Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

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Walli83
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Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Walli83 »

Hallo,

hier bin ich mal wieder. Habe vor einiger Zeit schonmal über meine Probleme geschrieben. Meine Suche hat ergeben, dass es wohl Ende 2005 war (ohje, wie die Zeit vergeht...).

Irgendwie bin ich genetisch und durch die Entwicklung in meiner Kindheit/Jugend anfällig für Depressionen. Zumindest habe ich mal gelesen, dass die Veranlagung dazu vererbt (genetisch und erzieherisch) werden kann. In der Schule hat mir recht schnell die Motivation für einfach alles gefehlt - aber warum? Zu doof bin ich nicht. Ich vermute, weil ich introvertiert bin und Probleme hatte, mich richtig - zumindest so gut, wie ich es mir gewünscht hätte - in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Das hat mir gefehlt, mich selbst geärgert, enttäuscht und mir jegliche Kraft geraubt; vermute ich jedenfalls. Später, als alles langsam hätte besser werden können (11. Klasse) habe ich gewaltig eins auf den Deckel bekommen, indem ich durch einen Unfall beidseitigen Tinnitus bekam. In so früher Jugend? - Ich dachte, mein Leben ist vorbei. Gerade, wenn es anfängt, besser zu werden, kommt solch ein Schicksalsschlag. - Da fragt man sich echt, was man in einem evtl. früheren Leben verbrochen haben muss. Sämtliche Motivation und Lebensenergie war endgültig dahin, meine mittelmäßigen schulischen Leistungen haben stark abgenommen. Trotzdem habe ich mich dann - nach einigen A****tritten meiner Lehrer und bedingt durch die Angst vor dem Ungewissen, falls es nichts wird - dazu durchringen können, mit recht wenig Aufwand ein gutes bayerisches Abitur hinzukriegen. Das war eigentlich mein einziges Lebensziel bis dahin. Und danach? - Keine Motivation, keine Interessen, was also machen? Ich habe mich nicht erwachsen/reif gefühlt, noch zu unselbstständig für einen Beruf. Also habe ich mich fürs Studium entschieden, obwohl ich - zumindest vor der Abi-Vorbereitung - sehr ungern regelmäßig gelernt habe. Ich dachte, durch das Studium entwickele ich meine Persönlichkeit und werde, wenn ich etwas kann, auch im Berufsleben akzeptiert - egal wie wenig ich mir selbst zutraue.
Ich habe mich für Wirtschaftsingenieurwesen an einer technischen Uni entschieden, weil es einfach beide Fachbereiche enthält, mit denen ich im Abi gute Erfahrungen gemacht habe. Anfangs war ich erschlagen vom Arbeitsaufwand, davon, dass es noch viel "schlimmer" zugeht, als in der Schule (mir ist jedesmal unwohl geworden, als ich eine Tafel mit mathematischen Formeln gesehen habe), vom unendlich lang erscheinenden Fahrtweg, sodass ich die Zeit mit einem ebenso erfolglosen Kommilitonen erschlagen habe. Dieser hat mittlerweile eine Ausbildung begonnen und ich bin in Uninähe gezogen, ums anzupacken. Die Erfolgs- und Hoffnungslosigkeit des Studiums hat mich vermutlich in eine Depression geführt - oder eine vorhandene verstärkt. Jedenfalls habe ich gerade eine Therapie hinter mir, die mir sehr gut getan und geholfen hat. Jetzt endlich (leider schon im 7. Semester - erfolglos) fühle ich mich bereit, regelmäßig zu lernen. Eigentlich - denn es gibt soviele Dinge, die mir Bauchschmerzen bereiten und dazu führen, dass ich mich am liebsten wie früher davor verkriechen würde. Dazu gehören der Zeitdruck (erfolglos im 7. Semester), die Frage, wie ich mir mein Studium finanzieren kann (Langzeit-/allgemeine Studiengebühren), was mache ich, wenns nichts wird (wer bildet schon einen Mittzwanziger aus?) und die Frage, ob der gewählte Studiengang überhaupt der richtige ist, oder ob ich mich hoffnungslos überfordere. Erst kürzlich habe ich "erfahren" (weil ich mich bisher nicht richtig damit befasst habe), dass Wirtschaftsingenieurwesen anerkannt der anspruchsvollste Studiengang überhaupt ist und dass normale Studenten schon am regelmäßigen Arbeitsaufwand scheitern. Na super, ich habe mich dafür entschieden, um meine schulischen Erfolgserlebnisse zu wiederholen und weil ich überhaupt keine (anderen) Interessen habe. Ja, ich habs versucht, in mich zu "horchen" und meine Interessen zu erkunden - ohne Erfolg. Vielleicht kommen Interessen aber auch erst durch Erfolgserlebnisse. Darauf hoffe ich jedenfalls - und auch auf die Erfolgserlebnisse. Ich würde mich jetzt gern richtig reinknien, um mir zu beweisen, ob ich den Klausuren gewachsen bin, oder eben nicht. Aber was, wenn nicht? Studiengangwechsel nach dem 7. Semester? Ist das nicht sehr/zu spät? Und wie soll ich das Studium finanzieren? - Ich habe derzeit einen guten Job, leider nimmt der sehr viel Zeit in Anspruch. Etwa 65 Stunden pro Monat, was ich definitiv für zuviel halte - gerade beim "anspruchsvollsten Studiengang überhaupt" und wenn man eigentlich keine Zeit mehr hat, noch einige Semester hintendran zu hängen. Gut, meine Mutter würde mich finanziell unterstützen. Aber die hat leider auch keine unbegrenzten finanziellen Mittel und jahrelang ausnutzen, vielleicht sogar ohne, dass am Ende was dabei rauskommt, will ich sie auch nicht.

Wie seht Ihr meine Situation, was würdet Ihr mir empfehlen?

Was mich gerade im Moment bedrückt:
Mein (fast schon ehemaliger) Psychotherapeut ist sich sicher, dass ich die Depressionen überwunden habe. Ich habe tatsächlich große Fortschritte gemacht: sehe nicht mehr alles so hoffnungslos (es sei denn, ich denke zu lange an die Uni), kann mich aufraffen, bin gut im Nebenjob, der mir auch einigermaßen Spaß macht und durch den ich soziale Ängste komplett verloren/wegtrainiert habe und kann - zumindest die letzten zwei Wochen - regelmäßig und viel lernen. Allerdings fühlt es sich echt mies an, den ganzen Tag nur dazusitzen und zu lernen. Ich bekomme langsam Kopfschmerzen, mir wird langweilig und ich fühle mich mies. Könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass ich versuche, in kürzester Zeit den Stoff eines Semesters nachzulernen, damit ich endlich mal wieder eine Klausur bestehe. Ich habe aber Angst, dass ich mich nur im Kreis drehe und alles wieder so wird wie früher. Statt mich aufs Wesentliche zu konzentrieren bin ich jetzt z.B. schon wieder eine Stunde hier im Forum.

Ich bin mir sicher, dass ich völlig verpeilt bin (verpeilt nach dieser Definition http://su-shee.de/antiverpeil.html). Fast alles trifft dabei auf mich zu. Ich frage mich, ob ich vielleicht am Anfang der im Anti-Verpeil-How-To genannten Anti-Verpeil-Phase stehe und nun merke, dass es sich die erste Zeit einfach verdammt schlecht anfühlt, weil man einfach etwas Anderes/Bequemeres gewohnt ist, und ob es irgendwann tatsächlich besser wird, wenn ich so weiter mache...

Danke fürs Lesen dieses vermutlich sehr langen und unstrukturierten Textes! Wäre sehr nett, wenn mir der Eine oder Andere eine Antwort schreiben würde.

Gruß
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Denker »

Hallo walli,
vielleicht ist hier für dich etwas hilfreiches dabei:
http://www.bychan.de/procrastination/
Auf dieser Seite gibt es auch ein kleines, aber feines Forum.
Gruß
Denker
sb
Beiträge: 1
Registriert: 7. Feb 2007, 01:06

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von sb »

Hallo Walli,

Ich kenne deinen älteren Beitrag aus '05 noch ziemlich gut, und war fasziniert davon, das jemand scheinbar genau meine Situation auch durchlebt und war kurz davor dich per Mail anzuschreiben. Habe mich jedoch danach in ärztliche Behandlung begeben - wie ich aktuell feststellen muss ohne wirklichen langfristigen Erfolg, da ich wieder auf dieses Forum und komischerweise wieder einen Beitrag von dir gestoßen bin... Da ich nicht weiß ob und wie man in diesem Forum PM's verschicken kann, werd ich dir die Tage was auf deine AOL-Adresse zukommen lassen.

Licht & Liebe
Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Walli83 »

Guten Morgen, da bin ich mal wieder!

Danke für Eure Antworten! Snowbird, die alte AOL-eMail-Adresse gibts leider nicht mehr. Ich habe das hier jetzt erst aktualisiert. Falls Du mir schon was geschrieben hast, schicks doch bitte nochmal an die neue Adresse

Ich bin mir schon seit einiger Zeit ziemlich sicher, an Procrastination zu leiden. Seitens der Psychologen/Psychotherapeuten wird Procrastination aber nicht ganz ernst genommen. V.a. weil sie der Depression ähnlich ist - und da wird dann einfach ein Behandlungskonzept verwendet. Dem Patienten zeigen, dass er doch was kann, dass er es regelmäßig kann, dass er damit was erreicht und Erfolgserlebnisse hat - man sieht den positiven Fortschritt, der verleiht Motivation und damit zieht man sich dann selbst aus dem Sumpf. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass das das einzige "Rezept" der Psychotherapie ist. Über Probleme reden, diese relativieren und durch Taten überwinden.

Ich befinde mich irgendwie in einem wahnsinnig schlimmen Teufelskreis. Ich bin nunmal eher zurückhaltend, vielleicht nicht mehr allzu schüchtern. Trotzdem fällt es mir nicht leicht, großartig aus mir heraus zu gehen. - Ach wofür erzähl ich das alles, dann wird das ja sowieso wieder so ein ewig langer Text. Ich denke, hier ist schon klar geworden, wie ich meine Persönlichkeit einschätze.
Mich hat schon immer gewundert, dass ich so absolut keinen Ehrgeiz habe. Und ich hab auch absolut keine Ahnung, was berufsmäßig das Richtige für mich wäre. Ja ich weiß, "nimm Dir Zeit und finde es heraus". Aber das habe ich doch versucht, nur kommt da eben nichts dabei heraus. Ich bin vielleicht nicht dumm, könnte was leisten, aber ich habe absolut keine Ahnung, was und wie.

Seit Anfang dieser Woche ist irgendwie alles wieder anders. Mir ging es recht gut, ich habe nicht ständig daran gedacht, wieviel Zeit ich in meinem Leben schon verschwendet habe. Das habe ich mit Sicherheit der Psychotherapie und meinem Nebenjob zu verdanken, durch die ich gezeigt bekommen habe, dass ich was kann. Mir ging es monatelang wirklich gut. So gut, dass mich mein Therapeut für geheilt hält; ich habe auch nur noch zwei Therapiesitzungen frei, die wir flexibel zur Nachbesprechung nutzen wollen. Ich habe einige Wochen am Stück wirklich lernen können und habe auch einen Erfolg in einer gut bestandenen Klausur gesehen. Aber nachdem die vorbei war, bin ich irgendwie in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Es hat mir Halt gegeben, für diese interessante Klausur zu lernen. Aber jetzt ist sie vorbei und eigentlich war es eine relativ unwichtige und einfache Klausur. Jetzt geht es wieder auf die Vordiplomsklausuren zu - wie schon soviele Semester zuvor, in denen ich mich nach einigen Fehlschlägen immer wieder mit kurzfristigen Rücktritten und ärztlichen Attesten davor gedrückt hatte.

Ich bin bestimmt prädestiniert für Depressionen o.ä., war schon immer mit mir selbst unzufrieden, aber ich glaube, mein Studium macht mich fertig. Mir geht es jedesmal miserabel, wenn es aufs Semesterende zugeht. Wieder ein erfolgloses Semester, in dem ich nur Zeit abgesessen und nichts erreicht habe. Die Semesterzahl wird immer größer und erdrückt mich immer weiter. Beginnt dann das neue Semester, fällt der Druck erstmal schlagartig ab, weil ich mir - bisher zumindest - denke, jetzt wirds besser, jetzt wirds anders, jetzt bist du gesund, du leistest jetzt was. Leider habe ich aber das Gefühl, dass es so langsam zu spät dafür ist. Dass ich mich nicht länger mit dem Gedanken vertrösten kann, dass alles anders wird.
Ich habe geglaubt, dass mich meine Depressionen beim Studieren hindern. Das ist wohl auch so, aber dass sie auch vom Studium ausgelöst werden, habe ich wohl nicht wahrhaben wollen.
Ich habe mir eingeredet, dass ich studieren kann und werde, sobald ich keine Probleme mehr habe. Aber die Probleme kommen gerade wieder. Mir geht es so schlecht, wie noch nie. Prinzipiell kein so neues Gefühl, denn die gleichen Gedanken habe ich mir im Laufe des Studiums immer wieder gemacht. Leider steht jetzt bald eine 8 als Semesterzahl da, was die Sache noch etwas unerträglicher macht.

Wie soll ich denn konzentriert studieren, wenn mich die Semesteranzahl meines erfolglosen Studiums so niederdrückt und ich Angst habe, dass es nie besser wird? Vielleicht bin ich für dieses Studium einfach nicht gemacht. Vielleicht wollte ich diese Tatsache einfach nicht wahrhaben und habe es auf die Psyche geschoben. Und in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird, bin ich dabei geblieben.

Gestern war ich bei der Studienberatung und da wurde mir ganz deutlich gesagt, dass ich jetzt einfach diesen "Lebenslauf" habe, den man nicht abstreiten kann. Ich müsste damit klarkommen. Mein Gott, in dieser Deutlichkeit - danach gings mir so schlecht; nicht, dass ich es nicht vorher schon gewusst hätte. Weiterhin hat mich die Beratung - was meine Studienwahl angeht - verunsichert. Genau das, was ich gemerkt habe, wurde bestätigt. Ich versuche mich in Wirtschaftsingenieurwesen. Es soll der anspruchsvollste Studiengang überhaupt sein. Dessen Studenten seien auf Karrieremensch getrimmt, ziehen ihr Studium zielstrebig und in akzeptabler Zeit durch. Entweder man folgt diesem Erfolgsstrudel, oder man geht unter.
Aber mal ehrlich: kann ICH das überhaupt? Ich habe mich in diesem Studium noch nie wohl gefühlt. Nur weiß ich nicht, ob das an meinen psychischen Krankheiten lag/liegt (auf die ich es halt gerne schiebe), oder ob ich einfach eine Abneigung dagegen habe. Ich bin kein von sich selbst überzeugter Mensch, ich war noch nie sonderlich ehrgeizig. Bin ich ein Karrieremensch? Ich weiß es nicht, aber ich glaube nicht. Ich wäre zwar gerne erfolgreich, aber weiß nicht, wie ich das hinkriegen soll/kann. Und dann soll ich den aufwändigsten Studiengang bewältigen, der eigentlich schon von den Erstsemesterstudenten erwartet, dass sie knallharte Karrieremenschen sind? Ich habe gehört, dass an diesem Studiengang normal begabte Studenten auch bei 100%-igem Einsatz allein schon am Aufwand scheitern. Kann es sein, dass ich da zuviel von mir erwartet habe? Die Studienberatung hat auch gesagt, dass von den Studenten eben diese Zielstrebigkeit auch seitens der Wirtschaft erwartet wird. Wer zu lange braucht, sei uninteressant. Ich bräuchte insgesamt mindestens 20 Semester, wenn ich es ab jetzt durchziehen würde. Macht das überhaupt noch Sinn, oder sollte ich mich nach was anderem umsehen? Aber was? Ich bin so ratlos, ich weiß nicht mehr weiter, ich habe auch ehrlich gesagt keine Zeit mehr, mich noch ein paar Jahre umzusehen. Wer nimmt einen denn noch, wenn man 4 Jahre lang erfolglos studiert hat? Sollte ich auf eine FH wechseln und dort einen normalen/einfacheren Studiengang wählen? Die Beratung hat mir da wesentlich bessere Erfolgschancen in Aussicht gestellt. Vielleicht würde mir der Praxisbezug, die weniger tiefgründige Theorie und der besser vorgegebene Rahmen gut tun.
Aber warum war ich nur so dumm und habe solange gewartet? Ich ärger mich so sehr über mich, dass ich das nicht früher eingesehen habe. Ich bin seit gestern so verzweifelt, ich konnte nur 3 Stunden schlafen und bin seitdem hier im Forum unterwegs.

Was soll ich denn tun? Helft mir bitte, gebt mir bitte einen Rat. Es wäre nicht leicht für mich, das Wirtschaftsingenieurwesen aufzugeben. Weil ich damit - wenn ich denn gut wäre - später was erreichen könnte, auch wenn ich selbst keine großartige Persönlichkeit habe. So denke ich jedenfalls. Außerdem hat mir der Wirtschafts-/Rechts-Leistungskurs in der Schule gefallen, als wäre die Wirtschaft für mich gemacht. Vor einem reinen BWL-Studium habe ich aber abgesehen, weil man doch immer wieder hört, das sei der beste Weg in die Arbeitslosigkeit, wenn man sich nicht besonders hervorheben kann (und da ich mir nichts zutrau...). Aber wenn ich es doch einfach nicht schaffe?! Wie ist das denn, wenn man sozusagen zum 9. Semester auf die FH wechselt und dort von vorne beginnt? Ich weiß nicht, was der richtige Weg ist.
Ich weiß nicht mehr weiter, hoffentlich finde ich bald einen Ausweg aus dem ganzen Mist.
Mops
Beiträge: 3
Registriert: 30. Jul 2006, 11:46

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Mops »

Hallo Walli,

nur ganz kurz, da ich gleich weg muss: brich dieses Studium ab, wenn es dich so fertig macht, egal, im wievielten Semester du jetzt bist (wenn es finanziell halt irgendwie geht). Du machst Dich damit nur kaputt.
Mir ging es ähnlich, Jura 3 Jahre studiert, Quälerei, durchschnittliche bzw. unterdurchschnittliche Noten, total unglücklich damit gewesen, ich habe zu Philosophie (!) gewechselt - eigenlich eine "Verlegenheitswahl". Das Studium habe ich anfangs auch nicht toll gefunden - Procrastination usw. waren immer dabei, und sind es teilweise auch heute noch. Aber irgendwann kam ich rein. Habe mit 1,0 abgeschlossen, promoviere jetzt und habe bessere Jobaussichten als ich sie mit einem (mittelmäßigen oder versauten) Jura-Examen je gehabt hätte - mittlerweile bin ich richtig stolz drauf, dass ich Jura so "spät" noch abgebrochen hab. Mehrere Chefs haben mir auch gesagt, dass sie sowas im Lebenslauf gar nicht schlimm bzw. sogar bewunderswert finden - als Zeichen von Mut und der Fähigkeit, eigene Fehlentscheidungen sich einzugestehen. Hat nämlich nicht jeder! Und ich muss sagen, auch, wenn es im Zweitstudium nicht so gut gelaufen wäre: mit Jura wäre ich dermaßen unglücklich geworden, dass ich heute vermutlich gar nicht arbeitsfähig wäre wg. Depression. So ein bisschen finde ich zeichnet sich diese Gefahr bei dir auch ab...


Naja, depressiv bin ich immer noch (stellenweise), aber jetzt liegt's zumindest nicht mehr am "versauten" Lebenslauf Und für dumm, unfähig etc. halte ich mich auch nicht mehr wirklich (kann es mir zumindest oft selbst erfogreich ausreden .

Ich drück Dir die Daumen, dass es Dir bald besser geht!!! Und rede Dir nicht ein, dass Du nichts leistest: Du stellst Dich momentan in einem schmerzhaften Prozess Dir selbst, Deinen eigenen Fähigkeiten und Un-Fähigkeiten. Und das ist mehr, als viele "glatte" Karrieristen in ihrer Studienzeit hinbekommen!

LG, Mops
herkules
Beiträge: 6
Registriert: 9. Feb 2007, 09:36

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von herkules »

Mensch, bin ich froh, auf diesen Thread gestoßen zu sein. Und bin ich froh, Eure Geschichten gelesen zu haben!!! Ich habe vorher noch nie etwas von Procrastination gehört, aber alle Symptome treffen voll auf mich zu. Und es wird in den letzten Jahren immer schlimmer mit mir.
Ich habe mich immer gefoltert und für eine wertlose, faule Schlampe gehalten und bin in Blockaden und Depressionen versunken.
Mein Studium hat elend lange gedauert (viel viel länger als 7 Semester). Ich habe es mit Hartnäckigkeit und der Einsicht, dass ich es wirklich machen will, schließlich doch sehr gut abschließen können. Meine Familie hat mich gottseidank finanziell unterstützt und trotz Auseinandersetzungen an mich geglaubt.
Nicht jeder ist mit so einer Familie gesegnet , ich bin ihnen wirklich dankbar.
Mir hat allerdings bei der Findung meines Willens geholfen, dass ich lange in meinem NEbenjob in der Altenpflege gearbeitet habe. Es hat mir sehr geholfen, GEld für meine Arbeit zu bekommen, meine Arbeit gut und unter Zeitdruck erledigt zu bekommen, und mir etwas für mein Geld kaufen zu können. Andererseits war die Arbeit so stressig, dass ich zum Überlegen gezwungen war, was mir denn nun wirklich wichtig ist. Ich habe mich zum Weiterstudieren entschlossen.
Aber so kann ich das auch heute erst sehen. Zu dem Zeitpunkt war ich ziemlich durcheinander und verzweifelt und hätte jeden angebrüllt, der mir gesagt hätte: "ÜBerleg doch mal, was Du wirklich willst!"
Trotzdem halte ich das für eine wichtige Sache. Es ist schwer sich dafür den Freiraum zu nehmen, gerade wenn man vom Job gestreßt ist und für die Uni lernen muß. Aber ich war doch sehr erleichtert, als ich endlich zu dem Schluß kommen konnte, dass ich weitermachen will, egal wie und egal wie lange es noch dauert.

Ich würde nicht das Studium einfach so abbrechen. Natürlich ist das mit dem Finanziellen ein Problem. Aber ich würde doch erstmal versuchen, herauszufinden, was Du wirklich willst.

Im übrigen glaube ich, es interessiert hinterher nicht unbedingt jeden, wie lange man studiert hat. Es gibt viel mehr Leute, die wirklich lange gebraucht haben. Sie können das allerdings gut verkaufen. Ein paar Tricks dazu habe ich in der Berufsberatung beim Bewerbungstraining gelernt, und sie haben mir sehr geholfen.
Seitdem finde ich auch, dass alle Beurteilungen und Ratschläge oder gutgemeinten Kommentare, die einem in Bezug auf den Beruf und die Zukunft Angst machen, schlechte Ratschläge sind, und dass ich sie an mir vorbeiziehen lasse. Es gibt immer etwas, was man in den beruflichen oder universitären "Lücken" gemacht hat, oder womit man sie begründen kann (z.B. den Nebenjob zu einer Vollbeschäftigung aufblasen oder eine umfangreiche ehrenamtliche Beschäftigung anbringen oder die BEschäftigung mit einem wichtigen Projekt im Studium oder oder oder ....).

Das Dumme ist doch immer, dass man sich selbst fertigmacht und alles schwarz, hoffnungslos und aussichtslos sieht, oder? Ich muß auch noch immer mühsam lernen, dass nicht unbedingt alles so schrecklich enden muß, wie ich es mir ausmale. Und es ist wirklich sehr schwer, mich davon zu überzeugen.

Ah, aber Ihr könnt Euch wirklich nicht vorstellen, wie froh ich über diesen Thread bin!!!

Freundliche Grüße
und viel Mutzuspruch
von Matilda
ANOVA
Beiträge: 1137
Registriert: 22. Jul 2006, 21:27

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von ANOVA »

Hallo Walli,

ich habe mein Studium während der Vorbereitung aufs Examen abgebrochen, allerdings nicht weil ich nicht überzeugt vom Fach war, sondern depressionsbedingt.

Der einzige Mensch, der damit ein wirkliches Problem hatte, war ich selbst... Seit ich aber ein neues Studium begonnen habe und somit über ein neues Ziel verfüge, kann ich damit umgehen und bin seither nicht mehr depressiv gewesen.

Ich habe übrigens die Erfahrung gemacht, dass es u.U. absolut nicht schlecht ankommt, dass man ein Studium aufgegeben hat. Bei mir war es so, dass ich z.B. einen Praktikumsplatz aufgrund meines schrägen Lebenslaufs bekommen habe und meiner Erfahrung in dem anderen Fach.

Wenn Du weißt, dass dieses Studium nicht das richtige für Dich ist, solltest Du es vielleicht wirklich aufgeben und etwas anderes machen. Wenn das andere Fach (oder die Ausbildung; muss ja vielleicht nicht unbedingt ein Studium sein) etwas mit Wirtschaftsingenieurwesen zu tun hat, wirst Du sicher davon profitieren können.

Meine Erfahrung ist es auch, dass Arbeitgeber eher darauf schauen, was man in der Praxis drauf hat und nicht so sehr, wieviel Semester man für irgendetwas gebraucht hat oder wie die Noten waren.

>Aber warum war ich nur so dumm und habe solange gewartet? Ich ärger mich so sehr über mich, dass ich das nicht früher eingesehen habe.

Das bringt Dich jetzt auch nicht weiter, wenn Du Dich selbst fertigmachst, es bremst Dich nur. Du kannst ohnehin nichts an der Situation ändern, dass Du 9 Semester studiert hast. Du kannst jetzt nur das Beste daraus machen und Dich umschauen, was für Alternativen Du hast. Das solltest Du demnächst angehen, ich denke, je früher Du eine Entscheidung triffst, desto besser (im Lebenslauf und vor allem auch für Dein psychisches Befinden).

>Ich weiß nicht, was der richtige Weg ist.

Auch wenn es vermutlich abgedroschen klingt: der beste Weg wird der sein, mit dem Du Dich am wohlsten fühlst. Kannst Du Dir vorstellen, das Ruder im jetzigen Studium noch rumzureißen und wirklich konzentriert aufs Examen hinzuarbeiten und später in der Praxis damit konfrontiert zu sein? Du schreibst ja, dass Du Dich nie so wirklich wohlgefühlt hast in diesem Fach... Welche Nachteile hätte es, wenn Du auf eine FH wechselst (mal abgesehen von den bisherigen Semestern)? Was denkst Du, bist Du eher der wissenschaftliche Typ oder eher der Praktiker? Für einen Praktiker ist es vielleicht wirklich besser, ein FH-Studium zu machen, da der Schwerpunkt ja doch eindeutig auf der Praxis liegt.

Was sicher auch nicht unwichtig sein dürfte: Studiengebühren...

Ich wünsche Dir viel Glück für Deine Entscheidung.

Grüße

Xenia
Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Walli83 »

Hallo,

ich habe mir - wie immer - Gedanken gemacht und bin mir ziemlich sicher, dass ich den falschen Studiengang gewählt habe. Zwar setzt dieser meine schulischen Leistungskurse irgendwie fort, aber auf der Uni ist es doch alles anders. Die technische Fachrichtung 'Elektrotechnik' finde ich zwar interessant, aber ist mir viel zu schwer und zu theoretisch. Ich fühle mich in mehrere Richtungen gezogen:

- ich würde gerne Psychologie studieren, weil man dabei mit Menschen zu tun hat und nicht mit dieser ungeliebten Technik, die mir einfach nicht zu liegen scheint. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur traumatisiert, weil Elektrotechnik hier so unschaffbar schwer ist. Vielleicht zieht es mich aber auch nur in diese Richtung, weil ich selbst betroffen bin. Vielleicht stellt sich dann heraus, dass mir Psychologie überhaupt nicht liegt und ich die Probleme der Anderen sogar zu meinen eigenen mache. Aber leider scheidet Psychologie sowieso aus, da mein Abischnitt zu schlecht ist, um in absehbarer Zeit das Studium zu beginnen.

- Soziologie wäre eine weitere Möglichkeit. Man hat ebenfalls mit Menschen zu tun, aber ich weiß nicht, ob ich damit glücklich werde, da Soziologie bei mir so einen verwaschenen Eindruck hinterlässt. Diesen Studiengang könnte ich sofort beginnen, aber was wird man dann später? Vielleicht würde mir auch hier der Praxisbezug und Erfolgserlebnisse fehlen.

- Die Vorstellung, auf eine FH zu wechseln, wird mir immer sympatischer, da hier wohl wirklich praxisbezogener vorgegangen wird.
Hier habe ich mir Media System Design, Biotechnologie, Chemische Technologie, Informations- und Wissensmanagement und Informatik herausgesucht. Das klingt alles interessant, aber ich bin so unsicher, was das Richtige für mich ist. Ich fühle mich so unter Druck gesetzt, weil ich der Meinung bin, dass ich möglichst zum kommenden Sommersemester im neuen Studiengang sein sollte.

Interessant finde ich alle Studiengänge, habe aber riesige Angst, dass ich vom Regen in die Traufe gerate.
Eine Ursache der Procrastination ist hohe Ablenkungsbereitschaft. Auf der Procrastinationsseite, die hier im Thread genannt wird, steht, dass eine hohe Bereitschaft zur Ablenkung in der Mehrzahl der Fälle einer großen wissenschaftlichen Neugierde und Aufgeschlossenheit gegenüber neuen interessanten Aufgaben und Inhalten entspringt. Solche Personen besitzen in der Regel auch ein sehr breit gefächertes Interessengebiet.
Das scheint auf mich zuzutreffen. Ich habe ein breit gefächertes Interessengebiet. Aber wenn dann etwas zu theoretisch wird - und mich vielleicht auch nicht allzu sehr interessiert, wie z.B. Elektrotechnik, dann lehne ich es innerlich vermutlich ab und schiebe es vor mir her. Die fällige und wichtige Studienentscheidung schiebe ich ebenfalls vor mir her, weil ich Angst vor einer Fehlentscheidung habe und Angst davor, dass ich überhaupt nichts kann, egal für welchen Studiengang ich mich entscheide.
Bspw. stelle ich mir Informatik auf einer FH interessant vor. Denke ich dann aber länger darüber nach, trau ich es mir gar nicht mehr zu, obwohl ich es noch nie probiert habe. Ich habe bei der Arbeitsagentur nach Ausbildungsplätzen gesucht - und auch da traue ich mir nichts zu.
Calzino
Beiträge: 215
Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Calzino »

hallo walli,

also ich habe mein studium an der fh nach 16 semestern abgebrochen und habe das für mich nie wirklich bereut. im meinem lebenslauf stand halt immer studium von bis. allerdings glaubten meine chefs immer, das ich das studium erfolgreich abgeschlossen hätte. nun hatte meine arbeit rein gar nichts mit dem studium zu tun und so habe ich es dabei belassen. ich habe mich natürlich auch selbst nicht dipl.ing. genannt. irgentwann zählt nur die berufserfahrung. wer mich immer übelst dafür beschimpft hat war meine frau. die hielt das für reine blödheit, aber ich konnte damals halt nicht anders. den begriff procrastination habe ich zu ersten mal in diesem threat gehört.

dennoch rate ich dir dringend zu zumindest einer abgschlossenen berufausbildung. das habe ich damals versäumt, weil ich schnell einen guten job gefunden hatte.

und tue etwas gegen deine depression. therapien wirken, auch wenn es lange dauert. ich habe damals zu wenig getan und wie es mir dann besser etwas ging, wollte ich davon auch nichts mehr wissen. es ging mir ja nicht wirklich schlecht. leider hat mich dann alles wieder eingeholt.

ich wünsche dir viel kraft für deine entscheidungen!

liebe grüße

jens
Walli83
Beiträge: 30
Registriert: 2. Nov 2005, 08:11

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Walli83 »

Hallo,

mir geht es seit ein paar Tagen sehr schlecht und ich weiß nicht, wie ich das alles durchstehen oder sogar ändern soll. Ich drehe mich immer wieder im Kreis - oder besser gesagt in einer Spirale abwärts.

Am Anfang meines Studiums habe ich mich schon nicht wohl gefühlt, habe eine Therapie gegen soziale Phobie über mich ergehen lassen. Diese wurde nämlich viel schlimmer, als ich es vorher gekannt hatte. Vermutlich habe ich mich da aber nur reingesteigert, da ich mir gegenüber den 'erfolgreichen und glücklichen' Studenten so kraftlos und minderwertig vor kam. Statt etwas zu ändern, habe ich mir die Zeit mit einem Freund in der Uni-Stadt vertrieben, weil ich mich nur sehr selten dazu überwinden konnte, zu den Vorlesungen zu gehen. Ich wusste es genau, dass das nicht gut gehen kann. Dass ich sowieso Probleme habe, Kontakte zu knüpfen und dass es nur in einer Katastrophe enden würde, wenn ich jetzt den Anschluss an die Kommilitonen, die ich in der ersten 'Orientierungswoche' kennengelernt hatte, verlieren würde. Aber ich hatte weder Motivation noch Kraft, es anders zu machen. Letztes Jahr hat dieser Freund die Uni verlassen und eine Ausbildung weit entfernt begonnen. Ich dachte, es wird schon gehen, jetzt, da keiner mehr zum Ablenken da ist, werde ich das Studium meistern und Leute kennen lernen. Aber nichts ist passiert. Ich bin am Ende des 7. Semesters, völlig erfolglos und kraft- und mutloser denn je.

Die Schuldgefühle und Selbstvorwürfe - ich wusste es ja besser und habe nichts geändert, habe fast 4 Jahre meines Lebens weggeworfen, meine im Lebenslauf so wichtige Ausbildungsphase versaut und dabei nicht einmal Spaß gehabt, das Studentenleben genossen oder Persönlichkeit ausgebildet - bringen mich um den Verstand. Ich habe in den letzten 3,5 Jahren nichts erreicht, als mein Leben zu versauen und eine Depression auszubilden, die immer schlimmer zu werden scheint.

Aber woran liegt das und wie kann ich es ändern? Schon unzählige Male habe ich geschrieben, dass ich wohl einfach so bin, dass ich wohl eine Neigung zu Depressionen habe. Aber so richtig schlimm wurde es erst in diesem Studium und es wird immer schlimmer.

Ich fühle mich so schlecht wegen der vergeudeten Zeit und weil ich nicht weiß, wohin mein Weg führen soll. Ich will niemandem auf die Nerven gehen, mit meinen Problemen belasten, denn mich nervt mein Selbstmitleid, in das ich mich gerne zurückziehe und schon immer gerne zurückgezogen habe, ja selbst schon. Aber mir fehlt die Kraft, da herauszukommen.

Und wieder ein Jahr vergeudet: vor ca. einem Jahr habe ich eine Therapie gegen meine Depression begonnen. Aufgrund der nicht ganz zwei Jahre zurückliegenden, nutzlosen Therapie gegen die soziale Phobie, in die ich mich wohl nur aus Minderwertigkeitsgefühl reingesteigert hatte, habe ich nur eine 25-stündige Therapie genehmigt bekommen. Wir haben die Sitzungen sehr bald im zweiwöchigen Takt abgehalten, um die Zeit etwas zu strecken. Es war toll, der Therapeut ist jung, motiviert, versteht meine Probleme und will mich auch nach den 25 bezahlten Stunden nicht hängen lassen. Aber ich weiß nicht, inwieweit ich mich darauf einlassen kann, schließlich will ich auch ihm nicht auf die Nerven gehen. Er hat sich soviel Mühe gegeben und es hat auch sehr gut geholfen - bis mich die Realität mit meiner vergeudeten Zeit, dem versauten Studium, der Ungewissheit, was kommen wird/kann/soll wieder eingeholt hat.

Ich hätte so gern ein normales Leben. Ich bin extra in die Uni-Stadt gezogen, um Freunde zu finden, um das Studium anzupacken, aber alles ist anders gekommen. Ich wollte so ein cooler Student werden, der erfolgreich in der Uni ist und in der knappen Freizeit jede Menge Spaß hat. Mittlerweile habe ich gemerkt, dass es wohl auch gar nicht anders geht. Ohne den Ausgleich in der Freizeit stelle ich es mir sehr schwer vor (weiß es natürlich nicht, da ich es noch nicht erlebt habe). Heute Nacht habe ich nur sehr wenig schlafen können, bin sehr früh mit Bauchschmerzen aufgewacht, weil mir alles so sinnlos vorkommt. Ich liege alleine in meinem Bett, in meiner kleinen Studentenwohnung, kenne hier fast niemanden und lerne gerade für eine Vordiplomsprüfung eines Studiengangs, den ich danach am liebsten abbrechen würde, weil es einfach keinen Sinn mehr macht. Es ist alles so sinnlos und die Einsamkeit zerfrisst mich. Wie soll ich das denn ändern? Ich halte mich nicht mehr wie früher für uninteressant, aber ich weiß nicht, wie und wo ich auf Leute zugehen soll, um diese kennenzulernen. Vielleicht würde alles mit einem Neuanfang besser werden, mit einem neuen Studiengang, mit neuen Kommilitonen, an die ich mich diesmal von Anfang an halte. Aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Keine Interessen, keine Kraft, traue mir nichts zu.
Ist es denn schlimm, mit 24 ein neues Studium zu beginnen? Oder sollte ich eine Ausbildung machen? Aber wird man denn mit 24 überhaupt genommen, gerade wenn man Hoffnungslosigkeit 'ausstrahlt'? Ich habe mir überlegt, mich vom Uni-Psychologen als chronisch krank attestieren zu lassen. Vielleicht komme ich dann wenigstens um die Langzeitstudiengebühren herum. Ist so etwas möglich? Steht das dann später irgendwo im Zeugnis, dass man bekloppt im Kopf ist?

Sollte ich mit meiner Familie über meine Probleme reden? Ich weiß es nicht, will niemanden schocken oder auf die Nerven gehen. Und was würde es am Ende bringen? Ich muss doch selbst etwas ändern, aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen kann. Ich habe Angst, dass mir keine Therapie der Welt helfen kann - immerhin scheint es ja so. Ich kann mich auch nicht mehr nur hinter Therapien verstecken, die mich sozusagen von den Problemen für eine gewisse Zeit ablenken, aber am Ende dadurch, dass noch mehr Zeit verstrichen ist, alles nur schlimmer wird.

Früher habe ich mich von dem ganzen Mist abgelenkt, indem ich mir z.B. einen schönen Film aus der Videothek geholt oder ein neues Computerspiel durchgespielt habe. Aber nicht einmal das macht mir noch Spaß - eigentlich wird mir schlecht bei dem Gedanken, weil ich damit die Probleme nur aufschiebe und sogar schlimmer mache. Nichtmal das Lernen erfüllt mich mit einem befriedigenden Gefühl. Zwar sehe ich, dass ich was kann, aber auch, dass es für diesen Studiengang nicht genug ist und ich so unendlich lange bräuchte, alles nachzuholen und dabei einsam wäre.

Jetzt habe ich irgendwie den Faden verloren, sitze einfach schon zu lange an diesem Text, der bestimmt sehr verworren wirkt. Was soll ich denn nur tun?
Calzino
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Registriert: 12. Jan 2007, 13:34

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Calzino »

hallo walli,

solange du nichts änderst, wird sich an deiner situation nichts ändern! schade, daß die therapien dir nicht helfen, aber bist du sicher, das du sie auch annehmen kannst? hast du mal über einen stationären klinikaufenthalt nachgedacht (so ein paar wochen)? mal weg von den alltagsproblemen um sich nur um dich zu kümmern? rede mal mit der studienberatung über ein krankheitsbedingte unterbrechung des studiums. rede auch mit deiner familie. erkläre ihnen deine situation. zumindest bei mir war da immer großer druck von der familie und der war absolut nicht hilfreich!

ich wünsche dir viel kraft! du schaffst das!

liebe grüße

jens
Paola
Beiträge: 504
Registriert: 13. Mär 2005, 21:32

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von Paola »

Hallo Walli,

du bist nicht zu alt für eine Ausbildung. Du hast ein gutes Abizeugnis als Grundlage für die Bewerbung, das dir keiner mehr nehmen kann.

An deiner Stelle würde ich zum Arbeitsamt gehen, um mich beraten zu lassen, für welche Ausbildung du geeignet bist, und welche Ausbildungsberufe Zukunft versprechen oder besser: haben.

Warum du dein Studium abbrichst, nun dazu kannst du dir etwas einfallen lassen, und auch hierzu gibt es Beratung.

Es gibt Betriebe, die dual ausbilden, so dass du während der Ausbildung - berufsbezogen - studieren kannst. Das kannst du aber auch nach der Ausbildung. Du musst dich nur richtig beraten lasssen und dann schnell bewerben. Noch könntest du deine Ausbildung in diesem Jahr beginnen. Für Abiturienten sind viele Ausbildungsgänge von drei auf zwei Jahre verkürzt, so dass du schnell etwas in der Hand hast. Dann bist du 27, und die Welt steht dir immer noch offen. Denn deine Ausbildung kannst du locker mit "sehr gut " abschließen, da du - wie du sehen wirst - eine Menge gelernt hast im Studium und den anderen Auszubildenden, übrigens immer mehr Abiturienten in allen Sparten, auch rein lerntechnisch überlegen bist.

Auszubildende mit einem abgebrochenen Studium sind übrigens gar nicht so selten zu finden, so dass du in der Berufsschule nicht nur mit 18-, 19-jährigen zusammen sein wirst. Viele Ausbilder schätzen "reifere Persönlichkeiten", die sie übrigens - wenn alles stimmt - besonders gern übernehmen.

Mein Sohn und seine Freundin haben beide ihr Studium vor ein paar Jahren abgebrochen und eine Ausbildung gemacht. Beide machen jetzt ihre Prüfungen, meine zukünftige Schwiegertochter ist von ihrer Praktikantenstelle übernommen worden, mein Sohn hat sich noch nicht beworben, und in seiner Ausbildungsstelle wird keiner übernommen, sie haben genug Arbeitskräfte. Er möchte aber auch etwas anderes machen.

Sie haben sich in keiner Minute der Ausbildung als Versager gefühlt, wohl aber während des Studiums: mein Sohn, weil er sein Lernen nicht organisieren konnte, seine Freundin, weil sie mit einem Fach einfach nicht klar kam. Mein Sohn hatte noch einen interessanten Job bei einem Fernsehsender, der machte ihm Spaß.

Beide freuen sich nun auf ihre finanzielle Unabhängigkeit, obwohl das Asubildungsgeld meines Sohnes so klein auch nicht war.

Wie sehen wir, mein Mann und ich, den Studienabbruch als Eltern?

Um ehrlich zu sein. Beide Kinder waren gut in der Schule, der Ältere sollte sogar eine Klasse überspringen. Natürlich war für uns, beide so genannte Akademiker, klar, dass sie einmal Karriere machen würden, ein Studium ganz und gar selbstverständlich.

Es kamen Schicksalsschläge, der schlimmste der Tod ihres kleinen Bruders, wodurch sie gleichzeitig die Aufmerksamkeit der trauernden Eltern verloren. Jedenfalls kam ein Bruch in die gesamte, auch die schulische Entwicklung. Manche Kinder werden aber allein so sehr durch die Pubertät überfordert, dass die Schule von heute auf morgen ihre Bedeutung verliert.

Nun, wie sehe ich es heute?

Unseren Söhnen war nun doch keine außergewöhnliche Karriere in die Wiege gelegt, aber es geht ihnen gut. Sie sind beide sensible und gutherzige Menschen. sie scheinen sogar glücklich zu sein , nicht immer, aber wie soll das denn auch gehen. Und das hat auch nichts mit dem Studienabbruch zu tun. Sie stehen zu dem, was sie tun. Sie kommen gerne nach Hause, haben Vertrauen zu uns und besprechen ihre Probleme, aber aiuch ihre Pläne mit uns.

Wenn ich die Kinder in unserer Straße sehe, wie sie schon im Kindergarten von ihren Müttern auf Leistung getrimmt werden, weil diese Leistun erwartet wird (ich wohne in einer Prestigegegend mit einem Prestigekindergarten und einer Prestige-Grundschule, in die alle ihre Kinder stecken, und dann werden die Klassenarbeitsnoten und die Zeugnisnoten verglichen! Und da dann doch nicht alle Prestigekinder in ein Prestigegymnasium aufgenommen werden, zerbrechen die jahrelangen Freundschaften, wenn die Kinder 10 sind: die Gymnasiasten bleiben unter sich, die Gesamtschüler ebenfalls; Real- und Hauptschüler gibts hier (noch?) nicht.

Die zweite Möglichkeit für dich wäre tatsächlich ein Fachhochschulstudium. Bei deinem Menschentyp und deinen Wünschen nach Kommunikation würde ich mir an allerdings eine kleine Fachhochschule aussuchen, die im Klassenverband organisiert ist wie in der Schule. so würde man sich um dich kümmern, wenn du Probleme hast und dann mal abwesend bist. Die Professoren würden mehr auf dich zugehen und dich beraten, ja, dich auch mal ein bisschen treten. Du siehst deine Mitstudenten jeden Tag, isst mit ihnen, kannst mit ihnen Sport machen.

Du bist also nicht wieder in der Gefahr, in der Masse unterzugehen, was übrigens ein häufiger Auslöser für Studienabbrüche ist. Erkundige dich gut, und vor allem beeil dich, denn die Bewerbungsfristen für das WS 2007 laufen an manchen FHS schon bald ab! Es gibt bestimmt Studiengänge, bei denen man dir den einen oder anderen Schein anerkennt, so dass sich deine Ausbildung verkürzt. Und es gibt Darlehen für dich, wenn du gut bist, vielleicht sogar ein Stipendium für das Examensjahr.

Die Idee, dir deine chronische Krankheit anrechnen zu lassen, ist auch gut. Du bist ja chronisch krank. du siehst also, vom Finanziellen her gibt es keinen Hinderungsgrund.

KEINESFALLS würde ich an deiner Stelle den verhassten und Angst machenden und dich dauernden Selbstzweifeln aussetzenden jetzigen Studiengang fortsetzen, denn alles, was du dazu schreibst, SCHREIT förmlich nach VERÄNDERUNG deiner jetzigen Situation..

Und eine Therapie solltest du machen, egal, wie du dich entscheidest. Eine Therapie tut gut und ist genau in Umbruchphasen wichtig, denn die machen jedem Menschen Angst, uns depressiv Veranlagten in ganz besonderer Weise.

Und noch etwas: Sprich mit deinen Eltern nach Möglichkeit erst, wenn deine entscheidung gefallen ist. am besten erst, nachdem du dich eingeschrieben hast. Sonst geht dein ganzes (ver)zweiflerisches und hirnzermürbendes Entscheidungsgequäle schon wieder los, und du beginnst wieder bei Null statt weitere Schritte zu unternehmen.

Ich wünsche dir viel Glück auf deinem weiteren Weg, und ich hoffe, dass du bald zu einer Entscheidung kommst. du wirst es nicht glauben, aber dann fällt wirklich erst einmal eine große Last von dir ab, und du kannst wieder frei atmen und leben.

Liebe Grüße,
Paola
jazzyizzy
Beiträge: 18
Registriert: 20. Feb 2007, 18:32

Re: Depressionsanfällig, erfolgloses Studium, Anti-Verpeil

Beitrag von jazzyizzy »

Hallo du Verpeiler!

Ich bin auch so eine Verpeilerin und kann dich ganz gut verstehen!
Hab auch Phasen in denen ich nur daran denken, was ich alles falsch gemacht habe, und dass ich meine Zeit verschwende ohne mein Leben dabei genossen zu haben!

Woran du immer denken solltest ist, dass der Druck mit 24 mitten im Leben zu stehen, total erwachsen und selbstbewusst zu sein, von außen kommt.
Die Wahrheit ist ja, dass sehr viele Menschen innerliche Kämpfe austragen und nur nach außen souveräen wirken (in den verschiedensten Foren stehen sie dann dazu aber nicht im alltäglich Leben .
Alle anderen erscheinen dann viel besser und erfolgreicher.
Aber hauptsächlich können die sich besser verkaufen.

Es kann ja gut sein, dass du nicht alles richtig gemacht hast, aber dafür brauchst du dich nicht zu bestrafen.
Leichter gesagt als getan!
Entscheidungen treffe ich auch äußerst ungern und dann ganz unüberlegt und spontan, auf den letzten Drücker.
Vielleicht solltest du, bevor du in die Zukunft guckst, in der Gegenwart nach Dingen suchen die dir etwas bedeuten.
Die wird es ganz sicher geben.
Tu dir etwas Gutes!

Ein Bild dazu:
Du bekommst eine Bombe in Geschenkpapier verpackst und hörst es ticken und weißt, dass das Geschenk früher oder später hochgehen wird.
Auf deinem Gabentisch stehen aber noch ganz viele schöne Geschenke.
Du hast jetzt mehrere Möglichkeiten:
1. Du entschärfst die Bombe, mit allen Mitteln die dir zur Verfügung stehen.
2. Du packst die anderen Geschenke aus und erfreust dich an ihnen so lange die Bombe nicht hochgeht.
3. Du steht völlig erstarrt vor dem tickenden Geschenk und tust gar nichts.

Ich glaube du hast dich für die dritte Möglichkeit "entschieden".
Wahrscheinlich kannst du im Moment auch gar nicht anders, aber es ist die schlechteste der drei Entscheidungen.
Versuche aus dieser Erstarrung herauszukommen.
Lass dir von anderen, die aber keinen Druck ausüben, dabei helfen. Familie oder gute Freunde, denen du vertraust. Bezieh sie in deine Gedanken ein.
Du wirdst merken, dass dir eine große Last abfällt, sobald du ausgesprochen hast was dich so sehr belastet.
Wenn du das schon in der Therapie getan hast und es dir jetzt wieder schlechter geht musst du es erneut tun.
Vielleicht hast du dich ja schon nach deinen Posts ein bisschen besser gefühlt. Wenn es so ist, ist es bestimmt ein guter Anfang.
Egal, was du tust, es wird dir nicht leicht fallen, deshalb ist es ja so schwer anzufangen und eine Entscheidung zu treffen!

Mit dieser Realität musst du dich abfinden, der Realität kann man nicht für immer weglaufen.
Die Realität ist aber auch nichts, dem du hilflos ausgeliefert bist, wenn du ehrlich bist kannst du sie gestalten, begrenzt, aber in gewisser Hinsicht sicher.
Zum positiven hast du bestimmt schon einiges in deiner Realität verändert. Denke an deinen Job!
Das kannst du auch wieder schaffen.
Du musst nur den Anspruch an dich aufgeben, perfekt zu sein, denn dann braucht man erst gar nicht anzufangen, man wird immer scheitern.

Setz dich mit deinen Fähigkeiten auseinander!
Such dir nichts was so schwer ist, dass du es nicht bewältigen kannst. Das ist ja auch eine Strategie von uns, damit wir nicht das Gefühl haben versagt zu haben.
"Das hätten auch andere nicht geschafft!"
Aber andere setzen sich realistische Ziele! Deshalb sind sie erfolgreich!

So nun bin ich am Ende meiner Weisheiten.
Falls du wissen willst, ob ich aus Erfahrung spreche?
Ich stehe noch am Anfang, aber auch der längste Weg beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt!

In diesem Sinne wünsche ich dir viel Erfolg und Glück bei deinen nächsten Schritten!

Liebe Grüße

Lilly
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