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Kuhlmann
Beiträge: 5
Registriert: 14. Nov 2006, 16:17

Neu hier

Beitrag von Kuhlmann »

Hallo zusammen,

ich beobachte dieses Forum schon länger. Es hat seine Zeit gebraucht, um den Mut aufzubringen hier zu schreiben. Aber ich befinde mich in einer Situation, deren Folgen sich wie ein Strick immer enger um meinen Hals legen.

Meine Depression besteht seit ungefähr 30 von 47 Lebensjahren. Ein gewisser Teil ist laut Aussage eines Psychaters aufgrund der familiären Anamnese endogen, der größere neurotischer, affektiver Natur.

Das Eis, auf dem ich mich bewege ist mal dicker, mal dünner. Wann ich das nächste Mal einbreche weiß ich nicht. Wie tief das Loch sein wird, wer weiß? Oftmals sitze ich völlig entmutigt und hoffnungslos herum, unfähig auch nur kleinere Tätigkeiten zu verrichten, mitsamt den dazu gehörigen Schuldgefühlen, die mich weiter herunterziehen.

Damit habe ich mich zwar nicht abgefunden, aber das Auf und Ab ist zumindest ein vertrautes Gefühl. Was mich sehr bedrückt, ist meine Unfähigkeit, mir eigene Strukturen zu erarbeiten, nach denen ich mein Leben ausrichten kann.

Der Schwerpunkt liegt hierbei im beruflichen Bereich.

Mein Beruf als Vertriebsmitarbeiter in diversen Unternehmen bedingt, dass ich nach eigenen Handlungs-Strukturen arbeite. Obwohl ich viele Bücher über Selbstmanagement, Organisation und verwandte Themen gelesen, mir aufwändige Zeitplansysteme zugelegt habe, darf ich sagen, dass das Ergebnis niederschmetternd ist. Wenn ich von außen keine Handlungsanweisung erhalte, bin ich wie ein Roboter ohne Strom. Eigene Motivationen existieren nur im Kopf ohne Verbindung zur praktischen Umsetzung.

Ich stehe vor meiner Arbeit wie ein Kaninchen vor der Schlange. Tätigkeiten, die die selbstverständliche Grundlage meiner Arbeit ausmachen, und die ich im Geiste plane, machen mir Angst. Anrufe, Faxe, Gespräche betrachte ich nicht als Herausforderung sondern als Bedrohung. An manchen Tagen traue ich mich nicht einmal, den Briefkasten zu leeren oder den Telefonhörer abzunehmen. Ich bin teilweise nicht in der Lage, ein Haus zu betreten, um ein Kundengespräch zu führen. Meine Nackenmuskulatur schließt sich dann wie eine Eisenhand um meinen Hals und drückt mit einer Vehemenz zu, dass mir manchmal vor Schmerzen die Tränen kommen.

Oftmals breche ich unvermittelt in Tränen aus, bevorzugt auf der Fahrt zu Kundenterminen. Ich bekomme von der intellektuellen Seite alles mit, was mit mir geschieht. Dann sehe ich mich vom Beifahrersitz aus und betrachte meinen seelischen Verfall aus nächster Nähe.

Der Grund, warum ich dies so ausführlich schildere, ist meine Angst vor dem was kommt. Ich befürchte einen tiefen Fall in ein tiefes seelischen Loch.

Ich bin mir dessen bewußt, dass ich nicht der einzige bin, der Probleme hat. Daher helfe ich gerne anderen wo es mir irgend möglich ist. Nur mir selbst kann ich offenbar nicht helfen.

Wolf
sandi
Beiträge: 64
Registriert: 24. Aug 2006, 19:53

Re: Neu hier

Beitrag von sandi »

Lieber Wolf,

tut mir leid, dass es Dir so schlecht geht, ein bisschen kann ich mich in Dich reinversetzen, ich habe auch neurotische Depressionen und eine Soziale Phobie.

Bist Du denn bei einem Psychater gewesen?
Dir kann man bestimmt helfen mit AD und einer zeitgleichen Therapie oder?

Was hast Du getan um aus Deiner Situation zu kommen?
Du brauchst ärztliche Hilfe, allein wirst Du das nicht schaffen.

Halt die Ohren steif,

liebe grüße
sandi
Kuhlmann
Beiträge: 5
Registriert: 14. Nov 2006, 16:17

Re: Neu hier

Beitrag von Kuhlmann »

Hallo Sandi,

vielen Dank für deinen Beitrag.

Vor etwas über zehn Jahren wurde ich in den Waldburg-Zeil Kliniken in Isny-Neutrauchburg für acht Wochen behandelt.

Im 16. Lebensjahr verordnete der Hausarzt mir Demetrin, das ich so lange "schluckte" bis meine Mutter den Rest wegwarf, weil ich "ohne" nicht mehr sein konnte.

Bis heute habe ich die Medikamentenpalette durch. Seien es MAO-Hemmer, Trizyklische Antidepressiva, SSRI`s,.

An weiteren Behandlungen machte ich vor einigen Jahren eine ambulante kognitive Therapie.

Leider hatten die von mir aufgesuchten Fachärzte so viel zu tun, dass sie keine Möglichkeit sahen, mich ausser mit Medikamenten noch mit weiteren Gesprächen zu unterstützen. Allerdings attestierten sie mir in dem Zustand, in dem ich mich jeweils befand, eine schwere Depression. Damit wurde ich jeweils weiter geschickt.

Das war´s im großen und ganzen.

Was mir weiterhelfen würde, wäre eine Möglichkeit, die Verbindung zwischen Planung und Handlung zu verknüpfen. Etwas, was mir bisher versagt blieb.

Viele Grüsse

Wolf
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Neu hier

Beitrag von Denker »

Hallo Wolf,
für mich sieht das so aus, als ob du neben der Depression auch noch an etwas leidest, was man Procrastination nennt. Dieses Verhalten ist bei Depressiven leider überhaupt nicht selten, verstärkt oder verursacht manchmal sogar die Depression. Schau dir mal folgenden Thread an:
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1157707133
Auf der dort verlinkten Seite gibt es übrigens auch ein sehr gutes Forum!

Meine Erfahrung mit Prokrastionation: Antriebssteigende Antidepressiva helfen dagegen gar nicht. Kognitive Verhaltenstherapie kann da vermutlich deutlich mehr ausrichten.

Zuletzt ein Buchtipp: H.W. Rückert: Schluss mit dem ewigen Aufschieben.

Gruß
Denker
Kuhlmann
Beiträge: 5
Registriert: 14. Nov 2006, 16:17

Re: Neu hier

Beitrag von Kuhlmann »

Hallo Denker,

vielen Dank für deine Antwort.

Ich habe das Buch von Rückert im wahrsten Sinne des Wortes "studiert". Es ist mir sogar gelungen, ein Veränderungslogbuch anzulegen. Wie gesagt, anzulegen. Leider habe ich es nicht geschafft, weitere Schritte zu gehen.

Mein Vermögen, eigene Bedürfnisse zu entwickeln, ist aufgrund meiner Lebensgeschichte unterentwickelt bis nicht vorhanden. Wenn ein Freund in einer Situation wie der meinen wäre, so wüßte ich sehr genau, wie er vorgehen müßte, um sich aus seiner unerfreulichen Lage zu befreien.

Manchmal erscheint es mir, als ob ich zwei Personen in einer bin. Der innere Wolf, der alles rational sieht und geistig die Handlungsstränge zieht. Und der äußere Wolf, der unter der Maske von Kompetenz und Freundlichkeit die Fassade eines gut funktionierenden Menschen aufrechterhält.

Was fehlt, ist die Brücke zwischen Beiden.

Eine Verbindung zwischen zwei grundverschiedenen Typen, die sich gegenseitig argwöhnisch beobachten, umeinander herumschleichen wie zwei feindselige Raubkatzen. Darauf wartend, dass einer einen Fehler macht.

Das Innere ist gefangen im Äußeren. Der äußerliche Wolf hat große Angst vor dem, was geschieht, wenn der den inneren Wolf gewähren läßt. Deswegen wird das Innere regelmäßig abgelenkt, betäubt, obwohl es schreit und kämpft.

Ein Konflikt der ermüdend ist. Mein Schlafbedürfnis ist enorm, mein Energiespiegel erscheint mir auf dem Nullpunkt.

Wenig Kraft für die Arbeit. Wenig Kraft für die Familie. ´

Keine Kraft für mich.

Viele Grüsse

Wolf
sandi
Beiträge: 64
Registriert: 24. Aug 2006, 19:53

Re: Neu hier

Beitrag von sandi »

Hallo Wolf,

vielleicht wäre eine Verhaltenstherapie etwas für Dich.
Wenn Du schreibst die Fachärzte haben keine Zeit für Gespräche, und nur für Medikamente, das kann ich nur bestätigen.

Ich dachte auch immer, mein Psychater soll mir zuhören, aber diese Ärzte haben nicht die Zeit, man muss kurz schildern wie die eigene Lage ist und die richtige Unterhaltung hast Du in der Therapie.

Du musst auf jeden Fall was tun, es wird ja so nicht besser, ich freu mich dass Du hierher gefunden hast.
Einfach mal nur reden tut auch manchmal gut.

liebe grüße
sandi
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