Kognitive Fehler bei Depressionen!

Regenwolke
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Anke,

ich habe gerade Deine Frage an mich gelesen, muß aber jetzt gleich weg, deshalb werde ich erst morgen antworten können.

Lieben Gruß schonmal vorab,
Regenwolke
Denker
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Denker »

Hallo Anke,
ein interessanter Punkt, den du da ansprichst. Hab gerade mal überlegt, wie das bei mir so war mit den negativen Gedanken.
Also gegen so typische Depri-Gedanken wie "hat doch sowieso alles keinen Zweck" oder "meine Frau wäre besser ohne mich dran" helfen die Medis bei mir. Nicht aber gegen Gedanken vom Typ "ich bin klein, dumm, hässlich, unfähig". Da bringt es schon viel eher die VT. Für mich ist die Kombi daher genau das richtige!
Gruß
Denker
Regenwolke
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Regenwolke »

Liebe Anke,

die Kritikpunkte an der Kognitiven Therapie, die ich oben genannt habe, hatte ich aus dem Studium noch so grob im Hinterkopf, und hab sie dann bei Wikipedia (unter dem Schlagwort Kognitive Therapie) schön aufgelistet gefunden und der Bequemlichkeit halber hier reinkopiert. Über den zitierten Herrn (oder Frau?) Teasdale weiß ich leider nichts, wußte auch vorher nicht, daß diese Kritik von ihm/ihr stammt. Wobei ich davon ausgehe, daß andere Forscher Ähnliches formuliert haben. Probleme wie: "bestimmt das Denken die Gefühle oder umgekehrt?" oder "ist die Depression Ursache oder Ergebnis eines veränderten Hirnstoffwechsels" sind ja beliebte wissenschaftliche Fragestellungen, und dazu gibt es auch immer unterschiedliche Positionen, die entweder eher die eine oder die andere Sicht betonen, oder etwas dazwischen. Soviel ich weiß, ist da immer noch viel Diskussion im Gange und eine endgültige Antwort nicht in Sicht.

Ich selbst gehe davon aus, daß sich in solchen entweder-oder-Fragen eigentlich immer nur verschiedene "Seiten einer Medaille" spiegeln. Das Erleben des Menschen ist ganzheitlich, Wahrnehmen, Denken und Fühlen sind komplex miteinander verknüpft. Ob man z.B. Gedanken oder Gefühle an den Anfang der Kette setzt, ist m. E. eine "Henne-Ei"-Frage, beides ist eben gleichzeitig und verbunden. Das bedeutet auch, daß man bei den Gedanken ansetzen kann, um etwas zu verändern, aber auch bei den Gefühlen.

Meine Erfahrung ist, genau wie Deine, daß zu manchen Zeiten das depressive Erleben einfach weg ist und meine Gedanken von allein völlig anders sind, als in depressiven Zeiten. Da ich Medikamente gar nicht vertrage, kann ich dazu nichts sagen, aber ich kann mir gut vorstellen, daß das depressive Erleben (d.h. Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle) verschwindet, wenn die Medikamente gut wirken, das beschreiben ja auch viele. Die AD greifen in den Hirnstoffwechsel ein, d.h. eine Veränderung des depressiven Erlebens geht offenbar mit einer Veränderung des Hirnstoffwechsels einher. Das heißt aber nicht, daß das nur durch Medikamente bewirkt werden kann, man kann auch durch therapeutische Arbeit am Erleben etwas verändern (dadurch würde dann wiederum gleichzeitig die Hirnchemie beeinflußt).

Warum Dir die Psychotherapie nicht geholfen hat, kann ich leider nicht sagen. Früher gab es ja mal die Einteilung in "endogene" und "neurotische" Depressionen, erstere galten im Gegensatz zu letzteren als konstitutionell bedingt und nicht durch Lebensereignisse ausgelöst. Man hatte die Vorstellung, daß solche endogenen Depressionen nicht so besonders auf Psychotherapie ansprechen, eher auf Psychopharmaka, während bei neurotischen Depris auf jeden Fall Psychotherapie erfolgen sollte. Mittlerweile wird diese Unterteilung nicht mehr getroffen, aber vielleicht war da doch was dran? Es gibt jedenfalls sehr unterschiedliche Formen und Verläufe von Depressionen und ich glaube schon, daß Psychotherapie manchen Patienten leider wenig hilft. Es kann natürlich auch an anderen Sachen gelegen haben. Wie hast Du denn die Therapien empfunden? Hast Du eine Idee, warum die Therapien nicht geholfen haben?

Mir hat Psychotherapie schon geholfen, aber leider bisher nicht anhaltend. Ich habe TFT gemacht, in der Klinik auch Körper- und Kunsttherapie, und früher mal Gesprächspsychotherapie nach Rogers. Nach der Gesprächspsychotherapie vor Jahren ging es mir lange Zeit ganz gut, bis ich mich durch schwierige Lebensumstände, aus denen ich mich lange nicht befreien konnte, wieder sehr weit nach unten manövriert habe. Und nach wie vor bin ich oft sehr traurig, habe existentielle Ängste und Probleme, mein Leben in stabile Bahnen zu lenken. Ich glaube, daß meine bisherigen Therapien zwar etwas bewirkt, manche wichtigen Punkte aber gar nicht berührt haben. Weil ich mich gut in den Beschreibungen von Traumapatienten wiederfinde und mit den entsprechenden therapeutischen Ansätzen auch viel anfangen kann, bin ich jetzt auf der Suche nach einer Traumatherapeutin und setze da viel Hoffnung rein.

Ich wünsch Dir viel Glück, daß Du auch einen guten Weg für Dich findest. Daß die Medikamente Dir helfen, ist doch schonmal was! Ich hoffe, ich konnte Dir mit der Antwort etwas weiterhelfen, sie ist schon wieder so theoretisch geworden, das passiert mir bei Psycho-Themen leider immer schnell.

Liebe Grüße und schönen Tag,
Regenwolke
schatzi
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von schatzi »

Oft erscheinen mir bestimmte Meinungsäußerungen in Bezug auf Psychotherapie und Medikamente gegebenermaßen depressiv gefärbt.

Was nun wie und wann geschieht, unbewußt oder bewußt, Gedanken und Gefühle sind doch eigentlich immer dabei!

Jemand nimmt 20 kg ab, jemand hört mit dem Rauchen und dem Trinken auf, jemand stoppt seine Depressionen..... diese Willensbildungen werden eindeutig klar beeinflußt, durch Gedanken die wir denken.

Da wir bei allen Depressionsforschungen der letzten Zeit, immer wieder auf Hirnbotenstoffe stossen, ist die alte Traumathese von Freud und Neurobiologen der Neuzeit Faktum.

In der frühen Hirnentwicklung, leider durch Streß oder Trauma erzeugte Hirnschädigungen, legten den Grundstein für eine lebenslange Vulnerabilität bzw. Verletzbarkeit.

In diesem Zusammenhang möchte ich verweisen auf Tierversuche von Pawlov und Seligman.
Letzterer hat klar bewiesen, daß wir Hilflosigkeit erlernen können.

Übersetzt: Wenn wir es z.B. nicht schafften, in der Kindheit uns von bestimmten schweren Ereignissen zu distanzieren, Abwehrsuche scheiterten, wir sodann leider mehr erlernte hilflose und ungeeignete Versuche im Laufe des Lebens bei Trauma ähnlichen oder schwersten Belastungen starten.

Ich lese immer häufiger von Therapien mit Musik, Tanz, Kunst, Gestalt usw. usw., aber wenig über gezielt trainiertes effektives nachhaltiges Gedankentraining.

Von vielen Freunden höre ich, "ich lasse einfach solche Gedanken, die Depressive denken, nicht zu"!

Klingt logisch und muß wohl daher sehr effektiv sein.

Mittlerweile ist bewiesen, daß sich bei ge- und veränderten Denkweisen, speziell bei kognitiver Verhaltentherapie, sich unter Sichtbarmachung (MRT) neue neuronale Hirnverbindungen bilden.

Und hier ensteht ein Umschluß zu meinem Thread.

Was ist ausschlaggebend für depressive Gefühle?
Wer war in welcher Reihenfolge zuerst da, das Trauma, der Botenstoff, der Gedanke oder die Depression?

Grüße

bohneberger

_____________________________________________
"Pessimisten küßt man nicht" - Learned Optimism (1990) - Prof. A. Seligman (amerik. Sozialpsychologe)
Cookie
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Cookie »

Hallo Leute!
Ich bin zwar nicht so intellektuell, gebildet und informiert über die neueste Gehirnforschung wie Ihr, wollte aber mal eben meine eigene Erfahrung mit Gedanken und Gefühlen zum besten geben.

Ich habe zwar auch diese negativen Gedanken vom Schlage "Ich bin nichts wert", aber ich habe von Kindheit an versucht, dagegen an zu denken. Immer wieder habe ich verzweifelt gedacht, das stimmt doch nicht, ich bin genausoviel wert wie ganz normale andere Leute, ich seh gut aus, gestern fand ich mich noch schön, es gibt viele schöne Dinge in meinem Leben etc. Das hat mir aber gar nichts geholfen, weil ich es nicht FÜHLEN konnte.

Also, MEINE Depression lässt sich durch Gedanken nicht beeinflussen, sie macht sich in meinen GEFÜHLEN breit.

Wie oft lag ich morgens im Bett und mein Gehirn stammelte: "Ich habe zwei gesunde Beine, ich MUSS aufstehen können. Ich bin NICHT gelähmt." Und trotzdem war mein Körper für Stunden an die Matraze geklebt
und ich konnte erst aufstehen, wenn es vorbei war.

Ich sitze am Fenster und weine. Die Sonne scheint und die Blumen blühen. Ich WEIß, dass das schön ist und weine, weil ich es nicht FÜHLEN kann. Bohneberger, erklärst du mir das? Bitte!

Schöne Grüße
cookie
schatzi
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von schatzi »

Hi,

Zustandekommen von Gefühlen: Alttagskonzept

A Eine Person nimmt ein Ereignis wahr.

B Eine Person hat Gefühle und legt
Verhaltensweisen an den Tag, die eine
logische Konsequenz des Ereignisses sind.

Zustandekommen von Gefühlen nach Rational emotivem Konzept:

A Eine Person nimmt ein Ereignis wahr.

B Eine Person macht sich Gedanken über das
Ereignis.

C Eine Person hat Gefühle und legt
Verhaltenweisen an den Tag, die logische
Konsequenzen der Gedanken über das
Ereignis sind.

Also sitze ich am Fenster, die Sonne scheint und die Vöglein zwitschern und ich weine trotzdem, liegt es an den Annahmen und Einstellungen, Interpretationen und Bewertungen mit und über diese Situation.

Das Ereignis an sich kann mich nicht ausschließlich glücklich machen, außer ich denke glücklich darüber.

Erklärbar mit der Spinne:

A Wahrnehmen einer Spinne
B Bewertende Gedanken
Spinnen sind gefährlich
Spinnen sind schrecklich
Spinnen sind häßlich etc.
C Angst

Wir ekeln uns z.B. vor Spinnen obwohl diese noch nie jemandem etwas angetan haben.

Grüße

bohneberger

____________________________________________
Denke lieber was du willst. Seneca
Yogi66
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Yogi66 »

Hallo Schatzi,
Spinnen sind nützliche Tiere.
Sie vertilgen andere Insekten.

MfG. Yogi.
freebird
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von freebird »

Hi Yogi,

und trotzdem gibt es Menschen mit einer Spinnenphobie...auch wenn sie über die Nützlichkeit der achtbeinigen Krabbler wissen.

Gruß
Freebird
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
balduin.cruchot
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von balduin.cruchot »

Nein, Bohnenberger, das ist doch genau das Problem (ich will Cookies Aussage nicht für mich vereinnahmen, aber mir geht es genauso): ich sitze am Fenster. Die Sonne scheint. Die Vögel singen. Ich bin traurig. Ich frage mich: warum bin ich traurig? Es ist doch ein wunderschöner Tag. Die Vögel singen. Die SOnne scheint. Normalerweise macht mich sowas froh. Ich WEISS, dass mich diese Dinge normalerweise froh machen. Aber in der Depri-Phase bleibe ich trotzdem, traurig, da kann ich mir das Hirn mit positiven Bewertungen verrenken, soviel ich will. Das ist doch genau das Problem!

Gruß
Anke (die grade wieder stabil ist und sich an der Sonne und den Vögeln draußen freut...)
schatzi
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von schatzi »

Ja, ist nicht ganz einfach zu verstehen, aber wenn ich meine irrationalen Grundannahmen verändern kann, dann kann ich auch meine Depressionen erzeugenden Gedanken verändern.
Wir sprechen hier nicht von jedweden Verrenkungen, "schön positiv zu denken", weil das hat damit garnichts zu tun.
Außerdem ist Übung und Training wie ein Marathonläufer erforderlich.
Mal soeben einen Spruch aufzutun und schwupps ist also alles verschwunden, ist nicht machbar.
Ich habe es mit einem praktischem Selbsthilfe-Trainingsprogramm(*) versucht, es aber nicht geschafft, alleine meine Grundannahmen aus der Kindheit effektiv zu torpedieren.
Da ich von dieser kognitiven Verhaltenstherapie sehr überzeugt bin, nehme ich gerade an einer Psychotherapie-Studie an der Universität Bochum teil, die mir bereits nach kurzer Zeit klipp und klar aufzeigt, wo ich in meinem speziellen Störungsmodell anzusetzen habe.
Meine Grundannahmen sind leider entstanden zu einer Zeit, in der ich leider keine andere Wahl hatte so zu denken, zu fühlen und zu handeln.
Heute als Erwachsener habe ich sehr wohl die Alternative mich anders zu entscheiden um hierdurch andere Gefühle und ein anderes Verhalten zu erzeugen.

Grüße

bohneberger

_____________________________________________
*Literaturhinweise:
"Gefühle verstehen und positiv Verändern".
Lebenshilfebuch zur rational-emotiven Verhaltenstherapie. Dieter Schwartz (2002)
Deutsches Institut für REVT e.V. Eisingen

"Training der Gefühle" - Wie Sie sich hartnäckig weigern, unglücklich zu sein.
Albert Ellis (1988)
Regenwolke
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Regenwolke »

Ich erlebe es genauso, wie auch einige andere schreiben, in einem depressiven Zustand nützt eine Veränderung des Denkens bei mir gar nichts (auch nicht, wenn ich es wieder und wieder versuche), das Denken ist einfach von dem Zustand total abgekoppelt, die Sätze sind nur Worthülsen, die keine Bedeutung mehr haben. Mir hilft dann am besten Musik (hören, und wenn ich kann, selber machen) und Kontakt zu nahen Menschen. Beides hilft mir übrigens auch langfristig, so daß ich daran arbeiten muß, dem regelmäßig Raum zu geben.
Gerade mit dem rational-emotiven Ansatz von Ellis kann ich gar nichts anfangen. Was solls.
Ich würde jedenfalls daraus nicht ableiten, daß Musik und Kontakt d i e Allheilmittel für Depressionen sind. Und wenn jemandem die RET hilft, ist das doch prima! Also warum, bohneberger, kannst Du nicht einfach mal anerkennen, daß anderen was anderes hilft? Und daß Ellis und Co. auch nicht die Wahrheit gepachtet haben, auch wenn der Ansatz für Dich gut und überzeugend ist?

Anke, ich finde es ein bißchen schade, daß Du gar nichts mehr zu meinem Posting oben (bzw. meine Fragen an Dich) gesagt hast, ich hab ziemlich lange an dieser Antwort auf deine Frage gesessen und habe jetzt das Gefühl, damit irgendwie ins Leere gelaufen zu sein.

Gruß,
Regenwolke
rajo1
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von rajo1 »

hallo,

ich kenne beides.

In einer depressiven Verstimmung kann man nicht mehr rational denken.

Es geht um ein Training wie Bohneberger schreibt.

Bestimmte Denk- und Verhaltensweisen sind uns in der Kindheit übertragen bzw. anerzogen worden.

Es geht darum, eine depressive Verstimmung bzw. wenn es zum Dauerzustand wird, dann eine schwere Depression, zu vermeiden.

Ich denke, das könnte ein Lösungsansatz sein.

Vorbeugen ist besser als Heilen.
Leider lassen wir allzuoft das Kind erst in den Brunnen fallen. Das gilt für körperlich wie für psychsche Krankheiten.

Wie vermeide ich eine Erkältung?

Wie vermeide ich Herz- und Kreislauferkrankung?

Wie vermeide ich Vitamin C Mangel?

Indem ich beizeiten etwas tue, abhärten, trainieren und gut und vielseitig ernähren.

Wie vermeide ich Stress? um einer Depresdsion zu entgehen( zumindesten dann, wenn ich mir bewusst bin, dass ich anfällig bin)?

rajo
balduin.cruchot
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von balduin.cruchot »

Regenwolke, sorry, ich wusste nicht, dass Du auf Antwort wartest, da das von Dir Geschriebene ja für sich sehr schlüssig ist und Dir offenbar auch ganz klar ist. Ich denke immer noch darüber nach bzw. finde mich darin wieder - wie Du auch am Verlauf der Diskussion erkennst. Die Huhn-oder-Ei-Frage hat bei mir sogar mal dazu geführt, dass ich mich gefragt habe, ob meine "schreckliche Kindheit" eigentlich wirklich eine schreckliche Kindheit war (und damit auch zu Depression geführt hat), oder ob ich sogar als Kind schon depressiv war und Dinge als schrecklich aufgefasst habe, die eigentlich gar nicht so schlimm waren. Wobei ich diesen Gedanken wieder verworfen habe, weil mir im Gespräch mit Therapeuten und Freunden schon klar geworden ist, dass unserere Familienverhältnisse und der Erziehungsstil meiner Eltern nicht gerade dem Durchschnitt entsprechen.
Ich für mich habe mir nun zusammengereimt, dass diese Kindheitstraumata eben einen veränderten Hinrstoffwechsel zur Folge hatten. Ob ich den jemals wieder ins Lot kriege - also, so dass er ohne Medis wieder "normal" ist - weiß ich nicht. Ich hoffe es eigentlich, weiß aber eben nicht, welche Therapie das schaffen kann. TPT und VT haben es nicht geschafft. Oder ist es einfach so, dass diese Veränderungen nie mehr zu revidieren sind? Fragen über Fragen - wie gesagt, das Thema beschäftigt mich weiter und ich verfolge die Diskussion weiter sehr interessiert.
Nochmal danke für die Infos, Regenwolke und sorry für das Ins-Leere-Laufen-Lassen, das so nicht gedacht war.
Gruß
Anke
BeAk

Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von BeAk »

Lieber Bohneberger,

wenn ich keine irrationalen Grundannahmen habe, kann ich sie auch nicht bearbeiten, Du gehst davon aus, der jeder Depressive so geschrickt ist wie Du. Dem ist aber nicht so.
Zudem läßt sich ein Wachstum der Nervenverbindungen unter jeder erfolgreichen Psychotherapie nachweisen.

Auch wenn ich mich wiederhole. Die Therapie muß zum Depressiven und seiner Depression passen. Einen traumatisierten Depressiven wird die Verhaltenstherapie, so wie Du sie beschrieben hast, nichts nutzen, sondern nur die Traumatherapie.
Und eine Depression die Aufgrund mangelhafter Abgrenzung beruht, hielft die Tiefenpsychologie.
Bei in der Kindheit festgelegten falschen Grundannahmen ist die Verhaltenstherapie sicherlich heilend.
Regenwolke
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Anke,
auf Antwort gewartet hatte ich nicht, aber als ich gesehen habe, daß Du nochmal geschrieben hattest und zu meinem Posting nichts mehr gesagt, habe ich gedacht, Du hättest es vielleicht übersehen, oder es wäre Dir irgendwie zu lang und zu anstrengend gewesen. Ich mache mir (typisch!) oft Sorgen darüber, daß ich zu kompliziert und intellektuell schreibe. Jedenfalls schön, daß Du Dich jetzt so schnell noch gemeldet hast! Ich glaube selbst auch, daß ich - neben einer allgemein schwierigen familiären Situation - durch einige Erlebnisse (auch als Erwachsene) traumatisiert worden bin, und hatte, als ich angefangen habe, mich mit Traumatherapie zu beschäftigen, einen richtigen Aha-Effekt. Meine früheren Psychotherapien haben zwar insofern was gebracht, als daß ich freier, offener und auch mutiger dadurch geworden bin, aber es gibt so eine ganz tiefe Traurigkeit in mir, die hat sich nie geändert. Und auch meine ganze innere Ambivalenz und Gespaltenheit ist irgendwie nie besser geworden. Bei den traumatherapeutischen Techniken (einiges davon habe ich in dem Thread "Inneres Kind fordert" beschrieben) habe ich dann gemerkt, daß die ganz anders wirken, richtig an mich heran kommen, daß sich da wirklich etwas verändert. So ein Gefühl hatte ich vorher noch nie.

Bea, Du sprichst mir aus der Seele.

Liebe Grüße,
Regenwolke
schatzi
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von schatzi »

Hi,
meine Schilderungen über bestimmte Therapiearten, Krankheitsverläufe und dementsprechende Erfahrungen, können selbstverständlich nur für einen selbst oder Personenkreise dienlich sein, die aus diesen Mitteilungen Vergleichbarkeiten ableiten mögen.
Es solle nicht so erscheinen, hier einen Anerkennungsstreit führen zu wollen, weil vielleicht kontrovers geäußerte Meinungen persönlich aufgefasst werden können.

Durch genauere Darstellungen möchte ich auch Erfahrungen weitergeben, die dem einen oder anderen vielleicht eine Idee in dem Therapiedschungel aufzeigen mögen.

Es gibt genügend andere Therapien, die vielleicht bessere Lösungswege aufzeigen, von deren Heilungsaussichten ich gerne wesentlich mehr erfahren würde, als nur oberflächliche Randbemerkungen.

Ich glaube auch daran, daß viele Mitmenschen und Leser in diesem Forum Informationen über bestimmte Psychotherapieverfahren erhalten sollten um von vorn herein die für sich augenscheinlich ungünstigste ausschließen zu können.

Grüße vom flachen Niederrhein

bohneberger

_____________________________________________
Niederrheiner wissen nix, können aber alles erklären. H.D. Hüsch (+)
balduin.cruchot
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von balduin.cruchot »

Regenwolke, Du schreibst ja in der Tat intellektuell und ich musste mich beim Lesen wirklich konzentrieren - aber das ist ja nix Negatives (für mich jedenfalls nicht, ich schmneiß einfach meinen Gehirnschrittmacher an, und los geht's !)
Bei der TPT wurde mir auch gesagt, da sei einfach so viel Trauer von damals in mir, die ich verdrängt hätte, und die ich nun einfach durchleben müsse, um damit abschließen zu können. Klingt plausibel. Ich habe 4 Jahre lang fast nur geheult während dieser Therapie (damals noch ohne Medis), und gebracht hat es gar nix. Der Psychologe meinte am Ende der Therapie, als die Depris sich noch kein Stück gebessert hätten, es sei möglicherweise immer noch nicht genug geweint, das sei vielleicht alles so schrecklich gewesen, dass ich mein Leben lang darüber weinen müsste. Kann das sein? Wie auch immer, die TPT hätte ich mir so gesehen schenken können, Effekt war gleich Null. Und die VT hat mir auch nur geholfen, die Krankheit zu akzeptieren, nicht aber, die Symptome zu beseitigen. Nun denn, die Hoffnung stirbt zuletzt...
Grüße
Anke
BeAk

Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von BeAk »

Lieber Bohneberger,

hier die gewünsche Liste mit Therapiemethoden. Fang am besten oben an zu lesen, bei Freud. Dann hast Du die Grundlagen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_ ... gsmethoden


Mein Psychiater und Therapeut ist ein Vertreter von Carl Gustav Jung, allerdings wahrt er etwas mehr Distanz als dort beschrieben. Was mir ganz recht ist.
BeAk

Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von BeAk »

Lieber Bohneberger,

und hier eine Seite zur Traumatherapie.

http://de.wikipedia.org/wiki/Traumatherapie

Lieber Bohneberger, wenn Du Dich wirklich informieren willst, hast Du jetzt erst mal genung zu lesen , denke ich.
Regenwolke
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Regenwolke »

ja, den Satz "Sie sind voller Trauer und haben wohl immer noch nicht genug geweint" habe ich auch schonmal gehört, von einer VTlerin übrigens. Bei meinem letzten Klinikaufenthalt dagegen habe ich eher geübt, mich von starken Gefühlen zu distanzieren, sie ruhig zu betrachten, vorbeiziehen zu lassen, mir klar zu machen: ich habe jetzt dieses Gefühl, aber ich bin nicht das Gefühl, und wenn es vorbei ist, kommt auch wieder ein anderes. Ich glaub nicht mehr daran, daß man die Trauer einfach rausweinen kann und irgendwann ist dann sozusagen der Trauerbottich leer. Und es geht mir besser, wenn ich es schaffe, mir bewußt zu machen, daß es auch andere als traurige Gefühle in mir gibt. Ich gebe der Traurigkeit Raum, denn sie hat ihre Berechtigung, aber ich will nicht mehr, daß sie sich so ausbreitet, daß es mir vorkommt, als wäre dahinter kein Land mehr (passiert mir aber trotzdem manchmal).

Seit ich über Traumatherapie lese, interessiert mich eigentlich sowieso weniger die Frage, was zu meiner Depression geführt hat, als die, wie ich mich selbst stabilisieren kann. Ich habe nicht immer genug Kraft, aber ich versuche, in den Zeiten, in denen ich etwas auf die Beine kriege, möglichst viel zu tun, bei dem ich mich gut und stabil fühle. Das fällt mir oft schwer, ich vergesse meine Vorsätze immer wieder schnell und behandle mich dann selbst so, wie jemand, der ständig vergißt, seine Blumen zu gießen. Aber dann schaff ich doch wieder ein Stück, für mich zu sorgen, und ich hoffe, daß diese guten Gefühle und die Selbstfürsorge dann in meinem Hirn irgendwann zu einer dicken Autobahn werden

bohneberger, noch ein Wort an Dich. Ich neige ja selbst zum Theoretisieren , deshalb ist die Bemerkung, daß mir Deine Beiträge oft ziemlich abstrakt vorkommen, vielleicht aus meinem Mund etwas seltsam. Trotzdem, was Du schreibst, klingt für mich zum Teil ziemlich distanziert, so, als wäre ein depressiver Mensch wie ein kaputter Apparat, den der Therapeut-Mechaniker mit seinem Handwerkszeug reparieren kann, und dann läuft er wieder. Hört sich immer so ein bißchen technisch an, als ob nur das Objektive und Rationale zählt, und ich vermisse irgendwie die Gefühle dabei. So erfährt erfährt man auch nur wenig darüber, wie es Dir konkret geht, was Du selbst unabhängig von irgendwelchen Theorien über deine Depression denkst oder was die anderen Postings bei Dir auslösen. Bitte nicht als Kritik auffassen, es soll viel mehr eine Ermutigung sein, ein bißchen mehr von Dir zu zeigen.

Gute Nacht,
Regenwolke
Denker
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Denker »

Ja , Bohneberger, ich möchte das unterstützen, was Regenwolke schreibt. Ich wäre auch mehr an deinen ganz persönlichen Erfahrungen interessiert. Ich möchte gerne den Menschen spüren können, wenn ich so einen Thread lese.

Zur VT:
Mir haben in erster Linie die Medikamente aus der akuten Krise rausgeholfen. Die VT empfinde ich trotzdem als sehr hilfreich, wenn es darum geht, mich zu stabilisieren. Ein Beispiel: Eine meiner irrationalen Überzeugungen war, dass ich nicht das Recht habe, gut für mich zu sorgen, bestimmte Dinge zu tun usw. Heute weiß ich, dass ich jedes Recht der Welt habe, gut für mich zu sorgen. In der Konsequenz tue ich viel öfter Dinge, die gut für mich sind und diese Dinge sind meistens ausgesprochen antidepressiv!
Gruß
Denker
balduin.cruchot
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von balduin.cruchot »

Der Thread wird immer interessanter!
Ja, Regenwolke, das Bild mit dem Trauerbottich hat man mir ja auch lange Zeit vorgehalten, und es klang auch plausibel. Mittlerweile habe ich - wie schon ausgeführt - oft das Gefühl, dass dieser Trauerbottich eben nur dann bis zum Überlaufen gefüllt ist, wenn ich medikamentös schlecht eingestellt bin. Und dann frage ich mich, ob es eben wirklich nur ein chemisches Ungleichgewicht ist, dass den Bottich voll werden lässt.
Und wenn es nicht so ist, und da tatsächlich nun all die negativen Kindheitserlebnisse sind, die die Trauer verursachen: wer garantiert mir, dass ich jemals wieder ohne Trauer leben kann? Vielleicht habe ich so viel Trauriges erlebt, dass ich mein Leben lang weinen muss, oder dass ich mein Leben vielleicht wirklich nicht mehr leben will - aber diese Konsequenz will ich doch nun mal nicht ziehen! Ich will nicht bis ans Ende meines Lebens wegen meiner Kindheit weinen!

Manchmal frage ich mich auch, ob diese ganzen psychologischen Überlegungen überbewertet werden. Beim Magengeschwür sagte man auch lange Zeit, es sei durch Stress verursacht, also durch psychologische Auslöser. Nun weiß man, dass ein Bakterium eine entscheidende Rolle spielt. Ich will nun nicht sagen, dass Bakterien Depressionen auslösen (obwohl - warum eigentlich nicht?), aber vielleicht werden wir in 50 Jahren die ganze Sache viel mehr körperlich als psychisch betrachten?
Gruß
Anke
Denker
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von Denker »

@Anke
mag schon sein, dass Magengeschwüre von bakterien ausgelöst werden, aber man kann sich auf der anderen Seite auch fragen, warum diese Bakterien in unseren Magen gelangen konnten, warum sie sich erfolgreich vermehren konnten, warum unsere Immunabwehr damit nicht klar kam usw.

Gruß
Denker
balduin.cruchot
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Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von balduin.cruchot »

Denker: Ja, diese Frage ist sehr wichtig.
Weißt Du die Antwort ???

Versteh mich nicht falsch, ich will niemandem eine Psychotherapie ausreden. Ich versuche nur, für mich selbst herauszufinden, warum Psychotherapie eben manchmal nicht hilft.

Gruß
Anke
heike56
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Kognitive Fehler bei Depressionen!

Beitrag von heike56 »

Liebe Anke,

folgender Satz hat mich sehr angesprochen, weil er genau meine Erfahrungen ausdrückt:

...dass ich das Gefühl habe, die negativen Gedanken seien nicht Ursache, sondern Folge der Depri. Dass ich in Phasen, in denen ich medikamentös gut eingestellt war, diese "depressiven Gedanken" einfach nicht mehr hatte.

Ich erlebe es sehr ähnlich. Wenn die AD wirken sind Grübeleien, das Gefühl keiner mag mich und Antriebslosigkeit kein Thema mehr.
Aber wenn ich z.T. auch jahreszeitlich bedingt, wieder etwas schlechtere Phasen habe, kommen die Probleme wieder hoch.
Ich habe schon einige Therapien gemacht. Ich habe viel gelernt über mich, realistischer zu denken, Dingen eine passenderes Bedeutung beizumessen etc.

Aber all das ist wieder aus meinem Kopf verschwunden, wenn ich wieder etwas abrutsche. Der Zugriff auf diese Gedanken ist dann nicht möglich, selbst wenn ich sie mir vorlese. Ich kann keinen emotionalen Bezug mehr herstellen.

Ich habe das Gefühl, dass es zwei Persönlichkeiten in mir gibt (nein nicht in Form der Schizophrenie). Die lebendige, interessierte, aktive Person und dann die leblose, gleichgültige und mit wenig Antrieb.

Mir hat Psychotherapie geholfen besser mit mir umzugehen, mich zu schützen, selbstbewusster zu werden, aber an den Depressionen hat sie nichts geändert. Da sind die AD meine größte Hilfe.

Wenn Du von deiner jahrelangen Trauer berichtest, könnten das schon die Depression gewesen sein. Wenn unter den AD diese Symptome verschwunden zeigt das doch, dass es nicht so sein muß.

Ich habe auch von Psychotherapeuten gehört, die meinen diese langen, schweren Phasen hätten einen Erkenntniswert. Ich frage mich allerdings, sind sie vielleicht Ausdruck der Erkrankung.

Ich bin überzeugt, dass Depressive kognitive Fehler machen, aber ob diese Erkenntnis und das Lernen eines anderen Denkens, die Krankheit wieder zum Verschwinden bringt, kann wohl jeder nur für sich erfahren.

Wie schön, dass unsere Erfahrungen ähnlich sind.

Ich habe nicht den ganzen Thread gelesen und wollte speziel auf deinen Beitrag eingehen.

Bis Dienstag werde ich kaum noch online sein. Mein Rechner zu Hause ist kaputt.

Liebe Grüße

Heike 47


Schau auch mal unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Depression

Dort gibt es sehr interessante Informationen. Oder auch unter:

http://www.psychiatrie.de/diagnosen/depression/
Antworten