"Guten" Morgen

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hopeful
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Registriert: 2. Dez 2006, 07:52

"Guten" Morgen

Beitrag von hopeful »

Guten Morgen,
...oder ist das schon wieder zu optimistisch für einen Erkrankten, der eine unglaubliche Angst davor hat nicht mehr aus dem Teufelskreis des seelischen Unglücks entrinnen zu können? Immer wieder die alles entscheidende Frage nach dem WARUM. Warum gerade ich? Was ist in der Vergangenheit schief gelaufen? Ist überhaupt etwas schief gelaufen? Aus welchem Grund werde gerade ich von diesen Gedanken gequält, welche einen nicht mehr los zu lassen scheinen? Warum gelingt es mir nicht mehr mich über Dinge im Leben zu freuen - die Zukunft aus einem positiven Blickwinkel zu betrachten? Ein schrecklicher Pessimismus, der kaum noch umwandelbar scheint. Eine Art von Hoffnungslosigkeit für das Überleben des eigenen Ich in dieser Welt. Und das Schlimme daran - dem Erkrankten fehlt der Wille und der Mut. Man glaubt sich kaum noch gesellschaftsfähig, verliert soziale Kontakte, meidet themenbezogene Konversationen, zweifelt schwer an der eigenen Kompetenz. Die benötigte Lebensenergie, der starke Wille das eigene Leben in die Hand zu nehmen und das Beste daraus zu machen - alles irgendwie durch schwere Selbstzweifel, durch das deutlich zu negative Selbstbild wie weggeblasen. Aber wie aus dieser schweren Krise auferstehen? Für mich nahezu unmöglich. Angst vor der Zukunft, Hoffnungen erlischen, weil der nötige Wille fehlt klar gesetzte Ziele zu erreichen. Sich schon längst die Begrenztheit des Lebens bewusst gemacht. Dann die Frage: Für wen oder für was existiere ich denn überhaupt?? Gibt es überhaupt einen plausiblen Grund für die Existenz der Menschheit? Warum fühle ich mich gezwungen mich immer wieder mit diesen Fragen auseinanderzusetzen?
Kommt bei dem Depressiven Neid auf die Menschen auf, die mit ihrem Dasein "glücklich" sind? Oder braucht der Depressive nur eine Portion Mitleid und Anerkennung? Will er sich einfach nur "verstanden" fühlen?
Fakt ist, dass ich in meiner Situation zu verzweifeln drohe. Auch Angst davor in die Sparte der " Verrückten" abgedrängt zu werden. Oft den Gedanken einfach tatsächlich " verrückt" zu sein. Gründe dafür sind bei mir auftretende Symptome, wie zum Beispiel häufige Selbstgespräche und Anzeichen von Neurotizismus. Zum Beispiel kontrolliere ich in letzter Zeit immer mehrfach, ob die Autotür/Haustür auch wirklich zu ist, die Handbremse auch feste angezogen, oder der Herd auch wirklich aus. Das macht mir große Angst.
Der Alkoholkonsum hat auch andere Dimensionen angenommen. Die Menge, die ich am Wochenende - und ausschliesslich am Wochenende - trinke ist zwar nahezu die gleiche, aber am Morgen danach, wenn es zum Beispiel der Fall ist, dass ich einen Filmriss habe, bin ich durch schwerste Selbstvorwürfe geplagt, manchmal über Tage. Auch das macht mir wirklich Angst.
Vielleicht habe ich ja tatsächlich eine schwerere psychische Erkrankung. Oder redet man sich das alles einfach nur ein? Ich fühle mich einfach ratlos und in gewisser Weise auch auswegslos.
Von euch erhoffe ich mir einfach ein paar helfende, unterstützende und vielleicht auch aufklärenede Kommentare zu meinem Eintrag. Durch dieses Forum lese ich mich schon seit längerer Zeit und ich kann eine ganze Menge eurer Gefühle und Äußerungen nur all zu gut nachempfinden...

Für eure Statements danke ich schon mal im Vorraus
HannaLena
Beiträge: 6
Registriert: 23. Nov 2006, 08:02

Re: "Guten" Morgen

Beitrag von HannaLena »

Hallo hopeful,

nein, du bist sicher nicht "verrückt". Nur dein Welt- und Selbstbild sind ver-rückt. Ver-rückt durch die Depression. Diese zwingt uns die negativen Gedankenstrudel förmlich auf. Das macht Angst, lässt uns die Hoffnung verlieren und den Willen. Den ganz besonders. Irgendwo hab´ ich dazu mal einen sehr treffenden Satz gelesen: "Ein Depressiver will nicht nicht, er KANN gar nicht wollen"

Es IST eine schwere Erkrankung, eine, die unbedingt der Hilfe bedarf. Alleine schafft man es kaum, da wieder ´rauszukommen. In erster Linie professionelle Hilfe, Ärzte, Therapeuten...falls du noch nichts in der Richtung unternommen hast, solltest du das angehen. Es GIBT Hilfe, aber sie schneit einem nicht von alleine ins Haus, man muss schon etwas dafür tun.

Was du über deinen Alkoholkonsum schreibst...könnte glatt von mir sein, da war ich auch mal.
Du sagst, du trinkst nur am Wochenende, da nehme ich mal an, dass du unter der Woche arbeitest. Da brauchst du einen klaren Kopf und du willst nicht das Risiko eingehen, ständig zu verschlafen oder dass man es dir möglicherweise anriechen könnte...richtig? Und Wochenenden sind am schwersten zu ertragen, keine Ablenkung, die Gedanken lassen einen überhaupt nicht mehr los, da trinkt man alles lieber weg...nur nichts denken, nichts fühlen und nach dem nötigen Quantum einfach schlafen wie tot.
Funktioniert das bei dir noch so oder schon nicht mehr? Ich hatte irgendwann festgestellt, dass es eben nicht mehr funktionierte, die Gedankenstrudel verstärkten sich noch mehr und waren noch viel verwirrter als so schon und schlafen wie tot...spätestens nach drei Stunden war ich gnadenlos wach. Machte mir Selbsvorwürfe und war noch depressiver als vorher. Das fing an, mich zu stören...wozu trank ich, wenn es doch gar nicht half? Ich fing an, mich mit dem Thema Alkoholismus zu beschäftigen und stellte zu meinem Erschrecken fest, dass ich längst abhängig war. Genau das hat mich dann davon weggebracht...abhängig und ausgeliefert zu sein von was oder wem auch immer, machte mir von jeher schon die allergrößte Angst.

Danach beschäftigte ich mich dann mit dem Thema Depressionen, mir war durchaus klar, dass mich das auch betrifft. Ich habe Themenbezogenes nicht vermieden, ich habe es geradezu gesucht. Ich musste einfach wissen, was da mit mir geschah, was da in mir vorging und was ich dagegen tun konnte. Es half schon ungemein zu sehen, dass ich bei weitem nicht die einzige bin, dass es so viele gibt, denen es genauso geht. Dieselben ver-rückten Gedanken. Dieselben hilflosen Versuche, irgendwie davor zu flüchten. Und ich sah, dass ich es alleine nicht schaffen konnte, also habe ich mir die entsprechenden Hilfen gesucht. Ich wollte auch der Depression nicht einfach so hilflos ausgeliefert sein.

Ich führe auch Selbstgespräche, oft...mit wem sollte ich auch sonst reden, wenn außer mir gar niemand da ist? Und ich kontrolliere zeitweilig auch alles mögliche mehrfach nach. Das sagt mir dann, dass ich Dinge vor lauter Denken nicht mehr bewusst tue, gar nicht bewusst mitbekomme, sie getan zu haben. Vielleicht könnte da für dich das Thema "Achtsamkeit" (einfach googeln) ganz hilfreich sein, für mich ist es das jedenfalls.

Wünsche dir, dass du heute für dich wenigstens eine Kleinigkeit finden kannst, die du schön findest.

LG

HannaLena
Seien wir realistisch, wagen wir das Unmögliche (Che Guevera)
cooki3
Beiträge: 494
Registriert: 27. Jul 2006, 12:42

Re:

Beitrag von cooki3 »

SchwarzeSchnecke

Re: "Guten" Morgen

Beitrag von SchwarzeSchnecke »

Hallo hopeful,

Herzlich willkommen im Forum!

Du schreibst u.a.:

"Angst vor der Zukunft, Hoffnungen erlischen, weil der nötige Wille fehlt klar gesetzte Ziele zu erreichen. Sich schon längst die Begrenztheit des Lebens bewusst gemacht. Dann die Frage: Für wen oder für was existiere ich denn überhaupt?? Gibt es überhaupt einen plausiblen Grund für die Existenz der Menschheit? Warum fühle ich mich gezwungen mich immer wieder mit diesen Fragen auseinanderzusetzen?"

Genau solche Gedanken plagen auch mich sehr häufig... Leider habe ich keine Antwort darauf.
Aber vielleicht hilft es Dir zu wissen, daß Du damit nicht allein bist.

LG, Anne

PS.
Ich beneide immer die Menschen, die nicht so viel denken und einfach in den Tag hineinleben können.
Meine Tante hat ein geistig behindertes Kind. Dieses Mädchen ist so glücklich... Sie wird sich nie Gedanken über die Sinnlosigkeit des Lebens machen müssen.
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