Immer alles zusammen

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Grenzgängerin
Beiträge: 618
Registriert: 25. Mär 2005, 23:44

Immer alles zusammen

Beitrag von Grenzgängerin »

Ich habe schon länger nicht geschrieben.

Ich befinde mich noch immer (und gleichzeitig mal wieder -> rezidivierende Depressionen) in einer seit mindestens Februar andauernden schweren depressiven Episode.
Ich habe es zwischenzeitlich noch mal mit Medikamenten versucht, was nicht wirklich geholfen hat und nun will ich nichts mehr nehmen.
Im Sommer ging ich in katastrophalem Zustand (suizidal, am Ende meiner Kräfte, völlig orientierungslos in Bezug auf meine Zukunft) in eine Klinik, die leider in dem Moment nicht der richtige Ort für mich war und brach die Behandlung nach 4 qualvollen Wochen ab, in denen es mir immer nur noch schlechter gegangen ist.

Das Leben geht irgendwie weiter, also habe ich mich in die Arbeit gezwungen und wieder etwas für mein Studium getan. Seit Anfang Oktober laufen Arbeit und Studium wieder parallel, mit einer enorm hohen Arbeitsbelastung, von dem psychischen Druck ganz zu schweigen.
Aber ich hatte das Gefühl mit täglichen QiGong und Meditationsübungen (die ich seit der Klinik mache) ein klein wenig mehr Stabilität rein zu bringen.

Nach positiven Erfahrungen mit Akupunktur in der Klinik habe ich hier eine Psychiaterin gefunden, die welche anbietet und außerdem noch homöopathisch arbeitet. Bei ihr bin ich seit ein paar Wochen in Behandlung. Letzte Woche Freitag erlebte ich den ersten depressionsfreien Tag seit Jahresanfang. Diese positive, glückliche Stimmung hielt in sich abschwächender Form bis Dienstag. Ich habe mich so sehr darüber gefreut, ich hätte die ganze Welt umarmen können, ich habe das wahnsinig genossen.

Seit Mittwoch hat mich das Grau wieder gefangen genommen. "Dummerweise" hatte ich just an dem Freitag und Dienstag davor die wöchentlichen Termine mit meiner "normalen" Psychiaterin und meiner Therapeutin. D.h. sie haben mich in einer positiven Stimmung erlebt wie seit über einem Jahr nicht mehr.
Ich bin sehr verzweifelt darüber, dass die Depression mit voller Wucht zurück ist. All das positive und kraftvolle, das ich vor einer Woche mit einem Mal wieder spürte, ist weg. Im Gegenteil: ich bin unendlich müde, würde am liebsten nur noch schlafen, und niemanden mehr sehen. Gestern auf dem Nachhauseweg vom Büro habe ich mich bewegt und gefühlt wie eine 90-Jährige. Ich hatte wirklich die Befürchtung, die Kraft für den Heimweg (mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß) nicht mehr aufzubringen und einfach irgendwo sitzen bleiben zu müssen.

Meine Therapeutin teilte mir Dienstag mit, dass sie in der kommenden Woche in Urlaub sei (sie hatte vorher vergessen mir das zu sagen). Aber an dem Tag ging es mir noch sehr gut und außerdem dachte ich ja "zur Not" meine Psychiaterin sehen und sprechen zu können, also war das kein Problem für mich. Heute hätte ich wieder einen Termin mit meiner Psychiaterin gehabt, der mir sehr wichtig gewesen wäre, weil ich in den letzten zwei Tagen in ein riesiges Loch gefallen bin. Ich komme mir so lächerlich vor, nach den positiven Tagen sagen zu müssen, wie schlimm es wieder in mir aussieht. Aber mit meiner Psychiaterin hätte ich darüber reden können und dringend wollen. Der Termin wurde jedoch wegen Krankheit vorhin abgesagt und einen nächsten habe ich erst in zwei Wochen erhalten (sonst haben wir derzeit wöchentlich Termine). Also habe ich diese Woche niemanden mehr, mit dem ich darüber sprechen kann und nächste Woche auch nicht.

Mir kamen die Tränen nach dem Anruf. Ich sitze im Büro und bin völlig fertig. Mir geht es schlecht, ich komm damit nicht klar, aber ich weiß nicht wohin damit.

Vor Freunden komme ich mir mittlerweile mehr als blöd vor. Zum einen kann ich doch nicht immer nur sagen, wie schlecht es mir geht und zum anderen haben sich letzte Woche einige wahnsinnig mit mir gefreut, dass es mir gut geht und jetzt kann ich doch nicht sagen: Kommando zurück, es ist wieder alles ganz schlimm...Es nervt mich ja selber schon total.

Wohin nur mit den Gefühlen und Gedanken?

Mit mir stimmt was nicht, es muss doch langsam mal wieder dauerhaft besser werden. Ich kann das einfach nicht mehr lange aushalten mich trotz Depressionen durch meinen Alltag zu kämpfen und immer die Toughe zu sein, die das hinkriegt. Gar nichts krieg ich hin...
Mace
Beiträge: 74
Registriert: 22. Jan 2006, 14:47

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von Mace »

Hallo Alex,

du bist nicht allein, hier gibt es Hunderte, die ähnlich fühlen und denken.

Lasse Schwäche zu, spiele nichts vor, das hast du vielleicht schon zu lange getan. Was war das Resultat?

Ich selbst kenne diese Abhängigkeit von der Psychotherapeutin, die jedoch auch gefährlich ist, weil sie der eigenen Eigenständigkeit entgegenwirkt. Und: Psychotherapeuten neigen nicht eben zu Selbstkritik. Sie werden immer als neutrale, erhabene und nie um eine Antwort verlegene Beobachter dastehen. Sie wird deine Probleme nicht lösen, maximal Denkanstöße geben. Nur du kannst dein Leben leben und du möchtest es wahrscheinlich auch gegen kein anderes eintauschen, oder?

Vielleicht hilft es dir, psychosoziale Treffs aufzusuchen und dich sportlicher Aktivität (Uni-Sport?) zu widmen, etwa Rückengymnastik oder Jogging. Die wohlbefindenssteigernde Wirkung ist nachgewiesen und ich selbst habe sie schon erfahren (zumindest temporäre Hochgefühle, größere Ausgeglichenheit).

Ernährung scheint auch wichtiger als je zuvor angenommen: Omega-3-reich soll gut sein, also viel Fisch. Ausreichender Aufenthalt an frischer Luft und Tageslicht. Solarium wirkt ebenfalls Wunder, vor allem wegen des Lichts und der Wärme. Der Hinrforscher Manfred Spitzer rät, vor allem in Erlebnisse statt in dinge zu investieren, da das Glück und damit die Zufriedenheit länger andauern.

Spüre auf, was in deinem Leben großen Druck auf dich ausübt und eliminiere oder vermindere es. Gibt es Konflikte, die unbewältigt oder unausgesprochen sind? Versuche eine Klärung herbeizuführen. Aussprache und Versöhnung können eine echte Win-win-Situation sein.

Meditation, Muskelrelaxation etc. sind sicher gute unterstützende Maßnahmen. Viel Glück und alles Gute! Mace
flower76
Beiträge: 226
Registriert: 13. Okt 2005, 23:35

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von flower76 »

Hallo Alex,

es tut mir leid, daß es dir so schlecht geht. Mir geht es grad auch nicht gut, möchte dir aber trotzdem schreiben.

Denkst du nicht, daß dir Medikamente vielleicht doch helfen könnten? Ich weiß oft sind die Nebenwirkungen sehr schlimm und Geduld muß man auch noch haben.
Nur ich sehe es zum Beispiel an mir, ich hatte vor circa 4 Jahren eine schwere Depression, ich konnte nichts mehr machen, konnte mich nicht mehr waschen, mich nicht mehr selbst versorgen, es ging nichts mehr.

Erst die Medikamente haben mich soweit stabilisiert, daß ich überhaupt wieder fähig war am Leben teil zu haben. Ich weiß, daß Medikamente allein nicht die Lösung sind, nur in meinem Zustand wäre ich damals gar nicht fähig gewesen, eine Therapie zu machen.

Ich würde dir gerne helfen. Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben, denn es wird wieder aufwärts gehen. Ganz sicher

Ich wünsche dir gaaaanz viel Kraft und alles gute

Flower
Grenzgängerin
Beiträge: 618
Registriert: 25. Mär 2005, 23:44

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von Grenzgängerin »

Hallo Mace,

danke für Deine Worte. Ja, mir fällt es schwer die Schwäche zu zeigen und die nahezu einzigen, die es ab und an mal ungefiltert zu sehen bekommen sind meine Therapeutin und meine Psychiaterin. Selbst eine Freundin, die ich vor 3 Jahren in der Klinik kennen gelernt habe, sagt immer wieder zu mir, dass ich doch auch mal sie als Hilfe in Anspruch nehmen soll und nicht immer nur umgekehrt sie trösten, wenn es ihr nicht gutgeht...
Im letzten Klinikbericht stand auch wieder drin, dass ich sehr bemüht sei eine intakte Fassade aufrecht zu erhalten.
Aber zum einen fällt es mir eben unendlich schwer jemandem meine depressive, verzweifelte Seite zu zeigen (u.a. weil ich mich nicht "zumuten" möchte) und zum anderen habe ich auch Angst davor, dass es mich so übermannt, dass ich dann nicht mehr funktionieren kann, wie ich es eigentlich immer sehr lange kann.

Ich würde allerdings nicht sagen, dass ich abhängig von meiner Psychiaterin und Therapeutin bin. Nur wenn es mir wie gestern nicht gut geht und ich fest mit einem Termin rechne, dann ist das schon schwierig, wenn der kurzfristig abgesagt wird. Aber ich habe die Kurve noch bekommen, mich zusammengerafft und weiter gearbeitet. Ich bin eigenständig, ich würde es auch irgendwie ohne die beiden hinbekommen, aber solange ich diese Hilfe habe und ein Stück weit auch annehmen kann will ich das nutzen.

Mir ist schon klar, dass weder meine Therapeutin noch meine Psychiaterin meine Probleme lösen können, aber sie sind eine große moralische Unterstützung für mich, machen mir Mut und helfen in konfusen Situationen zu sortieren.

Mein Leben würde ich schon eintauschen gegen ein anderes, um ehrlich zu sein. Zumindest gegen eines, in dem die Depressionen keine so große Rolle spielen.

Ich bin sportlich aktiv (mehr oder weniger). Ich gehe ab und zu klettern, im Moment kommt das leider zeitbedingt wieder etwas zu kurz. Außerdem habe ich genügend soziale Kontakte, die ich auch in depressiven Zeiten bemüht bin zu pflegen.

Dass die Ernährung wichtig ist, weiß ich. Allerdings habe ich eine atypische Ess-Störung Richtung Magersucht und mag keinen Fisch...Aber ich arbeite daran, da mal wieder vielseitiger und weniger restriktiv zu essen.

Was das übrige betrifft, was Du geschrieben hast: ich mache seit über 4 Jahren ambulante Therapie und war zwischendurch viermal in einer Klinik.
Die Konflikte, die dieser depressiven Episode als Auslöser vorangingen, sind gelöst. Die Depression hat sich "verselbständigt", sagt meine Psychiaterin. Und an dem, was sonst noch drückt, die enorme Belastung mit Studium und Teilzeitjob, da kann ich derzeit nichts dran ändern, denn von irgendwas muss ich ja meine Miete bezahlen...

Heute ist es schon wieder besser. Die nächste Woche wird ohnehin sowas von stressig, die wird wohl schnell rumgehen und dann sehe ich weiter.


Liebe Flower,

auch Dir danke für Deine Worte.

>Denkst du nicht, daß dir Medikamente vielleicht doch helfen könnten?

Nein. Im Moment denke ich gerade das Gegenteil. Ich habe in den letzten 4 Jahren einiges durch an AD, Neuroleptika, Benzos, Schlafmittlen etc.. Ich denke das war alles nicht wirklich gut für mich (und ich habe es schon immer ungern genommen). Ich glaube sogar eher, dass ich meinem Körper damit geschadet habe. So fühlt es sich zumindest momentan an (das, was die akupuktierende Ärztin mir sagt, spricht auch dafür, dass das meine Leber sehr belastet hat). Klar, sämtliche schulmedizinischen Ärzte (und auch die erfahrenen Schwestern in der Klinik) fangen das Thema immer mal wieder an, weil sie nicht weiterwissen. Aber für mich macht das keinen Sinn. Meine Erfahrungen sprechen nicht dafür, meinem Körper noch mal sowas zuzuführen.

Ich befasse mich gerade viel mit der TCM und anderen alternativen Sichtweisen. Das erscheint mir alles viel logischer und sinnvoller. Interessanterweise sind da aus verschiedenen Methoden die Sichtweisen auf den Körper, Energien usw. sehr ähnlich und alles deckt sich mit den Bedürfnissen, die mein Körper in den letzten Monaten immer wieder von alleine angemeldet hat.
Ich hoffe einfach, dass ich mit Unterstützung dieser alternativen Verfahren aus der Depression rauskomme und vielleicht dauerhaft stabiler bleibe.
Nur das geht eben nicht so schnell, wie "mal eben" eine Pille einzuschmeißen, da brauche ich mehr Geduld. Dafür verspreche ich mir davon, dass es für meinem Körper viel besser ist.

>Erst die Medikamente haben mich soweit stabilisiert, daß ich überhaupt wieder fähig war am Leben teil zu haben.

So einen Zustand hatte ich auch schon mal. Da habe ich Stunden gebraucht, um auf die Toilette zu gehen oder vom Sofa ins Bett "umzuziehen". Ich bin schließlich damals das erste Mal stationär gegangen (wo ich keine Medikamente bekam) und das hat geholfen.

Danke für Eure Antworten, es hat gut getan sich nicht mehr so allein zu fühlen.

Ich wünsche Euch auch alles Gute und ein schönes Wochenende.

LG,

Alex
Mace
Beiträge: 74
Registriert: 22. Jan 2006, 14:47

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von Mace »

Hallo Alex,

danke für deine Aufrichtigkeit. Nun ja, meine Gefühlswelt ist auch eine Achterbahn: Die geringsten Anlässe können mich aus der Bahn werfen. Dann gibt es wieder Momente, in denen mich starke Impulse kräftig und unverwundbar scheinen lassen. Mir gefallen diese Impulse sogar. Sie geben meinem Leben eine gewisse Turbulenz. Auf die tiefen Ausschläge nach unten würde ich allerdings gerne verzichten. Meine Therapeutin meinte, dass man sich auch in die Depression zurückzieht, weil einem dieser Zustand vertraut ist. Gewissermaßen ein Ausblenden der harten Realität. Bis vor kurzem war ich so relativ unbeschwert, was wohl gerade mitauslösend war. Das Leben kommt mir nun oft so unendlich kompliziert vor. Ich kann daran wachsen oder längerfristig zugrunde gehen.

Natürlich kann auch ich nicht alle belastenden Umstände ausschalten und das hat auch einen Sinn: Training des und für das Leben.

Musik gibt mir unendlich viel Halt und Genuss. Freunde waren in meinem Falle auch nicht abwehrend, im Gegenteil. Aber wie du auch, will ich sie nicht belasten, denn es ist für sie ohnehin schwer nachzuvollziehen.

Viele Grüße

Mace
adrogena
Beiträge: 6
Registriert: 25. Okt 2006, 12:53

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von adrogena »

Hallo Alex,

du sprichst mir aus der seele, es geht mir ganz genauso schlecht und fühle mich sehr alleine damit. ich habe meine therapie beendet und seit dem geht´s mir auch wieder schlechter. ich überlege mir jetzt auf medikamente umzusteigen. hast du es schon mal versucht?
ich glaube in dir steckt sehr viel kraft und lebensenergie, ich glaube du bist neugierig auf die Welt, du willst leben und die welt umarmen. aber die depressionen sind wie eine rieseig mauer.
vielleicht kannst du sie dann überwinden
Grenzgängerin
Beiträge: 618
Registriert: 25. Mär 2005, 23:44

Re: Immer alles zusammen

Beitrag von Grenzgängerin »

Hallo olympia,

es tut mir leid, dass es Dir auch nicht gut geht.

>ich überlege mir jetzt auf medikamente umzusteigen. hast du es schon mal versucht?

Ja, wie ich finde jede Menge in den letzten 4 Jahren und mir reichts. Ich bin von Anfang an kein Fan davon gewesen und wirklich supertoll habe ich mich mit keinem gefühlt. Es hat mich immer belastet, jeden Tag ein Medikament nehmen zu müssen und ich glaube auch, dass einem viel positives entgehen kann, wenn man AD einnimmt. Es ist meine ganz persönliche Empfindung, dass man damit vielleicht weniger unglücklich und "stabiler" sein kannst, aber eben auch nicht glücklich.
Letztes Jahr im Sommer ist es mir sehr gut gegangen. Ich habe mich wirklich glücklich gefühlt, hatte eigentlich immer ein Lächeln auf den Lippen. Ich habe so viele schöne Dinge wahrgenommen, die einem in der Depression entgehen. Das war toll. Und ich glaube einfach nicht, dass ich so mit einem AD hätte empfinden können.

Aber wie ich geschrieben habe: das ist meine persönliche Empfindung und Erfahrung. Ich bin mit den Jahren immer kritischer geworden, was es AD und andere Psychopharmaka betrifft. Viele andere hier im Forum haben aber auch sehr gute Erfahrungen mit AD gemacht, nehmen sie schon lange und fühlen sich gut damit. Wenn Du noch nie welche genommen hast und es Dir schlecht geht versuch es doch mal. Vielleicht ist es für Dich das richtige.

Ich habe das Gefühl, mein Weg ist es (zumindest zur Zeit) nicht.

Liebe Grüße,

Alex

P.S.: ich war heute endlich mal wieder klettern und jetzt wird gleich noch lecker gegessen!
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