Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Liebe Grete,

mir scheint, Du hast nichts verstanden.

"Aber wenn man Dinge für sich selber tun kann, ist doch die Energie nicht völlig weg."

Ja und?
Wofür, oder wogegen, ist das der Beweis?

Denkst Du wirklich, für jemanden, der schon Mühe hat, sich jeden Tag die Zähne zu putzen, ist es von oberer Priorität, seine kleinen Kraftreserven AUSGERECHNET dafür zu verbrauchen, die Erwartungen von ANDEREN zu erfüllen???
Meinst Du nicht, daß es jedem SELBST überlassen ist, wofür er seine Energien einsetzt, oder eben nicht einsetzt???
Sind wir hier in einer Diktatur oder was???

Entschuldige, Grete, Du sprachst von Egoismus des Depressiven. Aber jemandem sozusagen vorschreiben zu wollen, daß er dieses oder jenes zu tun hätte - DAS ist Egoismus!!!

Ich habe nicht die Absicht, mich zu streiten - aber allmählich werd ich richtig zornig.
Was Du nämlich hier in den Raum stellst, ist nämlich ehrlich gesagt ne Unverfrorenheit. (Ich füge hinzu: Nicht nur gegenüber Depressiven, sondern gegenüber ALLEN seinen Mitmenschen!)

Wie würdest denn DU reagieren, wenn DIR ständig jemand aufoktroyieren würde, wofür DU grad Lust, Kraft und Zeit hast?

Stell Dir doch einfach mal vor, Du hast einen total anstrengenden Tag hinter Dir. Frühjahrsputz, Umzug, Riesen-Familienfeier mit 5-Gänge-Menü oder sonstwas dieser Art.
So, und am Abend hängst Du im Sessel, bist fix und fertig vom Tag - und da kommt, was weiß ich, meinetwegen die Nachbarin und will, daß Du grad mal eben zwei oder drei Stunden auf ihre drei Kleinkinder aufpaßt.
Und Du, kaputt wie Du bist, sehnst Dich eigentlich nur noch nach der Badewanne und dem Bett.

Und stell Dir weiter vor, Du sagst zu ihr, "Äh, sei mir nicht böse, aber ich hab heut schon so viel Streß gehabt, da muß ich mich mal ein bißchen regenerieren..." Und die Nachbarin meint dann zu Dir: "Ach, komm - du sitzt doch eh nur im Sessel rum, da kannst du doch dabei wirklich grad mal auf die Kinder achten..."

Was würdest DU davon halten???

Weitergesponnen: Du hast nun die Wahl:
Entweder Du machst es ("ihr zuliebe") - und bist dann nach diesen zwei oder drei Stunden nicht mehr halb- sondern ganz tot. Denn für DICH war das nur noch ne Qual - drei schreiende, sich prügelnde und sich langweilende Kleinkinder, Du hast rasende Kopfschmerzen und siehst vor lauter Müdigkeit schon doppelt. Und um Mitternacht kommt dann die Nachbarin zurück, holt ihre Brut, und meint mit einem Lächeln zu Dir "Na, war doch sicher mal ne nette Abwechslung für dich, du hast ja sonst nie die Gelegenheit, mal Kinder um dich zu haben..."
Während Du Dich für die nächsten drei Tage erst mal erholen mußt.
Und wofür das alles?
Für jemand anderen.
Was hattest DU davon?
Nichts, außer Kopfschmerzen, und daß Du Dich ärgerst, daß jemand einfach so über Dich, Deine Zeit und Deine Kraft verfügte.

Oder Du machst es nicht.
Weil Du genau weißt, es würde Dir an diesem Abend einfach zu viel werden. Weil Du weißt, daß Du es an diesem Abend einfach nicht mehr schaffst.
Und weil Du klar genug denkst, um zu wissen, daß es Dir die Nachbarin auch wirklich nicht übel nehmen darf, wenn Du heute absagst - immerhin HAST Du das Recht, auch mal erledigt zu sein.

So - und nun stell dir letztinstanzlich vor, Deine Nachbarin erzählt am nächsten Morgen überall rum: "So eine Unverschämtheit, die Grete wollte einfach nicht auf meine Kinder aufpassen! Hat behauptet, sie kann es nicht, weil sie so müde sei. Dabei hab ich mit eigenen Augen gesehen, daß sie eh nur faul im Sessel rumhing - wovon soll die also müde sein! Als ob es für sie sooo ein Problem gewesen wäre, mal eben ein Auge auf die Kinder zu halten, das ist doch nicht sooo anstrengend, daß sie das nicht noch nebenbei tun hätte können...!"

Tolles Szenario, was?
Was würdest Du dabei empfinden?
(Bitte EHRLICH nachdenken!)


Übrigens, zu Deiner Ansicht, so sinngemäß, man hätte ja wohl das Recht, einen "egoistischen Depressiven" zu verlassen...
Klar hat man das.
Man hat IMMER die Wahl.

Bloß der Depressive hat meist keine Wahl.
Denn WENN er die Wahl hätte, wär er sicher NICHT krank.

Übrigens möchte ich noch bemerken, daß ICH PERSÖNLICH auf Mitmenschen, die mir Faulheit und Egoismus unterstellen, nur weil ich ihren Anforderungen während meiner Depression nicht genüge, herzlich gern verzichte.

Last not least ein Eindruck, der mir beim Lesen Deines letzten Absatzes kam: Kann es sein, daß es Dich schlicht und einfach ÄRGERTE, daß Deine Bemühungen um Deine Freundin nicht angemessen honoriert wurden...?

Gruß,
Winnie
winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

P.S.:

"ich denke, dass ich das Recht dazu habe, bestimmte Dinge eben nicht zu wollen weil sie mich selber zerstören würden."

Genau.
Merkst Du was?
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Winnie, ich rede nicht von irgendeiner Nachbarin, ich rede vom Partner der immer treu zu mir hält, mich unterstützt wo er nur kann.
Ich würde nie ein langes Gespräch wollen, das einzige wäre ein einziges kleines Lebenszeichen.
Clown
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von Clown »

Liebe Winnie,

jetzt muss ich mal wie der Friedrich 'hmpfff' en.

Ich bin ja einer Meinung mit dir, aber WARUM um alles in der Welt willst du die Gret davon überzeugen?

Ich spüre bei mir nur noch die Erinnerung an den Schmerz, den die Vorwürfe meiner Eltern, ich sei egoistisch und rücksichtslos (weil ich ihnen nicht das GEBEN wollte, was sie VON MIR WOLLTEN) auslösten.

Irgendwie ist es doch immer so, derjenige, der dem anderen vorwirft, egoistisch zu sein, will etwas für sich HABEN...ist in dem Moment also selber egoistisch...

Lieben Gruß,
Clown

Eltern: "Wir wollen doch nur dein Bestes!" Tochter: "Kriegt ihr aber nicht!"
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Liebe Clown,

ja, hast ja Recht...
Hab mich vorhin auch schon selbst gerügt. Denn was bringt's? NICHTS.

Ist halt einfach für mich schon immer ein Thema, das mit der Selbstbestimmung. Ich persönlich seh zum Beispiel absolut rot, wenn mir jemand vorschreiben will, was ich zu tun habe - fühl mich dadurch automatisch nicht respektiert. Und das ist eine meiner großen Achillesfersen...

Bin aber wenigstens so ehrlich zu mir selbst, daß ich weiß, daß da auch ein Gutteil Übertragung dabei ist, wenn ich zB wie hier bei Grete so heftig reagiere.
Deswegen atme ich jetzt tief durch und lasse andere in Ruhe IHREN Mist machen.
Zumindest für die nächsten paar Beiträge

Lieben Gruß und danke, Clown!

Winnie
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Ich meine, wir verrennen uns in der Klärung der Schuldfrage wer nun egoistisch sei.
wenn ihr sagt, ich wolle erreichen, dass der andere ständig meine Wünsche erfüllen würde, habt ihr garnicht verstanden um was es geht.
Ihr sagt ja selber immer,niemand könne etwas geben was er nicht geben kann und solle es auch nicht.
Stellt euch mal beide Partner vor: der eine in einer depressiven Phase in dem ihm sogar das Zähneputzen schwerfällt, der andere der diesen Menschen liebt und von hunderttausend Ängsten geplagt wird. Wie kann ein gemeinsamer Konsens gefunden werden?
Viele Menschen können nicht mit Aggression umgehen denen billigt man das auch zu, dann müßt ihr doch auch einem Menschen zubilligen, dass er nicht mit diesen enormen Verlassenheitsängsten umgehen kann.
"Wie würdest denn DU reagieren, wenn DIR ständig jemand aufoktroyieren würde, wofür DU grad Lust, Kraft und Zeit hast?"
"Wie würdest denn DU reagieren, wenn DIR ständig jemand aufoktroyieren würde, wofür DU grad Lust, Kraft und Zeit hast?"
Genau der Satz zeigt, dass du nicht verstanden hast worum es geht, es geht darum, dass, wenn man so will, zwei Befindlichkeiten einfach nicht zueinander passen, auf der einen Seite die Depressivität und auf der anderen Seite die Verlassenheitsängste des Partners, das Gedankenkreisen, dass er überhaupt nicht mehr seines Lebens froh werden kann.
Mich wird deine Antwort sehr interessieren.
Gret
winnie
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von winnie »

Hallo Grete,

gut, weil Du sagtest, meine (meintest Du mich?) Meinung würde Dich sehr interessieren, dann eben doch noch ein kurzer Satz dazu:

Wenn Partner A in einer Beziehung so wenig Selbstwertgefühl besitzt, daß er von Signal X des Partner B derartig abhängig ist, daß es ihm dabei sogar völlig egal ist, wenn er seinem Partner B durch die Forderung nach Signal X Übermäßiges abverlangt (und zudem auch noch die ganze Beziehung in Frage stellt, falls Signal X nicht kommt), dann hat Partner A eindeutig ein Problem.

Und das ist genau der Punkt, den ich in meinem ersten Posting an Leen ansprach.
Wenn EIN Partner einer Beziehung meint, ohne die Verhaltensweise X des ANDEREN Partners nicht leben zu können, respektive er das Funktionieren der Beziehung DARAN ermißt, liegt schlicht und einfach eine Abhängigkeitsproblematik vor. Und zwar bei Partner A.

Der GRUND, warum von Partner B jene Verhaltensweise nicht kommen mag, ist dabei völlig nebensächlich.

Mehr sag ich dazu nicht mehr.
Weil's ja wahrscheinlich doch wieder mißverstanden wird.

Gruß,
Winnie
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Hallo Winnie,
wir werden uns nicht einigen können.

Von daher breche ich die Diskussion jetzt lieber ab, ich will keinen Streit.

LG Gret.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo,
ich bin jetzt wieder daheim, hab endlich Feierabend und kann wieder mitreden, wie super!
Deinen Beitrag hatte ich heute Mittag schon gelesen und fand ihn ziemlich gut,ich kann ihn zwar nicht so ganz annehmen, aber er bietet ein weiteres und interessantes Diskussionsthema.
Du schreibst, dass in dem Moment, wo Du anderen antwortest, von deinen eigenen Bedürfnissen abrückst um fremde zu befriedigen, worin letztendlich der Urkonflikt einer oder deiner Depression liegt, habe ich dich da richtig verstanden?
Ich höre das nämlich von Frank genauso, aber meine Antwort darauf war/ist die, dass der regelmässige Rückzug von anderen den Zustand doch nur verschlimmern dürfte.
Zum besseren Verständnis, mit sich-nicht-zurückziehen meine ich nicht, sich nachts bis in den nächsten Morgen auf ordinären Parties rumzutreiben und nett zu lächeln, obwohl man keinen Bock hat und lieber daheim im Schlafanzug auf dem Sofa rumhängen würde.
Was ich aber meine ist, dass man die Achtsamkeit oder die Wachsamkeit gegenüber anderen vielleicht nicht ganz aufgeben sollte. Ich denke mir, jetzt kommt das Gegenargument "Aber wenn man doch nicht kann" und ich versuche ja auch, ein Gefühl dafür zu entwickeln.
Und trotzdem, ist der Gedanke "Ja, ich bin krank, aber ich behalte trotzdem meine zwischenmenschlichen Werte" nicht eine Überlegung wert?
Ich freue mich immer so, wenn ich wieder mal in der Scheisse hänge und jemand ruft an und sagt:"Ich bin ja auch noch da...!"
Mir ist das eine riesen Entlastung, dass ich zumindest nicht allein bin und ich könnte mir jetzt nicht vorstellen, so ein Angebot nicht anzunehmen, oder es total unkommentiert stehen zu lassen.
Ich meine, auf Dauer so betrieben, führt das doch auch nur zu neuen Konflikten, in der Form von schlimmstenfalls kollektivem Freundesrückzug.
Gibt es alternativ eine Form von Zuwendung, die dir hilft, die dir das Gefühl gibt,*da ist jemand da*, ohne dass Du dich beengt, überrollt, überfordert oder was auch immer das passende Wort hier ist, fühlst?
Die dir eben nicht das Gefühl gibt, fremde Bedürfnisse befriedigen zu müssen?
Wie würde das aussehen?
Gute Nacht wünscht die Leen.
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

du hast das wunderbar formuliert, Leen.
Ich denke ferner, dass in jeder Partnerschaft man einmal von eigenen Bedürfnissen abrückt um die des anderen zu befriedigen, die Bedürfnisse des anderen sind andere Bedürfnisse aber doch keine fremden.
Ich habe ein wenig im Angehörigen- Forum gelesen und viele haben doch da diese Probleme, dort ist es in Ordnung diese zu äußern und hier scheint es nicht in Ordnung zu sein.
Viele schreiben auch hier, dass sie ein unendliches Bedürfnis nach Liebe haben, aber wenn der Partner eines Depressiven es auch hat, klammmert er?
Ich könnte ja noch verstehen, dass ein Depressiver in seiner Depression unfähig dazu ist, Gefühle zu empfinden, ich kenne dieses Gefühl, aber eben nur situativ.
Ganz sicher ist niemand dafür da, dauernd Bedürfnisse des anderen zu erfüllen, aber ich kann mir keine Beziehung vorstellen in der das nicht ab und zu der Fall ist.
Du sprichst von Achtsamkeit gegenüber dem anderem und das finde ich sehr schön formuliert.
Ich glaube in der Gestalttherapie wurde einmal der Satz geprägt:-Ich bin nicht dafür da, deine Bedürfnisse zu erfüllen und du bist nicht dafür da, meine zu erfüllen.
Ich finde diese Aussage in dieser Formulierung sehr kalt und genau das meinte ich mit Psychojargon.
Hier wurde auch an anderer Stelle einmal darüber diskutiert, ob Depressive Kinder haben könnten. Ich meine, wenn jemand so krank ist, dass es längere Episoden gibt in denen er keine Gefühle zeigen kann, diese liebevolle Wachsamkeit von der du sprichst, nicht aufbringen kann, könnte er keine haben, bei Kindern kann man sich nicht ausklinken.
Ich habe auch darüber nachgedacht, dass ein innerlich sehr starker Mensch der eben nicht von Zuwendung abhängig ist, mit diesem Sich-Ausklinken umgehen könnte, aber andererseits wäre vielleicht auch wenig Verständnis für andere Dinge da.
Die Welt ist heute so kalt und leer daß ich mich sehr darüber freue, dass jemand noch von liebevoller Wachsamkeit spricht.
Abschließend noch eins: ich selber hatte noch nie einen depressiven Partner, nur depressive Freundinnen und bei denen war das Gefühl der Ohnmacht schon schlimm genug.
Lieben Gruß Gret
BeAk

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von BeAk »

Liebe Grete,

jeder kümmere sich um sein Problem, das ist die Lösung. Der Depri um seine Depression und der Angsthase um seine Ängste.

Mein Mann hatte in einer Phase immer Angst um mein Leben, wenn ich des Nächtens meine Radtour abgerissen habe, konnte da nach gut schlafen. Ich bin weiter nachts Rad gefahren, denn es tat mir gut. Mein Mann hat meine gesammte Familie verrückt gemacht, mir könne was passieren. Er hat mich versucht zu erpressen usw. Ich habe an mein Ende festgehalten nachdem ich im einem Angstforum um Rat gefragt habe.
Seine Angst ist sein Problem, nicht meines.
Mein Problem zu der Zeit, war meine depressive Episode, mit der ich so gut wie möglich umzugehen lernen mußte. Das mußte mein Mann lernen zu akzeptieren und dann war die nächtliche Radtour auch kein Problem mehr.
heute
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von heute »

Hi Grete,

wollte nur mal einwerfen: Verwunderlich, dass du seit ein paar Postings immer betonst, es gehe um die PARTNERSCHAFT und den EINEN PARTNER.

In diesem Thread ging es aber (lt. Leen) überhaupt nicht um Partnerschaft, sondern um einen (mehr oder weniger nahe oder ferner stehenden) Freund. Und auch du selbst, hast (wie ich im übrigen auch) Beispiele von FREUNDINNEN angeführt.

Und da gibt es in meinen Augen einfach noch einen Unterschied. (Bei mir besteht er unter anderem darin, dass mein Partner mit mir unter einem Dach lebt und ich ihm daher keine SMS als Lebenszeichen senden muss.
So, und jetzt bin ich so RÜCKSICHTSVOLL und gehe ins Bett, statt weiter im Depriforum zu lesen und zu schreiben, denn mein Partner wartet dort... )

Schöne Grüße

Nene, die doch eigentlich schon erklärt hat, dass zeitweiser Rückzug (aus dem Freundeskreis, von Verpflichtungen) aus ÜBERFORDERUNG heraus geschieht und keineswegs aus TROTZ. So was... ne... *Kopf schüttel*
"So many things I would have done, but clouds got in my way." Joni Mitchell (Both sides now)
MenschMeier
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von MenschMeier »

Liebe Alle,

schön ist, wenn Mensch sich vom Mitmenschen verstanden fühlt .
Mühsam ist es oft, die/den Anderen zu verstehen .

Was fällt mir an diesem Thread auf?
Der wesentliche Unterschied scheint mir darin zu liegen, in welcher Reihenfolge die wichtigen Fragen gestellt werden:
Voraussetzungen des Zusammenlebens,
Voraussetzungen für eine Gesundung oder zumindest für die Reduktion krankmachender Faktoren -
oder umgekehrt.

Aus meiner Sicht berechtigte Fragen:
Kann ein "rücksichtsvolles" Zusammenleben gelingen, wenn die/der Kranke primär Zwänge im Versuch des Zusammenlebens empfindet?
Kann ein Zusammenleben gelingen, wenn eine Seite "extrem einseitig" sich zu Zugeständnissen genötigt fühlt?
Kann in diesem Zusammenhang überhaupt von "legitimen" Ansprüchen gesprochen werden?
Ist die Inkaufnahme des Abbruchs aller bisherigen Beziehungen für eine Gesundung möglicherweise das kleinere Übel?
Diese Fragen finde ich wichtig, doch ich bin nicht in der Lage sie pauschal mit einem eindeutigen Ja oder Nein zu beantworten.

Meine Erfahrungen dazu:
Eine Missachtung der eigenen Wünsche, die auf eine Selbstverleugnung hinauslaufen, kann nicht einmal kurzfristig Positives zur Gesundung und zum Erhalt einer Beziehung beitragen. Das gilt für akut Kranke wie auch für Verbündete.
Beide haben das Recht, nicht mit dem Anspruch des Müssens konfrontiert zu werden. Das allein liefe jedoch nach kurzer Zeit auf eine Trennung hinaus.
Die/der Verbündete "sollte" sich genau fragen, wieviel Zugeständnisse sind freiwillig - nicht als Dauerzustand! - sondern als wohlverstandene Hilfe zur Selbsthilfe möglich.
Wenn dann das Gemeinsame nicht reicht, müssen beide wissen, dass eine Trennung besser ist, als eine sich dahin quälende Beziehung.
Forderungen an den Kranken zu stellen ist jedenfalls in der Regel kontraproduktiv.
Der Zuversicht Ausdruck geben, dass die Art des Zusammenlebens sich wandeln kann, dagegen im Sinne einer möglichen Gesundung produktiv.

Es gibt sicher sehr unterschiedliche Verlaufsgeschichten und unterschiedlich intensive Phasen in diesem Zusammenhang. Deshalb verstehe ich auch nicht ganz, warum einige Aussagen weiter oben in diesem Thread scheinbar so absolut formuliert worden sind.
Konkret:
In meinen schlimmen Phasen habe ich auf derartige Forderungen immer höchstgradig bockig und teilweise agressiv reagiert. Die mir damals Nahestehenden waren glücklichersweise jedoch überwiegend so schlau, abzuwarten, ob ich mit Vorschlägen kommen würde.
Zu solchen Vorschlägen war ich dann auch fähig. Und die liefen ziemlich genau so, wie Leen und Grete es sich in den Beiträgen oben gewünscht haben.

@ Leen und Gret
Wenn ihr eure Wünsche, die ich aus eurer Sicht sehr gut verstehen kann bitte, bitte >> nicht << als "legitimen und gerechten Anspruch" formuliert und durchblicken lasst, dass ihr eher indirekt versucht, euren Freunden eine Entwicklung in dieses Wunschverhalten zu erleichtern, hätte es in diesem Thread nach meiner Vermutung nicht so scheinbar unversöhnlichen Widerspruch gegeben.
Bitte bedenkt:
Jeder/m Depressiven ist in der Regel unter Schmerzen klar, dass sie/er mit der Notwendigkeit, die krankmachenden Faktoren zu überwinden, den Verlust auch aller bisher wenigstens teilweise wohltuenden Sozialkontakte riskiert.
Ich habe Euch so verstanden, dass ihr auch darüber Eure Sorge äussern wolltet. Nur tragt Ihr damit Eulen nach Athen. Es ist die pure Verzweiflung, die in der subjektiven Sicht gar keine Alternative zu diesem Risiko erkennen lässt.
Die dahinter stehenden Theorien erscheinen nur manchen als kalt. Kälte und Rücksichtslosigkeit sind ganz sicher nicht Ziel dieser Ansätze. Sie sind dazu da, den Mut zu einem Ausstieg aus dem angeblichen "Sachzwang" zu krankmachenden Gewohnheiten zu unterstützen.

Ich wünsche Euch die Kraft, dass Ihr in gutem Glauben an eine allmähliche Gesundung in der Lage seid, die notwendigen gravierenden Zugeständnisse nicht als Selbstverleugnung zu empfinden.

Lg mm
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Winnie,

ich habe es leider gestern nicht mehr geschafft, dir zu antworten, was ich so gerne getan hätte...
Also:Nein, ich fühle mich nicht verletzt, es ist alles gut!
Ganz im Gegenteil, ich finde deine Beiträge und Antworten super, weil Du sehr nachdrücklich DEINE Sicht der Dinge, DEINE WELT vertrittst und das kann unter dem Strich nur zu mehr Verständigung führen. Und das ist doch, was wir hier wollen, oder?
Du hast mir irgendwann vorher Aggressivität vorgeworfen und ich möchte dir das jetzt zurückgeben, positiv gemeint, denn Du bist in deinem Ausdruck auch nicht gerade zart besaitet, was auch gut so ist.
Ich finde einfach, man muss nicht immer alles gleich bis ins tiefste psychologisieren, Aggressivität, Abhängigkeit...ich weiss nicht, was ich da im Zusammenhang noch so alles gelesen habe.
Bewegt sich nicht vieles einfach nur im Spielraum des Normalen, der eben weit und breit ist, oder unter dem Aspekt der Toleranz es zumindest sein sollte, was übersetzt auch PERSÖNLICHKEIT genannt werden könnte?
Der Eine ist fordernder, lauter, wegen mir auch aggessiver, der Andere eben stiller, zurückgezogener, bedachter. Muss man da auspendeln und sich gegenseitig den Vorwurf machen, wer jetzt mehr "krank" im Kopf ist als der andere? Weil es letzendlich keiner ist.
Sollte nicht der Schwerpunkt eher darauf liegen, wie man mit seinen Macken am besten überein kommt?
Und sich gegenseitig näher bringt?
WEIL DEIN GLÜCK UNTRENNBAR MIT DEM DER ANDEREN ZUSAMMENHÄNGT.
Das ist ein Lieblingssatz von mir, der aber nichts, rein gar nichts mit der befürchteten Abhängigkeit oder mit fremde-Bedürfnisse-befriedigen zu tun hat.
Und das ist auch, was ich mit *Ein Kompliment an dich, aus meiner Welt* meinte, das Du nicht verstanden hast.
Ich erklär`s dir: Du lebst in einer völlig anderen Welt als ich. In meiner gilt das Ellebogendenken, "Survival of the fittest" kannst Du es wegen mir auch nennen, da finden schonungslose Kämpfe um Rechthaben oder Nicht-Rechthaben statt, da zählen das schönere Häusschen, die perfekteren Kids, das coolere Auto und sei es nur angeschafft, um den Neid des anderen wachzurütteln...Deine ist anderes, abgerückt von dieser, tiefer, aber eben subjektiv nicht besser, weil auch Du unter deiner Welt oder deiner Wahrheit oder an deiner Wirklichkeit leidest.
Aber kann es nicht ein Ziel sein, dass sich diese beiden Völkchen einander näher kommen?
Und dazu ist es unbedingt notwendig, über eine gewisse Aggressivität zu verfügen, um seinen Standpunkt sicher zu vertreten. Auf deiner Seite, aber auch auf meiner, oder Gretes.
Im besten Fall bildet sich eine Schnittmenge, aus der beide ihren Gewinn ziehen können.
Verstehst Du mich? Liebe Grüsse und Sonnenschein schickt dir Leen.
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Leen hat in meinen Augen wieder ein ganz hervorragendes Posting geschrieben.
Mein Schicksal scheint zu sein, dass ich nirgendwo hingehöre, ich lebe nicht in Leens Welt sondern eher in dieser stillen ruhigen Welt in der ich mich ständig von dem " Schwarzem Vogel" (bitte als Bild verstehen) bedroht fühle und dennoch kann ich Leen sehr gut verstehen.
Ich meine, Grenzgänger hätten besondere Probleme. Ich gehöre nicht in die Welt der Gesunden,der Fitten, ich würde dort untergehen, aber ich gehöre auch nicht ganz in die Welt der anderen.
Eigentlich könntet ihr es doch begrüßen, dass hier einmal jemand ist der beide Welten versteht.
Abgesehen von dem Vater meiner Kinder habe ich noch nie mit einem Mann zusammengelebt, dennoch würde ich ihn als Partner bezeichnen.
Ich halte es auch für ein Problem der Depressiven mit Aggression Probleme zu haben. Oft schafft Aggression Klarheit,eine entschiedene Meinung kann aggressiv wirken und dennoch meine ich, dass man sich besser verständigen kann als mit jemand der keine richtige Meinung hat. Ich komme mit eher aggressiven Menschen besser klar als mit den allzu Sanftmütigen.
Nie nie würde ich einen Depressiven aus seiner Höhle herausholen wollen, ich bin ja selber gern in der meinigen. Nie würde ich ihn besuchen wollen wenn es ihm gerade nicht gutgeht.Ich glaube, ich täte alles für ihn wozu er im Augenblick selber nicht in der Lage wäre. Ich würde mit ihm dasitzen, seine Hand haltend und so versuchen, ihm ein bißchen Wärme zu übermitteln.
Die Therapeutin meiner suizidgefährdeten Freundin hat sich von ihr versprechen lasssen, sie anzurufen wenn sie jemals wieder in diesen Tunnel gerät.Das Versprechen wird immer wiederholt als eine Art Pakt.Und ich meine, dazu könne auch ein Depressiver imstande sein- so einen Pakt zu verstehen.Abhängigkeit ist für mich wenn man keinen Schritt ohne den anderen tun kann. Wenn man aber völlig sein eigenes Leben lebt und diesen Menschen sehr liebhat,meine ich nach wie vor, wäre es nicht zuviel verlangt ab und zu ein kleines Lebenszeichen zu geben und sei es eine leere sms.
Menschen mit einer ganz schweren endogenen Depression gehören sowieso in eine Klinik und wenn man den Partner dort in guter Betreuung weiß, muß man sich auch keine großen Sorgen machen.
Ich hoffe,mich verständlich gemacht zu haben.
Gret
LK
Beiträge: 25
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Chiron, das ist für dich...von Leen.
Ich bin nicht böse, warum auch, Denkanstösse sind immer prima,nur brauchte es etwas länger, bis ich deinen "Geistesblitz" ausreichend bedacht habe...
Ob ich verliebt bin und es noch gar nicht weiss...Du bist ja witzig, echt wahr!
Meine tiefenpsychologischen Selbstbeobachtungskenntnisse sind nicht so ausgeprägt, als dass sie mir Symptome liefern würden - vielleicht weist die Frage an sich aber auch einfach nur rhetorische Mängel auf, so dass ich dir unter dem Strich hier eine Antwort schuldig bleiben muss.
Zu meinem Freund - er ist nicht frustriert und noch weniger nicht nett zu mir. Im Gegenteil, er schlägt sich so tapfer und deshalb auch so erfolgreich, dass man sich nur ein Beispiel nehmen könnte und sich glücklich schätzen sollte, Teil dieses Weges sein zu dürfen.
Wenn man es objektiv sieht. Gerade hier liegt aber ein Standpunkt von mir, nämlich dass es wahrscheinlich einer der grösseren Konflikte eines Menschen ist, dass er seiner Subjektivität nicht oder wenn, dann nur kurzfristig entfliehen kann.
Denn wenn ich mich nicht zu dieser Objektivität zwinge, überfordern mich Berge von Wäsche, Stunden, STUNDEN, die ich in Wartezimmern irgendwelcher Ärzte rumhänge, die fremden Leute, die uns überall und überall ansprechen, und wenn sie es noch so gut meinen, die unzähligen Besucher, die sich bei uns breit machen, um zu fragen wie`s geht und haufenweise benutztes Porzellan zurücklassen, die Dummen, die uns nachgucken in der Stadt und sich nichteinmal bemühen, es nicht ganz so offensichtlich zu machen und die ganz Billigen, die unüberhörbar sagen:"Guck mal, der ist schon morgens besoffen.Und dann so ´ne junge Fau..`"
Da entsteht nach einer Zeit einfach das dringende Bedürfnis, mal raus zu müssen, mit jemandem unterwegs zu sein, der äusserlich unauffällig ist, mit dem Du im Gleichschritt gehen kannst und der nicht, aber auch gar nicht, so wie Freunde z.B., in diese Sache involviert ist.
Wo ich damit gelandet bin, hatten wir ja bereits geklärt...
Und deine Einstellung, das Schwule auf besondere Weise aufmerksam sind, bedarf keiner Entschuldigung, Du hast nämlich so recht! Ich habe das grosse Glück, einen schwulen Friseur zu haben, was unter diesem Aspekt zu dem Ergebnis führt, dass der Grad meiner Schwierigkeiten mitunter in Proportionalität zur Kürze meiner Haare steht...aber das ist ein anderes Thema, was ich sagen will,ist, dass ich ihn mir nicht ausgesucht habe, weil er potentiell schwul ist.Nein, es war einfach nur so. Weil er mir nett und angenehm erschien. Fertig.
Und dass ich ihn stundenlang beobachten könnte, wenn sonst gar nichts mehr geht, ist auch falsch verstanden. Er ist mir angenehm, so dass ich getrost mit ihm schweigen könnte, verstehst Du? Das kann man ja nicht mit jedem, oder ist das bei dir anders?
Ich fordere auch nicht unter dem Deckmantel der Sorge Nachrichten von ihm, obwohl einem der Gedanke durchaus kommen kann, da hast Du recht.
Aber ich will ja keine Nachricht mit riesem Inhalt in der akuten Situation, sondern nur ein Lebenszeichen, wobei wir die Kontroverse um diese "Forderung" ja schon an andere Stelle ausgiebigst hatten.
Genauso wenig entschuldige ich mein Verhalten mit Angst. Ich habe die Angst. Und ich würde es glaube ich nicht nocheinmal aushalten, jemanden auf dem Boden liegen zu sehen, ohne extraordinären Schaden daran zu nehmen.
Den Satz, dass ich für anderes Leben nicht verantwortlich bin, kenne ich. Und trotzdem, die Angst und die Sorge ist einfach da.
Lass uns wegen mir darauf einigen, dass da 2 Seiten in mir sind, die Angst und die Rationalität. Und wenn ich mich nicht ausdrücklich dazu zwinge, übernimmt die Angst die Oberhand. Es ist einfach so, was soll ich tun?
Und dennoch, ich entschuldige mein Verhalten nicht. Ich weiss ja jetzt, dass es falsch ist. Nur weiss ich eben noch nicht, wie ich es in den Griff bekommen soll, dass meine Angst eben nicht in den Wettstreit mit den Gefühlen anderer Leute gerät, die sich dadurch überfordert fühlen. Was meinst Du-Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training...wird`s helfen?
Und abschliessend noch eins, ich habe mir keinen weiteren Mann zum Versorgen gesucht, ich kannte ihn doch gar nicht.
Ich könnte es mir leicht machen, die Sache abhaken und mir jemanden suchen, mit dem ich tatsächlich wohltuenden, da unbeschwerten Spaß habe. Aber das möchte ich nicht, da er es mir einfach wert ist, dass ich mich für eine vielleicht irgendwann funktionierende Freundschaft einsetze und sei es durch mein passives Warten, wenn es der Sache dient. Vielleicht unterliegt das eher dem Gesetz der Menschlichkeit als pathologischem Verhalten hinsichtlich Abhängigkeit, Egoismus...was weiss ich.Ich habe das eben schon mal an anderer Stelle geschrieben, manche Entscheidungen können auch einfach nur persönlichkeitsbedingt ohne gleich krank sein.
Ich danke dir trotzdem für deine Gedanken, auch wenn ich sie einer Korrektur unterziehen musste.
Als ich heute morgen "Die Zeit" aus dem Briefkasten holte, war einer der Titel *Dabei sein ist nicht alles" und das bewahrheitet sich gerade im Moment für mich auch indem, dass ich Rückmeldungen wie deine bekomme.Denn dadurch rücke ich ab vom Dabeisein ins Mittendrinsein. Und nur aus dieser Position heraus kann ich lernen.
Danke für Alles, deine Leen.
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von tommi »

Ihr Lieben,

ich denke in einer Partnerschaft sind beide Bifindlichkeiten wichtig.
Hier geht es doch nicht um solche Sätzte wie: Reiß dich mal zusammen und gehe mehr auf mich ein. Du musst mich aber lieben oder ich erwarte von dir.... .

Viel mehr geht es doch darum, wie man innerhalb der Partnerschaft miteinander mit der Krankheit umgeht. Wie wird gegen die Krankheit gearbeitet? Wie wird an der Beziehung gearbeitet?

Der Depressive zieht sich zurück, weil er alles als Belastung spürt. Dabei kommen diese Schuldgefühle gegenüber des Partners hoch. Er will den Partner nicht verletzten, sondern eher vor sich schützen, er will dass der Partner nicht unter seiner Krankheit leidet. Auch will er seine Ruhe, auch vom Partner.
Trotzdem leidet der Partner, weil er den Fehler macht, diesen Rückzug auf sich zu beziehen. Er fühlt sich weggestoßen, er liebt weiter, er hat Angst, dass er verlassen wird oder verlassen worden ist. Er will helfen und hat keine Möglichkeit dazu. Er hat Angst was falsches zu tun.

Oft fühlt sich der Depressive allein gelassen, keiner hilft ihm und die Schuldgefühle dem Partner gegenüber führen zu nicht melden, weil er Angst hat, Vorwürfe zu hören, dass er sich nicht gemeldet hat. Ein Teufelskreis! Der Patner meldet sich nicht, weil er Angst hat, er würde drängen und was falsch zu machen, der Depressive meldet sich nicht, weil er Schuldgefühle hat und den Parner damit nicht belasten will.

Die Frage ist, wie kann man dem entgehen? Immer wieder durch das Gespräch, was dann zum gegenseitigen Verständnis führt. Es geht nicht um Erwartungen, sondern ums verstehen.

Und hier ist der Ansatzpunkt. Es kann nur funktionieren, wenn beide zu diesen wichtigen Gesprächen bereit sind und sich öffnen.
Mir ist klar, dass es für den Betroffenen nicht immer möglich ist, aber es geht hier auch um den Moment, wo es möglich ist.

Im Angehörigenforum lese ich so häufig, dass der Depressive über mehrere Wochen, sogar Monate keine Gespräche zulässt. Das wiederum kann ich nicht verstehen.
Er fühlt Momentan die Liebe zu dem Partner nicht mehr, aber ich glaube nicht, dass ihm an dem Partner nichts mehr liegt, den er über Jahre geliebt hat. Deswegen sollte man doch dieses Gespräch einfordern können.

Die Krankheit kann kein Partner nachempfinden. Keine Gedankengänge, keine Ängste, keine Leere. Umso wichtiger sind Informationen - allgemein über die Krankheit-und vor allem von dem betroffenen Partner.

Ich habe das Glück, dass es bei uns genauso funktioniert und funktionierte und wünsche allen das Gleiche.

Liebe Grüße
Tom

P.S.: Ich habe überlesen, dass es sich bei Leen nicht um eine Partnerschaft handelt, lasse aber meinen Beitrag so stehen.

@Leen
Wenn dein Freund deine Hilfe nicht annehmen will, musst du das akzeptieren. Verantwortung hast du ihm gegenüber keine. Er trägt sie für sich alleine.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Tom,

ich habe gerade nur für eine kleine Zwischenmeldung Zeit, aber ich wollte dir sagen, dass ich das, was Du sagst, ganz genauso sehe. Es geht nicht primär um Erwartungen,sondern um Verstehen.
Das Problem aber ist, dass ich, bevor ich hier zu Euch kam, überhaupt nichts von einer Depression verstanden habe.
Ich hätte sie rein theoretisch definieren und dir etwas über ihre Ätiologie, Verlauf & Prognose und Therapiemöglichkeiten erzählen können.Aber das Entscheidende, nämlich ihr praktisches Dasein im Alltag kannte ich eben nicht.
Ich wusste nichts über den Wert des Satzes "Ich kann das nicht...", mir war das eher wie eine Reizung meines Gehörgangs, ich dachte, das gibt`s doch nicht. Und das führte dazu, dass ich nach einiger Zeit dachte, dass es unbesehen nur die eine Möglichkeit geben kann, nämlich dass Frank es extra macht, dass er mich extra im Ungewissen rumhängen lässt, dass er extra nicht ans Telefon geht, dass er mich extra nicht mal zurückruft, dass er mich absichtlich ärgern will. So, und jetzt haben wir den Quatsch.
Ich sehe es wie Du,eine Exit-Strategie kann sich nur auf der Basis des offenen Redens über die Krankheit entwickeln.
Weil sich sonst ereignet, was Du so realistisch in deinem 3.Absatz geschildert hast. Viel Glück für dich von Leen.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

An Chiron,

ich habe heute Mittag in der Pause an einer anderen Stelle gelesen, dass und warum es dir auch nicht so gut geht.
Vielleicht kann ich dir für deine liebevollen "Geistesblitze" etwas zurückgeben, und sei es nur in Form eines CD-Tips:
*Shanina Noll, Songs for the inner child.*
Das ist für mich DIE Musik in mehr oder weniger ausgeprägten Talfahrten und passt doch irgendwie zu deiner Thematik.
Alles Liebe für dich von Leen.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Liebe Grete,
warum schaffe ich es nur nicht, dir eine ausführlichere Antwort zu geben, wo ich doch finde, dass Du in vielen Dingen ähnlich denkst wie ich?
Und auch heute klappt`s wieder nicht, weil ich in Zeitnot bin. Trotzdem möchte ich dir noch sagen, dass ich sehr froh bin, mit meinen Ansichten nicht ganz allein auf weiter Flur zu stehen, und zumindest bei dir nicht weiterer, schonungsloser Kritik ausgesetzt bin...!
Aber weisst Du was, wir brauchen genau diese harte Kritik von den Anderen an unserem Denken und Verhalten, sonst bewegen wir uns nämlich keinen Millimeter weiter, sonst kapieren wir es nie und werden weiter die oberflächlichen Trampel bleiben, die wir waren oder, oh Gott, noch sind (weil es so schnell ja leider auch nicht geht!).
Deshalb sollten wir dankbar sein, wenn sich all die Lieben hier die Mühe machen, uns die Meinung zu sagen, statt an Streit zu denken, wie in der Diskussion mit Winnie.
Trotzdem, es ist gut, nicht ganz so schutzlos da zustehen! Ganz liebe Grüsse schickt dir deine Leen.
LK
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Und noch eine kurze Nachricht an mm von Leen...
Ich kann deine Antwort leider nicht kommentieren, da ich in Eile bin, aber:
Ich habe sie ausgedruckt und mir hier aufgehängt, damit ich deinen klugen Rat immer, oder so oft es geht, vor Augen habe und ihn verinnerlichen kann.
Hoffentlich schaffe ich das!
Danke für so gute, ehrliche Worte sagt dir Leen.
P.S.:Ich frage mich immer eins, woher nehmt ihr diese übergrosse Kraft, Anderen so konkrete Hilfestellung zu geben?
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Toms Meinung würde ich zustimmen.
Sicher ist es gut in beschwerdefreien Intervallen miteinander zu reden und in Einzelfällen wird man wohl auch eine Lösung finden können.
eigentlich bin ich Pessimistin aus Überzeugung aber ich hoffe doch, dass die Verständigung gelingt wenn man sich wirklich liebhat.
Ich hoffe auch, dass deutlich wurde, wie schwierig es für halbwegs Gesunde ist, sich darauf einzustellen und daß man ihn nicht zwingen will aber selber tierisch leidet deshalb weil es dem Partner so schlechtgeht.
Gret
Chiron
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von Chiron »

Hallo Leen,

<Nur weiss ich eben noch nicht, wie ich es in den Griff bekommen soll, dass meine Angst eben nicht in den Wettstreit mit den Gefühlen anderer Leute gerät, die sich dadurch überfordert fühlen. Was meinst Du-Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training...wird`s helfen?>

Ich glaube nicht, dass PMS oder AT gegen Deine Angst helfen, eher um Dich etwas zu entspannen, aber das ist ja bei Angst sogar wichtig.

Du bist nicht verliebt. Das haben wir ja nun geklärt.

Deshalb glaube ich, Du hast ein zu großes Herz und möchtest einfach helfen, vor allem wenn Du merkst wie sehr sich jemand anderes quält.

Mir geht es auch oft so. Darum kann ich Dir sehr gut nachfühlen, aber manchen Menschen kann man nicht helfen.
Und deshalb ist es besser, Du sagst Deinem Freund, wenn er Dich braucht, bist Du gerne für ihn da, ansonsten lass ihn in Ruhe, um Dich selbst nicht zu überfordern.

Danke für den CD-Tipp, werde ich mir gleich bestellen.

Alles Liebe und Gute für Dich,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
LK
Beiträge: 25
Registriert: 12. Sep 2006, 09:36

Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von LK »

Hallo Bea,

danke für dein nettes Mail, ich habe mich echt drüber gefreut, vor allem darüber, dass Du mir gesagt hast, dass ich es schaffen kann.
Nur, dass er eigentlich froh sein könnte...nö. Ist er nicht. Aber egal.Vielleicht hat er irgendwann bessere Zeiten und denkt nicht mehr im Zorn an mich zurück, das wäre ja auch schon was.
Ich wollte dir auch noch deine Frage von gestern bei Mark beantworten, ich tu`s jetzt einfach hier, denn ihn betrifft die Antwort ja nicht wirklich.
Das waren oder sind keine depressiven Gedanken und ich habe auch nicht die Fronten gewechselt.
Es ist einfach meine Sicht der Dinge.
Wenn ich sehe,
*wie ich Tag für Tag von A nach B und C rase und davon abends so totmüde bin, dass ich keine Ruhe und demnach nur ein bisschen Schlaf finde,
*wie Freunde sich abhetzen, den Terminkalender abzackern, um abends noch schnell zur Ballint-Gruppe zu eilen, damit diese ihnen hilft, grade noch halbwegs die Kurve vor dem Burnout zu kriegen,
*wie sich Kollegen aus niedersten Beweggründen um den Verstand mobben,
*dass auf den vorderen Seiten namenhafter Zeitungen kostbarer Redeplatz damit verschwendet wird, welches modische Statement Angela gestern wieder abgeliefert hat, als ob sonst nichts wichtig wäre als äusseres Erscheinen,
*dass es bedauerlicherweise je oder nochimmer jemandem notwendig erscheint, umzufragen, welcher Kopf unter dem Tuch steckt, als könnte es ein anderer als ein menschlicher sein,
*dass irgendeine blöde Tussie einen neuen Feminismus fordert, weil im oberen Management nur ein Frauenanteil von 5% vertreten ist, was so unnötig wie unnötig zu diskutieren sein dürfte, solange man nicht wenigstens einen umsetzbaren Vorschlag parat hat, der das Welthungerproblem zu lösen nur etwas im Stande wäre,
*dass billigste Nachbarschaftsstreits, die schlimmstenfalls auch noch in echt stattgefunden haben, im Fernsehen verrissen werden, um die wahrscheinlich durch Leere bedingte Sensationsgeilheit der Menschen zu stopfen,
*...,
tut mir leid, aber da kann ich die Welt nicht schön finden und tue es auch nicht, ohne das mit depressiven Gedanken zu verwechseln.
Und da ich die Welt an sich nicht änderen und schon gar nicht verbessern kann, kann es eben nur die eine Lösung geben, nämlich dass ich meine Mitte finde und meinen Weg, um damit klar zu kommen, so dass zumindest also meine eigene winzige Welt in Ordnung ist.
Und aus dieser Position heraus *könnte* es dann möglich sein, in einem etwas weiteren Radius etwas zu ändern, sofern man sich danach reisst, jedenfalls.
Und wenn gesagt wird, dass, ich weiss jetzt gar nicht mehr so genau, wessen Kommentar es war, man den Zustand, die Welt als schön anzusehen oder zu erleben, mit Medikamenten und Psychotherapie wieder herstellen kann, was ich keineswegs abstreite, dann ist das toll. Aber eben "gemacht".
Und irgendwie ist es doch auch ein bisschen widersprüchlich, komm, das musst du jetzt auch mal zugeben: Ich sage, die Welt ist nicht schön.Punkt und ohne Aber.
Und ihr findet, ich hätte depressive Gedanken, weil die Welt doch schön ist.
Grete, Hilfe, Notruf...sag doch auch mal was!!!!!!!
Oder ich hab`s einfach nur falsch verstanden, das könnte dann auch noch sein,ja.
Trotzdem nochmal Danke, dass du mir Mut gemacht hast.
Wenn wir uns nicht mehr vertragen und ich wenigstens ein winziges bisschen Gefühl für Depressivität entwickele, dann hat sich das doch auch gelohnt, oder?
Heute sende ich dir Regengrüsse, dennoch nicht weniger herzlich, deine Leen.
ils_pixent9
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Re: Nicht untergehen lassen und dabei selbst nicht untergehen

Beitrag von ils_pixent9 »

Dieser thread verwirrt mich irgendwie,ich habe das Gefühl weniger zu wissen als zuvor.

Ich bin schon seit Jahrzehnten eine Art Aussteigerin obwohl ich äußerlich gesehen völlig normal lebe.
Ich gebe nichts um meine Wohnung, ich gebe nichts um Laminatböden,mir ist das alles so egal, Geselligkeit im üblichen Sinn ist mir verhaßt, mir sind nur die paar Menschen wichtig die ich mag.
Ich ziehe die Gesellschaft meiner Nachhilfeschüler jeder Kaffeeeinladung vor, ich finde Fernsehen und small talk nur anstrengend.
Gret
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