Dürfen depressive Menschen lustig sein?

schatzi
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Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Liebe Forumsgemeinde,

in Anbetracht nachbarschaftlich geposteter ernstzunehmender und depressiver Krankheitsverläufe, sei es erlaubt auch mal über lustige menschliche Geschehnisse und Situationen zu berichten. Ich glaube, hinter vielen von den gut und intelligent formulierten Postings die wir tagtäglich lesen dürfen, stecken auch Personen, die über eine gehörige Portion Humor, vielleicht auch über sich selbst verfügen.

Es aber eine ausgeprägte Auffassungsgabe erfordert, bestimmten Humor, Zynismus oder Polemik entsprechend zu verstehen.

Mir fallen häufiger intensive Bemühungen von Trost und Mitleid auf, leider aber weniger die, die mit etwas Humor und Witz vielleicht auch zu Ablenkung und anderer Stimmung beitragen könnten.
Sicherlich nachvollziehbar, da die meisten Antworten auch leider depressiven Inhalten unterliegen.

Ich zum Beispiel trotz schwieriger Lebensumstände während meines Aufenthalts auf einer Klinikpsychotherapiestation, selten so herzhaft gelacht habe, animiert durch einen Mitpatienten während der Kunsttherapie.

Seinerzeit gab es hier einen Witzethread, wo einige Forenuser förmlich auflebten, aber leider dieser in die Finanzierungsfrage dieses Forums fiel und verständlicherweise unpassend wirkte. Direkte Witze halte ich hier auch für unangebracht, aber gibt es doch sicherlich für Jeden von uns Situationen, trotz Depressionen, die uns zum Lachen oder Schmunzeln veranlassen könnten.

Tägliche Begebenheiten die uns zwangen den depressiven Focus zu verlassen, im Supermarkt, beim Arzt, beim Wäsche aufhängen, mit den Haustieren, beim Sex, im TV, auf der Arbeit, beim Arzt, im Studium, auf den Ämtern, im Restaurant oder sonstwo mit etwas Schadenfreude durch Missgeschick oder Pleiten, Pech und Pannen erzeugt!

Ich finde immer noch absolut köstlich, wenn Sketche von Loriot erscheinen oder einer laut im Supermarkt peinlicherweise die Kassennachbarin rufend fragt: "Erna, wat kosten die Kondome?"

Während meiner laufenden Verhaltenstherapie kommt es häufiger zu Situationen zwischen Therapeut und Patient, wo wir schallend herzhaft lachen müssen. Besonders meine humorvoll zynischen Äußerungen betreffend, warum ich in vielen Situationen gerne eine Jacke anbehalte.

Ich habe die Vermutung, dass Humor oder Spaß über Situationen uns erlauben, für eine kurze Zeit Zustände zu verlassen, die uns permanent niedergedrückt halten.

Bitte keine Witze, aber vielleicht hatte der eine oder andere amüsante Erlebnisse an denen wir vielleicht ein wenig mit schmunzeln können obwohl uns häufiger leider weniger zu Schmunzeln übrigbleibt.


bo
kerry
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von kerry »

Guten morgen Böhnchen!!!

Ja da stimme Ich dir doch absolut zu...
Ich habe auch die Erfahrung gemacht, im Rahmen meines Stationären Aufenthaltes, das es dort SEHR Lustig zu ging. Trotz des ernstes der Lage!
Der Name "Hotel zur Lockeren Schraube, all inklusive" entstand auch dort. Dieser Name ergab sich aus den fragen:"Wo bist Du???-Wie da kommt ihr her??-Wie ihr dürft so einfach raus..." Da wir ja erstmal immer in Horden auftraten, war es ein Riesen Spaß für uns diese Antwort zu geben.
Vor ein paar Tagen hab ich mit einem mit Klienten telefoniert und wir haben Tränen gelacht über die Zeit im Hotel.
Mal-Therapie hatte seinen besonderen Reiz. Dort war ein Klient der immer in ner halben Stunden an die 5-7 Bilder malte und diese auch ALLE besprochen haben wollte. Die Thera. hat nach einigen Stunden nur noch genervt gesagt, Hr.XY... wir besprechen nur EIN Bild entscheiden sie sich. Tja... bis er soweit war, war die Stunde vorbei und er bestand darauf beim nächsten mal das Bild zu besprechen. Was aber dann nicht stattfand weil er wieder eine menge Bilder gestaltete. Und so ging es immer wieder in der Therapie...
Oder es fiel, Bewegung nach Musik aus... also kam eine Vertretung und wir lernten Querdance... Jau.. Das Personal kam zum zuschauen mit, da man uns schon eine Etage tiefer Lachen gehört hatte."Jetzt machen wir den Stern...."Genauso tapfer waren unsere gemeinsame Spaziergängen!!! Da wir einen Klienten hatten, der sehr stark auf Tavor eingestellt war, liefen wir im Schneckentempo... und sagten immer XY komm mal in die Puschen (schneller werden..) XY antwortete 2min. später, OK, mach ich...! jedesmal hatte unsere Schnecke eine Abkürzung auf Lager, und wir "Deppen" sind immer drauf eingegangen, und sind erstmal Locker 2Stunden später als geplant angekommen. Ja das sind so Insider, die bei unseren heutigen Kontakt immer wieder zu ellenlangen Gespräche führt und zu Bauchschmerzen vor Lachen.
Sicherlich kann ein außenstehender das nicht als besonders lustig empfinden. Aber wer in so einer Gemeinschaft seine Höhen und tiefen gemeinsam erlebt hat, stellt hinterher fest das grade diese Insider es erträglich und zum durchhalten beigetragen. Diese Gemeinschaft hat immer fest gegriffen, wenn einer von uns am zweifeln und dem Abbruch der Therapie nahe war. Weil eins war immer klar, wir sitzen alle im gleichem Boot und bauen uns gegenseitig auf. Ein spontaner Tanzabend im Essensaal hat so einigen doch zum bleiben bewegt.
Gruß Kerry
Schenke jeden Tag ein Lächeln

und Du wirst Glücklich sein..
zweifler
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von zweifler »

hallo bohnenberger!

...oder dürfen depressive menschen die 80ziger marke gezielt unter "beschuss" nehmen?
mfg herbert
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo Schräubchen,

ja diese Kunsttherapie scheint es besonders in sich zu haben, Situationen zu erzeugen über die man lachen kann.

Ob das beachsichtigt ist, weiß ich nicht so genau, die Therapeutin hatte es auf jeden Fall nicht untersagt.

An einem Sommertag 2004, sollten wir unter einer Tischdecke Dinge ertasten und schon ging die Fahrt los. Was dabei raus kam, kaum zu glauben. Ich hatte während diesen Veranstaltungen niemals den Eindruck, dass es sich hier um besonders schwer erkrankte Menschen handelte, da alle mit gelacht haben.

Auch das Verteilen von gelben oder roten Karten, hatte immer zu lustigen Begebenheiten geführt, die manche im Alter von 50 Jahren und darüber, nochmals zu Strebern werden ließen, sehr amüsant.

Will sagen, der depressive Alltag muss nicht immer unbedingt mit Trübsal gespickt sein und Klinik muss nicht immer "Hölle" sein.

Ich schaue mal morgen bei der KND Düsseldorf dortiger Veranstaltung vorbei um vielleicht den einen oder anderen Vortag zu hören, wo vielleicht auch eine entsprechende Haltung zu Humor vorgeschlagen wird um Krankheitssymptome besser zu beeinflussen.

Hat jemand evtl. Erfahrungen mit der Lachtherapie?

Grüsse

bobobohneberger
Calzino
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von Calzino »

hallo bohneberger,

wo denkst du hin! in deutschland ist lachen während der depression streng verboten! wie du schon sagts, lachen vertreibt die dunklen gedanken. und wenn du keinen dunklen gedanken mehr hast, was willst du dann noch therapieren? also immer schön trübsal blasen! therapie zügig abschließen. schon aus kostengründen! sonst haben wir schon nächstes jahr wieder eine endlosdiskussion über die nächste gesundheitsreform. diese diskussion würde epidemieartig und flächendenkend depressionen über die unfähigkeit unserer politiker auslösen. dies wiederum würde die kosten so ernorm steigern, daß die nächste gesundheitsreform unausweichlich wäre.....wenn ich daran nur denke falle ich in ein tiefes, tiefes loch....

also an alle, nehmt eure krankheit gefälligst ernst. hier gibst' nix zu lachen.

ernste grüße

jens
dark_bln
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von dark_bln »

ich bin fast immer nach aussen lustig/zynnisch wenn ich depressiv bin, ist sozusagen mein schutzmantel.
leider führt das dazu dass ich in meiner krankheit nicht ernst genommen werde
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo,

die letzten beiden Antworten sind hingegen garnicht mehr so lustig, wenn man genauer hinschaut.
Ja es ist richtig, mein Humor ist auch meistens zynisch und durch die Depression gefärbt.
Leider muß ich mir dieses auch eingestehen.

Mache häufiger Witze, die andere Menschen meist garnicht so lustig finden und sich analog auch nicht gleich darüber kaputtlachen können, weil ich wieder meinte einen Gag gelandet zu haben.

Plötzlich bekomme ich garnicht mehr eine so lustige Stimmung, da es sich bei meinem Humor wohl entlarvend um den des am Galgen hängenden handelt, dem sog. Galgenhumor!

Bei Lachtherapie kann man nicht zynisch sein, also muß die Schnautze gehalten werden!

Also ist wirklich noch nicht einmal Lachen mehr erlaubt, da man Depressiven dann ihre Krankheit nicht mehr abnimmt. Welch trostlose Aussicht für ein weiteres glückliches Leben!

bo
Calzino
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von Calzino »

hallo bo,

gar nicht mehr so lustig? mein humor ist weitgehend zynisch. wie soll er den auch anders sein. wenn ich umschaue in dieser welt, denke ich mir, wir sind die normalen, denn uns macht es krank. die, die nicht krank werden, denen fehlt was, den diese welt muß jeden gesunden einfach krank machen (das wäre mal ein interessanter thread).
der zynismus ist sowohl panzer als auch waffe. klar das die gags nicht immer und überall gut ankommen. ich gelte in dieser hinsicht auch als etwas schräg. aber das müssen sie aushalten.

am besten lachen kann ich mit meinen kindern. da lachen wir um des lachen willens. autorennen fahren mit der playstation. da geht es gar nicht so um das gewinnen, sondern einfach nur um den spaß. neulich haben wir ein total bescheuertes brettspiel gespielt. das war so blöd, das wir es schnell recht gut fanden. wir haben einfach unsere eigenen regeln gemacht und den halben abend albern vor uns hingegackert. und es gab weder sieger noch verlierer. da braucht es keinerlei gags, da kann man einfach so lachen. das ist wie eine auszeit von den dunklen gedanken. das gibt mir immer viel kraft.

gut gelacht habe ich auch über film "der bonker" (bei "schindlers liste" habe dafür ich rotz und wasser geheult ). ich glaube, wenn man anfangen kann über eine sache zu lachen, dann wird der umgang mit ihr viel leichter.
deshalb glaube ich auch, daß depressive viel lachen sollten, wenn sie es denn können. zynischer humor ist humor! eine lachtherapie, gibt's das wirklich? das wäre was für mich!

kennt ihr noch die alten witze aus der ddr (erich, der letzte macht das licht aus!)? die waren prima! seit es dort nur noch depressive hartz4 empfänger gibt, ist auch der humor verschwunden.

lachen ist wohl das beste, was wir überhaupt tun können.

irgentwie ist das jetzt auch etwas verworren geworden. ich glaub ich schau mir nochmal "der bonker" an

liebe grüße

jens


p.s: ich hoffe, ich habe niemanden aus den neuen bundesländern beleidigt. ich wollte mich nicht über jemanden lustig machen, sondern nur den verlust des humors deutlich machen
otterchen
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von otterchen »

Hallo,

ich habe ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass wir in der Klinik damals sehr viel gelacht haben - wir waren wirklich ein lustiger Haufen.
Zum einen sicher als Ausgleich, zum anderen aber: warum soll depressiv gleich humorlos sein? Viele lachen doch nur zu gerne (hätten aber gerne auch mehr zu lachen).

Und es stimmt auch, dass die Umwelt einem die Depressionen nicht abkauft, wenn man lächelnd und mit einem lockeren Spruch auf den Lippen durchs Leben geht. Ich habe oft schon gehört "Depressionen? Du???". Depression wird oft gleichgesetzt mit Leidensmiene, Jammerblick, Weinerlichkeit etc. Aber so sind wir doch gar nicht!
mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo calzino,

"Adolf ich sitz in meinem Bonker" von Walter Moers ist klasse!

Trotzdem fanden vor geraumer Zeit einige ein eingespieltes Filmchen aus dieser Top 100 Serie leider nicht so prickelnd. Es hagelte wieder mal Beschimpfungen ( Pfui usw.) vom Feinsten.

Aber sind wir wirklich die Gesunden in einer Welt voller Kranker, dann wär ich lieber Kranker. Alle Menschen sind für Stress besser oder schlechter vulnerabel gerüstet, daher Dekompensationen eher den robusten oder resilienten Menschen weniger treffen.

Aber zurück zum Humor, wir brauchen ihn, ich brauche ihn. Schadenfreude, spöttische Bemerkungen, Nachahmungen oder ernstere Gemeinheiten der Lächerlichkeit preiszugeben, ist vielleicht ein gesünderer Gegenpart.

Wenn man das nicht humorvoll sieht, was mir im Leben schon alles passiert ist, gerät man leicht in den Verdacht ein Pechvogel zu sein.

Hingegen humorvoll oder positiv betrachtet, habe ich wiederum auch eine Menge erlebt obwohl mir häufiger nicht zum Lachen zu Mute war.

Die unbekümmerte Leichtigkeit der Jugendzeit obwohl hier schon Defizite vorherrschten, sind ein glühendes Beispiel.
Unsere Kinder leben hoffentlich ohne diesen ganzen Scheiß und Aufwand, meine jedenfalls, Gefühle dauerhaft unterdrücken zu müssen.

Später gibts dann die spürbare Belohnung dafür, die Depression und dauernde Psychotherapie. Und trotzdem gibt es immer noch was zu lachen. Ich kenne auch den Zustand mal 3 Monate das Bett vor Angst nicht verlassen zu können, trotzdem habe ich meinen Mitmenschen eine humorvolle Erklärung hierfür präsentieren können, da sie ja sowieso nicht verstanden hätten, warum einer ohne offensichtliche Gefahr so mir nicht dir nichts mal für 3 Monate einfach im Bett bleibt.

Die "gesunden" Anderen sind sowieso im Nachteil, da ihnen ewig das depressive Gedankenkino verborgen bleiben wird ohne jemals nur ein Gespür dafür zu bekommen, was sich Menschen alles einbilden können.
Ich weiß heute, nichts ist mehr unmöglich und das macht mich auch wiederum überlegen.

Ich kann darüber spaßen und Scherze machen, weil wenn ich mit der depressiven Leier erst wieder anfangen würde, wären keine Leute mehr in nächster Umgebung.

Also hat der zynische Humor wie von Dir treffend bemerkt, auch wieder den Sinn Humor an sich zu sein.

Grüsse vom humorvollen Niederrhein.

bo

_____________________________________________
Niederrheiner wissen nix, können aber alles erklären. H.D. Hüsch (+)
Regenbogen16

Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von Regenbogen16 »

paperdoll
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von paperdoll »

Hallo Bohneberger,

ein Buchtitel sagt "Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin".

Mal ganz prakmatisch betrachtet:

Psychische Erkrankungen finden in unserer Gesellschaft nicht wirklich Akzeptanz. Jedenfalls bei weitem nicht so wie körperliche.
Also dürfen wir quasi alles.
Wir haben doch esh eine an der Klatsche
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo,

ja man hat gesellschaftlich von uns Erkrankten ein bestimmtes Bild, jammernd, tranig, bewegungsresistent in einer geschlossenen Klapsmühle, am besten noch weggeschlossen hinter Gittern in der Gummizelle.

Wenn da jetzt welche dabei sind, die auch lustig sein können, sind die auf gar keinen Fall depressiv.

Was die meisten in unserer Gesellschaft nicht wissen, warum es auch maskierte Depression heißt, da viele Erkrankte eine Maske tragen um ihren tiefen Schmerz verbergen zu können.

Plötzlich hören wir von einem lieben netten alleinstehenden Nachbarn, was ja schon an sich sehr verdächtig ist, der sich mehrere Wellensittiche hielt, plötzlich nicht mehr da ist obwohl er niemals krank war und schon geht die Munkellei los, der war ja immer schon so komisch!
Darin liegt auch sehr tief begründet, warum die restliche Gesellschaft von vielen depressiven Menschen kein anderes Bild hat, als dieses bereits vorher geschilderte, dieses in der Geschlossenen.
Das Depressive in keine Irrenanstalt gehören und lachen können, ist den meisten suspekt und wird mit Schauspielerei sodann gleichgesetzt.

Ich bin der festen Meinung, lacht was das Zeug hält, wenn Euch danach ist. Lacht über jeden Scheiß über mit anderen Menschen sooft als möglich.

Gebt dem gefestigten Meinungsbild einen Arschtritt.

Wenn wir schon einen Freifahrtschein mit Fehlbeurteilung kostenlos ausgestellt bekommen, dann ab auf die Achterbahn damit.

Z.B. werden diese Schamüberwindungsübungen -shame attacking exercises - speziell bei Angsterkrankungen eingesetzt, Z.B.

-in einem Bus laut die Haltestellen anzusagen

-in der Stadt mit einem Märchenbuch herumzulaufen und fragen mal eines vorlesen zu dürfen

-"Entschuldigung, können sie mir bitte sagen wo ich die nächste Irrenanstalt finde?"

-ein Pappschild sich umzuhängen auf dem steht, ich habe Angst vor Menschen usw. usw.

Hieraus entstehen Begebenheiten die sehr lustig sein können, im vorhinein natürlich Lampenfieber erzeugen, welches nicht jeder meint durchstehen zu können.

Jedem der hören will bekommt meine Diagnose und kann kaum glauben das diese wahr sein könne? Liegt vielleicht auch daran, dass ich meine zur Verfügung stehende Aggression nicht nur immer dazu verwende, mich selber schachmatt zu setzen (Autoaggression!).

Schade das ich mit vielen von hier nicht mal richtig rumgackern kann, oder doch?

Grüsse

bo

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Aus einem verzagten Arsch, kommt selten ein fröhlicher Furz, was zu beweisen wäre!
ANOVA
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von ANOVA »

Tach Bohni,

in Zeiten tiefster Depression konnte ich über nichts lachen, höchstens mal verkrampft die Mundwinkel hochziehen. Aber wenn ich dann aus dem Gröbsten raus war, fand ich das Lachen immer wichtig. Allerdings habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass es bei unreflektierten sogenannten Gesunden gar nicht gut ankommt, weil sie dann davon ausgehen, man sei gar nicht depressiv. Schließlich heulen Depressive den ganzen Tag.

Wichtig ist aber auch, dass man möglichst authentisch bleibt, d.h. keine aufgesetzte Fröhlichkeit an den Tag zu legen (haben ja schon einige geschrieben).

Ich persönlich habe übrigens meine eigene Distanzierung vom Psychodasein auch daran gemerkt, dass ich über mich selbst lachen kann. War am Anfang gar nicht so leicht!

An eine Begebenheit während eines stationären Aufenthalts erinnere ich mich gerne zurück.

Ich war mal über die Fasnachtszeit in der Klink und die Oberarztvisite fand immer donnerstags statt. Wir Patienten haben uns natürlich überlegt, wie man Fasching angemessen würdigen kann als Psychiatriepatient. Und so kam eine Patientin auf die Idee, dem OA die Krawatte abzuschneiden. Sie hat es dann auch gemacht. Anscheinend saß sie in der OA-Visite mit einer Schere im Ärmel. Als das Gespräch mit dem OA fertig war, nahm sie die Schere raus und hat ihm seine echt schöne Krawatte abgeschnitten. Obwohl er eigentlich nicht so der sympathischste Mensch auf der Welt ist, konnte er darüber lachen. Es gab keinen Ärger deswegen.

Der abgeschnittene Teil der Krawatte hing noch einige Wochen als Trophäe an der Zimmertür der Patienten.

Das war lustig irgendwie. Vor allem, weil wir es der Patientin nicht zugetraut hatten.

Gruß

Xenia
ANOVA
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von ANOVA »

Hallo Bernd,

>Nirgendwo habe ich so lachen können wie dort; umgeben von lauter Depris. Es mag jetzt merkwürdig klingen, aber in den Kliniken habe ich "gelebt". Im realen Leben ist dafür, zumindest für mich, offenbar kein Raum.

Mir ging es ganz genauso!

Gruß

Xenia
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo,

das Leben in der Klinik ist meistens besser strukturiert.
Man lernt Menschen mit den schwersten Schicksalen kennen, die einfach nur depressiv und krank werden konnten obwohl es nicht auswählbar erschien.
Ich bin mit meinen real besetzten Ängsten wie Existenzverlust, Insolvenz- und Bestrafungsangst selber dahinein spaziert und möchte diesen gesellschaftlich geächteten und belächelten Aufenthaltsort niemals mehr missen.
Ein reine Psychotherapiestation in Wohnortnähe wo aus allen Ecken Therapie herausquoll.
Mir hat es auch sehr viel gegeben obwohl ich leider 2 Jahre lang keine Anschlußtherapie gefunden habe um diese Stabilität zu erhalten.
Konflikte hat es natürlich auch genug gegeben, als plötzlich die Damen mitten in der Nacht meinten, Barfuß über den Fluren stampfend Fangen spielen zu müssen.
Es war ein reges Treiben wie im richtigen Leben oder wie damals in der Schule.

Wenn man weiß, was einem bereits schon einmal geholfen hat, ist die nächste Klinik mit einem Überweisungsschein bewaffnet nicht weit.

Schmunzelnd möchte ich mitteilen, bestimmt meine nächste Klinik die von Prof. Florian Holzboer in München sein wird, da ich dem immer schon mal den Witz von dem Arzt und dem Patienten erzählen wollte.




bo
schatzi
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von schatzi »

Hallo Joy,

bitte lesen, hatte ich beantwortet, Depressive dürfen und viel wichtiger, müssen unbedingt lachen!

bo
imagine
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von imagine »

Hallo Xenia, hallo Bernd,
also, ich kann mich da nur anschließen!!
Ich habe zwar noch nie darüber nachgedacht, aber es war so...
Am Ende wurde unser Tisch dann auch von den Mitarbeitern schief angesehen, wir waren zu LAUT
Tisch 1 kann sich mal wieder nicht benehmen.

Ja, das konnten wir wohl wirklich nicht...

In diesem Sinne, lächelnde Grüße

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
Schneckerl
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Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von Schneckerl »

Ich kann mich den meisten hier nur anschließen, ganz nach dem Grundprinzip Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag!

Auch ich hab einen eher zynischen, sarkastischen Humor, der schon sehr, sehr schwarz ist. Je böser der Witz, die Situation (im humoristischen Sinn), desto lauter das Lachen. Und ich lache für mein Leben gern!

Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum ich es bis vor kurzem nicht glauben konnte, möglicherweise depressiv zu sein, schließlich haben Depressive kein Recht darauf, auch nur ansatzweise zu grinsen
imagine
Beiträge: 1068
Registriert: 18. Jun 2006, 20:46

Re: Dürfen depressive Menschen lustig sein?

Beitrag von imagine »

Hallo,
ich wollte noch mal in diesem Zusammenhang an den OOHMMMM... Thread erinnern, der bringt mich heute noch zum Grinsen.

Ich dachte nur, weil da ja auch einige dabei waren...
Liebe Grüße

Joy

imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
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