Depression belastet die ganze Familie

waltraut
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Depression belastet die ganze Familie

Beitrag von waltraut »

liebe katrin, es ist nicht einfach,auf deinen brief zu antworten.ich habe nicht genau verstanden,was dich an dem Satz deines Vaters über den Alltag so aufgebracht hat? Daß er es als trostlos hinstellt? und was tut er deiner mutter (abgesehen von der krankheit)? Du sagst,es ist nicht schlimm,wenn er im Bett ist,und daß er nur stumm dasitzt,wenn er bei euch ist. Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Es drückt furchtbar auf die Stimmung von allen. Aber sieh es so: dein Vater braucht den Rückzug,aber er macht tapfer Versuche,sich zu integrieren,kann es aber noch nicht. Es ist aber ein wichtiger Schritt,daß er überhaupt zu euch kommt,und wenn ihr es könnt,solltet ihr ihn darin unterstützen. Das bedeutet,ihn freundlich,aber ohne viel Aufwand begrüßen,und ihn einbeziehen,ohne ihn zu drängen.Und ihn wieder gehen lassen,wenn er es möchte. Ich weiß,es ist sehr sehr schwer. Ich kann es selbst bei meiner Mutter sehr schlecht. Mein Mann kann es bei mir viel besser. Aber wenn dein Vater spürt,daß ihr ihn so annehmt,wie er im Augenblick ist,kann er schneller gesund werden. Es ist absolut möglich,daß deine Eltern wieder gut zusammen leben. Und wirf dir nicht vor,daß du sauer bist. Das ist ganz natürlich. Ich vergleiche das Ganze manchmal mit Alzheimer. Du stehst vor einem geliebten Menschen. Er erkennt dich nicht. Das tut furchtbar weh. Obwohl du genau weißt,daß es die Krankheit ist,bist du wütend!! Lieben gruß Waltraut
xayide
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Beitrag von xayide »

Liebe Waltraut, vielen Dank für Deine Antwort. Das, was mich an dem Verhalten meines Vaters so verletzt (und auch an diesem Satz), ist nicht, daß er mein Leben als trostlos darstellt, sondern es macht mir klar, wie schwer ihm sein Leben fällt und vielleicht schon immer gefallen ist. Ich möchte es mir immer ausreden, aber ich hab ihn doch lieb, und das macht alles noch schwieriger. Ich kann ihm nicht helfen und diese Krankheit nicht verstehen. Es ist so wie Du schreibst, er scheint mich nicht zu kennen. Sein Weihnachtsgeschenk ist wieder einmal voll daneben gewesen, ich kann mich nicht darüber freuen, will ihm meine Enttäuschung aber auch nicht zeigen, weil ich ihn nicht verletzen will. Ich komme mir sehr hart und herzlos vor, aber ich kann das nicht, was Du schreibst. Er ist seit fast acht Jahren in dieser Depression, und es wird höchstens für einige Wochen zwischendurch besser. Ich kann meinen eigenen Vater nicht so respektieren wie ich es mir bei einem Vater vorstelle. Er soll doch Vorbild sein und stark. Statt dessen habe ich ihn in dieser Zeit weinend und vor mir auf dem Boden liegend erlebt, er hat mich sogar aufgefordert, ihn zu schlagen. Ich weiß, er ist krank, aber seine Stimmung macht uns krank! Auch wenn das herzlos klingt. Ich muss mich einfach etwas distanzieren, ich kann das nicht, was einige von Euch anderen tun - für den anderen dasein! Ich habs versucht, es geht nicht. Es tut nur noch weh, und ich muss auf mich aufpassen. Dann lieber jetzt egoistisch sein als vielleicht später einmal selbst depressiv werden, die Anlagen sind auf jeden Fall da. Ich möchte so gern auch für andere Menschen da sein, merke aber, daß ich dafür momentan keine Kraft habe. Ich hoffe, ich nerve Euch mit meinem egoistischen Schreiben nicht. Vor allem Dich, weil Du Dich immer so lieb um alle anderen kümmerst, Waltraut. Find ich wirklich toll!!! Ganz liebe Grüße, Katrin
lara
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Beitrag von lara »

Hallo Waltraut, Es ist gut deine Sicht zu hören, da du beide Seite kennst. Ich frage mich oft was meine Mutter fühlt und auch wenn ich mich richtig anstrenge kann ich es nur erahnen. Im Moment fällt es mir schwer mich abzugrenzen, da es ihr gerade sehr schlecht geht. Ich probiere die Sorge um sie zu vergessen,wenn ich wieder in meinem Leben bin. Das ist nicht leicht,oft habe ich auch das Bedürfnis mit Freunden zu reden, so daß sie doch oft präsent ist. Meine Stimmung ist deswegen auch nicht gerade toll. Manchmal kann ich einfach nur heulen, weil sie mir leid tut und weil ich mir selber leid tue. Andererseits merke ich, daß ich ihre Nähe direkt suche, um nicht das Gefühl zu haben nichts zu tun. Meine Gefühle sind ganz schön ambivalent. Meine Mutter ist auch ein Mensch, der glaube ich selten im Leben an sich gedacht hat und sich wenig selbst gepfegt hat. Vielleicht ist die Depression wirklich eine Möglichkeit das Nachzuholen. Ich hoffe nur sie lernt auch im wirklichen Leben an sich zu denken. Das sollten wir auch alle tun und uns dabei gut fühlen. Du scheinst eine sehr vertraute Beziehung zu deinem Mann zu haben. Ich glaube es ist wichtig einen Menschen zu haben der die Brücke zur Wirklichkeit darstellt. Ich bin froh das mein Vater sich so einfühlt. Ich mache mir aber auch sorgen um ihn. Ich glaube, daß er sich ganz schön überfordert fühlt. Ich hoffe, daß er stark genug ist sie zu stützen. Also, ich hoffe das es dir gut geht und denk vorallem ganz viel an dich selbst. liebe Grüße Lara
lara
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Beitrag von lara »

Hallo Katrin, Du solltest dich auf keinen als kaltherzige Egoistin ansehen. Wenn du das Gefühl hast "verschlungen" zu werden, dann mußt du dich erstmal selbst retten. So hart das klingt. Wir haben alle unser eigenes Leben unabhängig von der Familie und der Krankheit. Wie geht deine Schwester eigentlich damit um? Mir tut es sehr gut mit meiner Schwester darüber zu reden. Bei Mutter ist es in dem Sinne anders, daß sie sich uns gegenüber sehr zusammenreißt. Ich kenne aber auch das Gefühl,daß sie doch meine Mutter ist und die Starke sein müßte. Das Bild von der Familie stimmt in gewisser Weise nicht mehr und es fällt mir auch sehr schwer das zu akzeptieren. Vielleicht sollte man probieren dieses andere Bild anzunehmen und das Traditionelle zu vergessen. So ist man nicht immer wieder selbst enttäuscht und vielleicht fällt dann von deinem Vater auch ein gewisser Druck ab. Ich hoffe sehr das du die Kraft findest Abstand zu gewinnen. Fühl dich auf keinen Fall schlecht. Es ist gut, wenn man seinem Gefühl nachgeht. Alles Liebe und eine Gute Nacht! Lara
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Hallo Katrin und Lara, mir tut es auch gut,mit euch darüber zu reden. ich finde mich meiner Mutter gegenüber mindestens so herzlos wie du Katrin es meinst zu sein. Aber Lara hat recht,wenn wir selbst vom Umfallen bedroht sind,können wir anderen keine Stütze sein Ich glaube,das was es uns so schwer macht,Ist der Gedanke,den Katrin äußert "Er soll doch Vorbild sein und stark". Wir können nicht verkraften,daß die Eltern nicht so stark,gut und verläßlich sind wie wir es sehen möchten und wie wir es brauchen. Es ist dieser schwere Moment,wo wir auf diese Stütze verzichten müssen und lernen müssen,uns selbst Vater und Mutter zu sein. Und erst dann können wir uns aus der Distanz heraus um die kranken Eltern kümmern,soweit es mit unserem eigenen Leben vereinbar ist. ich bin noch nicht so weit,aber wie es Christoph so schön ausgedrückt hat,ich habe angefangen,die Treppe hinaufzusteigen. Lieben Gruß Waltraut
xayide
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Beitrag von xayide »

Liebe Lara, liebe Waltraut, danke für Eure Reaktionen! Sie entlasten mich etwas. Lara, Du fragst, wie meine Schwester mit der Situation umgeht. Sie leidet seit über drei Jahren an Angstzuständen und arbeitet seit langer Zeit daran in der Therapie. Die jetzige scheint etwas zu bringen, es kommt vieles in Bewegung bei ihr. Mein Vater scheint eine große Rolle dabei zu spielen. Ja, es tut mir auch gut mit meiner Schwester zu reden. Sie kennt die Situation ja auch, außerdem ist sie nur ein Jahr jünger und wir haben uns in der schlimmsten Zeit sehr aneinander geklammert. Irgendwann hatte ich jedoch einen sehr guten Freund, zu dem ich oft geflüchtet bin - und sie war allein. Im Nachhinein tut mir das sehr leid, weil das sicher mit zu ihren Schuldgefühlen für die schlechte Beziehung meiner Eltern beigetragen hat. Wir hatten dann große Probleme miteinander. Aber jetzt sind wir sehr gute Freundinnen und können gut miteinander reden. In unseren Gesprächen sind wir schon oft zu dem Ergebnis gekommen, daß wir die gleichen Probleme haben, die sich nur unterschiedlich äußern. Sie ist die, die in ihren Augen nichts schafft, ich dagegen alles. So ist es gar nicht, aber sie empfindet das so. Vielleicht liegt das daran, daß ich die ältere bin und wohl auch immer die typische große Schwester war. Lara, ist Deine Schwester älter oder jünger? Der Gedanke, daß unser größstes Problem wirklich die "schwäche" unserer Elternteile ist, finde ich immer besser je länger ich darüber nachdenke. Ich hätte so oft das Bedürfnis, einfach zu meinen Eltern zu fahren und dort Hilfe zu bekommen, wenn ich mit meinem eigenen Leben überfordert bin. Daß ich einfach ein bißchen von ihrer Lebenserfahrung profitieren kann. ABer irgendwie geht das nicht mehr. Wahrscheinlich müssen wir wirklich unsere eigenen Vater und Mutter sein. Aber das erfordert so viel Kraft. Erwachsensein ist so schwer. Manchmal würd ich gern wieder Kind sein und alle Verantwortung abgeben. Andererseits möchte ich meine Freiheit nicht aufgeben. Aber das geht jetzt zu weit! Viele liebe Grüße, Katrin
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Hallo Katrin und Lara, wie geht es euch,es ist so still hier geworden. Lieben Gruß Waltraut
xayide
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Beitrag von xayide »

Hallo Waltraut, hallo Lara, es geht mir gut, hoffe sehr, Euch auch. Ich tue momentan recht viel für mich selbst und merke, daß mir das sehr gut tut. Ihr habt einen großen Teil dazu beigetragen, daß das so ist, indem Ihr mir einfach das Gefühl gebt, meine Gefühle und mein Egoismus sind okay. Vielen Dank dafür!!! Distanz trägt wirklich zum Wohlbefinden bei. Mein Vater hat gerade angerufen, aber es hat mich nicht so sehr mitgenommen, weil ich nach der Zeit zu HAuse jetzt wieder in meinem eigenen Leben stehe. Geht es Euch auch so? Ich wünsche Euch noch einen schönen Abend. Bis bald, Katrin
pia
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Beitrag von pia »

An alle, die es betrifft... Buchtitel "Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv ist - Wie man depressiven Angehörigen oder Freunden hilft, ohne selbst dn Boden unter den Füßen zu verlieren" von Laura Epstein Rosen und Xavier Francisco Amador. Leider bin ich im Moment seelisch nicht in der Lage, ausführlicher zu schreiben. Nur soviel, dass das Buch mir selbst derzeit eine Hilfe und Stütze ist.. Alles Liebe Pia
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Hallo Katrin, schön,daß es dir gut geht! bei mir hilft die (äußere) Distanz nicht so viel,ich nehme das schlechte Gewissen mit nach Hause,wenn ich meine Mutter besucht habe. Ich muß an der inneren Distanz arbeiten. Lieben Gruß Waltraut
xayide
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Beitrag von xayide »

Liebe Waltraut, hast Du denn so viel mit Deiner Mutter zu tun? Du kannst doch gar nichts dafür, wenn es ihr schlecht geht. Aber ich kann Dein schlechtes Gewissen nachempfinden. Einfach dafür, daß Dein eigenes Leben so "problemlos" läuft, obwohl das ja bei Dir auch nicht so ist. Also brauchst Du noch weniger ein schlechtes Gewissen zu haben. Hilft Dir denn die Tatsache, daß Du weißt, wie es ihr in der Depression geht? Oder macht es Deine Gefühle nur noch schlimmer? Ich wünsch Dir viel Kraft für die Ablösung! Liebe Grüße, Katrin
Isabelle Alfert
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Beitrag von Isabelle Alfert »

Hallo Durch stundenlanges Stöbern im Internet bin ich eigentlich nur durch Zufall im Diskussionsforum des Kompetenznetzes Depression gelandet. Ich studiere an der Katholischen Fachhochschule, in Köln und schreibe gerade meine Diplomarbeit zu dem Thema Kinder depressiver Eltern. Ich versuche in einer empirischen Untersuchung näheres über die Lebenssituation betroffener Kinder zu erfahren. Doch ich musste sehr schnell feststellen, dass die Kontaktaufnahme zu betroffenen Kindern nicht sehr einfach ist. Ich konnte weder über Selbsthilfegruppen Depressiver noch über psychosomatische Kliniken Kontakte zu diesen Kindern herstellen. Auch Angehörigengruppen mit Kindern depressiver Eltern gibt es nach meinen Recherchen keine oder nur wenige, zumindest konnte ich dahingehend nichts in Erfahrung bringen. Deshalb habe ich mir gedacht mein Problem einfach mal hier im Diskussionsforum anzusprechen. Zum einen würde mich interessieren, was ihr von dem Thema meiner Diplomarbeit haltet und ob ihr mir vielleicht gute Tipps geben könnt, wie ich Kontakte zu Kindern depressiver Eltern herstellen könnte. Vielleicht kennt ihr selbst Eltern bzw. Kinder, die bereit wären sich von mir interviewen zu lassen. Es wäre schon wenn ihr mir Rückmeldungen geben würdet. Isa
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Isa, ich finde das Thema sehr interessant und werde darüber nachdenken. Denkst du an Kinder,die noch Kinder sind,oder an das Verwandtschaftsverhältnis? Gruß Waltraut
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Katrin, nein,mein Leben verläuft alles andere als problemlos. Seit meinem 12.Lebensjahr war ich eigentlich fast immer krank. Auch sonst gab es viele Probleme. Die Tatsache,daß ich Depressionen habe,hilft mir wenig bei meiner Mutter. Ich kann sie zwar verstehen,aber ich kann es nicht ertragen. Ihr Verhalten erinnert mich an meine schlimmen Tage und es verweigert mir das,was ich mein Leben lang suche,die bedingungslose Liebe der Mutter. Mein schlechtes Gewissen kommt einmal davon,daß ich nicht genug Geduld für sie aufbringe,aber auch davon,daß ich sie nicht an mich heranlasse. Sie hat mich zu oft enttäuscht. Wenn ich als Kind schwer nach Luft ringend wegen Asthma mit ihr zum Arzt ging,hat sie sich geschämt. Sie ist Bekannten aus dem Weg gegangen.Als Jugendliche war ich extrem aufsässig und abweisend zu ihr. Sie bekam Heulanfälle und es machte mich krank zu wissen,daß ich so viel Macht über sie hatte. Sie wollte immer von uns alles wissen und unser Vertrauen haben,aber wenn wir ihr Probleme erzählten,jammerte sie nur,und wenn wir ihr ein Geheimnis sagten,wußte es zwei Tage später die ganze Verwandtschaft. Wenn wir etwas Interessantes erzählen wollten,was wir erlebt hatten,hörte sie nie zu. Dabei hat sie aber alles für uns getan,uns unter schwierigsten Umständen großgezogen und war das,was man eine liebevolle Mutter nennt. Ich sehne mich nach ihr oder nach dem Bild,wie ich sie mir ausmale,aber die Wirklichkeit reißt mich immer zurück. das,was sie jetzt - meistens - ist,lehne ich ab. Entschuldige Katrin,daß ich dir da meinen ganzen Seelenmüll abgeladen habe,aber das tut so weh. Ich möchte sie so gern lieben können und ich wünschte,ich würde endlich begreifen,daß sie nie die Mutter sein wird,die ich suche. Danke fürs Zuhören, Waltraut
xayide
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Beitrag von xayide »

Hallo Isa, ich find das Thema auch ziemlich spannend, bin selbst ein Kind eines depressiven Vaters, aber "schon" 22. Ich kann Dir gern darüber schreiben. Ich war allerdings schon 15, als die Depression bei meinem Vater begann. Ansonsten kenne ich das Problem, keine anderen Betroffenen zu finden, bin gerade auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe, die gibt es aber nicht. Mit Kindern kenne ich mich noch weniger aus. Viel Glück trotzdem bei der Suche, vielleicht wirst Du ja fündig. Ansonsten würd ich Dir wie gesagt meine Erfahrungen schreiben, falls das interessant für Dich ist. Viele Grüße, Katrin
xayide
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Beitrag von xayide »

Liebe Waltraut, erst einmal: bitte entschuldige Dich nicht dafür, daß Du einfach Dein Herz ausschüttest. Ich finde, wenn man ein Problem ausspricht oder aufschreibt, ist es manchmal schon etwas kleiner, weil man es mit jemandem teilt. Außerdem tut es mir sogar gut, Deine Gefühle zu lesen, die ich auch kenne. Wenn ich Deinen Text lese glaube ich, daß es noch schlimmer ist, wenn die Mutter depressiv ist. Wie Du schreibst ist Mutterliebe doch eigentlich bedingungslos, noch mehr als die des Vaters. Dann ist es doch auch normal, daß Du Dich von ihr im Stich gelassen fühlst und sie nicht an Dich heran läßt. Deshalb solltest Du kein schlechtes Gewissen haben! Aber natürlich liebst Du sie trotz allem. Sie Dich sicherlich auch, vielleicht überfordern Probleme sie einfach , und sie weiß gar nicht, wie sehr sie Dir wehgetan hat. Wenn ein depressiver Mensch wirklich in seiner eigenen Welt lebt, verliert er doch dafür sicher auch schnell das Gespür, was andere Menschen, v.a. die eigenen Kinder, von ihm wollen und brauchen. Hat Deine Mutter Euch allein großgezogen? Du hast noch nie etwas von Deinem Vater geschrieben, oder? Und welche Beziehung hast Du zu Deinen Geschwistern, könnt Ihr darüber reden? Ich wünsch Dir viel Kraft und Ruhe für Dich selbst! Liebe Grüße, Katrin
Isabelle Alfert
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Beitrag von Isabelle Alfert »

Hallo Waltraut, hallo xayide Danke für eure Rückmeldungen. Ich suche für meine Diplomarbeit eigentlich Kinder im Alter von 11- 16 Jahren. Ich würde interessierte Kinder einladen und mit ihnen ein Interwiev mit offenen und standadisierten Fragen durchführen. Also wenn ihr wirklich jemanden kennen würdet der Lust hätte teilzunehmen, lasst es mich wissen. Meine bisherigen Bemühungen sind wie gesagt ziemlich fehlgeschlagen. Xayide ich danke dir für das Angebot über deine eigenen Erfahrungen zu schreiben. Sollte sich in den nächsten Wochen nichts neues ergeben, werde ich meine Diplomarbeit wahrscheinlich umstrukturieren müssen und vielleicht könnte ich dann "erwachsene Kinder" von depressiven Eltern befragen. Das muß ich erst mit meinem Professor besprechen. Bis dann Isa
xayide
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Beitrag von xayide »

Hallo Lara, Du hast Dich solange nicht gemeldet. Bist Du noch ab und zu hier? Würd mich freuen, wenn Du wieder schreibst. Viele Grüße, Katrin
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Lara, ich würde auch gern von dir hören! Liebe Katrin, danke für deinen verständnisvollen Brief! Meine Mutter hat uns nicht allein großgezogen. Da waren noch ihre Eltern und die Mutter und Schwester meines Vaters. Mein Vater war im Krieg (ich bin 40 geboren) und dann in Kriegsgefangenschaft. Meine Mutter hat auch gearbeitet trotz ihrer damals 3 Kinder. Mich hat sie mit 6 zur Schwiegermutter gegeben,für 3 Jahre. Damals habe ich vorauseilenden Gehorsam gelernt. Ich hab nicht nur nichts gesagt,sondern mir auch gleich jedes Gefühl verboten(unbewußt natürlich) und sogar mir eingeredet,daß ich das alles wunderbar und aufregend finde. Die Trennung hat mich aber fürs Leben verunsichert.Keinerlei Urvertrauen,große Angst vor Verlusten,deshalb unfähig,mich auf jemand einzulassen,ständiges Bemühen,geliebt zu werden und zwar bedingungslos,auch wenn ich total eklig bin. Und so weiter... Meine Mutter war nicht depressiv,nur schwach,voller Minderwertigkeitskomplexe,besonders gegenüber meinem Vater und der Schwiegermutter. Ich habe ja schon sehr lange Depressionen und meine Mutter hat es nie verstanden. Sie meinte z.B.ich könnte sie nicht leiden,weil ich manchmal nicht in der Lage war,sie zu sehen. Nachdem ich dann vor zweieinhalb Jahren total abtauchte und monatelang in der Psychiatrie war,veränderte sich meine Mutter. Kurz nachdem es mir wieder ziemlich gut ging,fiel sie in eine Depression. Und diese Depression verstehe ich als Hilferuf an mich,und ich war nicht imstande,darauf zu reagieren. Ich hab sie zwar beraten,was Medikamente und Arzt angeht,aber emotional habe ich total abgeblockt. Übrigens hat meine Mutter vor einigen Jahren auf meine Bitte hin ihre Erinnerungen aufgeschrieben. Wir Geschwister sind erschrocken darüber,wie absolut blaß sie erzählte: sie hat weder über die erste gescheiterte Verlobung,noch über den Schmerz ihren Mann ein Jahr nach der Hochzeit in den Krieg ziehen zu lassen,noch über die Sorgen,allein für drei Kinder verantwortlich zu sein,noch den Schmerz über mehrere Fehlgeburten und eine Totgeburt,noch irgendein anderes Gefühl berichtet. Wir sprachen sie darauf an und baten sie,uns doch mehr zu erzählen,sie versprach es,schrieb aber keine Zeile mehr... Mit meinen Geschwistern habe ich ein phänomenal gutes Verhältnis. Eine Schwester war mir die größte Hilfe während der schlimmsten Zeit 99 und 2000. Aber sie haben die Mutter alle drei ganz anders erlebt. Sie finden es auch schwierig,mit ihren Depressionen und Minderwertigkeitsgefühlen umzugehen,aber es belastet sie nicht. Liebe Katrin,danke fürs geduldige Zuhören. Und wie geht es dir inzwischen? Freu mich wieder von dir zu hören, lieben Gruß Waltraut
lara
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Beitrag von lara »

Hallo Katrin, Hallo Waltraut, Ja mich gibt es noch. Es war unheimlich viel los, so dass ich einfach nicht die richtige Ruhe hatte zu schreiben. Es heißt für mich gleichzeitig mich mit mir selber auseinanderzusetzen. Meine Mutter ist seit zwei Wochen in einer psychiatrischen Klinik. Es hatte sich so zugespitzt, dass es ihr eigener Wunsch war. Sie hatte angefangen zu trinken um sich zu beruhigen. Sie wurde jedoch immer verzweifelter, so dass sie selber Angst vor sich hatte. Ich bin froh, dass sie sich dafür entschieden hat und andererseits hat es mich erschreckt und traurig gemacht wie weit es gekommen ist. Ich merke das sie schon viel stabiler ist, dadurch das sie unter ständiger Betreuung ist. Sie bekommt jetzt eine Infusionstherapie mit Antidepressiva und danach wollen sie mit belastenden Gesprächen anfangen. Ich hoffe das sie es nicht abbricht, da sie schon ungeduldig wird. In der ersten Woche habe ich mir das alles selber wieder so reingezogen, so dass ich ganz gefrustet war. Langsam merke ich das ich wieder die Kraft zum Abstandnehmen gewinne. Ich fühle mich wie ein schwankendes Schiff. Ich sehne mich nach Stabilität in meiner eigenen Gefühlswelt. Zum Glück habe ich eine sehr gute Freundin, die einfach nur da ist ohne das ich immer viel erklären muß. Es fällt mir schwer den Zustand meiner Mutter zu erklären, weil es für Außenstehende schwer zu verstehen ist wie sich ein depressiver Mensch fühlt. Oft verstehe ich es ja selber nicht. Ich gehe sie 1-2 mal die Woche besuchen und probiere es für mich selber als Atempause zu nutzen. Es ist beruhigend,dass sie dort unter ständiger Betreuung steht. Also ich hoffe, dass euer Schiff friedlich im Ozean schwimmtund schicke euch weiterhin ganz viel Kraft. Liebe Grüße! Lara
xayide
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Beitrag von xayide »

Liebe Waltraut, liebe Lara! Schön, wieder von Dir zu hören, Lara! Mir geht es im Moment ganz gut, ich tue viel für mich. Das tut mir unglaublich gut. Mit meinem Vater läuft es gut, weil ich ihn nicht sehe und ihn am Telefon abwimmel. Es ist nicht nett, aber ich kann das nicht. Ich brauche viel Kraft fürs Lernen, es strengt mich sehr an. Dazu kommt, daß in der WG ein Wechsel stattgefunden hat. Ich tue mich sehr schwer mit Veränderungen und habe Angst davor. Allerdings durfte ich letzte Woche eine tolle Erfahrung machen: Ich bekam plötzlich einen schrecklichen Heulanfall, und alle Menschen, die gerade um mich waren, kümmerten sich um mich. Das habe ich noch nie vorher erlebt und festgestellt, daß das unglaublich viel Kraft gibt und entlastet, wenn man sich seinen Mitmenschen anvertrauen kann. Ständig die Kontrolle behalten zu wollen ist einfach zu anstrengend. Wahrscheinlich ging es Dir oft so in Deinem Leben, Waltraut, oder? Dein Lebenslauf erinnert mich etwas an meinen Vater. Er ist Jahrgang 46 und wuchs in einem unglaublich konservativen Haushalt auf. Sein Bruder behauptet, er habe seine Familie schon als Kind regelrecht tyrannisiert. Ich glaube jedoch, das lag eher an der krankmachenden Atmosphäre zu Hause. Diese Zeit muss sehr ungesund gewesen sein. Alles schien nur um Disziplin und Leistung zu gehen. Wenn man dann ein empfindlicher Mensch ist, der sich um vieles kümmert, hat man verloren, obwohl es eigentlich eine tolle Eigenschaft ist, sich um andere zu kümmern und nicht nur an sich selbst zu denken. Eigentlich habe ich meinen Vater nämlich sehr gern und finde viele seiner Charaktereigenschaften sehr angenehm, wäre auch gern für ihn da, aber lange halte ich das nicht aus. Vielleicht klappt es eines Tages. Langsam komme ich aber zu dem Schluß, daß man nur für andere da sein kann, wenn es einem selbst gutgeht. So merkwürdig es klingt: seitdem ich mich mehr um mich selbst kümmere, kann ich mich wieder mehr auf andere Menschen einlassen und mich in sie einfühlen. Freue mich immer, von Euch zu hören und wünsch Euch beiden etwas Zeit zum Durchatmen! Viele liebe Grüße, Katrin
demeter
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Beitrag von demeter »

Liebe Katrin! Es klingt überhaupt nicht merkwürdig, wen Du sagst, dass Du Dich wieder viel besser auf andere einlassen kannst, seit Du Dich mehr um Dich selbst kümmerst. Es ist doch ganz logisch, dass ein Mensch, der in etwa seine eigene Mitte kennt, ein Stück weit auch sich selber in den Arm nehmen kann, dies auch anderen gegenüber eher tun kann. Und ich denke, ohne Deine Geschichte zu kennen, dass es sicher hilfreich sein kann, sich einige Zeit auch den eigenen Eltern gegenüber abzugrenzen wenn man spürt, dass es einem nicht gut tut. Ich hoffe sehr, das ich das eines Tages auch schaffen werde!
Lebe Dein Leben, bevor es Dich lebt
xayide
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Beitrag von xayide »

Hallo Demeter, danke für Deine Antwort! Ja, ich bin sehr froh, daß ich es einigermaßen schaffe, mich von meiner Familie abzugrenzen. Nur so kriege ich mein eigenes Leben in den Griff und kann mich freuen, sie wiederzusehen. Es hat bei mir lange gedauert, das auch mit einem guten Gewissen hinzukriegen. Eigentlich habe ich damit immer noch Probleme. Aber den Mut muß man wohl haben, sich egoistisch zu fühlen. Mir haben dabei einige Menschen geholfen, was ich jetzt erst merke. Ich habe mir bei ihnen bestimmte Dinge abgeguckt bzw. einfach erlebt, daß Menschen, die auf den ersten Blick egoistisch wirken, sich manchmal mehr um andere kümmern (können) als diejenigen, die es gern täten. Ich weiß nicht, ob das so verständlich ist, was ich schreibe. Zumindest denke ich wirklich, daß man anderen Menschen nur das geben kann, was in einem selbst ist. Und dazu gehört auch, daß man sich selbst genau so ernst nimmt wie andere. Das klingt alles sehr klug. Aber so toll schaffe ich es auch nicht, das sind einfach nur meine Gedanken zu dem Thema. Und ich war schon wieder lange nicht bei meinen Eltern. Wenn ich mir meine Familie ansehe, kann ich nur die Konsequenz daraus ziehen, daß man sich distanzieren muß, wenn man nicht krank werden will. Meine Schwester hat es leider nicht geschafft und leidet seit Jahren unter Angstzuständen. Ich habe einfach Glück gehabt. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen deswegen, aber so kann ich vielleicht wenigstens etwas für sie da sein. Ich wünsche Dir, daß Du es auch schaffst, Dich abzugrenzen! Viele Grüße, Katrin
waltraut
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Beitrag von waltraut »

Liebe Katrin,liebe Lara, das ist schön,von euch beiden doch so positive Nachrichten zu hören. Lara,du wirst sehen,daß es mit deiner Mutter noch viel besser werden kann! Katrin,ja du hast Recht,diese "preußische" Erziehung (obwohl ich in Österreich aufgewachsen bin),hat mein ganzes Leben überschattet. Ich lerne jetzt erst,daß ich dürfen darf! Daß es gut und richtig ist,Wünsche zu haben,sich zu mögen,sich was zu gönnen. Du hast völlig recht damit,daß man sich erst dann um andere kümmern kann,wenn man erst für sich selbst gesorgt hat. Aber das Wissen und das Tun sind bei mir noch recht weit voneinander entfernt... lieber Gruß Waltraut
Andreas Schwarz

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Beitrag von Andreas Schwarz »

Hallo, ich möchte auf mich aufmerksam machen, da ich HILFE brauche! Meine Nachricht ist unter [>Angehörige>Antidepressiva] zu finden. Ich würde mich freuen wenn ihr antwortet. Vielen Dank. Xavier
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