Ziel der Psychoanalyse

Ronja_R2
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Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R2 »

Hallo Ihr,

nach zwei Jahren Analyse hatte ich diese Woche eine Diskussion mit meinem Analytiker, die einen tiefen Graben zwischen uns offenbart hat. Es würde mich interessieren, was Ihr dazu denkt, und ob Ihr das Thema auch schon mit Euren Analytikern besprochen habt.

Es geht darum, was eigentlich das Ziel der Analyse ist. Als ich mit der Analyse angefangen habe, war mein Ziel, von den ADs runterzukommen, damit ich guten Gewissens Mutter werden kann. Das Ziel wurde vor einem halben Jahr erreicht. Es geht mir nicht sehr gut, aber ich komme ohne Meds aus.
Nun laufen die Kassenstunden allmählich aus, und ich dachte, dass ich vielleicht noch ein oder zwei Stunden pro Woche mache. Aufhören wollte ich eigentlich nicht, da es mir wie gesagt nicht wirklich gut geht.
Mein Analytiker findet, ich soll noch mindestens drei Jahr mindestens drei Stunden pro Woche machen (selberfinanziert!). Das ist doch irrwitzig, so viel Geld auszugeben. Andererseits eine Frage von Nutzen und Aufwand und daher die Ziele-Diskussion.
Mein Ziel wäre gewesen, glücklich zu sein. Dafür kann man doch recht viel Geld investieren. Mein Analytiker meinte dagegen, das weitere Ziel wäre, dass ich "halbwegs zurecht komme". Er meinte weiterhin, dass das mit dem Glück doch nur "Propaganda" von mir sei, und es keine glücklichen Menschen gebe. Glück gäbe es allenfalls in "wenigen, kostbaren Momenten".

Erwarte ich zu viel? OK, zufrieden zu sein ist natürlich auch viel wert. Aber vielleicht lässt sich da auch ein anderer Weg finden? Ich glaube, mein Weg und der meines Analytikers werden sich bald trennen...

Welche Erfahrungen habt Ihr mit diesem Thema?
Glaubt Ihr, dass es glückliche Menschen gibt?
Und wo ist der Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit?

Würde mich über Antworten freuen!

Liebe Grüße
Räubertochter
schatzi
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von schatzi »

Hallo Räubertochter,

ein selbständig arbeitender Psychoanalytiker lebt wie jeder andere Unternehmer vom Umsatz, den ihm seine Patienten auf Dauer einbringen. Ohne jedem Psycho-Unternehmer ernsthafte Bemühungen absprechen zu wollen, stehen diese geäußerten Reaktionen gegen Deine gemachten Fortschritte, ohne Medikamente ganz gut leben zu können. Ein sehr guter Erfolg!

Es ist daher zwiespältig, wenn ein Behandler einem Patienten abspricht, glückliche Menschen wären nur Einzelfälle und nur durch weitere Therapie dauerhaft erreichbar.

Psychoanalyse, kognitive Verhaltenstherapie, Gesprächs- oder Gestalttherapie u.a. bemühen sich um Deine Selbstheilungskräfte.

Wieviel und wie wenig davon nötig erscheint, entscheidest Du letztendlich nur allein.


bo
Clown
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Clown »

Hallo Räubertochter,

habe ich dich richtig verstanden, du willst wissen, ob man es schaffen kann, mit Hilfe von Analyse (oder anderen therap. Verfahren) sein Leben so zu leben, dass man glücklich ist?

Ich finde, du müsstest 'glücklich sein' für dich erst einmal definieren, es stellt sich doch jede/r etwas anderes vor dabei.

Grüße,
Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
ANOVA
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von ANOVA »

Hallo Räubertochter,

ich sehe es so ähnlich wie Clown: hast Du überhaupt für Dich klar, was Glücklichsein bedeuten würde?

Abgesehen davon finde ich die Äußerung des Analytikers, Du müßtest noch mindestens drei Jahre à drei Termine pro Woche Analyse machen, um einigermaßen zurechtzukommen, doch ziemlich krass. Da würde ich mir an Deiner Stelle wohl die Frage stellen, ob das wirklich die geeignete Therapieform bzw. der geeignete Analytiker für mich ist. Hört sich für mich schon ein wenig so an, als ob der Typ Dir einreden will, Du würdest mit Deinem Leben ohne ihn (bzw. die Analyse) nicht klarkommen können...

Gruß

Xenia
Ronja_R2
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R2 »

Danke für Eure Antworten.

Ich glaube auch, dass der Analytiker halt sein "Produkt" verkaufen will, unabhängig davon, ob es vielleicht noch geeignetere "Produkte" bzw. Wege für mich geben könnte. Leider (aber vielleicht auch natürlicherweise) kann ich ihn da nicht als objektiven Berater heranziehen. Allenfalls kann ich ihm zu Gute halten, dass er nicht auf mich als Patient angewiesen ist, bei der heutigen Auslastung der Therapeuten...

Über die Frage, wie man "Glücklichsein" definiert, habe ich auch schon nachgedacht.

Für mich ist Glück ein inneres Gefühl, das sich nicht direkt auf die äußeren Umstände bezieht. Man fühlt es, oder man fühlt es nicht. Ich meine mich erinnern zu können, dass es längeren Phasen (Monate bis Jahre) in meinem Leben gab, in denen ich dachte "es ist nicht alles optimal, aber egal, ich bin glücklich." Es war einfach ein Gefühl, dass die Welt in Ordnung ist und ich selbst auch. Und heute fühle ich eher das Gegenteil. Selbst in angenehmen Situationen ist da ein grauer Schleier über der Seele. Ich kann es nicht anders ausdrücken, aber dieser ist für mich das Gegenteil von Glück.

Wie definiert Ihr denn für Euch "Glücklichsein", oder welchen Zustand möchtet Ihr erreichen?

Gruß
Räubertochter
Ele
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ele »

Hallo Räubertochter,

ich glaube, dass es auf den Typus Mensch ankommt ob er ein glücklicher Mensch ist, oder nicht.

Ich gehöre sicherlich zu den Menschen,wie sie auch dein Analytiker beschreibt, die schon zeitlebens alles mögliche hinterfragt haben, das macht es schwer dauerhaft glücklich zu sein. Ich beziehe mein Glück aus einzelnen Gegebenheiten: Wenn ich jogge und auf unseren See zulaufe. Wenn die Sonne durch die Bäume strahlt, wenn ich mich in meinem Körper wohlfühle, wenn ich gelobt werde, wenn mir die Arbeit gut von der Hand geht, wenn ich wahrgenommen werde, etc. etc..

Es ist kein dauerhaftes Glück, sondern immer nur ein Moment, der mir dieses Glücksgefühl verschafft. Ich glaube das ist das Glück, das ich erreichen kann.

Natürlich gibt es Leute, die die Leichtigkeit des Seins leben, einfach das Positive sehen, sich nicht am Negativen festhalten, aber das ist eine Typfrage, wie ja schon geschrieben.

Ich mache auch Analyse und wäre fürchterlich enttäuscht, wenn ich das Gefühl hätte, mein Analytiker wollte nur an mir verdienen. Wie gehts Dir denn damit?

Liebe Grüße
Ele
>> Du mußt Chaos in dir tragen um einen tanzenden Stern zu gebären...>>

Friedrich Nietzsche

Ronja_R2
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R2 »

Hallo Ele,

hm. Das Gefühl, dass mein Analytiker an mir verdienen will, ist nicht angenehm, aber auch nicht neu. Er hat sich von Beginn an sehr distanziert verhalten. Am Anfang fand ich das professionell und hatte ohnehin keine Alternative.

Ich konnte aber auch nie eine (wie soll ich's nennen?) emotionale Beziehung zu ihm aufbauen. Er wirkt auf mich kalt und unbeteiligt. Wenn ich negative Dinge erzähle, tut mir das gut, weil es mir aus dem Tief heraushilft. Aber wenn ich Erfreuliches erzähle, dann spüre ich bei ihm keine Freude und keine Empathie. Dann zieht das meine Stimmung wieder auf ein Mittelmaß herunter.

Insofern sind diese Gedanken ohnehin charakteristisch für unsere Beziehung. Hast Du ein wärmeres Verhältnis zu Deinem Analytiker?

Liebe Grüße
Räubertochter
Regenbogen16

Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Regenbogen16 »

Hallo Räubertochter!

Muss schnell meinen "Senf" dazugeben...

...die Gefühlskälte meines EX(!)-Therapeuten hat mich seel. "verhungern" lassen.
Diese Episode( dauerte ein halbes Jahr) in meiner Therapeutenerfahrung wird mir sowohl eine lehrreiche, sowie eine unvergessliche bleiben.
Kahle Wände strahlen mehr Wärme aus, als o.erwähnter Therapeut - und der Effekt war für mich der gleiche.
Nur, dass man finanz. nichts investieren muss, um mit den Wänden zu reden...

Gott sei Dank habe ich jetzt eine Therapeutin, mit der ich auf derselben Wellenlänge bin...
Habe die Distanziertheit u. emot. Unbeteiligtsein meines "EX" auch vorerst als "Professionalität" ausgelegt.
Mir ist schon klar, dass sich ein Therapeut zum Selbstschutz abgrenzen muss,
aber dieses Verhalten war schon fast beleidigend...
Musste das jetzt rauslassen...
Dein Therapeut erscheint mir etwas "undurchsichtig" zu sein...


Liebe Grüsse, Fridolina
Ronja_R
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R »

Hallo Fridolina,

es ermutigt mich sehr zu hören, dass Du eine ähnliche Erfahrung mit einem distanzierten Therapeuten gemacht hast und es anscheinend auch warmherziger wirkende Therapeuten gibt. Der Begriff "Verhungern" trifft die Sache ganz gut, glaube ich.

Viele Grüße, auch an den Schmetterling, falls er gerade bei Dir ist

Räubertochter
Ele
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ele »

Hallo Räubertochter,

Deine Antwort und auch Fridolinas lassen mich etwas nachdenklich werden.

Auch mein Analytiker ist sehr reserviert (Wird doch nicht der gleiche sein??) Er vermeidet jegliche Berührung, mal vom Händeschütteln abgesehen. Anfangs ist er immer dagestanden und hat mir beim Jacke ausziehen zugesehen, anstatt mir zu helfen, aber er macht sonst einen "Gentleman" Eindruck, also denke ich, dass das was mit "Abgrenzung" zu tun hat.

Allerdings ist er sehr engagiert,sowohl wenn es um ein erfreuliches, als auch ein trauriges Ereignis geht. Ich habe das Gefühl, er interessiert sich für mich, bzw. das was ich ihm erzähle.

Viel kann ich ja eigentlich noch nicht sagen, weil ich erst im November das erste Mal dort war, richtig losgegangen ist es erst im Januar.

Andererseits hilft mir seine Reserviertheit dabei Sachen anzusprechen, die ich sonst nie erzählen würde. Wenn ich dabei Übergriffe zu befürchten hätte, könnte ich ihm schon gar nicht den Rücken zuwenden. Ich fühle mich sicher so wie ich da liege (obwohl ich mir das vorher nie hätte vorstellen können). Wenn ich ihm in die Augen schauen müsste, würde ich mich manchmal ganz schön schämen und könnte ihm sicherlich nicht so viele Details erzählen.

Nein, ehrlich gesagt bin ich froh, dort sein zu können. Leider dreht sich mein Leben seither nur noch um Analyse, es kommt ganz viel hoch und in Bewegung. Ob er mich dann auch noch tragen kann, wenn es wirklich ans Eingemachte geht, na, man wird sehen.

Ich wünsche Dir, dass du Deinen Weg findest, egal, ob Du 1 oder 2 Std. weitermachst, oder Dir einen neuen Therapeuten suchst.

Liebe Grüße
Ele
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Friedrich Nietzsche

Liber
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Liber »

Hallo liebe Ronja und alle hier,

über das Ziel meiner Psychoanalyse habe ich mir auch schon oft Gedanken gemacht!

Ich nähere mich jetzt dem Ende der kassenfinanzierten Stunden (300 insgesamt und ich habe noch ca. 25 davon vor mir), war bis jetzt 2,5 Jahre erst dreimal, jetzt zweimal pro Woche bei meiner Analytikerin.

Aus finanziellen Gründen ist es bei mir ausgeschlossen, selbstfinanziert weiterzumachen und meine Analytikerin weiß das.

Deshalb muss ich mich intensiv mit dem Ende der Analyse auseinanderzusetzen. Und mit den Fragen: was wollte ich "erreichen", habe ich das "erreicht", wie mache ich weiter?

Ich ging doch tatsächlich mit der Vorstellung in die Analyse, hinterher "fertig" zu sein. Ich hätte dann alles aufgearbeitet und käme mit mir und meinem Leben zurecht.

Aber: So ist es nicht!

Bei manchen Themen, Bereichen habe ich das Gefühl, erst angefangen zu haben. Und manches braucht auch sehr sehr lange, um hochzukommen, und ich kann das willentlich nicht beeinflussen, es geht nicht.

Deshalb ist das bevorstehenden Ende der Analyse ein zweischneidiges Schwert für mich.

Zum einen habe ich das Gefühl, ich bräuchte noch viel viel Zeit für meine Themen. Auch fällt es mir sehr schwer, die Stütze loszulassen, die mir meine Analytikerin - einfach durch ihr Zuhören und Annehmen - ist.

Zum anderen ist mir in letzter Zeit aber auch klar geworden, dass ich auch nach einer weiteren Verlängerung, wenn sie denn möglich wäre, nicht "fertig" wäre. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es - ohne eine solche Grenze von außen wie das Ende der Kassenfinanzierung - wagen würde, den Halt der Analyse loszulassen und ins eigenverantwortliche Leben zu springen.

Die Trennungsproblematik ist sowieso eines meiner zentralsten Themen - und ich muss da wohl oder übel nun auch in der Analyse durch.

Abschied, Trennung stehen mir bevor. Ich habe Angst davor und weiß doch, dass ich unumgänglich da "durch" muss, um irgendwann selbstverantwortlich mein Leben leben zu können.


Ob ich während der Analyse alle Fähigkeiten dazu gelernt habe - ich weiß es noch nicht! Das wird sich erst herausstellen, wenn ich den Haltegriff losgelassen habe und selbst angefangen habe zu schwimmen.

Was habe ich gelernt ....

In der Analyse habe ich gelernt, mir allmählich wieder selbst zu trauen. Diese Fähigkeit hatte ich schon in der frühen Kindheit verloren. Durch die annehmende Spiegelung meiner Analytikerin lernte ich, dass meine Gefühle nicht "falsch" sind, dass sie alle ihre Berechtigung haben und dass das, was ich fühle, ok ist, dass es "stimmt".

Ich habe gelernt, Verständnis für meine bisher verdrängten dunklen Seiten zu entwickeln. Warum wurde ich so, wie ich bin.

Und: Kann ich mich annehmen so wie ich bin? Daran hänge ich schon noch.

Die innere Spaltung in die erwünschten und die unerwünschten (und bisher verdrängten) Anteile in mir hat angefangen, sich zu schließen.

Ich habe meine wunden Stellen auf der Seele, die Löcher auf der Straße, in die zu fallen bei mir die Gefahr sehr groß ist, kennengelernt.

All das ist durch die Analyse nicht verschwunden. All das ist weiterhin da. Und ich werde auch in etlichen Bereichen weiterarbeiten müssen. Meine Suchtveranlagung zum Beispiel ist so ein Bereich.

Im Moment emfinde ich es eher so, dass in der Analyse ein Anfang gemacht ist, die Grundlagen gelegt sind - aber dass es jetzt vielleicht erst richtig losgeht. Mit dem Ausprobieren, mit dem Zusammensetzen der Teilchen.

Und wenn ich dazu wieder Hilfe brauchen sollte, dann hole ich sie mir. Auch dieses Recht kann ich mir jetzt zugestehen. Ich muss nicht allein mit allem fertig werden. Vielleicht suche ich mir Hilfe in einer Gruppe, in einer anderen Art Therapie irgendwann, ich weiß es noch nicht.


Was die Beziehung zu meiner Therapeutin betrifft, hätte auch ich oft gern mehr emotionale Nähe zu ihr. Aber das scheitert an ihrer Professionalität. Die Grenzen, die sie aufzeigt, sind klar. Ich habe ab und zu versucht, gegen diese Grenzen anzurennen, bin aber abgeprallt.

Wir konnten darüber reden und ich habe auch den Sinn dieser Grenzen verstehen können. Trotzdem bleibt da ein offenes Bedürfnis von meiner Seite.

Ihre Art während der Stunden ist jedoch warm und alles andere als distanziert. Und ohne diese Wärme hätte ich mich auch nie so weit öffnen können.

Was ist "Glück" ? Vielleicht die Fähigkeit, selbstbestimmt und selbstverantwortlich leben zu können - mit allem, was nun mal zum Leben gehört?

Ich weiß es nicht....

Liebe Grüße!

Brittka
Emriye2
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Emriye2 »

Anita2
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Anita2 »

Hallo Brittka,
ich kann mich emriye nur anschließen, ich finde es von Dir sehr gut umschrieben.

Ich mache zwar Gestalttherapie und meine Therapeutin ist auch sehr distanziert. Sie geht aber in der Sitzung sehr auf mich ein und sie kann sich auch mit mir freuen.

Am Anfang hatte ich meine Schwierigkeiten damit, mittlerweile baue ich aber eine gewisse Nähe zu ihr auf und fühle mich sehr wohl dabei.

Im Gegensatz dazu hatte ich davor einen Therapeuten, der sehr wohl sehr viel Empathie aufbringen konnte, im Gespräch aber sehr provokativ war. Ich habe die Thera abgebrochen, da er mich mit den Provokationen herunter zog und sogar meine Zweifel an meinen Gefühlen verstärkte.
Er brachte mich sogar so weit, dass ich nicht mehr wusste ob ich meinen Gedanken noch trauen konnte.

Mit dem Glück, denke ich auch, dass es sehr individuell ist. Es können kleine Dinge sein, die dieses Glücksgefühl hervorrufen und ich denke auch es sind Momente in denen sie vorhanden sind.

Es ist auch bei mir eine Frage wie ich drauf bin und wie ich etwas wahrnehme. Und zuletzt denke ich hat es auch mit Wertigkeit zu tun, die man einer Situation beimisst, und dies ist dann wieder von der persönlichen Stimmung abhängig.

Ich wünsche allen hier einen schönen Sonntag.
Liebe Grüße
Anita
Regenbogen16

Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Regenbogen16 »

Liebe Brittka!

...wieder einmal "stolpern" wir übereinander, was mich freut... !
Deinen Eintrag habe ich mit Tränen in den Augen gelesen...
Ich möchte so viel sagen, verstumme aber in meinem - ganz persönlichen - Berührtheitsein!

irgendwo scheint es ein unsichtbares "Band" zu geben...
In diesem Sinne
einen schönen Sonntag;
Fridolina
kaitain
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von kaitain »

missdi
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von missdi »

Hallo Räubertochter und alle anderen!

Ich bin weiblich, 32, und habe dreieinhalb Jahre Psychoaanalyse hinter mir. Bei mir war es auch irgendwann so, dass die Kasse nichts mehr übernommen hat und ich ein Zeitlang noch Stunden bezahlt habe, bis auch das nicht mehr ging. Unser Ziel war eigentlich gewesen, dass ich wieder einen Job finde, Geld verdiene und dann wieder Stunden bezahlen kann. Manchmal hatte ich den Eindruck, arbeiten zu gehen, der Job machte mich depressiv, und dann gab ich das Geld für Stunden aus, um diesen Job überhaupt noch etragen zu können. Irgendwie ein seltsamer Teufelskreis. Ich habe die Analyse von mir aus irgendwann beendet, weil ich sie nicht mehr als hilfreich empfand und bin über diese Entscheidung auch jetzt noch froh. Was nicht die ganze Analyse in Frage stellen soll, ich bin froh dass ich sie gemacht habe.

Jeder muss seine ganz individuelle Entscheidung treffen, was Therapieform/Therapeutenwahl betrifft. Die Entscheidung kann Dir niemand abnehmen. Deinem Gefühl würde ich aber schon vetrauen. Und diese Gefühlskälte deines Analytikers finde ich schon bedenklich. Meine Analytikerin war auch distanziert, das ghört einfach zur Analyse dazu, sonst funktioniert die Analyse nicht. Aber sie war interessiert und warm.

Was mich betrifft, so denke ich, dass die Analyse vielleicht einen Grundstein gelegt hat.

Ich habe gelernt, meine Gefühle wahr- und ernstzunehmen und sie auch meiner Analytikerin gegenüber zu zeigen.

Ich habe gelernt, Grenzen zu setzen und meine Bedürfnisse ernster zu nehmen.

Mir ein stabiles Gerüst in meinem Leben zu errichten, um nicht mehr ganz so tief zu fallen.

Dennoch ist auch nicht das eingetreten, was ich mir erhofft habe, von einer so intensiven Therapie, so viel investierter Zeit.

Glück für mich würde bedeuten, nicht depressiv zu werden, da heisst, mich die meiste Zeit lebendig zu fühlen, mich als Teil des Lebens zu fühlen, mich in mir zu Hause und wohl zu fühlen, in Verbindung zu meinen Mitmenschen und Freunde zu stehen. Bei mir und GLEICHZEITIG mit anderen sein zu können, ohne mich in den anderen zu verlieren.

Dinge, die mir momentan überhaupt nicht gelingen und weshalb ich mich dazu entscheiden habe, wieder eine Therapie anzufangen, eine Mischung aus Verhaltens- und tiefnpsychologisch fundierter Therapie.
Was ich im Nachhinein bei der Analyse bemängele, ist dass sie die Ressourcen, die in jedem von uns stecken, nicht wirklich mobilisiert. Und dass sie einen in Momenten der Verzweiflung auf gewisse Weise ganz schön alleine lässt. Aver das kann die Analyse einfach nicht leisten, das schließt sich einfach aus.
Vielleicht musste ich aber erstmal eine Analyse machen, um überhaupt die Voraussetzung für eine andere Therapie zu schaffen.Von der neuen Therapie erhoffe ich mir, dass der Fokus mehr auf meine Stärken gerichtet sein wird, ich mehr Feedback bekomme und konkretere Hilfe, was meinen ganz normalen Alltag betrifft.

Du solltest in jedem Fall mit deinem Analytiker über deine Bedenken sprechen. Ein guter Analytiker wird diese Bedenken auch ernst nehmen. Und ehrlich gesagt finde ich, dass eine guter Analytiker nicht krampfhaft an seiner Methode festhalten sollte.

Ich finde das Verhältnis, das man zu dem Therapeuten hat, extrem wichtig, einfach fundamental. Auch wenn man zwischendurch auch negative Gefühle hat, so sollte man doch ein gutes Grundgefühl haben, und Vertrauen.

Versuche auf Dein Gefühl zu hören. Wenn man so viel Geld und Zeit investiert, hat man das Recht zu hinterfragen, ob diese Behnadlung wirklich die optimale ist. Vielleicht kannst Du ja auch mal dich bei irgendeiner Beratungstelle beraten lassen. Bei jemandem, der neutral ist.

Weiß nicht, ob das jetzt irgendwie weiterhelfen konnte, aber ich wünsch Dir in jedem Fall alles Gute bei deiner Entscheidung.

Alles Liebe

MissDi
tomroerich
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Hallo Ronja,

Glaubt Ihr, dass es glückliche Menschen gibt?
Und wo ist der Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit?

Ja, ich glaube, dass es glückliche Menschen gibt. Aber sie werden dir nicht erklären können, warum sie es sind und auch nicht, wie sie das gemacht haben. Denn dauerhaftes Glück ist nicht abhängig davon, dass man etwas Bestimmtes bekommt oder dass irgendwelche Umstände eintreten, die dann ein glückliches Leben ermöglichen. Das glauben praktisch alle Menschen, aber sie bemerken nur nicht, dass Wünsche und Bedingungen für das, was sie glücklich machen könnte, sie immer unzufriedener machen. Heute ist es dies und morgen das, was ihnen zum Glück fehlt - jeder hat da so seine ganz eigenen Illusionen, was für ihn Glück bedeuten würde.

Man muss es ganz anders angehen. Wann ist ein Vogel glücklich? Wenn er fliegen darf. Wann ist ein Fisch glücklich? Wenn er schwimmen darf im Meer mit den anderen Fischen und seiner Art gemäß. Wann ist ein Mensch glücklich? Wenn er sein darf, was er ist. Mit immer neuen Wünschen findet er das nie heraus, es lenkt ihn nur von sich ab. Das ganze Problem ist also, herauszufinden, wer man ist. Man kann es nicht mit Analyse herausfinden, denn Analyse kann dir nur sagen, was der Verstand glaubt, was du bist. Man kann es nicht durch Nachdenken über sich selbst herausfinden. Es ist eine Frage des Bewusstseins, das man von sich selbst hat, man muss dahin kommen, sich selbst zu erleben. Unzensiert, ohne Scham und ohne Schuld. Beobachte dich einfach selbst, wenn du gehst, wenn du sitzt, wenn du redest, liebst, weinst, wütend bist. Sei einfach als Zeuge dabei ohne auch nur das Geringste zu verwerfen. Dann wirst du mit der Zeit deiner selbst bewusst und mehr braucht es nicht, um glücklich zu sein. Das ist es, was Selbstbewusstsein eigentlich heißt - sich seiner selbst bewusst sein. Alles weitere stört das Glück nur.

Wenn du das eine Weile tust, wirst du bemerken, dass sich das Leben ändert. Es gibt immer weniger Probleme, sie lösen sich auf wie Seifenblasen, denn Probleme sind nichts anderes als "Nicht-bei-sich-selbst-sein". Du meidest ganz von alleine alles, was nicht zu dir passt, es ist nicht nötig, das von vorneherein festzulegen und planerisch einen Weg festlegen zu wollen, auf dem man dann glücklich ist. So geht es nicht. Wenn du dir deiner selbst bewusst bist, passiert immer das, was richtig ist - es kann nicht anders sein. Das ist das Geheimnis des glücklichen Menschen.

Aber das glaubt niemand, dass es so sein könnte, der Verstand schreit lauthals, dass das Unsinn sei und er erfindet jede Menge Einwände, warum es so nicht sein kann.

Ich habe übrigens auch eine Analyse gemacht. 300 Stunden. Meine Analytikerin war warmherzig und doch zurückhaltend. Das ist ungeheuer wichtig, dass beides stimmt. Analysen können Erfolg haben, wenn sie das bewirken, was ich oben beschrieben habe. Wenn sie ein Bewusstsein über sich selbst auslösen - nicht einfach ein Nachdenken über sich selbst. Hat man es einmal begriffen, dass man selbst immer anwesend sein muss, bei allem, was man tut, wie ein Zeuge seiner selbst, dann wird das dein Leben verändern. Das ist der einzige Weg zum Glück.

Freud hat nicht die ganze Wahrheit gesehen. Er sah, dass Unbewusstheit alle Probleme des Menschen verursacht und dass er dadurch die Kontrolle über sein Leben verliert. Aber er sah nicht den Weg, wie man bewusster wird. Seiner Zeit entsprechend glaubte er, dass es durch die Analyse mithilfe des Verstandes geschehen müsse. Aber das erzeugt kein Bewusstsein über sich selbst sondern nur Wissen über die eigene Geschichte.

Viele Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Ronja_R
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R »

Hallo Thomas,

es ist sehr schön, was Du da schreibst und wie Du das schreibst! Vielen Dank! Ich werde es mir ausdrucken und sicherlich noch einige Male durchlesen. Es klingt sehr einleuchtend und wahr.

Bist Du glücklich? Es klingt, als hättest Du den Weg dorthin gefunden. Das ist schön!

Ich habe nur eine Frage: Was ist, wenn Du in Lebensumständen lebst, die nicht zu Dir passen? Für mich ist das die Arbeit (keine schlechte Arbeit, eigentlich), die mich nicht ich sein lässt. Du hast die Antwort schon gegeben: Die Umstände ändern sich von allein....? Hm. Jedenfalls kämpfe ich seit fünf Jahren vergeblich darum, sie mit meiner eigenen Kraft zu ändern. Und dann dachte ich wieder, die Analyse hilft mir dabei, mich mit den Dingen zu arrangieren, die ich nicht ändern kann. Denn, wie Du ja auch schreibst, bedeutet Glück nicht, das alles so ist, wie man es sich wünscht. Hm. Ich habe das Gefühl, meine Gedanken drehen sich im Kreis.

Viele Grüße
Räubertochter
Ronja_R
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Ronja_R »

Hallo Missdi,

auch Dir Danke für Dein Posting.

Ich bin inzwischen recht fest entschlossen, die Analyse nicht selbst weiterzufinanzieren. Es drängt mich nach einem anderen Weg. Ich war heute bei meinem Psychiater. Der war nicht so begeistert davon, die Analyse abzubrechen, aber er hat wenigstens eingesehen, dass ein normalverdienender Mensch keine drei oder vier Stunden finanzieren kann. Er hat mir eine Gruppentherapie vorgeschlagen (ist billiger ). Da sträubt sich alles in mir, aber vielleicht ist das ja auch ein Zeichen, dass es was für mich wäre. Mal sehen.

Viele Grüße
Räubertochter
Liber
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Liber »

Hallo Thomas,

Analyse allein führt bestimmt nicht zu einem glücklichen Leben, dennoch empfinde ich die Analyse nicht als nur verstandesmäßiges Durchleuchten der eigenen Geschichte.

Ich habe in Gesprächstherapien verstandensmäßig orientierte Gespräche geführt, die kaum Änderung bewirkt haben.

In der Analyse jedoch zeigen mir viele meiner Träume, meine Reaktionen auf die Deutungshinweise meiner Analytikerin und vor allem das Hochkommen meiner Gefühle, zu denen ich in fast jeder Stunde in Kontakt komme (untrtügliches Zeichen davon ist das Fließen meiner Tränen), Teile meiner selbst, die mir vorher völlig verschlossen waren. Vor allem sind das die "Schatten", die dunklen, heißen, heftigen, aggressiven Gefühle.

Erst wenn ich auch sie anerkennen kann, kann ich auch die hellen lichten glücklichen Seiten und Gefühle wirklich annehmen und leben.

Unabdingbare Voraussetzung dafür ist die Gewissheit der unbedingten und liebevolle Annahme durch die Therapeutin während der Analyse.

Glücklich in dem Sinn, wie du es beschrieben hast, macht mich das Annehmen all meiner Seiten, Facetten und inneren Räume sicherlich noch nicht - aber ich erlebe mich endlich als vollständiger, ganzheitlicher, "runder" ... als ein lebendiger Mensch und nicht mehr nur als funktionierende Marionette.

Ich weiß es nicht, aber ich denke mir, dass dies Kennenlernen all der eigenen bisher eingeschlossenen Schatten und inneren Räume die Voraussetzung dafür sein mag, sich seiner selbst schließlich auch bewusst werden zu können.

Jemand hat mir mal gesagt, ich solle mich doch nur von der Vergangenheit abwenden, sie einfach nicht mehr beachten, um glücklich im Hier und Jetzt leben zu können.

Nur konnte ich das nicht, solange ich mich nicht mit dieser Vergangenheit ausgesöhnt hatte. Auch wenn ich versucht habe, mich abzuwenden, ließen mich doch die Fangarme aus dieser Vergangenheit nicht los.

Also musste ich noch einmal dorthin zurück.

Der Weg über den Verstand allein hätte mich jedoch bei diesem Weg nicht weitergebracht.


Viele Grüße

Brittka
Clown
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Clown »

Hei, Thomas,

ich freue mich sehr über das, was du übers Glücklichsein schreibst.

Wieder einmal Danke!

Lieben Gruß,
Clown
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Eckhart Tolle
tomroerich
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Hallo Brittka,


Glücklich in dem Sinn, wie du es beschrieben hast, macht mich das Annehmen all meiner Seiten, Facetten und inneren Räume sicherlich noch nicht - aber ich erlebe mich endlich als vollständiger, ganzheitlicher, "runder" ... als ein lebendiger Mensch und nicht mehr nur als funktionierende Marionette.

Ja, genau so habe ich meine Analyse auch erlebt. Und ich hatte, wie gesagt, eine warmherzige Frau, viel lebenserfahrener als ich es damals war, sogar weise, würde ich sagen. Aber genau das hat ja ihren wenigen Worten das Gewicht gegeben, so dass sie in mich einsinken konnten - es war nicht die Methode der Analyse an sich. Worte, Überlegungen, Analysen, Erkenntnisse bekommen ihre wohltuende Qualität durch die Qualität des Analytikers. Diesen Menschentyp gab es ja auch früher schon, da war es der Medizinmann oder eine weise Frau, die heilen konnten aus ihrer besonderen Qualität als Mensch heraus und weniger, weil sie eine Methode kannten. Ronja hat offensichtlich einen kalten Fisch erwischt, der ihr nach dem Geld zu trachten scheint. So kann man keine kranken Seelen heilen, das geht nicht.

Auch Freud wusste genau, wie wichtig die Person des Analytikers ist, denn er stellte ja fest, dass in vielen Fällen die Persönlichkeit des Analytikers wohl nicht die erforderlichen Eigenschaften habe, um eine erfolgreiche Analyse hervorzubringen.

Aber ich freue mich immer wieder über Berichte wie deinen über eine gelungene Analyse, weil ich sie unter den anerkannten Methoden immer noch für die fundierteste halte.

Viele Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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tomroerich
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Hallo Räubertochter,

Bist Du glücklich? Es klingt, als hättest Du den Weg dorthin gefunden. Das ist schön!

Ich habe nur eine Frage: Was ist, wenn Du in Lebensumständen lebst, die nicht zu Dir passen? Für mich ist das die Arbeit (keine schlechte Arbeit, eigentlich), die mich nicht ich sein lässt. Und ein Kollege (ein unlösbares, riesiges Problem, was ich hier aber nicht näher ausführen möchte), der an meiner Kraft saugt. Du hast die Antwort schon gegeben: Die Umstände ändern sich von allein....? Hm. Jedenfalls kämpfe ich seit fünf Jahren vergeblich darum, sie mit meiner eigenen Kraft zu ändern. Und dann dachte ich wieder, die Analyse hilft mir dabei, mich mit den Dingen zu arrangieren, die ich nicht ändern kann. Denn, wie Du ja auch schreibst, bedeutet Glück nicht, das alles so ist, wie man es sich wünscht. Hm. Ich habe das Gefühl, meine Gedanken drehen sich im Kreis.

Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich auf einem Weg bin, der mich dem immer näher bringt, was man unter Glück verstehen kann. Ich glaube auch nicht, dass es da einen Endzustand gibt von dem man dann sagt, dass man jetzt das Glück gefunden habe. Glück hat etwas mit Freiheit zu tun - mit der Freiheit von der Vergangenheit und der Freiheit davon, immer und immer wieder von äußeren Einflüssen geformt zu werden. Wie du von dem schwierigen Kollegen. Eine solche Freiheit lässt sich nicht gewinnen, indem man die äußeren Umstände ändert, es muss eine innere Befreiung sein und die geschieht eben durch Selbst-Bewusstwerdung. Das ist so, als wenn du ihn dir einen Standunkt gewinnst, an dem du immer bleiben kannst, egal, was auch passiert. Hattest du je Tage im Leben an denen du so mit dir im Reinen warst, dass du genau gespürt hast, dass dich heute nichts, aber auch gar nichts umhauen kann? Soll dein Auto in Flammen aufgehen und dein Chef dich in Grund und Boden brüllen - du würdest da stehen und lächeln, weil du dir deiner selbst sicher bist und weil du weißt, dass dir nichts passieren kann, solange du dich selbst hast.

Und das ist wirklich genau der Punkt - man verliert sich selbst immer wieder und das verhindert, dass man glücklich sein kann. Sorgen dringen in einen ein und erzeugen quälende Gedanken, man ärgert sich, grübelt über das Morgen nach, lässt zu, dass andere einen verletzen etc. Man kann diese Probleme unmöglich dadurch lösen, dass man versucht, im Außen Umstände zu schaffen, die all das möglichst ausschließen. Es geht nur auf dem Weg, sich seiner selbst bewusst zu werden. Dann hat man einen inneren Stand, der einem zum Beobachter werden lässt und dann kann man selbst entscheiden, auf was man sich einlässt und auf was nicht. Dadurch geschieht es dann, dass sich Probleme von alleine lösen, weil sie ja nur daher kamen, dass man ein Reagierender war. Ein Reagierender zu sein heißt, sich mit Dingen zu identifizieren, die dann an die Stelle des eigenen Selbst treten. Das macht dich zu einem Stück Treibholz und du wirst nie wissen, wo dich das Leben anschwemmt. Jeder kann kommen und dir schlechte Gefühle machen.

Ich weiß nicht, was da nicht stimmt in deiner Arbeit und ob es Lebensumstände sind, die nicht zu dir passen. Vielleicht ist es so, vielleicht aber auch so, dass etwas oder jemand dich quält. Solange man diese verängstigten oder verletzten Gefühle hat, kann man es nicht herausfinden, was los ist. Man ist ganz das verängstigte oder verletzte Gefühl und das macht einen blind und hilflos. Erst wenn man es schafft, nicht verängstigt oder verletzt zu sein gewinnt man die Freiheit zu sehen, was nicht stimmt. Und in den meisten Fällen wars das dann schon. Der Quälgeist verliert das Interesse, weil er nichts mehr davon hat, dir zuzusetzen. Vielleicht will dich jemand weghaben, weil du zu gut bist und er dich nicht neben sich leiden kann, es gibt viele Möglichkeiten. Aber man findet es nicht heraus, solange man drinsteckt im Sumpf und schlechte Gefühle haben muss. Ich weiß schon, dass sich das leicht sagen lässt aber ich würde es nicht behaupten, wennn ich nicht aus eigener Erfahrung wüsste, dass man daran wirklich etwas ändern kann. Übe Gelassenheit! Es gibt tausend Gelegenheiten jeden Tag, das zu tun. Ein dämlicher Autofahrer mit seinem protzigen Porsche Cayenne will deinem Polo an die Stoßstange? Lass dich nicht berühren davon, es geht! Er wird die nur dieses eine Mal begegnen und du sollst diese Begegnung mit einem erhöhten Puls und schlechten Gefühlen bezahlen? Wozu? Der Kollege grinst wieder mal so blöde, weil du was falsch machst? Wenn du bei dir bleibst, wirst du Mittel finden, um damit umzugehen. Du wirst sehen lernen, was mit diesem Menschen los ist und warum er tut, was er tut. Und dann wirst du ihn nach Belieben so behandeln können, dass es für dich gut ist. Nur wenn du verletzt bist, wird es nicht gehen.

Das sollten nur zwei kleine Beispiele dafür sein, wie man üben kann. Es gibt, wie gesagt, täglich viele Möglichkeiten sich zu beobachten und dann zu sehen, wie man reagiert. Je länger und konsequenter man übt, umso mehr wird man fähig werden, auch schwierigere Situationen zu meistern. Ganz wichtig ist aber eines: Man darf keine Gefühle von Versagen zulassen oder von Schuld, wenn es nicht gelingt. Und es wird zu Anfang misslingen, das ist ganz sicher, man wird es einfach vergessen. Und dann kommt der Cayenne und ganz gewohnheitsmäßig geht einem das Messer in der Tasche auf. Aber der innere Entschluss, bei sich zu bleiben, hat eine gewaltige Macht und eines Tages wird dir kein Cayenne mehr entlocken als nur einen Wimpernschlag (sorry, aber ich hasse diese Autos

Und seltsam, schon alleine dadurch, dass man sich sieht und bei sich bleibt, hört man schon auf, zu reagieren. Das ist wirklich so. Alles was wir als negatives Gefühl bezeichnen, Ärger, Stress, Verletztheit kann nur dann existieren, wenn wir uns unserer selbst nicht bewusst sind. Immer, wenn wir uns unserer selbst bewusst sind, können diese Gefühle nicht existieren. Und dadurch findet man heraus, dass alle negativen Gefühle völlig überflüssig sind. Sie haben keinerlei Funktion. Aber das muss man selbst erfahren - es ist durch nichts plausibel zu erklären.

Für heute mal genug,

Herzliche Grüße von

Thomas
Betroffene für Betroffene

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Majuha10
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Registriert: 2. Nov 2005, 16:32

Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von Majuha10 »

Hi Thomas,

vergaß beim lesen förmlich das Atmen.

Maruschka
tomroerich
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Ziel der Psychoanalyse

Beitrag von tomroerich »

Liebe Maruschka,

mach keine Sachen. Ich krieg den Notarzt nicht schnell genug zu dir hin

Viele Grüße

Thomas
Betroffene für Betroffene

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