Es gibt so Tage ...

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braindead
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Registriert: 24. Feb 2007, 23:21

Es gibt so Tage ...

Beitrag von braindead »

Es gibt so Tage, die würde man am liebsten aus seinem Leben streichen.

Dass ich diese Krankheit habe, weiß ich seit etwa einem dreiviertel Jahr. Leider Gottes war/ist mein Arzt etwas unkompetent auf diesem Gebiet, was vieles verzögert hat (letztendlich hat mich ein Bekannter darauf gebracht, was ich meinem Arzt mitteilte). Aufgrund meiner Veränderung würde ich sagen, dass ich seit mindestens fünf Jahren einen stetigen Abstieg erlebe.
Die Therapie begann mit Sertralin, ein halbes Jahr genommen, mit Dauer der Einnahme nur mäßige Veränderungen festgestellt, später eher wieder ein gewisser Einbruch. Es hat letztendlich auch nur ein akut greifendes Mittel sein sollen, da psychotherapeutische Angebote eine Vorlaufzeit von mind. 3-4 Monaten hatten/haben (zumindest bei uns).
Tja, Medikament wieder abgesetzt, das Loch war natürlich noch größer.

Die Ursache der Depression ist schlicht und ergreifend ein Burn-Out-Syndrom. Sehr viel beruflicher Stress, finanzielle Schwierigkeiten, durch Amtshandlung - begründet durch sehr viel eigene Dummheit vor etwa acht Jahren - verliere ich gerade meinen bisherigen Job usw. usf.


Ich habe in wenigen Tagen mit meiner langjährigen Lebensgefährtin zusammenziehen wollen. Ich hätte wie gehabt arbeiten und Geld verdienen können, die Firma hätte überlebt. Acht Tage vor dem Einzug erläutert sie, dass sie das "so nicht mehr kann".

Im Klartext: Ich muss in wenigen Tagen aus meiner Wohnung raus sein (und stehe dann auf der Straße), mein berufliches "Baby" und meine Perspektive auf Bestand bzw. Besserung ist mit einem Handstreich dahin usw usf.
Mit einem Handstreich verliere ich alles, wirklich alles(!).

Ein Grund, weswegen sie das "so nicht will", ist mein Burn-Out-Syndrom, da ich nichts dagegen getan hätte und der Zustand schon so lange so sei, wie er ist. Sicher, es war nie leicht für sie (es wäre ignorant anderes behaupten zu wollen), aber ich weiss erst seit einem dreiviertel Jahr was tatsächlich mit mir los ist! Vorher waren es nur unbestätigte Vermutungen und mein Arzt dokterte an irgendwelchen Symptomen herum, was nichts brachte.

So viele Vorsätze gehabt: Neuer Arzt, sofortige Suche nach einem geeigneten Therapeuten, regelmäßiger Sport usw usf.
Aber eben erst nach dem Umzug, der schon anstrengend genug war/ist, da das normale Leben, Termine, Verpflichtungen, Amtsfristen usw. weiterlaufen und sich zudem mein allgemeiner Zustand nicht wirklich verbessert hat (Motivationsschwierigkeiten usw.).

Die Frage, was ich nun machen solle, wird mit einem gleichgültigen "weiß ich nicht" beantwortet. Schön.
Die Feststellung, dass ich alles(!) verliere, wird kalt und herablassend kommentiert mit "den Schuh zieh ich mir nicht an". Ebenso schön.
"Schieb nicht alles auf die Krankheit" ... wenn aber nunmal vieles damit zusammenhängt, man es aber erst (zu) spät begreift? Zu einem Zeitpunkt, wo man sich in so vielen kleinen und großen Dingen nicht mehr unter der notwendigen Kontrolle hat? Wo man neben sich steht, dem Abstieg zusieht, es genau weiß, aber es nicht schafft, etwas dagegen zu unternehmen? ... Wodrauf soll man es dann schieben? Auf Faulheit, Ignoranz? Ich bin weder ein Ignorant, noch bin ich faul - ich bin krank!

Die Frage bleibt: ... und nun ?

Ich war noch nie in meinem Leben sprachlos und mit einer Situation in Gänze überfordert ... man sollte niemals nie sagen.




Vielleicht noch eine kleine Nachbemerkung, insb. nachdem ich hier viele weitere Beiträge und Fäden gelesen habe:
Wenngleich suizidale Gedanken sicherlich eine Rolle spielen, sind diese nicht die Motivation meines Beitrags. Ich bin (i.d.R.) ein zum Leben positiv eingestellter Mensch, auch wenn eine solche Situation die Verhältnisse zwangsläufig ein wenig verrückt und man hierbei vom Grauen ins Schwarze kommt - wer könnte es einem verdenken ?
Aber: Ich bin nicht so gestrickt!

Nun denn, mir war nur wichtig dieses klarzustellen.




Und Nachbemerkung Nummer zwei (ich schreibe einfach mal einige Dinge von meiner Seele. Ich hoffe, dass dieses in Ordnung ist und nicht als "zu grenzwertig" aufgefasst wird, denn so ist es nicht gemeint!):

Ich bin neu hier und heute erst auf das Forum gestoßen - ich weiß noch nicht einmal mehr wie.
Nun denn, einerlei. Ich habe zwischenzeitlich so viele Beiträge gelesen die mich gerührt, bewegt, traurig gemacht und auch amüsiert haben. Besonders ist mir hier die Wärme und Anteilnahme aufgefallen, welche zwischen den Mitgliedern vorherrscht. Ein Umstand, den ich sehr schön finde.

Wie ich oben beschrieb, fühle ich mich derzeit ziemlich hilflos. Hierfür sind natürlich die o.g. Umstände ursächlich und es sind Dinge, die ich - egal wie - in den nächsten Tagen bewältigen muss. Ob es gelingt, steht auf einem anderen Blatt.

Lösungen bzgl. o.g. Dinge würden natürlich meine akute Situation bessern, aber nicht mein grundsätzliches Problem beseitigen. Denn dieses ist und bleibt mein Burn-Out-Syndrom, mit allen erdenklichen Nebenerscheinungen.
Angefangen bei physischen Dingen, wie einem immer schlimmer werdenden Tinitus, Herzrasen, Kopf- und Nackenschmerzen, Magenschmerzen, Appetitlosigkeit (ich habe in den vergangenen 10 Wochen (mal wieder, nach Zunahme) 12-13 Kilo abgenommen) usw. Im Laufe dieser "Karriere" kamen Dinge wie neurologische Störungen hinzu, massive Schlafstörungen (die ich immer noch habe, aber durch "Kleinigkeiten" etwas lindern kann) und einiges mehr.
Letztendlich sind es psychosomatische Dinge, das weiß ich. Besonders schlimm sind jedoch die depressiven, lethargischen und empathielosen Phasen, die letztendlich meine derzeitige Situation heraufbeschworen haben.

Was für mich so problematisch ist, ist der Umstand, dass ich - auch aus mangelnder Eigeninititative - das Gefühl habe, keine Hilfe zu finden. Meine sozialen Kontakte sind in den vergangenen Jahren auf ein so erschreckendes Minimum zurückgeschrumpft, das es nicht mehr feierlich ist. Wirkliches "Verständnis", "Be-greifen" usw. suche ich vergebens. Die Folge ist das hier häufig zitierte "Schneckenhaus" oder der "Panzer" ... bis man wieder alleine ist und heulend zusammenbrechen könnte (oder es tut), da man es nicht mehr aushält. Man möchte "Es" und sich verändern, schafft es aber nicht. Diese Hilflosigkeit empfinde ich als so erschreckend und demütigend, dass es mir schwerfällt, dieses in Worte zu fassen.
Ich finde diese Krankheit so schrecklich, aber ich weiß nicht wie ich sie besiegen - zumindest aber zähmen - kann.

Meine Güte, ich bin "eigentlich" ein Mann in der Blüte seiner Zeit, nicht ganz dumm, wortgewandt, gebildet, gut erzogen und kann, im gesellschaftlichen Sinne, durchaus erfolgreich sein. Ich weiß wovon ich rede, halte ansonsten meinen Mund, bin kritikfähig, kompromissbereit, durchsetzungsfähig, kompetent, führungsfähig, analytisch, objektiv, phantasievoll und weiß um meine Stärken und Schwächen ... "eigentlich" !
Wie wenig noch von dieser Erscheinung und Persönlichkeit übrig ist, wird mir jeden Tag auf ein Neues bewußt und vor Augen geführt - spätestens dann, wenn ich in dieses unrasierte Gesicht mit eingefrorenem Blick, tiefen Augenrändern, sich zeigenden grauen Haaren und Falten im Spiegel betrachte oder mir diese schon nicht mehr glänzenden Augen ansehe, die früher doch etwas mehr "Feuer" ausgestrahlt haben.

Man man man ... diese Krankheit ist schlimm, sie macht keinen "Spaß", sie ist würdelos. ... Ich will das nicht mehr, ich will nicht mehr so sein! ... aber ich weiß nicht was ich dagegen machen kann.
imagine
Beiträge: 1068
Registriert: 18. Jun 2006, 20:46

Re: Es gibt so Tage ...

Beitrag von imagine »

Hallo,
ja das stimmt es gibt so Tage, allrdings sind es bei dir ja keine Tage mehr!
Ich wollte dich begrüßen im Forum, es wird dir gefallen, (das Forum) auch wenn bisher niemand geantwortet hat.
Könnte unter Umständen an der Länge deines beitrages liegn, auch ich dacht zuerst, oh nein, so viel will ich nicht lesen...
Sei also herzlich willkommen.
Ich schreibe dir morgen wahrscheinlich mehr...
Freundliche grüße
imagine
Schweigen ist die unerträglichste Art der Erwiderung (Chesterton)
braindead
Beiträge: 7
Registriert: 24. Feb 2007, 23:21

Re: Es gibt so Tage ...

Beitrag von braindead »

Guten Tag imagine,

ich danke Dir sehr für Deine Zeilen!
Ich hatte die vergangene Nacht leider zu viel Zeit, so dass ich immer wieder etwas schreiben musste ... daher ist es ein wenig länger geworden.

Nun ja, auf der einen Seite tat es ganz gut das mal alles loszuwerden, aber auf der anderen war/ist es sehr anstrengend. Es hat mich viel Kraft gekostet, wie ich heute feststellen musste.

Ist alles etwas viel derzeit :-/

Vielen Dank abermals und beste Grüße !
Alex
karindittmar
Beiträge: 34
Registriert: 3. Feb 2007, 09:16

Re: Es gibt so Tage ...

Beitrag von karindittmar »

Hallo Alex,

auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum.

So soll es sein, dass Dir das Schreiben hier Erleichterung bringt und die Gedanken ordnet. Diese Anstrengung bringt Dich vorwärts und Verständnis für Deine Zeilen findest Du hier allemal. Zu gut kann ich nachempfinden, wie es Dir geht. Schlaflose Grübelnächte können lang und nervig sein.

Liebe Grüße!
Karin
braindead
Beiträge: 7
Registriert: 24. Feb 2007, 23:21

Re: Es gibt so Tage ...

Beitrag von braindead »

Karin, auch Dir vielen Dank für die Antwort!

Das mit der Ordnung im Kopf hat zwar noch nicht geklappt, aber immerhin habe ich mich heute zum Arzt begeben, nachdem ich im Laufe des Tages merkte, dass es einfach nicht mehr geht.
Notwendigeres habe ich aber leider nicht regeln können, was mich ärgert.

Nun ja, Tabletten bekommen und er will sich um die umgehende Vermittlung eines ambulanten Platzes kümmern (eigentlich stationär, aber da habe ich nicht mitgespielt).

Bleiben halt noch meine akuten Problemchen, für deren Lösung ich nur noch ein paar Tage Zeit habe. :-/

Viele Grüße
Alex
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