
ele
cool
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von cool »

Schöner thread !

Ich schubse ihn mal hoch.

Thema :

-Hilfe suchen/finden in Krisensituationen
-Persönliche Krisenpläne erstellen
-"Notfall" oder "Wohlfühl" - Kiste,Koffer,Schachtel oder so befüllen und nutzen
otterchen
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von otterchen »

Hallo Cool,

ja, stimmt, danke dass Du diesen Thread wieder hervorgeholt hast - ich habe gerade für mich auch mein Köfferchen gepackt.

Ich merke nur leider immer zu spät, dass ich mich "verliere", ich sollte also nicht nur mein Notfallköfferchen packen, sondern mir regelmäßig auch gewisse Fixpunkte schaffen, um in mich reinzuhören. Und damit tu ich mich noch schwer, da ich mich nur allzu leicht von mir selbst ablenken lasse.

Aber leben heißt lernen
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schneckerl!
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von schneckerl! »

liebe ele,

ich hab erst jetzt deinen beitrag gelesen und kann dir nachempfinden, was du fühlst. auch ich habe latent immer wieder (erst seit 2 jahren) diese gedanken, aber ich denke mir, ich will mir selbst damit einen streich spielen und meine es nicht wirklich ernst...vielleicht mir selbst aufmerksamkeit erregen...

naja, sei so wie es sei, hier meine strategien (keine reihenfolge):

1. meine mutter anrufen, die immer für mich da ist, mich ausheulen. sie bringt mich meist wieder halbwegs runter

2. meine freundin, die ich in der klinik kennengelernt habe, anrufen. sie hat depri und bolimie und wir erzählen uns einfach gegenseitig, in welchen stadien wir grade sind

3. das handy immer griffbereit haben, das gibt mir sicherheit

4. ich habe mir eine liste gemacht, mit den dingen, die mir gut für die seele sind: bestimmte musikstücke, die mir ein bestimmtes leichtigkeitsgefühl oder lebensfreude vermitteln; dinge, die ich gerne esse; spazierwege, die ich gerne tue;
einfach abarbeiten, auch während man heult (dann meist die musik). hab mir auch ein schaffell von ikea gekauft, auf das ich draufsteige und die wärme und wohligkeit fühle

5. die gewissheit, dass ich meine thera auch zwischen den sitzungen anrufen kann, weil sie gesagt hat, sie wolle mich begleiten

6. eine schulnoten-skala von 1-5, wie es mir an tagen ergeht - so kann ich festhalten, wie gut oder schlecht es mir geht und erforschen, was ich getan habe, dass es mir so geht 1* wäre große herzensfreude, 6 krankenhaus

7. die gewissheit, dass ich im notfall jederzeit ins krankenhaus gehen kann, und auch

8. eine strategie (taxi zum bahnhof, zug, taxi zur klinik, tel. von klinik, bekannte junge ärztin dort etc.) für den wirklichen ernstfall

... all das gibt die sicherheit, dass du nicht alleine bist und immer einen plan hast, auf den du zurückgreifen kannst.

alles liebe dir,
schneckerl
schneckerl!
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von schneckerl! »

ach ja, das allerwichtigste hatte ich vergessen:

wenn es dich schüttelt, nimm dich selbst in den arm und nimm dich so an, wie du bist. oder denke dir neben dich einen für dich wichtigen menschen (auch einen erfundenen), der dich in dieser zeit in den arm nimmt und wärmt, der dich versteht.

alles liebe,
schneckerl
Heckenrose
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von Heckenrose »

Hallo cool,

schön, dass Du das Thema noch einmal aufgegriffen hast. Schon irgendwie komisch, da schreibe ich selber so einen thread, lese heute meine eigenen Worte und finde sie so ungeheuer passend für meine Situation - und befinde ich doch auf einer rasanten Talfahrt.
Otterchen, Du schreibst genau, was mir fehlt. Fixpunkte. Hast Du Deine gefunden?

Habt Ihr anderen Eure Fixpunkte, Eure Haltegriffe, Ladestationen?

Liebe Grüße,
ele
otterchen
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von otterchen »

Hallo Ele,

nein, meine Fixpunkte sind noch nicht gesetzt, da ich derzeit jeden Tag aktiv etwas für die Depression mache.
Ja dafür, denn ich sehe sie mittlerweile wirklich als Chance

Was ich mir vorgenommen habe, sind allerlei Hilfsmittelchen: ich hatte z.B. ein Bild gemalt, einfach nur Pinselübungen, aber schöne warme Farben. Darauf habe ich jetzt einen schönen Spruch geschrieben, das werde ich später aufhängen. Vielleicht entstehen so noch mehr Bilder? Im ersten Moment sieht es dann wie Deko aus, Besucher finden die Sprüche vielleicht auch schön und sinnvoll - aber mir selbst sagt das Bild dann viel mehr.

Regelmäßig möchte ich schreiben, schreiben, nochmal schreiben... und auch wieder die älteren Aufzeichnungen durchsehen! Wo hing ich mal, was waren meine Knackpunkte, sind die aktuell wieder da, wie habe ich es geschafft, diese zu überwinden?

Auch möchte ich regelmäßig Entspannungs-CDs hören, z.B. mit Atemtechnik, PME, Imaginationen oder einfacher Entspannungsmusik.

Dann natürlich immer weiter entdecken, was mir gut tut (ich hab bislang nur eine Sache entdeckt, aber ich bin froh, dass ich sie habe!). Und diese Tätigkeiten dann auch häufiger machen natürlich.

Ganz wichtig: immer auf die inneren Stimmen hören, ob z.B. das Kind etwas zu sagen hat oder der Kritiker... aktuell ist da etwas sehr Unsicheres in mir, was schon direkt traurig wird, wenn es ein unschönes Horoskop liest... Dies liebevoll annehmen, sich darum kümmern, bewusst wahrnehmen.

Wie leicht lasse ich mich ablenken von mir selbst! Und gerade weil ich das jetzt weiß, weiß ich auch, wie wichtig es ist, ständig in Kontakt mit mir zu bleiben.

Ich hoffe für Dich, liebe Ele, dass Du auch Deine Fixpunkte schaffen kannst. Es ist wie ein regelmäßiges Treffen mit einer lieben Freundin: das wird fest in den Kalender eingetragen, wir können uns auf dieses Beisammensein freuen und halten diese regelmäßigen Treffen (mit uns selbst) dann ein.

das Otterchen
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Heckenrose
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von Heckenrose »

Hallo Otterchen,

vielen Dank für Deine Ideen, bei sich zu bleiben.
Einer meiner Fixpunkte heißt: jeden Tag die Wohnung verlassen, und wenn nur für einen kurzen Augenblick. Meistens fühle ich mich dann freier im Kopf, weil ich in Bewegung bin. Starres und Blockierendes wird spürbar und lässt sich etwas lockern.

Vor 2 Wochen habe ich mir 2 Finger verletzt und musste eine Gipsschiene tragen. Die Schmerzen haben etwas in mir ausgelöst, was ich bis heute nicht verstanden habe. Ich habe mir so elend gefühlt, dass ich mich für 2 Tage immer wieder ins Bett verkrochen habe. Eine Woche später fuhr ich in Urlaub - meinem Mann und meinen Schwiegereltern zu liebe. Ein wahrer Luxusurlaub in der Sonne am Meer, in dem immer jemand da war, um unsere Wünsche zu erfüllen ... aber ein Urlaub, den ich so nicht buchen würde. Ich wurde krank, lag tagelang mit Grippe und Fieber im Bett.
Meine Fixpunkte? Mein Notfallkoffer? Keinen Augenblick habe ich daran gedacht, dass ich so etwas habe. Wie ein Schwimmer, der vergessen hat, dass er schwimmen kann. Das einzige, was ich spürte war die Depression - ganz nah war sie und ich wollte sie nicht. Etwas in mir hätte rufen müssen "Hallooo, Du hast einen Notfallkoffer..., Du hast den immer bei Dir..., guck doch mal..." Nichts ist passiert. Völliges Versagen. Erst jetzt tauche ich langsam wieder auf und lecke meine Seelenwunden. Was ist schief gegangen, dass ich mich so weit von mir entfernen konnte?

Lieben Gruß,
ele
otterchen
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von otterchen »

Hallo liebe Ele,

oh ich kenne das... irgendwas stimmt mit einem nicht, da ist was, wodurch man sich total schlecht fühlt, und man weiß noch nicht einmal, was es ist!

Erst heute ist mir sowas wieder passiert - aber nach Stunden ist mir dann das Licht aufgegangen (siehe anderer Thread "drei gute Dinge des Tages). Es klappt also!!! Und ich freue mich darüber, dass ich traurig bin... verrückt, nicht wahr?

Ich wünsche Dir, dass Du irgendwann auch dieses Aha-Erlebnis bekommst, denn es fühlt sich soooo gut an, wenn da nicht mehr diffus was in einem drin ist, sondern wenn man es klar erkennt und sich drum kümmern kann.

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otterchen
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Re: Strategien entwickeln

Beitrag von otterchen »

Ach ja, noch was für meinen Notfallkoffer (was ich auch heute angewandt habe):

1. Gerade hinsetzen, aufrecht sein
Vielleicht geht's dadurch weg (klingt blöd, aber hilft ein wenig - ich bemühe mich immer um eine aufrechte Haltung, und dies bekommt mir besser, als "zusammengeschrumpft" in einer Ecke zu hängen, das zieht mich nur noch mehr runter - ist aber von der Situation abhängig!!)
2. Welche Gedanken hatte ich, bevor es mir so seltsam ging? Alles nochmal in Ruhe durchgehen (ist bei mir sehr wichtig)
3. Wie fühlt es sich an? Bin ich kurz davor, zu weinen? Bin ich irgendwo angespannt? Was könnte das sein?

So bin ich heute diesem seltsamen Gefühl auf die Spur gekommen. Ich stand kurz davor zu weinen, das deutet auf Traurigkeit hin. Welcher meiner Gedanken könnte mich traurig gemacht haben?

Diese Tipps gehören für mich unbedingt in meinen Notfallkoffer!!!
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Heckenrose
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Registriert: 31. Mär 2003, 16:31

Re: Strategien entwickeln

Beitrag von Heckenrose »

Hallo otterchen,

aufrecht hinsetzen finde ich einen sehr guten Tip. Vor allem ist es etwas, was man immer auch zwischendurch machen kann - aufrecht sitzen oder aufstehen und gerade hinstellen, Kopf hoch.

Ich habe heute mit meinem Therapeuten gesprochen und versucht herauszufinden, was mich so gequält hat. Durch die Verletzung meiner Finger (eine starke Quetschung mit großer offener Wunde) wurde eine ganz alte Seelenwunde berührt. Der Anblick der offenen Wunde war für mich wie der Anblick meines missbrauchten und schutzlosen Körpers. Ich hätte nie gedacht, dass ein "normaler Unfall" mich bis ins Innerste trifft.
Ich bin nicht froh über die Erkenntnis und auch nicht, dass ich - jetzt, wo ich verstehe - daran arbeiten könnte. Der Missbrauch liegt fast 40 Jahre zurück - eine Tatsache, die nicht zu ändern ist. Momentan breitet sich ein Gefühl von großer Hilflosigkeit bei mir aus, weil es immer noch so weh tut. Manchmal will ich einfach nicht mehr an dem Thema arbeiten, weil es besser wird und dann wieder weh tut, weh tut, weh tut und wieder besser wird und ... Ich weiß, das klingt jetzt wohl sehr destruktiv, aber ich möchte das jetzt trotzdem mal so stehen lassen, weil ich es jetzt gerade genauso empfinde.

alles Liebe,
ele
aufeinwort
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Registriert: 23. Feb 2007, 22:09

Re: Strategien entwickeln

Beitrag von aufeinwort »

Mir hat Folgendes geholfen.
Ich habr daran gedacht, wie das für meine 12jährige Tochter wäre,wenn ich nicht mehr weiter aushalten wollte.
Aber die Vorstellung so weiterleben zu müssen war furchtbar.Wie lange denn?.
DAnn habe ich mich entschlossen nur von Atemzug zu Atemzug zu leben.ohne an die Zukunft zu denken.ES ging.
Herbert
cool
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Strategien entwickeln

Beitrag von cool »

BITTE HIER NICHT MEHR WEIERSCHREIBEN

Leah hat das Thema nochmal aufgegriffen............ und darum geht
es HIER thematisch weiter:


http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1181154449

BITTE NUR NOCH DORT WEIERSCHREIBEN
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