Wohin geht die Reise?

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Tyrell
Beiträge: 18
Registriert: 1. Okt 2006, 19:56

Wohin geht die Reise?

Beitrag von Tyrell »

Guten Abend,


Ich war bisher nur stiller Mitleser im Forum und wage es aber nun und möchte hiermit kurz auf meine persönliche Problematik eingehen:
Ich bin inzwischen über 30 Jahre alt, männlich, und leide schon seit mehreren Jahren unter einer bipolaren Depression. Klinikaufenthalt und medikamentöse Behandlung trugen bisher zu wesentlichen Verbesserung bei.
Und ja, Ich fühle mich aber viel besser und gestärkter, habe aber immer wieder diese Tiefs aus denen ich mich regelrecht herausquäle (ärztliche Begleitung habe ich). Ihr kennt das sicherlich. Eine Gesprächstherapie hat mir leider da auch nicht weiterhelfen können... Zur Zeit versuche ich es mit viel Sport
Ich könnte also meinen einigermaßen normalen Alltag wieder entgegensehen, bis auf den springenden Punkt: Mein seit Jahren hängendes und nichtvollendetes Studium.
Gerne würde ich es noch abschließen, da ich bis 2002 wirklich sehr erfolgreich meisterte und dann in der Prüfungsphase, bedingt durch die Depression, einfach aufgab, mich aber immer wieder zurückmeldete.
Seitdem hat sich leider auch beruflich leider nicht sehr viel weiterentwickelt, weil ich vor allem immer mein Studium abschließen wollte, dann aber immer vor einem Riesenberg voller Probleme stand, den ich nicht abtragen konnte.
Alles was mit dem Studium zu tun hatte war plötzlich unheimlich belastend („Das schaffst Du nicht...“) und ich sah nur negative Seiten. Leider habe ich mir bisher auch keine Hilfe geholt und bin auch ein wenig ratlos an welche Stellen man sich wenden kann, die einem ein bisschen unterstützend zur Seite stehen.(sozialpsychiatrischer Dienst?)
Trotz mehrfacher Versuche, konnte ich es somit bisher leider nicht beenden. Und trage somit ich diese Belastung noch heute mit mir herum.
Nun, da ich mich ein wenig stabiler fühle, wollte ich mal fragen, ob es hier den ein oder anderen gibt, der nach oder während einer Depression sein Studium beendet und sich eventuell auch Hilfe geholt hat, bzw. seine Krankheit bei Professoren offen angesprochen hat.
Welche hilfreichen Stellen gibt es überhaupt z.B. an einer Universität (ich studiere in Frankfurt), wo man sich als Depressiver Rat holen kann? Gibt es außer dem ärztlichen Beistand, Anlaufpunkte wo man sich evt. Unterstützung holen kann?
Interessieren würde mich noch, wie ihr es als depressiver Mensch geschafft habt, ein Studium oder eine Ausbildung zu beenden und welche Tipps Ihr für mich hättet?
Würde mich wirklich über jede Antwort freuen!

Gruß Woody
"Das schlimmste am alt werden ist die Erinnerung an die Zeit, in der man jung war.“ (Straight Story)
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Wohin geht die Reise?

Beitrag von Weltenwandlerin »

Lieber Woody!

erstmal herzlich Willkommen hier im Forum!

Ich studiere auch, inzwischen im 7.Semester. Und ich habe seit 13 Jahren bewusst Depressionen, mal mehr, mal weniger. Da mir mein Studium sehr wichtig ist und ich dafür viele Opfer bringen musste, habe ich es trotz allem immer irgendwie geschafft. Dosiertes fehlen, wenn es zu arg ist, mit Hilfe von unterstützenden Angeboten durch eine Beratungsstelle, Freunde etc. Manchmal hat es mir gerade gut getan, in die FH zu gehen, um mich anzulenken. Allerdings hatte ich auch eher selten wie du Zweifel an meinen Lern- Fähigkeiten. Eher, ob so jemand wie ich überhaupt Pädagogin werden darf.

Für mich stellt sich in deinem Fall als aller erstes die Frage: Was meinst du, wohin deine Reise geht? Möchtest du dein Studium wirklich beenden? Wenn du ganz klar und ehrlich ja dazu sagen kannst, dann würde ich mir Hilfe von der Studienberatung etc. holen. Sowas müsste es bei euch doch auch geben? Die können dir ggf.auch sagen, wo du dich noch hinwenden kannst (andere Beratungsstellen, Selbsthilfe Gruppen etc.).

Wenn die Antwort nein lautet, werden sich andere Wege eröffnen.

Was meinst du?

Ich wünsche dir viel Glück und Erfolg, egal welchen Weg du gehen wirst.

Liebe Grüße,
Mika

P.s.: Von wem ist deine Signatur? Klingt toll!
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Tyrell
Beiträge: 18
Registriert: 1. Okt 2006, 19:56

Re: Wohin geht die Reise?

Beitrag von Tyrell »

Liebe Mika,

Vielen Dank für die nette Begrüßung hier im Forum und die von Dir aufgeworfene Frage, ob ich mein Studium wirklich beenden möchte.
Dies kann ich mit einem klaren Ja beantworten, solange es mir gut geht. Habe ich eines dieser immer wieder auftretenden Tiefs befällt mich immer die Angst, dass ich es nicht schaffen könnte (der Riesenberg vor mir...) und ich betrachte nicht nur mein Studium als absolut sinnlos an, sondern mein ganzes Leben.
Es geht also mehr um die Furcht vor dem Durchfallen ( obwohl ich mein Vor-Diplom mit 1,0 gemacht habe)
Natürlich gehen diese Phasen auch mal wieder vorbei – Sie kosten doch immer eine Menge Energie und bringen mich immer wieder zum berühmt berüchtigten „Grübeln“. Meine Medikamente helfen da leider nur bedingt, obwohl schon einiges ausprobiert wurde. Zwar betreibe ich viel Sport, bin sozial integriert, aber das sind auch kein
Allheilmittel.
Heute morgen war ich bei meinem behandelten Arzt, der zusammen mit mir zu der Überzeugung kam, dass ich vielleicht zusätzlich noch eine Psychotherapie beginnen sollte, um mehr Stabilität in mein Leben zu kriegen.
Ich kann mich mit dieser Idee anfreunden, da ich jetzt jede Hilfe annehmen möchte, die mich auf meinem Weg zum Diplom begleitet.
Vielleicht wäre auch der sozialpsychiatrische Dienst eine Anlaufstelle? Eventuell hat hier im Forum schon jemand Erfahrungen damit?
Nochmals vielen herzlichen Dank für Deine Antwort Mika!

Liebe Grüsse
Woody

PS: Die Signatur sind mehrere Zeilen aus meinem Lieblingsfilm „Blade Runner“, der aus den 80er Jahren stammt. Darin wird u.a. die Frage aufgeworfen, was einem Menschen zum Menschen macht. Sind es seine Gedanken und Erinnerungen oder wie er handelt? Ein wirkliches Meisterwerk!
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Skylla
Beiträge: 179
Registriert: 14. Jul 2006, 15:53

Re: Wohin geht die Reise?

Beitrag von Skylla »

Hallo Woody,

auf deine Frage, welche Anlaufstellen es für dich an der Universität geben könnte: die Studentenwerke haben meist einen Hauspsychologen, der besonders mit Problemen, die während des Studiums auftreten (Prüfungsangst, Zweifel an der Studienwahl, mangelnder Anschluss, aber ganz sicher auch Depressionen) helfen können.

Ich war dort nur ein einziges Mal, da ich das Glück hatte ohne Wartezeiten bei einem externen Psychologen einen Therapieplatz zu bekommen, man kann aber auch häufiger dorthin gehen. Die Beratung dort ist (glaube ich immer) kostenlos.

Ansonsten gibt es in deiner Stadt doch bestimmt auch Selbsthilfegruppen und sozialpsychologische Dienste z.B. in kirchlichen Einrichtungen, schau dich mal um! Vielleicht gibt es auch eine übergeordnete Stelle, die Adressen von solchen Gruppen und Anlaufstellen verteilt?


Ich habe glücklicherweise nur leichte Depressionen, so dass mein Studium nicht zu sehr darunter leidet. Was den offenen Umgang damit angeht - das bringe ich leider (noch) nicht fertig. Ich glaube auch nicht, dass du viel Verständis ernten wirst, wenn du deinen Professoren davon erzählst. Wenn dich jemand auf deine "Auszeit" anspricht, würde ich sagen, dass du psychische oder gesundheitliche Probleme hattest, aber nicht ins Detail gehen.

Du schreibst, dass eine Gesprächstherapie dir nicht helfen konnte - was hattest du denn für eine Therapie? Vielleicht war es einfach nicht der richtige Therapeut für dich oder die richtige Therapieform...?

LG und viele guten Wünsche
Skylla
Weltenwandlerin
Beiträge: 677
Registriert: 9. Mai 2006, 13:19

Re: Wohin geht die Reise?

Beitrag von Weltenwandlerin »

Lieber Woody!

Na bitte, gerne! (Die Begrüßung).

Ich denke, eine Therapie anzugehen ist eine gute Entscheidung. Vielleicht stecken hinter deinen Depressionen wirklich Versagensängste etc. Ein Stück weit kenne ich das von mir. Die Vorstellung, schon bald Scheinfrei zu sein, also fast fertig, macht mich nicht gerade glücklich. Ich könnte mein ganzes Leben weiter studieren. Einsen schreiben kann ich auch sehr gut! Aber im "wirklichen" Berufsleben bestehen, als Psycho? Hilfe...

Ich drücke dir die Daumen bei der Therapeutensuche. Gib dir Zeit, den passenden zu finden.

Liebe Grüße,
Mika
Werden kennt kein Ende. Der Strom fließt weiter. Jeder Augenblick ist neu. Der Schmerz des Wachsens: der Mühen wert! (Bruno-Paul de Roeck)
Tyrell
Beiträge: 18
Registriert: 1. Okt 2006, 19:56

Re: Wohin geht die Reise?

Beitrag von Tyrell »

Hallo Ihr,

@Skylla: Vielen Dank für die Tipps, ich werde mich mal schlau machen, wer da für mich in Frage kommen könnte. Ich nehme wirklich jede Hilfe die ich kriegen kann!
Das mit der Offenheit werde ich wahrscheinlich so handhaben, dass ich nur gesundheitliche Gründe für meine Auszeit nennen werde. Bei näherer Nachfrage, kann man immer noch darauf eingehen.
Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, was das für eine Gesprächtherapie sein sollte.
Ich erzählte und er hörte die ganze Zeit zu und sagte dann: Die 50 Minuten sind um...
Das war eigentlich alles. Ich hätte mir da mehr Kommunikation gewünscht, oder ein besseres nachfragen. So lief es irgendwo ins Leere... . Auch als ich es ansprach, reagierte er eher beleidigt. Für mich also leider die falsche Therapie.

@Mika: Ja, Versagensängste könnten daran beteiligt sein. Ich stelle mir, vor allem in den schlechten Phasen, immer alles so schwer vor und dass ich nach dem Studium noch keine besondere berufliche Perspektive im Auge habe, erschwert es zusätzlich.
Aber ich bin froh, wenn das Studium dann endlich fertig sein sollte. Mal schauen wie Wir Uns als Psychos so durch die Arbeitswelt schlagen...
Ich hatte übrigens heute einen Termin beim Therapeuten, der tiefenpsychologisch arbeitet und der mir sehr symphatisch war, zwar noch jung, aber er stellte Fragen, die mir die Zuversicht geben, dass er sein „Handwerk“ versteht. Natürlich ist seine Warteliste lang, aber ich blieb da mal am Ball!

Danke nochmals an Euch beide für die Antworten. Es tut wirklich gut, wenn einem jemand hier im Forum antwortet.

Liebe Grüsse
Woody
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