step by step - Depression als Chance? X

susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Lieber Puck,

herauszufinden, was nun Maske ist, ob bei uns oder beim Gegenüber, ist nicht so einfach - ersteres aber einfacher Ich kann schon feststellen - und mit etwas Übung immer mehr - ob ich mich gerade für jemand "verbiege", oder ob ich mich so gebe wie ich bin - natürlich, authentisch, eben ICH.

Je länger man diese "Rollenspiele" schon betrieben hat, um so schwieriger ist es, da auszusteigen. Und wie du stelle auch ich mir immer wieder die Fragen: Was bleibt, wenn die Fassade nicht mehr da ist? Was macht mich aus, wer bin ich wirklich? Bin ich "nur" ein Produkt der Erziehungsmethoden meiner Eltern, Erzieher, der Menschen, die mal "Macht" über mich hatten, oder bin ich mehr? NATÜRLICH bin ich mehr!!

Zum Thema ein kleines Gedicht:

ICH BIN NICHT ICH.

Ich bin jener,
der an meiner Seite geht, ohne dass ich ihn erblicke,
den ich oft besuche,
und den ich oft vergesse.
Jener, der ruhig schweigt, wenn ich spreche,
der sanftmütig verzeiht, wenn ich hasse,
der umherschweift, wo ich nicht bin,
der aufrecht bleiben wird, wenn ich sterbe.

Juan Ramón Jiménez
(1881-1958)


Ob andere sich gerade ehrlich, aufrichtig, authentisch geben, ist viel schwerer zu erkennen. Was wiederum davon abhängt, wie nah man jemand steht, d.h. inwieweit man ihn kennt oder ob es nur eine flüchtige Begegnung, ein oberflächlicher Kontakt, ist.

Mir ist aufgefallen, dass das Beschäftigen mit mir selbst, das Auseinanderdividieren von Echtem und Unechtem, auch eine tiefere Einsicht in das Verhalten anderer zur Folge hat. So erkenne ich u.a. schon, ob jemand aufgesetzt lächelt oder ob das Lächeln vom Herzen kommt. Es läßt sich auch ganz gut spüren, ob jemand etwas aus tiefster Überzeugung sagt oder ob es etwas "Nachgeplappertes" ist.

Es geht nicht darum, andere dahin zu bringen, mehr zu sich zu stehen, ihr wahres Gesicht zu zeigen usw. Das ist seine Sache, wie er damit umgeht. An mir ist es, zu entscheiden, ob mich mit demjenigen noch etwas verbindet und ob mir der Kontakt weiterhin wichtig ist. Es gibt oft genug Freunde, die irgendwann keine Freunde mehr sind.

Auch ich verändere mich - gewollt oder ungewollt. Und alles, was ich über mich herausfinde, bringt mich weiter auf meinem Weg.

In diesem Sinne: Sei der, der du bist

Liebe Grüße
Susan


rm
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Re: step by step - Depression als Chance? X @Susan

Beitrag von rm »

Hallo Susan,

danke für den Hinweis u. Einladung, weiterhin hier 'teil-haben' zu können.

Da liegt in manchen Momenten bei mir eine Hemmung vor....da möchte ich nicht stören....da kann ich nicht 'mitreden' , da ich ja nur wenig oder gar keine Hintergründe kenne....(da ich mich meines Erachtens noch nicht GENUG mit dem thread beschäftigt hatte , ich könnte mich ja wiederholen etc.etc.....)
Bedenken über Bedenken....= bei mir dann 'ZERDENKEN....! Naja, das war's im Moment erstmal.

LB.G.,Reinhart
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Hi Reinhart,

diese Selbstzweifel kenne ich auch.

Versuch es mal so zu sehen: der Thread ist ein Zug und du stehst an einem Bahnhof. Er kommt vorbei und du steigst ein. Nun die Frage: Mußt du erst den ganzen Zug (alle Abteile) kennen, um es dir in deinem Abteil gemütlich zu machen?

Somit ist es auch nicht nötig, dass du erst den ganzen thread "durchackern" mußt, bevor du hier was schreibst

Also: Steig einfach ein - lesend oder schreibend - so wie DU es willst.

Liebe Grüße
Susan


rm
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Re: step by step - Depression als Chance? X @ Susan

Beitrag von rm »

Hi Susan,

Wunderschönes Bild mit dem 'Zug'!

Oft komme ich, dann ist der Zug schon abgefahren und ich sehe nur noch die Rücklichter ,

manchmal allerdings erwische ich ihn noch, bin dann aber ganz 'abgehetzt' und vom Rennen müde.
Dann muß ich erstmal eine Weile auf dem Gang stehen bleiben, merke und bin dankbar, daß ich Emma (meine Hündin) bei der 'Rennerei' nicht verloren habe!
Oft finde ich ein Abteil mit offener Tür. Das ist dann meistens leer. Ich ruhe mich dann dort erstmal aus, lasse die Tür offen und hoffe, daß ich mit Emma nicht die GANZE Fahrt allein bleibe, denn die Fahrt soll LANG sein. (habe ich gehört u. gelesen! )
Ich habe zwar nicht auf den Fahrplan geschaut, vertraue aber dem Geschriebenen und Gesagten...(es soll aber auch da Druckfehler/ Hörfehler geben! )

Ich merke aber bald, daß kein Mensch bei mir zusteigt... eigentlich auch besser so, denn Emma nimmt ja oft schon genug Platz ein - meine ich jedenfalls ....und mache erstmal die Abteiltür zu.(es wird sonst so kalt, und Kälte ist was Unangenehmes)!

Meine Erfahrung sagt mir, es wird schon ein/e Mitreisende/r kommen.

Hoffentlich habe ich die richtige Fahrkarte erwischt und werde nicht vom Zugbegleiter auf dem nächsten Bahnhof rausgesetzt! *Angst*, denn Geld für eine neue ist im Moment nicht in Sicht!

Ich habe dann die Befürchtung, mir - wie schon sooft in klirrender Kälte - eine Lungenentzündung zu holen! Muß mich vielleicht doch wärmer anziehen!

Bis dahin also Gedanken zu meiner Zugfahrt!

Liebe Grüße an Dich!, Reinhart
Clown
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Clown »

Entschuldigung, ist hier noch frei?

Clown
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Clown
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Clown »

Liebe Maggy,

«"Deine wunden Punkte sind Deine Wunderpunkte"»

dein Satz ist wieder mal ein Volltreffer auch für mich, danke!

Liebe Susan,

hab ich's vergessen oder ist mir entgangen, welche Art von Körpertherapie du machst? Geht ans Eingemachte, nicht?
Alles Gute weiterhin dabei,

liebe Grüße,
Clown
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susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Hi Reinhart,

gut dass alles 2 Seiten hat

Wenn du z.B. den Zug verpaßt, kann das ja auch heißen, dass dein Hund sich freut, dass du - bis der nächste kommt - noch eine Runde mit ihm drehst - und ....wer weiss, wenn ihr da noch trefft!

Wenn du dich abhetzen mußt, so fühlt sich das im ersten Moment nicht gut an, aber...wie ist es denn, den Zug doch noch erwischt zu haben?

Das Abteil ist leer - die Fahrt ist lang - Zeit für ein Buch oder ein paar Kuscheleinheiten und .... immerhin könnt ihr es euch jetzt erst so richtig gemütlich machen

Manchmal schaut ja doch jemand rein .... Clown und man weiss nie, welche Überraschungen dann noch möglich sind.

Der Zugbegleiter und die falsche Fahrkarte ...passiert dir nicht, dazu bist du viel zu gewissenhaft

Nun entfällt es auch, dass du dir bei klirrender Kälte eine Lungenentzündung holst.

Und unter'm Strich gab es doch eine Menge Möglichkeiten, die du vorher - vor lauter Befürchtungen - nicht eingeplant hast.

Fazit: ... denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt

Gute Weiterfahrt!

Susan


rm
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Re: step by step - Depression als Chance? X@Susan+Clown

Beitrag von rm »

Hallo ihr beiden!

Echt stark eure Antworten!!! (hatte es aber eigentlich nicht anders erwartet !

hhmmm...Emma muß jetzt aber erst mal dringend auf die Zugtoilette! (Mein Gepäck kann ich ja vertrauensvoll dalassen .

..... Ausreden hat meine Mutter immer gefunden, wenn sie müde war, ins Bett wollte:
dann hieß es manchmal zu dem WIRKLICH lieben Besuch: "Gell, Reinhart, du bist jetzt müde"
Hätte ich 'nein' gesagt, wäre ein ziemlich eindeutiger Blick gefolgt...

Und da ich ab und zu mal im Wohnzimmer schlafen mußte, fühlten sich die Gäste dann doch veranlaßt, bis zum nächsten gemütlichen Beisammensein, aufzubrechen....

Also, Emma, komm jetzt, ich bin müde....

Bis vielleicht heute Abend.
Euch liebe Grüße, der reisende Reinhart
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Liebe Horizont, liebe Mitleser,

sicher nicht einfach für dich, dass die Therapie nun dem Ende zu geht. Ich habe auch - immer, wenn ich daran denke - ein mulmiges Gefühl. Doch wie es so schön heißt, soll man nicht den Kopf in den Sand stecken. Wenn etwas zu Ende geht, so bedeutet das auch, dass etwas Neues anfängt oder ...wo eine Tür zu geht, geht eine Neue auf. Ich vertraue inzwischen darauf, dass es immer (mindestens) einen gangbaren Weg gibt, auch wenn man ihn nicht immer gleich sieht

Wenn du es so wie beschrieben hinbekommst, dass du alle 14 Tage hingehen kannst, so wäre das doch eine ganz gute Lösung. Und wenn es dir schlecht geht zwischendurch, könntest du von den kostenlosen Beratungen (Caritas, Krisendienst) Gebrauch machen. Ich habe selbst gute Erfahrungen damit gemacht, sowohl mit telefonischen als auch mit persönlichen Gesprächen und ich kann dir nur sagen: Trau dich!

Veränderungen sind oft schwierig und so verstehe ich, dass du Befürchtungen hast, das neue Arbeitspensum nicht zu schaffen. 10 Stunden wollen erst mal geschafft sein... Was hilfreich ist - ich weiss nicht, ob du das hinbekommst mit den alltäglichen "Nebenbelastungen" - dass du dir Freiräume schaffst, die nur für dich da sind, zum Abschalten und Kraft tanken.

Ich habe mir viele Jahre solche Freiräume nicht "gegönnt". Das lag auf der einen Seite daran, dass ich mich verpflichtet fühlte, für alle IMMER da zu sein und auf der anderen Seite lebte ich nach dem Vorbild meiner Mutter/Grossmutter, die auch nie Pausen eingelegt haben und das anscheinend mit "links" bewältigten - heute weiss ich es besser!

Diese Art zu leben, ging - wie sollte es anders sein - über meine Kräfte. Und da ich nie auftankte, war der Tank auch irgendwann leer. Bis ich dann erkannte, nach welchen "Regeln" ich lebte, hat es einige Zeit gebraucht.

Du fragst, ob die kleinen - und großen - Erfolge/Veränderungen - von Dauer sind. Ich sehe es so: alles, was ich erreiche, was ich imstande bin zu ändern, wofür ich es schaffe, mich zu entscheiden, trägt dazu bei, dass ich meinem Ziel näherkomme. Dabei ist das Ziel weder ein festgesetzter Punkt noch etwas, was irgendwann erreicht und damit zu Ende ist - es ist ein immerwährender, lebenslanger Weg ein Prozess der Selbstfindung und der Selbstverwirklichung. Durch das Erreichte gelingt auch mehr und mehr die Befreiung aus depressiven Verhaltensmustern und dabei zählt jeder noch so kleine Schritt

Dir wünsche ich sehr, dass der Sorgenberg abnimmt und dass du es schaffst, die anstehenden Aufgaben (Arbeit, Privat) unter einen Hut zu bekommen, aber so, dass dir trotz-dem Zeit und Raum bleibt, mal nur an dich zu denken.

Lass wieder von dir hören, wenn du magst...

Liebe Grüße
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Liebe Clown,

so lange geht es ja bei mir auch noch nicht mit der Körpertherapie - ich stecke in dieser Hinsicht sozusagen noch in den Babyschuhen

Es handelt sich um tiefenpsychologische Körpertherapie. Da ich jetzt 2 1/2 Jahre TP hinter mir habe, läßt es sich da gut anknüpfen bzw es gibt viele Berührungspunkte - in jeder Hinsicht

Hier noch ein link:

http://www.gtk-online.de/de/tkt/frameset.htm

Und ja.....es geht bis auf den Grund

Liebe Grüße
Susan


Clown
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Clown »

Spannend, spannend, liebe Susan, den Link werde ich mir genauestens durchlesen, danke!

Bis jetzt bist du nicht zum Wintertreffen angemeldet...? (*erwartungsvollerBlick*) Spazieren und Kaffeerunde mit Albert, mmhh??

LG, Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
HCAS
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von HCAS »

Liebe Susan,
das kurze Gedicht ist wunderbar. Ich will es auswendig lernen, damit ich es immer bei mir haben kann. Danke!

Bin mal dem "Körperlink" gefolgt. Was dort gesagt wird, hat mich sehr angesprochen. Dort, wo unser Verstand leugnet, spricht unser Körper oft die Wahrheit. Ganz sicher ein guter Weg. Zumal ja sehr viele Menschen kaum noch eine Beziehung zu ihrem Körper haben, alles körperliche in den sexuellen Bereich abschieben.

Meine Zeit ist mal wieder sehr knapp. Aber ich will auch noch das loswerden. Es ist gut zu lesen, wie du jeden kleinen Schritt begrüßt und wie gelassen (sehe ich das richtig?) du akzeptierst, dass der Weg möglicherweise noch weit ist.

Liebe Grüße an dich und alle Mitleser
Fuchsy
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Fuchsy »

Liebe Stepper,
mir ging es in den letzten Tagen sehr schlecht, hatte mich mal wieder körperlich übernommen, was auch kein Kunststück ist.

Viel schlimmer find ich es nach und nach die Erfahrung zu machen, in welcher Gesellschaft wir leben.Mehrfach machte ich jetzt schon die Erfahrung, dass es nur noch um Profit geht, Menschlichkeit hingegen von den "Oberen" (Geschäftsführer) verboten wird.
Ich möchte euch jetzt nicht mit Details langweilen, aber für mich heißt das auf die Beispiele der letzten Tage bezogen: Einschränkung der Lebensqualität, insbesondere meiner Gehfähigkeit.

Das hat mich einige steps zurückgeworfen, ich war und bin so niedergeschlagen, dass ich gar nicht an mein notebook konnte, sondern nur das Notwendigste erledigt habe.
Den oben erwähnten Bericht für den Gutachter zur Verlängerung der Therapie habe ich auch noch nicht fertig.

Es hat also nichts mit Puck und Susan vom 8.1. zu tun. Da habe ich wohl etwas falsch verstanden. Deshalb setze ich diesen Beitrag, den ich nur Susan und Puck zukommen ließ, doch noch hier rein, denn das Thema "Eltern" ist ja noch mehrfach erschienen. Hier also meine Erfahrung diesbezüglich:

Hallo Susan, hallo Puck,
die Angst, meine Eltern zu verlieren, kenne ich nur zu gut. Zu meinem Vater habe ich auch ein distanziertes Verhältnis, wir haben uns noch nie über persönliche Dinge unterhalten können, nur über sachliche Themen, wie Abrechnunegen mit der KK, der Beihilfe, Pension- und Rentenrecht. Er ist 73, war Revisor bei einer der großen Ersatzkassen und macht noch ehrenamtlich Rentenberatung. Als ich noch im Dienst war, arbeitete ich ja die letzten Jahre als Schwerbehindertenbeauftragte gewählt (mit einigen Stunden vom Unterricht freigestellt) und da gab es Anknüpfungspunkte. Dennoch weiß ich, dass er mich auf seine Weise liebt, er zeigt dies in materiellen Zuwendungen oder ist bzw. war (in seinem jetzigen Alter kann er nicht mehr so viel körperlich leisten) sehr hilfsbereit bei Umzügen, Renovierungen etc.

Für mein derzeitiges Befinden hat er nur wenig Verständnis, früher hieß es immer: "solange du noch rumlaufen und reden, jammern und schreien (letzteres durfte ich mir zu Hause nicht erlauben), also laut reden kannst, kann es mit den Schmerzen nicht so schlimm sein. Mein einschneidendstes Erlebnis: ich sprang mal beim Runtergehen der Kellertreppe ab der zweiten oder dritten Stufe in meinem Übermut ab und bedachte dabei nicht, dass die Kellerdecke so niedrig ist. Ich totzte mit voller Wucht unter die Betondecke, landete auf der Treppe, war wohl kurz weg, aber nicht bewusstlos! Zu dieser Zeit war ich schon krank (vergl. meine ersten Beiträge) und hatte sowieso täglich Kopfschmerzen bzew. einen Dauerkopfschmerz. Dieser durch den Sprung unter die Decke verursachte Schmerz war allerdings etwas anders und auch mit Übelkeit verbunden. Da ich aber aufstehen konnte bzw, aufstand (ich bin sehr zäh, manch einer wäre vielleicht nicht aufgestanden), sahen meine Eltern keine Notwendigkeit, mich zum Arzt zu bringen. Ein oder zwei Jahre später war ich stationär in der Klinik wegen meiner Dauerkopfschmerzen, die ich aber vorher schon hatte. In diesem Zusammenhang stellte man fest, dass ich einen (einigermaßen verheilten)Schädelbruch habe und auch mit Sicherheit eine Gehirnerschütterung hatte.

Man muss bei einer Gehirnerschütterung nicht zwangsläufig bewusstlos werden, vor einigen Jahren hatte ich erneut eine Schädelprellung mit Gehirnerschütterung und war auch nicht bewusstlos, fuhr sogar noch selbst mit dem Auto zum Arzt (einen Tag später, als ich beim Runtergehen der Treppe, das Gefühl hatte, dass mein Gehirn schwimmt), der mich sofort ins KH schickte.

Zu meiner Mutter habe ich ein sehr enges, eigentlich schon emotional abhängiges Verhältnis. Sie war als Kind immer meine Bezugsperson, ich konnte über alles reden, aber keine Gefühle zeigen wie Wut und Ärger, nur Weinen war erlaubt.

Körperliche Zuneigung habe ich von keinem, auch nicht meiner Mutter erfahren, selbst als kleines Kind nicht. Meine Erinnerungen reichen bis zu meinem dritten Geburtstag.
Hier ist bei mir noch einiges aufzuarbeiten. In der Therapie ist mein Psychiater bzw. übernimmt mein Psychiater, wenn es um meine Bedürfnisse geht, die mütterliche Rolle.

Ich habe das geschrieben, weil Susan und auch Puck (in Ansätzen?) versuchen, mit den Eltern oder der Familie Kontakt aufzunehmen.

Das Verhältnis zu meinen Eltern würde ich dennoch als gut bezeichnen, denn sie haben mit Sicherheit alles getan für mich und tun es auch noch heute, was in ihrer Macht steht bzw. wozu sie selbst in der Lage waren und sind. Auch sie haben ja eine Vorgeschichte! Im Gegensatz zu meinem Mann, verspüre ich meinen Eltern gegenüber keinerlei Ärger oder gar Wut, weil sie vielleicht in meiner Kindheit etwas versäumt haben oder mir nicht geben konnten. Das habe ich ihnen verziehen und kann das schätzen, was sie für mich getan haben und noch tun.

Als mein Schmerztherapeut meinte, nach neuesten Erkenntnissen sei die Fibromyalgie eine Sstressverarbeitungsstörung im Gehirn, die durch ein frühes (möglicherweise auch subjektiv erlebtes Trauma in der Kindheit zurückzuführen sei, versuchte ich mit meiner Mutter ganz vorsichtig darüber zu reden. Ich betonte vorher mehrmals , dass es mir nicht darum geht ihr Schuldgefühle zu machen (ich vermute, sie hat sie dennoch), sondern für mich etwas rauszufinden. Das ist aber nicht möglich! Meine Mutter wird sofort emotonal, blockt alles ab, sagt, dass ich immer für sie das Wichtigst gewesen sei und es nur um mich ging. Körperliche Zuwendung hätte ich bekommen - sagt sie mal - dann wieder, ich hätte diese nicht gewollt.

Mein Fazit ist, meine Eltern und meine Mutter, mit solchen Fragen in ihrem jetzigen Alter 71 und 73 nicht mehr zu belasten. Es ist für beide Seiten nicht gut.

Ob das für euch, Susan und Puck, auch zutrifft, könnt nur ihr beurteilen. Ich habe das (in Etappen über mehrere Tage) geschrieben, weil ihr ja beide Kontakt zu eurer Familie aufnehmen wollt. Inwieweit es nützlich ist über die Vergangenheit zu reden, müsst ihr vorsichtig herausfinden. Vielleicht gibt euch ja meine Erfahrung diesbezüglich Denkanstöße.

Es grüßt euch sowie die stillen Mitleser
Dorothea
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Hallo Dorothea,

dass es dir schlecht geht, scheint nicht ein momentanes Gefühl, sondern eher ein "Grundgefühl" zu sein. So wie ich dich verstehe, siehst du derzeit auch keine Möglichkeit, da rauszufinden...

Schmerzen, Depression und ein immer wiederkehrendes Befassen/Rechtfertigen für all das, ist bestimmt nicht einfach. Du sprichst davon, dass du Rückschritte machst. Gibt es keine - oft nicht spürbare! - Schritte, die dir vermitteln, dass es auch für dich einen gangbaren Weg gibt?

Ich kann nicht beurteilen, wie sehr du unter deiner jetzigen Situation leidest, aber ich weiss von mir, dass ich in schlechten Zeiten alles Gute ausblende, dass mein Blick, meine Sicht auf das, was noch geht, versperrt (auch verzerrt!) ist und demzufolge sind meine "Antennen" auch nicht in Richtung "da-geht-noch-was" ausgerichtet. Ist es bei dir ähnlich?

Mir hilft es sehr, hier zu schreiben - ich habe schon etliche Denkanstöße bekommen, besonders hilfreich war es, wenn mir jemand schrieb: Da geht noch was - das ist NICHT hoffnungslos! Versuch es so zu sehen, dass immer ein kleiner Funken Hoffnung in dir ist, der durch dich wachsen kann - die Hoffnung stirbt zuletzt (ein vielstrapazierter Spruch , aber irgendwie wahr )

Danke für deine Anregungen und Gedanken zum Eltern-Thema. Da bist du schon einen (oder mehr!)Schritte weiter als ich. Du aktzeptierst den Ist-Zustand. Das fällt mir sehr schwer - mir zu sagen, dass meine Eltern in einem Alter sind, in dem es ihnen nicht "zumutbar" wäre, etwas zu ändern bzw. über etwas zu reden, was ihre und damit meine Vergangenheit betrifft.

DAS will ich nicht wahrhaben. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass ich ihnen sagen kann, was mich so sehr belastet hat in meinen Kindertagen und dass sie ZUHÖREN. Vielleicht renne ich da einer Illusion hinterher, einem unerfüllbaren Traum. Deine Einstellung dazu ist sicher weniger aufreibend und destruktiv - da hast du einiges geschafft (von wegen Rückschritte )

Für alles, was ungeklärt ist für dich, wünsche ich dir die nötige Klarheit und Kraft für das, was für dich zählt - im Moment!

Liebe Grüße
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Liebe Clown,

zum Wintertreffen komme ich - leider - nicht. *traurig-rüber-schau*

Vllt klappt es ja im Sommer - da macht Spazierengehen und Kaffeetrinken noch viiiiiiiell mehr Spaß

Bis bald!
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Lieber Puck,

ja, dieses kleine Gedicht hat es in sich - viel Spaß beim Auswendiglernen!

Gelassenheit - da hast du mich voll erwischt!

Ist gerade nicht meine Stärke - ebenso Geduld. Aber: Ich habe da einen Therapeuten, der seeehr gelassen ist und der auch geduldig - mit mir! - ist. Und irgendwann habe auch ich es dann kapiert: Es geht nicht alles auf einmal, sondern ......nur in kleinen - und manchmal sogar (zu meiner Freude) großen Schritten.

Im Ernst: Ich versuche, so gut es geht, die Dame in Schwarz zu akzeptieren. Sie ist immerhin nicht umsonst bei mir!

Zeit - ein weitgefächerter Begriff. Was sind schon 3 Jahre, wenn man 20 Jahre "neben sich" gelebt hat?

Dir liebe Grüße
Susan


Fuchsy
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Fuchsy »

Hallo Susan,

du hast Recht, ich habe sehr viel geschafft (Eigenlob stinkt nicht). Ich leide seit meinem 18. Lebensjahr unter chronischen Schmerzen und werde (laut Schmerztherapeut) auch damit bis ans Lebensende leben müssen. Die Frage ist halt, wie sehr und stark diese sind.Die Fibromyalgie ist im Gegensatz zu meiner Polyarthrose sehr von äußeren Einflüssen und Umständen bzw. Stress abhängig.Die Verschlechterung oder Verbesserung kommt aber langsam und zeitversetzt.
Dennoch habe ich mit viel Eigeninitiative (Aktivierung der Selbstheilungskräfte u.a.),meiner Zähigkeit ein Studium abgeschlossen. Ende der 80-ger Jahre bekam ich soviel Kraft, dass ich noch ein drittes Fach studierte, die Prüfung mit 1,0 abschloss und dann in einem anderen Ort 14 Jahre in meinem Beruf (zwar dreiviertel nur )arbeitete.
DAs über Jahre dauernde Mobbing am Ende zermürbte mich. Manch anderer hätte schon eher bzw haben schon eher das Handtuch geworfen. Ich war ja nicht das erste Mobbing"opfer", vorher hatte mein Chef schon einige andere in den Ruhestand versetzt, aber bei mir dauerte es länger. Je länger der Kampf, je stärker die Mittel.
Wie bereits geschrieneb, habe ich auch eine wohnug verloren, an der ich genauso hing wie an meinem Beruf. Auch meine Beziehung ist kaputt.

Das muss erstmal verarbeitet werden!Im Augenblick kann ich mich nicht alleine versorgen, ich bin auf HIlfe angewiesen (Erledigen von Wegen, Einkäufe...s.o.), dennoch ich gebe nicht auf, aber dann noch solche Erfahrungen, wie ich sie die letzten Tage machen musste, können einem auch mal zurückwerfen.

Hier wird viel von Echtsein gesprochen, ich bin echt (auch das habe ich geschafft), aber das bedeutet nicht, dass man alles sagt, sondern nur, dass man sich nicht verstellt.
Auch wenn es besser ankommt, zu sagen "es geht mir gut", nein du hast es erkannt, es geht mir nicht gut. Seit zwei Jahren finde ich mein Leben bisweilen sogar unerträglich.

Dennoch, ich weiß, dass ich stark bin, dass ich über Selbstheilungskräfte verfüge und möchte leben, insbesondere meiner beiden Hunde wegen, die so sehr an mir hängen.
Auch von der Therapie, die mir wegen der vierwöchigen Pause fehlt,verspreche ich mir noch was. Aber es gibt Momente, in denen ich glaube, nicht mehr zu können.

So, das war Dorothea "echt" mit Tippfehlern, die ich wegen meiner Schmerzen nicht mehr korrigiere. Ich habe auch gelernt, bei meinem Perfektionismus Abstriche zu machen.

Nun, muss ich aber wirklich in die Horizontale.

Ich wünsche euch den Mut, wenigstens hier im forum "echt" zu sein, auch wenn von "Erfolgen sprechen" vielleicht besser ankommt.

Liebe Grüße an alle
Dorothea
HCAS
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von HCAS »

Liebe Dorothea,
ich bin (mal wieder) unter Zeitdruck, will dir aber unbedingt ein paar Zeilen schreiben.

Es scheint wirklich so, als ob die Gesellschaft, in der wir leben, in zunehmenden Maße sich nur noch am Eigennutz, am Profit orientiert. Im Wirtschaftsleben wird der "sharholder-value", also die Interessen der Kapitalgeber immer höher bewertet, immer mehr geschützt. Was auf der Strecke bleibt, ist der "human value", der menschliche Wert. In den letzten Jahren durften wir immer wieder erleben, wie versucht wurde, die Rechte der Arbeitnehmer immer weiter einzuschränken oder gar aufzuheben. Mobbing als Mittel des täglichen Existenzkampfes und Bossing als Mittel der Personalpolitik - verdammt, wo leben wir? Und selbst dort, wo es nach landläufiger Meinung anders zugehen müsste (z.B. im Lehrberuf, dort wo junge Menschen auf das Leben vorbereitet werden) läuft es so ähnlich ab. Während meines Klinikaufenthaltes machte ich die Feststellung, dass etwa 50% der Patient(inn)en aus Heil- und Pflegeberufen kamen. Diese Situation ist schlimm und als Betroffene(r) fühlt mensch sich oft hilflos ausgeliefert.

Aber es muss etwas dagegengesetzt werden. Denn wir sind die Gesellschaft (klar, der Spruch ist abgenutzt, aber so ist es und wir sollten uns das nicht nehmen lassen). Nur - wie dagegen angehen? Ich habe nach vielen Jahren schwerer Demütigungen und Angriffe bei meinem alten Arbeitgeber festgestellt: ich bin nicht alleine! Das ist ganz wichtig! Zum einen konnte ich mir Hilfe holen, bei meiner Therapeutin, bei meiner Rechtsanwältin und vor Gericht. Zum anderen gab es Kolleg(in)en in ähnlichen Situationen, die sich genau so alleine fühlten, wie ich. Als wir gemeinsame Schritte gingen, veränderte sich die Situation. Nicht im Unternehmen selbst (da sind wir Betroffene alle nicht mehr), aber sie veränderte sich positiv für uns. Was will ich eigentlich damit sagen? Einfach nur das: nicht aufgeben!

Meine Frau hat mir ein wunderbares Weihnachtsgeschenk gemacht: einen mehrstündigen Vortrag von Viktor Frankl zur Logotherapie und Existenzanalyse. Ich habe erst ein kleines Stück davon gehört. Ein Satz daraus ist mir wichtig: Zum leben gehört der Wille zum Sinn! Wenn ich meine, das Leben hat keinen Sinn, dann habe ich aufgegeben. Ich muss den Sinn meines Lebens noch nicht erkannt haben, aber ich muss davon überzeugt sein, dass es diesen Sinn gibt.

Frankl erzählt ein Negativbeispiel von einer todkranken Frau, die dem Großen Sigmund Freud erzählt, dass sie daran verzweifelt, wie sinnlos ihr Leben durch die Krankheit geworden sei, wie überflüssig sie sich fühlt. Und der Meister erklärt ihr, sie müsse sich keine Sorgen machen, es habe sich überhaupt nichts für sie geändert. Das Leben sei eben sinnlos. Ich habe das in meinen Worten wiedergegeben. Aber wenn mein Leben sinnlos wäre, dann hätte ich mich schon längst weggeworfen. Ich weiß den Sinn meines Lebens nicht, aber ich bin davon überzeugt, es gibt ihn. Und deswegen will ich leben!!!!!!!

So, ich muss schließen. Würde gerne noch mehr zu einzelnen Beiträgen schreiben, aber die Zeit rennt. Ich sende dir und allen Mitlesern und -schreibern, besonders auch Susan, ganz herzliche Grüße.

Puck
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Lieber Puck, liebe Mitleser

was du an Dorothea geschrieben hast - das mit der Gesellschaft, dem immer geringer werdenden Wert jedes Einzelnen - hat mich sehr nachdenklich gemacht.

Wichtig ist auch für mich die Aussage, dass man dem weder hilflos ausgeliefert ist, noch ist man allein damit (auch wenn es sich oft so anfühlt!). Es geht vielen ähnlich, sie fühlen sich nicht dazugehörig, an den Rand gedrängt, haben das Gefühl, sie sind nichts wert, werden nicht gebraucht usw. Nicht umsonst steigen die Zahlen der an Depressionen erkrankten Menschen drastisch an!

Ich denke, dass der erste Schritt getan ist, wenn man sein Schneckenhaus verläßt und sich dort aufhält, wo man "Seelennahrung" findet, womit man diesen scheinbar übermächtigen Gedanken und Gefühlen etwas entgegensetzen kann.

Nicht selten trifft man bei dieser Suche auf Gleichgesinnte, hört von ähnlichen Problemen . Für mich war es immer wichtig, dass ich mir Unterstützung geholt habe, wenn ich nicht allein mit einer Situation fertig geworden bin. Das war lange Zeit die SHG - es gab viele Anregungen, Denkanstöße und ein Gefühl des Nicht-allein-seins.

"Meine Frau hat mir ein wunderbares Weihnachtsgeschenk gemacht: einen mehrstündigen Vortrag von Viktor Frankl zur Logotherapie und Existenzanalyse. Ich habe erst ein kleines Stück davon gehört. Ein Satz daraus ist mir wichtig: Zum leben gehört der Wille zum Sinn! Wenn ich meine, das Leben hat keinen Sinn, dann habe ich aufgegeben. Ich muss den Sinn meines Lebens noch nicht erkannt haben, aber ich muss davon überzeugt sein, dass es diesen Sinn gibt."

Glückwunsch zu dem schönen Weihnachtsgeschenk ! Ich frage mich auch oft, ob der Sinn des Lebens immer erkennbar sein muss oder ob man auf der Suche danach eher vergißt, auf das kleine Glück zu achten. Vllt liegt ja gerade darin der Sinn, aufmerksamer, achtsamer und genauer hinzuschauen, was gerade jetzt - im jeweiligen Augenblick - passiert? Vor lauter Sinnsuche das Eigentliche übersehen? Vieles stellt sich ganz von allein ein, wenn wir aufhören danach zu suchen

Allen hier einen schönen, sinn-vollen Abend!

Liebe Grüße
Susan


HCAS
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von HCAS »

Liebe Susan,

nach stundenlanger Irrfahrt mit der sturmgeschädigten Bahn bin ich jetzt ziemlich kaputt. Nur das will ich eben noch loswerden: wahrscheinlich, nein - mit Sicherheit ist es so, dass wir oft vor lauter Sinnsuche das Leben übersehen. Danke, dass du es so klar ergänzt hast.

Puck
susan
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Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Hallo Dorothea,

chronische Schmerzen und Depression in Kombination stellen eine doppelte Belastung dar. Die Aussicht, immer mit Schmerzen leben zu müssen, ist auch nicht gerade aufbauend -
trotz-dem hast du immer nach Möglichkeiten gesucht, etwas für dich zu tun, das den Zustand erträglicher macht. Wie geht es dir zur Zeit?

Es kommt erschwerend hinzu, dass du auch im Beruf auf Hindernisse gestossen bist, was sicher dazu beigetragen hat, dass es dir seelisch und körperlich noch schlechter ging.
Gab es Menschen für dich, die dir in dieser Zeit zur Seite standen, etwas, was dir Halt gegeben hat?

Was ich bemerkenswert finde, ist, dass du nicht aufgibst, dass du eine Kraft in dir spürst, die du nutzt, ein für dich (annehmbares) Leben zu leben. Und du sprichst davon, dass du dir etwas von der Therapie versprichst und das finde ich ganz wichtig: Es gibt Hoffnung in dir - das ist viel Gibt es einen nächsten Schritt für dich?

Lieber Puck,
schön, dass du dich trotz der gestrigen Strapazen mit der Bahn noch gemeldet hast - ich hoffe, du hast den nötigen "Ausgleich" bzw eine Oase der Ruhe, die dir hilft, dein seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen

Dir und allen hier ein schönes Wochenende

Liebe Grüße
Susan


HCAS
Beiträge: 37
Registriert: 4. Aug 2003, 08:28

Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von HCAS »

Liebe Susan,

ist der Sinn des Lebens, zu leben? Wenn wir uns nicht ständig beobachten, sondern einfach leben. Achtsam gegenüber anderen und achtsam gegenüber uns selbst. Vielleicht ....

Ich ertappe mich dabei, wie ich immer wieder versuche, meinem gegenwärtigen Da-Sein zu entkommen, weil es mir nicht "sinnhaft" erscheint. Das ist eine merkwürdige Entwicklung. Ich habe viele Jahre an meinem alten Arbeitsplatz gelitten. Da habe ich ja schon drüber berichtet. Nur - heute ist das vorbei. Ich arbeite in einem sehr angenehmen Umfeld, habe eine verantwortungsvolle Aufgabe und werde auch noch gut bezahlt. Dennoch erlebe ich immer wieder, wie ich mir wünsche, meinem Arbeitsumfeld zu "entkommen", ganz auszusteigen. Sind das die alten Erfahrungen, die in mir immer noch "da" sind, die alten Ängste, vor denen ich am liebsten geflohen bin? Immer wieder das Gefühl, Leben findet dort statt, wo ich nicht bin.

Ich tue eine ganze Menge, um mir eine Grundlage zu schaffen, mein Leben auch beruflich zukünftig selbst in die Hand zu nehmen und etwas zu tun, was mir sinnvoll erscheint. Bei all dem Lernen für meine eigene Zukunft bleibt das auf der Strecke, was mir besonders in schlechten Tagen sehr geholfen hat: das Malen und das Modellieren mit Ton. Ich vermisse diese kreative Seite. Ich weiß, dass es so ganz bestimmt nicht richtig ist, aber oft ist mein Gedanke: das Leben läuft an mir vorbei! - Ich bin mitunter hilflos meiner negativen Grundstimmung ausgeliefert. Manchmal denke ich mir: lass doch einfach mal alles stehen, tu das, was dir Freude macht - wahrscheinlich der richtige Ansatz, aber nur sehr selten setze ich ihn um.

Das sollte jetzt nicht zu einem Klagelied werden. Ich will den Titel dieses Threads ernst nehmen: stp by step, jeden kleinen Erfolg genießen.....

Ich habe meine Depression sehr spät auch als Chance begriffen. Meine harte Schale ist in dieser Zeit aufgebrochen, dadurch bin ich verletzlicher geworden, aber ich empfinde auch wieder, tiefer und intensiver als zuvor. Nur ist das Dunkel nach wie vor ein Stück auf diesem Wege.

Ich glaube, das war jetzt etwas konfus, will es aber nicht mehr ändern.

Dir und allen Mitlesern ein zauberhaftes Wochenende. Ich hoffe, ihr seid vom Sturm nicht zu arg gebeutelt worden.

Puck
susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Lieber Puck,

"Dennoch erlebe ich immer wieder, wie ich mir wünsche, meinem Arbeitsumfeld zu "entkommen", ganz auszusteigen. Sind das die alten Erfahrungen, die in mir immer noch "da" sind, die alten Ängste, vor denen ich am liebsten geflohen bin? Immer wieder das Gefühl, Leben findet dort statt, wo ich nicht bin."

Dieses Aussteigen-wollen, hat es damit zu tun, dass du dich zeitweise überfordert fühlst oder ist es eher so, dass du denkst, etwas anderes wäre besser für dich, weil dich der jetzige Zustand nicht ausreichend zufriedenstellt? So hört es sich jedenfalls für mich an.

Auch die Aussage, dass Leben dort stattfindet, wo du nicht bist, zeigt doch, dass du auf eine Art unzufrieden mit dir (selbst) und dem Job? bist. Meinst du mit alten Ängsten die Angst, nicht zu genügen, die Aufgaben nicht zu schaffen oder ist es eher so, dass du auch Sorge um den Job hast und damit dann die Befürchtung, nicht mehr gebraucht zu werden? Vllt magst du es ja noch erklären...

Ich finde diese Aussagen sehr schön:

"Leben ist das, was passiert, während du auf die Erfüllung deiner Träume und Wünsche wartest."

"Träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum!"

Läßt es sich nicht doch realisieren, dass du deiner Kreativität mehr Raum gibst, dass du dir das "gönnst", mal zu malen und zu modellieren? Eine schöne Idee - finde ich! Nimm dir die Zeit und lass diesen Wunsch in dir Realität werden.

Mit Farben und Ton kann man vieles ausdrücken - die Erfahrung habe ich in der Klinik gemacht - was Worte nicht immer schaffen. Es wird vieles möglich durch das Malen und Formen - fang am besten noch heute an

Viel zu oft schiebt man seine Träume vor sich her - mit geht es damit nicht anders. Ich weiss aber auch, dass es ein verdammt gutes Gefühl ist, wenn man es dann mal schafft, einen Traum in die Tat umzusetzen.

So war es bei mir z.B. mit Yoga und Qui-Gong. Diese Kurse habe ich an der VHS gemacht. Ich war begeistert, konnte mir aber nicht vorstellen, wie ich die Übungen auch in den Alltag einbauen könnte - keine Zeit, war die Aussage, die mich daran hinderte Mein Wille, es dennoch zu tun, war dann aber doch stärker und so habe ich mir die Zeit dann "genommen". Heute bin ich froh, das geschafft zu haben, denn die täglichen Übungen helfen mir sehr, innere Ruhe und Gelassenheit zu finden.

Gutes Gelingen also beim Erfüllen deiner Wünsche und Träume

Liebe Grüße
Susan


Fuchsy
Beiträge: 27
Registriert: 20. Nov 2006, 12:23

Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von Fuchsy »

Hallo Susan, hallo an alle stepper,
Susan, um deine Frage zu beantworten, ich habe sehr viel getan und tue noch sehr viel gegen meine Schmerzen, und zwar Aktivierung der Selbstheilungskräfte. Auf die Ärzte allein verlasse ich mich schon seit Ende der 80-ger Jahre nicht mehr.

Wenn ihr meine ersten Beiträge in diesem thread lest (die neu hinzugekommenen), dann wisst ihr, dass mein nächster Schritt der 29. Januar ist. Dann werde ich mich zu meinem Schmerztherapeuten stationär begeben um den Rest an Morphinen auszuschleichen, womit ich ambulant begonnen habe.
Ich werde 2-3 Wochen Morphin als Dauerinfuson bekommen und jeden Tag weniger. Das wird sicher kein Spaziergang. Dann muss ich vier Wochen warten, erst dann können wir beurteilen, was die Opiate, die ich seit 2001 bekommen habe, in den letzten Jahren bewirkt haben. Bei vielen Patienten tritt nach etwa drei bis vier Jahren eine opiatbedingte Depression ein und/oder die Schmerzen verschlimmern sich durch die Opaite sogar.

Wie es in etwa zwei Monaten weiter geht, weiß ich nicht. Möglicherweise kommen wir zu dem Ergebnis, dass ich doch ein Opiat nehmen muss, dann würde man allerdings ein anderes geben als ich bisher genommen habe, was ich nicht hoffe.

Schmerzfrei werde ich laut meines Hausarztes und des Schmerztherapeuten sowieso nie mehr sein. Es sind ja auch organische Schäden vorhanden Polyarthrose, Bamdscheibenvorfälle und die Fibromyalgie ist auch nicht heilbar und auch kaum zu behandeln, wenn man wirklich eine hat und es sich nicht nur um eine Verlegenheitsdiagnose des Arztes handelt.
Wie es mit der Erschöpfung und der Depression aussieht, wird man sehen. Z.zt. kann ich mich nicht alleine versorgen und Unterstützung habe ich "technisch" von meinem Mann, ansonsten leben wir von Tisch und Bett getrennt, was für mich besonders schmerzlich ist (s.o.).Immer alleine essen, bis auf die wenigen Ausnahmen, wenn eine meiner beiden Freundinnen zum Frühstück oder Tee vorbei kommt. Was mein Mann betrifft habe ich keine Hoffnung mehr, ich bin sicher kein Unschuldslamm, aber seine cholerischen Ausbrüche, bei denen er mich seelisch fast tot prügelt, kann er einfach nicht lassen. Selbst an Heiligabend konnte er sich vor meinen Eltern nicht behrrschen, und meine Mutter hat schon öfter mitbekommen, dass seine Ausbrüche in keinem Verhältnis stehen zu dem Auslöser, den ich gegeben habe.Er sieht es aber nicht ein, sondern findet seine "Anfälle" als angemessen auf mein Verhalten. Die Weihnachtsferien waren der reinste Horror. Andere um mich herum haben sich mit ihren Partnern oder der Familie mit urlaub oder Kurzreisen erholt. Den Gegensatz zu hören, das tut so weh. Ich werde mich jetz mal über die Modalitäten einer vollkommenen Trennung informieren, habe mir Bücher schicken lassen. Im augenblick häte ich dazu gar nicht die Kraft. Am liebsten würde ich ausziehen, aber wir leben in einer kleinen und großen Eigentumswohnung, die übereinanderliegen. Jetzt verkaufen, das gäbe nochmals riesige Verluste. Diese hatten wir schon, als wir die wohnung an meinem Arbeitsplatz verkauft haben. Und ein Umzug kostet Kraft, über die ich z.Zt. nicht verfüge.Ich habe den letzten Verkauf und ideellen Wert noch nicht verkraftet.

Bis vor kurzem half mir auch noch meine Mutter, die ist aber nun auch schwer erkrankt und man weiß noch nicht, ob es ihr je nochmal besser geht. Das belastet mich sehr, weil ich an meiner Mutter emotional zu stark hänge. Sie ist aber, auch wenn sie sich darum bemüht, was ich wiederum sehr schätze, keine moralische Unterstützung. Die finde ich begrenzt bei meinen Freundinnen, richtig aber nur in der Psychotherapie und da muss ich Angst haben, dass mir keine weiteren Sitzungen mehr genehmigt werden. Mir wurde schonmal eine Pschotherapie abgelehnt mit dem Argument, dass ich, was meine Schmerzen betrifft unter Chonifizirungsstadium 3 leide und Psychotherapien keinen Sinn machen, was ja die Therapie am Anfang der 80-ger Jahre gezeigt hätten. Unglaublich! Im Widerspruch ging es dann durch, hauptsächlich mit dem Argument, dass mein Arbeitsplatz gefährdet ist. Nun bin ich aber frühpensioniert und bringe der Gesellschaft keinen Nutzen mehr, vergl. oben.

Ich habe z. Zt. zu viele Probleme aufeinmal. Ein sehr großes Problem für mich ist auch, dass ich sehr schlecht Schuhe finde (ich lasse keine Möglichkeit aus, suche Geschäfte, Kataloge und Internetshops ab) und jemanden zu finden, der mir vernünftige Einlagen macht, ohne auf den Wirtschaftlichkeitsfaktor zu sehen (das meinte ich in meinem letzten Beitrag), ist fast unmöglich. Mit gut passenden Einlagen konnte ich mal 10 Min. gehen, jetzt schaffe ich kaum die Strecken in der Wohnung. Durch die Arthrose in den Füßen kann ich ohne Einlagen höchstens 10 Schritte gehen und die Fibromyalgie sitzt wohl auch in den Füßen, denn meine Sehnen sind unflexibel und schmerzen sehr, ebenso die Fußmuskulatur, trotz Behandlung bei einem kompetenten Physiotherapeuten. Nun habe ich jemanden ausfindig gemacht, der noch menschlich ist, allerdings in einem Vorort meiner Großstadt. Ob es ihm gelingt, mir Einlagen zu machen, weiß ich noch nicht, ich war gestern zum ersten Mal da. Ich muss allerdings weit fahren, was ich kaum schaffe. Er ist 60 Jahre und sieht die gesellschaftl. Entwicklung ebenso wie ich. Die Jungunternehmer sind nur auf Profit aus und nicht bereit, sich für komplizierte Fälle Zeit zu nehmen. Dann habe ich noch längst keine Schuhe. Die KK bezahlt nur orthopädische Schuhe, die gewisse Kriterien erfüllen müssen, und das sind genau die, die ich nicht vertrage.Die orthop. Schuhmacher müssen sich daran halten, sie werden von der KK kontrolliert und können ihre Zulassung verlieren, wenn sie gegen die Vorgaben verstoßen. Es ist alles total verrückt.
Man kann sich auch Maaßschuhe auf eigene Kosten machen lassen ( ca. 800 Euro), wozu ich sogar bereit wäre. Aber erst muss ich mal jemanden finden, der in der Lage ist, für meine Füße, die inzwischen auch leicht geschwollen sind, Einlagen herzustellen.

Psychisch leide ich sehr unter der Einsamkeit,dass meine geistigen und emotionalen Fähigkeiten niemanden mehrt interessieren. Ich bin körperlich nicht in der Lage ehrenamtlich in ein Kinderheim zu gehen oder mich in der Hospizbewegung zu engagieren (das wären Bereiche, die mich interessieren würden).

Wenn meine beiden Hunde nicht wären, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Sie zeigen mir aber jeden Tag aufs Neue, wie sehr sie an mir hängen und ich kann sie nicht einfach im Stich lassen.

Psychisch tut es mir auch gut, hier zu schreiben, aber ich zahle jedes mal einen hohen Preis in Form von starken Schmerzen.

Ich habe nun mal den Mut gehabt, ein wenig zu jammern, denn ich könnte mir vorstellen, dass es auch andere gibt, die gerne mal klagen würden, sich aber nicht trauen. Ansatzweise klang es ja schon an (Puck hat auch Angst zu jammern)und von stillen Mitlesern "wir seien so aktiv". Was mich betrifft stimmt es und noch habe ich nicht völlig resigniert, aber ich leide auch sehr und wünsche mir öfters mal Trost, den ich z.Zt. nicht finde. In unserer Gesellschaft ist ja auch inn, wenn man nur von seinen Erfolgen berichtet und auf keinen Fall Schwächen zeigt und klagt. Dem möchte ich gerne etwas entgegen setzten. Oben war oft die Rede von "Echtsein". Mal ehrlich, wer traut es sich in einem Forum zu jammern und zu klagen? Auch wenn wir kämpfen, aktiv an unserer Gesundheit mitarbeiten, gibt es doch auch Phasen der Verzeiflung. Und zum Echtsein gehört auch, der Mut, diese zu zeigen. Nur dann, kann man doch auch getröstet werden und wieder neue Kraft schöpfen.

Also, stille Mitleser, traut euch. Ich werde niemanden angreifen, weil er/sie jammert und klagt. Alles hat seine Zeit und sein Recht!

Hört sich an , wie das Wort zum Sonntag, aber ich habe Religion studiert und in der Bibel, insbesondere in den Psalmen, wird auch viel geklagt, nur in unserer heutigen Gesellschaft zählt allein Erfolg und Stärke. Nur keine Schwächen zeigen! Das aber widerspricht dem Echtsein.

So, nun genug. Vielleicht sieht es ja der oder die eine genauso wie ich.

Es grüßt euch
Dorothea
susan
Beiträge: 2551
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: step by step - Depression als Chance? X

Beitrag von susan »

Hallo Dorothea,

du hast Recht, zum Echtsein gehört auch die schwache Seite, das Sagen-wie-es-mir-reell geht, ohne etwas zu beschönigen.

Dennoch bin ich immer dafür, das, was geht, was das Licht am Horizont darstellt, zu sehen und auch zu benennen. Trost zu bekommen ist wohltuend, aber ist es nicht auch schön, wenn man an den kleinen und großen Erfolgen eines Menschen teilhaben kann?

Es gibt genug schlechte Tage, darüber kann man reden - man kann Anteil nehmen am Kummer des Anderen und man kann sein Mit-gefühl ausdrücken, auch Trost spenden. Aber ist es nicht auch wichtig, dorthin zu schauen, wo ein Aus-weg möglich ist?

Allein davon, das Leid immer wieder zu benennen, wird sich nichts ändern. Ich kann mich verbunden fühlen mit jemand, der ähnliches durchmacht wie ich, aber wie sieht der nächste Schritt aus? Geht es nicht darum - auch hier im Forum - nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, mit der Depression umzugehen und von anderen zu lernen?

Mich macht das, was du geschrieben hast, ziemlich sprachlos.

Susan


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