Was können wir tun?

BinAmEnde
Beiträge: 486
Registriert: 21. Aug 2006, 13:21

Was können wir tun?

Beitrag von BinAmEnde »

Liebe Mitglieder dieses Forums,

ob passive leser oder aktiv postende. wir alle kennen die geschichten der hilfesuchenden menschen, die sich hier eingefunden haben. wir alle wissen, dass wir auf die eine oder andere art ähnliches erlebt haben oder zumindest einen ähnlichen leidensweg durchmachen mussten. ich habe geschichten von menschen gelesen, die mir aus scham und mitgefühl die tränen über deren leid in die augen trieben. wie klein meine eigenen probleme und sorgen dabei wurden, kann ich kaum beschreiben.

heute erlebe ich eine phase der wut. wut über die hilflosigkeit, über mangelndes verständnis und rücksichtnahme, und vor allem über die mangelnde unterstützung bei uns allen. ich denke wir haben mehr verdient! ich denke wir haben mehr offenheit verdient, mehr akzeptanz. wir sind keine unbedeutende minderheit! wir sind zahlenmäßig mehr als alle männlichen und weiblichen homosexuellen zusammen, und die haben es nach hartem ringen auch verstanden, für ihre rechte und akzeptanz in dieser gesellschaft zu kämpfen. davor habe ich größten respekt!

was können wir also tun, um uns mehr gehör zu verschaffen?

wir leben mit unseren ängsten und sorgen doch im verborgenen, so wie jene es lange zeit taten, die eine andere politische gesinnung vertraten, eine andere sexuelle ausrichtung hatten, eine schwerwiegende krankheit hatten. diese aufzählung ist sicher nicht abschließend und unter keinen umständen diskriminierend gemeint. sie soll lediglich ein vergleich sein. es gibt weltbekannte vertreter, die sich für den kampf gegen aids engagieren, die rechte von kindern vertreten, den armut in der dritten welt bekämpfen, oder geld für menschen sammeln, die durch eine naturkatastrophe fast alles verloren haben. nun mag ich den einen oder anderen schockieren, aber sind wir nicht genauso viel wert? wir, damit meine ich alle, die an depressionen leiden und versuchen zurück zu finden, was sie einmal leben nannten. ich finde schon!

depressive sind ebenso vom tod bedroht wie viele organisch kranke oder drogenabhängige. dennoch: braucht ein organisch kranker hilfe, muss er nicht auf einen wochen oder monate entfernten termin warten. und ein drogenabhängiger der sich zu einem entzug und einer therapie entschliesst, wird ebenfalls (und glücklicherweise!) sofort behandelt. und wir? wo sind unsere rechte geblieben? ich habe das gefühl unsere rechte versickern im dickicht der krankenkassen-bürokratie! und das obwohl, oder gerade deswegen, wir eigentlich viele sind!

meine bitte daher an alle leser:
was meint ihr? bin ich jetzt völlig übergeschnappt oder versteht ihr was ich meine? würdet ihr euch nicht mehr unterstützung wünschen?

vielleicht habe ich auch bisher nur nicht gefunden, was ihr wisst. gibt es eine aktive interessengemeinschaft? gibt es eine lobby für depressive?

was können wir tun, um wartezeiten für erstgespräche deutlich zu verringern? was, um der öffentlichkeit von uns zu berichten? was, um hilfe schneller und mit weniger auflagen in ausreichendem masse zu bekommen?

das beschäftigt mich heute und ich denke, wir sollten versuchen, unsere kräfte zu sammeln um uns damit auseinanderzusetzen. denn wir sollten es uns wert sein. zumindest empfinde ich es heute so. ich betone das heute, weil ich genau weiß, dass es morgen schon wieder anders aussehen kann. aber sollten einige hier vertreten sein, die ebenfalls manchmal eine unbändige wut auf das derzeitige system verspüren, würde ich mich sehr freuen, von euch zu hören.

in diesem sinne, alles gute und liebe grüße
euer werner
Yogi66
Beiträge: 1287
Registriert: 15. Feb 2011, 17:31

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Yogi66 »

Hallo Werner,
ich bin auch dafür.
Gründen wir eine eigene Depri Partei.



Mit freundlichen Gruß, Yogi.
atetobi
Beiträge: 274
Registriert: 12. Feb 2004, 14:02

Re: Was können wir tun?

Beitrag von atetobi »

Hallo Werner,

Dein posting hat mein Herz berührt. Du sprichst aus, was ich schon lange denke. Ich fühle mich wie ein Hamster im Rad, rappele so vor mich hin, aber die Hilfe, die ich benötige, bekomme ich nirgends (oder falls doch in kleinstem Rahmen, dann als selbst zahlender Privatpatient) und sacke trotz aller eigenen Bemühungen über die Jahre immer tiefer ab.

Ein konkreter Zusammenschluss der Depressiven wird schwierig sein, aber ich denke, viele von uns haben immerhin bereits damit begonnen, offen über diese Krankheit zu sprechen und damit die Tabuisierung durchbrochen. Und das ist doch schon ein Anfang, um etwas zu ändern.

Ja, wir werden immer mehr, und so traurig das ist, so hoffnungsvoll stimmt es mich auch, weil das Verständnis und die Hilfsangebote vielleicht dadurch wachsen werden.

Liebe Grüße
Beate
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
Chiron
Beiträge: 2006
Registriert: 14. Feb 2005, 15:45

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Chiron »

Hallo Werner,

da Depressionen, den ganzen Menschen mit seiner Persönlichkeit in Anspruch nehmen, glaube ich, können wir nicht viel tun, weil uns schlicht und einfach, sehr oft die Kraft dazu fehlt.

Gegen ein System anzukämpfen kostet Kraft, sehr viel Kraft, die ein Kranker, ein psychisch Kranker schon gar nicht und selbst, wenn wir gemeinsam unsere Kräfte mobilisieren würden, aufbringen kann.

Das ist MEINE leidvolle Erfahrung zu diesem Thema.
Alles was ich tun kann, ist zuzuhören, Verständnis zu signalisieren und Trost zu spenden, sofern das in manchen Situationen überhaupt machbar ist.
Meine Krankheit - nicht zu verschweigen, damit sie ENDLICH mal ihr Stigma verliert.

Dabei denke ich an ein kürzliches Erlebnis während meines letzten Klinikaufenthaltes.
Eine neue Patientin wurde eingeliefert, die es nicht verstehen wollte, warum man SIE als Schmerzpatientin auf die Psychosomatik/Psychiatrie verlegte.
Dort gehöre sie einfach nicht hin.
Ihr eigener Arzt erzählte ihr:"Frau XY, stellen sie sich darauf ein, dort werden sie Menschen mit schwersten Depressionen, Ängsten, ja sogar Psychosen treffen."
Diese Aussage von ihr verletzte mich zutiefst.
(Bin relativ frisch diagnostizierter MD`ler mit Anpassungsstörung)
Zu dieser Zeit kämpfte ich mal wieder; wie so oft; gegen eine schwere derpressive Phase an.
Nach ein paar Tagen, wir hatten uns besser kennengelernt und SIE endlich akzeptiert, hier auf dieser Abteilung zu sein, redeten wir mal sehr offen miteinander unter 6 Augen.
(Es war noch eine Patientin dazugekommen, die sich auch fehl am Platze fühlte )
Als ich von meiner Diagnose erzählte waren beide sehr betroffen und meinten einstimmig:"ABER - du siehst so normal aus und benimmst dich auch so. Man merkt dir nichts an."
Darüber kann ich heute lachen.
Damals erzählte ich den Damen wie sehr mich die Aussage der einen traf und wie viele unter Ängsten, Depressionen und Psychosen leiden, die 3-mal täglich so normal wie möglich, unter Einhaltung der Tischsitten, mit ihnen die gemeinsamen Malzeiten einnehmen. Namen nannte ich allerdings keine.
Denn ich bin der Meinung, jeder hat das Recht dazu, selbst über seine Krankheit zu informieren, oder auch nicht.
Wie bitte sieht ein MD`ler in der schwersten Depri-Phase denn aus, oder wie benimmt er sich dann?
Vielleicht falle ich auch, bei dieser Rolle, aus dem Rahmen.

Jetzt bin ich gespannt auf die Ansichten der anderen KND`ler zum Thema: Was können wir tun?

Liebe Grüße,

Chiron
"Was mich nicht umbringt, macht mich noch stärker."
bix
Beiträge: 99
Registriert: 16. Feb 2006, 15:03

Re: Was können wir tun?

Beitrag von bix »

es gibt weltbekannte vertreter, die sich für den kampf gegen aids engagieren, die rechte von kindern vertreten, den armut in der dritten welt bekämpfen, oder geld für menschen sammeln, die durch eine naturkatastrophe fast alles verloren haben.

Wie Du vielleicht feststellst, sind das fast alles Menschen, die von dem, für das sie sich einsetzen, nicht selbst betroffen sind! Oft Prominente mit dem nötigen Kleingeld.

"Wir" selber können vermutlich herzlich wenig tun. Außer vielleicht auf die Strasse gehen und demonstrieren. Aber - wofür eigentlich genau oder wogegen?

Und was die "Todesgefahr" angeht - gibt es auch für "unsere Notfälle" Notanlaufstellen, Kliniken, den Notruf.

Ich persönlich bin nicht der Meinung, dass "wir" eine Lobby brauchen.
feuerfisch
Beiträge: 1118
Registriert: 15. Jan 2005, 01:45
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Re: Was können wir tun?

Beitrag von feuerfisch »

Hai Ihrs

Ihr tut doch schon etwas!
Ihr schreibt hier in diesem Forum!

Lest euch doch mal die Startseite durch und klickt euch durch die einzelnen Register....

Dies Forum dient nicht nur uns aktiven Schreibern - sondern auch vielen anderen Betroffenen.

Es ist ein Teil des "Bündnisses gegen Depressionen", das in Deutschland tätig ist.

Bei uns in der Region trafen sie schon auf ein gutes Netz von Selbsthilfegruppen - es schloß sich an.
Wo das nicht existiert wird es vom Bündnis angeregt, sie geben auch Hilfestellung bei der Gründung.

Wir hier sind ein Teil der Bekanntmachung, Forschung und Hilfe die in dem Bereich Depris geboten wird. Nicht umsonst wird das Forum von Fachleuten geleitet (die sich aber zum Glück nur selten einmischen).

Fühlt euch nicht so hilflos - ohne den kleinsten Zahn am Rad würde die Maschine nicht laufen

Und wer sich traut der sollte zu seiner Erkrankung stehen - nur so gehts vorwärts.

Alles Liebe

feuerfisch
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
Adson
Beiträge: 528
Registriert: 11. Nov 2004, 12:50
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Re: Was können wir tun?

Beitrag von Adson »

Es ist sehr schwer, Menschen zu aktivieren und sich in einem Interessenverband zusammenzufinden. Das gilt hier wie für jeden Kleingartenverein.

Es gibt zahlreiche Selbsthilfegruppen, Verbände psychisch kranker Menschen. Bisher habe ich mich weniger mit diesen Verbänden beschäftigt, da mir jegliche Vereinsmeierei nicht liegt und aus aktuellen Erfahrungen heraus eigentlich nicht unbedingt begeistert bin, was in manchen deutschen Verband abgeht.

Werner, Du hast recht, die Lobby der an Depressionen erkrankten Menschen ist in der Öffentlichkeit kaum zu spüren, man vergleiche das mit mit den Verbänden der Rheumatiker und Diabetiker.

Ich bin - trotz aller Skepsis - in einen Verband für Narkoleptiker eingetreten, den einzigen in der Bundesrepublik. Tja, was soll ich sagen, es ist verdammt schwer, dort etwas zu bewegen und sich einzubringen. Es ist wie überall: wer macht es und wie? Die die es z.B. im Vorstand machen, sind oft nicht die, die man im Vorstand bräuchte, weil die, die man bräuchte, wiederum keine Zeit haben oder das nicht möchten. Und so gibt es oft Profilierungskämpfe, Intrigen und vieles anderes mehr.

Kleines Beispiel dazu: seit Monaten jammern alle, das dieser Verband keine ordentliche Webseite hat. Doch jetzt habe ich was hochgezogen, was zwar nicht dem Verband gehört, jedoch alles das bietet, was gewünscht wurde. Was meinst Du, wieviel davon genutzt wird?

Fakt ist jedoch, das jegliche Interessenvertretung ab einer bestimmten Größe Geld kostet. D.h. wiederum, das man bestimmte Voraussetzungen erfüllen muß, um zum Beispiel Zuschüsse von den Krankenkassen zu beantragen. Und schon steckt man in der schönsten Verwaltung und Organisation. Dann braucht es Front-Menschen, die gegenüber der Politik kräftig auftreten können. Dann braucht es Vorstand, Kassenkontrolleure, Leiter der Selbsthilfegruppen und vieles anderes mehr.

Ich bin sehr im Zweifel, das an Depressionen erkrankte Menschen immer und nachhaltig derartige Funktionen ausüben können. Hier würde es daher immer auch der Unterstützung durch "gesunde" Mitarbeiter bedürfen.

Fakt ist aber eines: Wenn man das will, dann reicht nicht, darüber zu reden, dann muß man aktiv werden und andere mitreißen können. Also ein Konzept erarbeiten, Mitstreiter/innen suchen und loslegen.

Also: packt es an, wenn Ihr etwas erreichen wollt.

Grüße, Adson
Berlin - Wohnsitz, 39 Jahre, Single.
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Was können wir tun?

Beitrag von winnie »

Nur mal so als Denkanstoß:

"Anstatt sich über die Dunkelheit zu beschweren, sollte man eine Kerze anzünden."

Das ist ein Spruch aus der Thora - und das Motto von Amnesty International.

Eine Kerze mag nicht viel Licht bringen. Aber sie ist besser als nichts.
Und mit einer einzelnen kleinen Kerze fängt man nun mal das Anzünden an.
Und viele Kerzen ergeben einen strahlenden Kronleuchter.

Gruß,
Winnie
Without
Beiträge: 209
Registriert: 27. Aug 2006, 18:58

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Without »

Hallo Werner!

Ich finds klasse das du aktiv sein möchtest und ich finde du hast mit deinem Protest absolut recht.

Ich habe mir ehrlich gesagt darüber noch gar nie soviele Gedanken gemacht, bis du mich in deinem Posting in deinem anderen Thread darauf aufmerksam gemacht hast.
Ich hab mir das heute ziemlich durch den Kopf gehen lassen und finde es ehrlich auch immer noch erschreckend wie wenig über Depressionen bekannt ist und das die ja eine hirnorganische Ursache haben.

In den anderen Antworten in diesem Thread habe ich gelesen "Ja ihr redet ja offen über eure Krankheit" oder so ähnlich.
Ja das stimmt schon das ich das tue. Aber ich bekomme da von niemandem Verständnis oder mal eine Bitte um eine Definition der Krankheit oder ähnliches.
Ich habe eine Freundin die hat vor drei Wochen ein Baby per Notkaiserschnitt entbunden, weil sie am sogenannte HELLP Syndrom gelitten hat. Eine lebensbedrohliche Schwangerschaftserkrankung. Ich habe von dieser Krankheit vorher noch nie was gehört und habe mich gleich an den PC gesetzt und mich darüber informiert, weil ich sehr erschrocken darüber war, das sie hätte sterben können.
Wegen mir und meiner Diagnose hat das noch niemand gemacht. Ich weiß ganz genau was die Leute hinter meinem Rücken reden "Die hat mal wieder ihre Tage" oder "Die steigert sich halt immer in alles so rein"

Also soweit zum aufgeklärt sein der Gesellschaft über Depressionen.

Deshalb kann ich gut verstehen, dass du für mehr Aufklärung bist und auch einfach eine Lobby hättest für "uns".

Aber ich muß auch meinen Vorredner/innen Recht geben. Das Engagement das so eine Sache erfordert, haben manche in ihrer schlimmsten Phase einfach nicht. Ich hätte letzte Woche nicht mal nen Telefonhörer in die Hand nehmen können.

Ich bin da also ziemlich hilflos, wo man da überhaupt anfangen sollte und wie?

Vielleicht hat wirklich jemand eine konkrete Idee?? Nur her damit!!
Ich bin wirklich ziemlich einfallslos. Leider!

Aber gib den Gedanken nicht auf Werner. Ich finds toll! Vll. ergibt sich wirklich etwas wenn die Zeit reif ist!

Wie geht es dir jetzt im Moment, ist es immer noch so heftig wie heute Mittag?

Ich hab sehr fest an dich gedacht!

Lieben Gruß

Petra
>> Der Optimist sieht das Licht am Ende des Tunnels - der Pessimist den entgegen kommenden Zug
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Nachttaube »

noch eine Mini-Interessengemeinschaft mehr? Was willst Du eigentlich bewirken mit Deinem Aufruf . Klingt in meinen Ohren etwas billig, aufreißerisch, ziellos.

Es gibt genügend Patientenvereinigung, die nicht nur Depri vertreten, sondern alle Patienten. Denn ob z. B. Krebskrank oder Depri, ersteinmal steht man vor weißen Göttern und bürokratie, vor Nichtwissen und Scharlanen und vermeintlichen Helfern. Und ab und zu auch mal vor einem guten Arzt usw.

Es ist menschlich, dass man sich erst um solche Vereinigungen kümmert, wenn man schon Krebstpatient ist, oder halt Depri...

UND ÜBRIGENS:
sind Deine Informationen schlicht falsch.
* Auch Drogenabhängige bekommen Termine, auch Organspender haben ein Terminproblem. Also Polemek brauchen "wir" hier wirklich nicht.
* Ein Depri bekommt bei Krise und Akut auch direkt ein Krankenbett in der Psychiatrie
* Es gibt sogar so etwas wie Wohltätigkeit. Siehe KOSTENLOSE Seelsorge von ev. und kath. Ämter, wie auch Vorlesungen in den Kliniken
* gibt es soviele Selbsthilfegruppen, die wirklich gut organisiert sind (weiß nicht ob Bundesweit, aber KISS ist in NRW ein Oberbegriff für viele SHG, die sehr organisiert sind)Wo man also Hilfe, Anregung, und unterstützung bekommt.

Nun das sind meine ersten Gedanken dazu. ich gestehe, ich habe nicht verstanden,was Dein Posting bewirken soll. Es ist so aufreißerisch wie schlechte Werbung und so ziellos, dass ich Dir Werbung in eigener Sache nicht zutraue

liebe Grüße
a.w.
Beiträge: 152
Registriert: 4. Aug 2006, 19:33

Re: Was können wir tun?

Beitrag von a.w. »

Tja, Werner,
wäre ich in meiner alten Verfassung, eine gesunde, von ihrem Tun beseelte Frau, könnte ich mir schon vorstellen. politisch für Depressive zu arbeiten. Verfüge sogar über Erfahrung in politischer Projektarbeit aus Bundesebene. Könnte jetzt noch mindestens vier Absätze verfassen, in denen ich meine damals achso genialen Fähigkeiten hervorhebe....
Aber so bin ich nicht mehr. Und ich glaube, es ist so, wie meine Vorredner es schon gesagt haben: Wir kommen mit uns selbst nicht klar, oft fehlt es an Kraft, den alltäglichen Anforderungen des Lebens gerecht zu werden. Wie sollen wir da politisch tätig werden? Ich weiß aus Erfahrung, dass hier ein Höchstmaß an Konzentration, Wissen und Flexibilität gefordert ist, ebenso wie absolute Zuverlässigkeit, Organisations- und Improvisationstalent und auch privates Engagement. Glaub mir, diesen Job habe ich jahrelang gemacht...
Es wäre sinnvoller, jemanden zu finden, der gesund und bereit ist, sich für unser Anliegen zu begeistern und der das Sprachrohr der Depressiven sein mag.
Wenn ich mal den Stempel "geheilt" erhalte, will ich gerne mitmachen, mich einbringen und auch hart arbeiten, eine Lobby aufzubauen.
Hier zu sein, zu schreiben und den anderen Gesprächspartner zu sein, so wie sie mir Gesprächspartner sind, ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Betrachte es doch mal als einen guten Anfang!
Noch ein Wort zur Kriminalität:
Ich bin davon überzeugt, dass nicht die Depressionen Ursache für Kriminalität ist. Hier gilt es eher, in den Elternhäusern und der allgemeinen Sozialisation Ursachenforschung zu betreiben. Ich glaube , dass hier schon evaluiert wurde.
Es kommt auch sicherlich darauf an, auf welche Form der Delinquenz man statistische Erhebungen durchführt.Sexualdelinquenten, Drogensüchtige und auch Gewalttäter sind nicht Täter, weil sie eine fehlgeleitete Depression haben.
Mit Grüßen von Janina
Heute ist der erste Tag vom Rest Deines Lebens. Mach was draus !!
Birgit49
Beiträge: 452
Registriert: 22. Jun 2005, 17:19

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Birgit49 »

... wer suchet, der findet.

Es haben sich in einigen Städten eigene "Bündnisse gegen Depressionen" gebildet (einfach 'mal googeln) wie z. B. das

http://www.berlinerbuendnisgegendepression.de/

Ausserdem gibt es z. B. noch

http://www.irrsinnig-menschlich.de/html/news.html

Man braucht also nicht Neues "erfinden", es ist alles schon da, man muß es, wie oben geschrieben, nur suchen und finden.

Liebe Grüße aus Berlin

Birgit
Die Fähigkeit das Wort “Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.
(Nicolas Sebastién Chamfort)
Lioness
Beiträge: 1911
Registriert: 29. Mai 2005, 23:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von Lioness »

Hallo Werner,

also ich kann Dein Posting nur voll und ganz unterstützen! Und entgegen Nachttaubes Ausführungen ist es ganz und gar nicht reißerisch.

Wie man angesichts der Millionen, die in Deutschland an Depression erkrankt sind, von einer "Mini-Interessengemeinschaft" sprechen kann, ist mir auch ein absolutes Rätsel...

Wie Feuerfisch hier bereits geschrieben haben, ist ja alleine die Existenz des Kompetenznetzes Depressionen und damit auch dieses Forums (das auch von denen, die nicht der Meinung sind, dass "wir" eine Lobby brauchen, gerne genutzt wird....) ein erster Schritt in Richtung "An die Öffentlichkeit treten", und es wurde "uns" (in diesem Fall der Düsseldorfer Familie "Kompenet") aus verlässlicher Quelle vom Münchner Forumstreffen kolportiert, dass dies z.B. auch ein zentrales Anliegen unseres werten Doc Niedermeiers ist. Siehe Gründungsdiskussion der BajuWahren!

Aber auch Chiron hat Recht, wenn sie erläutert, dass Depressiven häufig schlichtweg die Kraft fehlt. Wer teilweise nicht mal aus dem Bett kommt, für wen Körperpflege und Mahlzeiten eine Herausforderung darstellen (und dies ist selbstverständlich nicht polemisch gemeint, ich spreche aus eigener Erfahrung), der wird schwerlich einen Bundesverband Depressiv Erkrankter e.V. zu gründen in der Lage sein. Es ist nun mal leider so, dass die üblichen Symptome unserer Krankheit uns bei akuten Schüben daran hindern, auch in dieser Richtung aktiv zu sein.

Dieses Thema hat auch meine SHG oft beschäftigt. Einer der Leiter, selbst seit Jahren stabil, hat in dieser Sache auch schon Gespräche mit einem Chefarzt der Psychiatrie in dieser Stadt geführt.

So wie ich es sehe, braucht es dazu Betroffene, die das akute Krankheitsstadium überwunden, eine gewisse Grundstabilität erreicht haben, und nach der "Rückkehr" ins "normale" Leben mit Beruf, Familie, Freundeskreis noch nicht voll "ausgelastet" und vor allem Willens sind, sich auch in Zeiten der Remission mit der Krankheit auseinanderzusetzen. Oder überhaupt mal erst akzeptieren, dass es eben eine REMISSION und keine HEILUNG ist, was laut Statistik für den überwiegenden Teil der Depris zutrifft, und dass somit eine weitere Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dem Thema durchaus für ihr Leben Sinn machen würde....

Hand auf's Herz, ihr alle, die ihr "gute" Phasen zwischen den Deprischüben habt: Habt ihr nicht auch die Tendenz, gerne zu"verdrängen", die Normalität wieder genießen zu wollen, ohne allzuviel über die gewesene Depri nachdenken zu wollen? Mir jedenfalls geht es oft so....

DAS ist ja nun der Hauptunterschied z.B. zu Leuten mit Diabetes, oder körperlichen Behinderungen: Die Tatsache, dass unserer Krankkeit in Wellen / Schüben verläuft, uns in der Akutphase an jeglicher Handlung hindert - und in besseren Tagen erfolgreich ausgeblendet werden kann, nach dem Motto: Mir geht's ja wieder gut! Auch ich verfalle dieser Versuchung. Und es wurde hier im Forum schon mehrfach das Phänomen beschrieben, dass man sich teilweise nach einem Schub, in stabiler Gemütslage, nur schwer erinnern kann, wie es sich tatsächlich anfühlt, in einer Depriphase zu stecken, oder nachzuvollziehen, warum z.B. gewisse Dinge so unüberwindbar oder angstauslösend waren (auch hier spreche ich aus Erfahrung).

Wenn ich mein Examen heil überstanden und mich im Arbeitsalltag mit mehr Unterrichtsstunden halbwegs eingerichtet habe, möchte ich jedenfalls auch dazu beitragen, dass wir in der Öffentlichkeit mehr Gehör bekommen. Aber sicherlich nicht auf einer größeren Ebene, sondern vor Ort, da wo ich lebe. Wie Winnie schon ganz richtig schrieb: Viele kleine Lichter......

In diesem Sinne, packen mer's an?

Gruß
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
susan
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Was können wir tun?

Beitrag von susan »

Hallo Werner und alle hier,

ich denke, dass alle, die hier schreiben und lesen, schon sehr viel tun (die Frage könnte also lauten: Was können wir NOCH tun? Wir informieren uns, tauschen uns aus, sind in Selbsthilfegruppen, helfen unseren Angehörigen u.v.m. Es gibt auch eine Vielzahl an Büchern, Vorträgen, Veranstaltungen und es gibt viele, die die Angebote auch nutzen.

Trotz zunehmender Aufklärungsarbeit gibt es aber noch eine Vielzahl Betroffener, die davon nicht Gebrauch machen, die sich aufgrund der Schwere ihrer Krankheit und der damit verbundenen Ängste nicht trauen, die Hilfe, die da ist, anzunehmen. Die zu erreichen, wäre schön...

Auch schlechte Erfahrungen mit Ärzten/Therapeuten tragen dazu bei, dass sich Menschen zurückziehen, und weitere Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Es geht also auch in diese Richtung, denen Mut zu machen, die vorhandenen Angebote - dennoch - zu nutzen.

Schwierig finde ich es, die Menschen, die nicht betroffen sind, zu sensibilisieren für die Krankheit Depression, um es ein Stück leichter für alle Betroffenen zu machen. Wenn ihr Umfeld sie besser versteht, sie sich nicht rechtfertigen müssen, weil sie erkrankt sind, wird es erträglicher.

Gruss
Susan


MBC
Beiträge: 33
Registriert: 4. Sep 2006, 19:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von MBC »

Ich schließe mich den Meinungen hier voll an, mit einer kleinen Abweichung:

Werner, deine Sorgen udn Probleme sind keineswegs kleiner als die von uns oder anderen. Du bist, wie alle hier, ein wundervoller Mensch, und es ist genauso wichtig, dass du Hilfe hast und bekommst wie bei allen. Und dass du dich nicht alleine fühlst.

Ich strecke mal meine Arme aus und umarme alle hier.

MartinaBC
BinAmEnde
Beiträge: 486
Registriert: 21. Aug 2006, 13:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von BinAmEnde »

hallo zusammen!

ich freue mich sehr, über die vielen kommentare, seien sie kritischer oder unterstützender natur. sicher gibt es viele aspekte, die ich gestern in den wenigen minuten als ich diesen beitrag verfasste, nicht bedachte oder unbewusst übergangen bin. ich bitte das nicht als reißerische polemik abzutun. wie viele hier, habe ich meinen gedanken freien lauf gelassen, eine eigenschaft, zu der mir dieses forum erst wieder den mut gab. vielleicht war es meine gestrige wut, die den anstoß gab, mich zu diesem punkt zu äußern. vielleicht eine art selbstversuch, mich mit diesem aufruf einer eigentherapie zu unterwerfen. ich weiss es nicht genau. aber ich denke immer noch, das ich einige punkte angesprochen habe, die vielen hier einleuchten und ihrer sichtweise entsprechen, auch wenn es schon viele verbände gibt, die sich dem thema depression widmen.

also nochmal: vielen dank für die hinweise auf mögliche schwierigkeiten, bereits existierende verbände, wahrscheinliche organisatorische probleme, und, und, und.
und vielen dank für den zuspruch, ob in form von lieben worten, aufrufen zum sammeln von ideen oder einfach nur zustimmung.

sicher ist es gerade bei depressiven problematisch leute zu finden, die verbandsarbeit mit all ihren wirrungen dauerhaft erfolgreich abwickeln können. und verbände sind, gerade in deutschland, immer auch ein stück "bürokraotisch", ich kenne das. ich habe auch kein fertiges konzept in der schublade, dass ich nur herausziehen und anwenden könnte, sollte dieser eindruck entstanden sein. ich bin nur einer von euch, der versucht seine derzeit vorhandene energie in etwas positives für die gemeinschaft umzusetzen. findet das merkwürdig, findet es pathetisch, findet es untypisch für einen depri. denkt was ihr wollt, denn die gedanken sind frei und wir leben in einer demokratie, aber denkt! vielleicht ist das meine haupt-message!

wir sind viele! zu viele, um von der masse ignoriert zu werden. zu viele, um nicht bessere hilfen verlangen zu können, als die selbsteinweisung in die psychiatrie. es gibt zu viele, die nicht über das internet erreicht werden. zu viele, die wie ich vor einem monat, nicht einmal wissen was mit ihnen geschieht. wenn ich an all die verzweiflung dieser menschen denke, junge, alte, frauen und männer, wird mir ganz schlecht bei dem gedanken, dass sie womöglich nicht den weg hierher finden. das sie kein ventil für ihre angestauten emotionen finden. das sie sich unnötig lange quälen, nur um zu dem schluss zu kommen, dass sie allem ein ende bereiten sollten, wie ich es vor einiger zeit tat. ich finde jeder mensch, gleich wie verzweifelt, ist alle mühe dieser welt wert, hilfe zu bekommen. und gerade wenn die verzweiflung unerträglich groß ist, ist es auch nahezu unmöglich aktiv nach hilfe zu suchen. eure beiträge zu meinem hilferuf vor einigen wochen haben mich das gelehrt. ihr seid es gewesen, die mich vor einem weiteren, möglicherweise letzten versuch alles zu beenden, bewahrt habt. ich verspüre nun den drang, diese dankbarkeit an möglichst viele weiterzugeben.

vielleicht ist es blinder aktivismus. vielleicht zum scheitern verurteilt. aber vielleicht, und nur vielleicht, auch nicht!

ich werde mich in den nächsten tagen mit euren bemerkungen befassen, versuchen daraus zu lernen, und mich mit den angegebenen links schlauer zu machen. vielleicht komme ich zu der erkenntnis, dass es schon alles gibt, was ich mir wünschen würde. wenn nicht, melde ich mich bald wieder!

ich wünsche euch allen kraft und bedanke mich nochmals für ALLE beiträge. jeder, der hierher gefunden hat, weiss dieses forum zu schätzen.
viele grüße - werner
atetobi
Beiträge: 274
Registriert: 12. Feb 2004, 14:02

Re: Was können wir tun?

Beitrag von atetobi »

Hallo Werner,

mit Interesse habe ich die Beiträge mit den verschiedenen Meinungen in diesem Thread verfolgt. Und Dein letztes posting hat mich, genau wie das zu Beginn, wieder besonders berührt.

Du schreibst, dass Du das, was Dir an Gutem geschehen ist, zurückgeben möchtest, und ich denke, Du tust es bereits, indem Du Dich in diesem Forum beteiligst, Deine Erfahrungen mitteilst und andere Betroffene mit Deinen Worten unterstützt.

Es wurde schon häufig gesagt: Institutionen in Bezug auf Depressionen gibt es schon etliche. Und diese Institutionen bieten eben auch die Möglichkeit für Foren wie dieses, einen Austausch für Betroffene, Mengen von Infos über die Krankheit usw. Klar, viele Menschen haben kein I-Net, aber auch für diese besteht die Möglichkeit, Infos und Hilfe zu bekommen.

Ich schrieb schon in meinem vorherigen posting, dass ich es wirklich für am besten halte, wenn jeder Betroffene im Rahmen seiner Möglichkeiten offen mit der Krankheit umgeht. Klar, nicht jeder, der davon hört, entwickelt auch Verständnis für diese Krankheit, aber ich habe sehr, sehr viele Menschen getroffen, die es taten. Nachvollziehen kann ein "Gesunder" die Depression nie, das kann nur jemand, der selbst davon betroffen ist, aber Verständnis entwickeln ist immer möglich, wenn gewollt.

Ich habe Depressionen, seit ich denken kann, d. h., meine erste Erinnerung speziell daran liegt 47 Jahre zurück. Vor 17 Jahren habe ich endlich nach wirklich jahrzehntelanger Suche einen Arzt gefunden, der das erkannte und ernst nahm. In den vergangenen 7 Jahren haben sich die Depressionen extrem verschlechtert, trotz ärztlicher Hilfe. Resultat: Zeitrente steht kurz bevor, ich warte nur noch auf den Bescheid.

Ich mache trotzdem weiter, irgendwie, und ich habe in meinem Umfeld, auch im Kollegenkreis, die Erfahrung gemacht, dass ein offener Umgang mit dieser Krankheit auch in diesem Rahmen Hilfe bedeuten kann. Das Verständnis wächst, auch weil inzwischen fast jeder Mensch, den ich kenne, in seinem engeren Umfeld Menschen hat, die von dieser Krankheit betroffen sind, also persönlich berührt davon ist. Dieses ganz persönliche Betroffensein eröffnet meistens auch wesentlich mehr Verständnis für andere Betroffene.

Als letzte Anmerkung noch: Im Gegensatz zu einigen anderen Betroffenen bin ich der Meinung, dass speziell Depressive über eine wahnsinnige Kraft verfügen. Sonst könnten sie diese Krankheit nicht überleben.

Ich freue mich, wenn Du auf Deinem Weg bleibst und weiterhin so gute Worte (und Taten) findest. Meine guten Wünsche begleiten Dich.

Beate
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
BinAmEnde
Beiträge: 486
Registriert: 21. Aug 2006, 13:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von BinAmEnde »

hallo beate,

danke für deinen zuspruch. ich habe hier so viele freundlichen worte bekommen, so viel zuspruch erfahren, wie lange nicht mehr. und ich bin unendlich dankbar dafür. ich weiss nicht, was passiert wäre, hätte ich nicht hierher gefunden. nach langen monaten des nicht-verstehens fand ich hier endlich antworten auf einige fragen. und es war für mich sehr erlösend, dem kind endlich einen namen geben zu können, denn dadurch konnte ich endlich beginnen, etwas zu tun.

sicher hast du recht, dass der offene umgang mit der krankheit ein wichtiger schritt ist. aber ich kann für mich sagen, dass ich damit noch immer ein problem habe. es kostet mich zu viel überwindung, in einer nicht-anonymen gruppe von menschen offen anzusprechen, was mich bewegt. ich weiss nämlich nicht, wie ich mit evt. abschätzigen bemerkungen umgehen soll. und ich stelle mir vor, dass es einigen anderen hier ähnlich geht.

die darstellung deines leidensweges ist erschütternd für mich, denn sie wirft für mich die frage auf, wie ich damit umgehen würde und ich habe keine antwort, was mich wiederum manchmal ängstlich, manchmal wütend macht. warum musstest du so lange leiden? warum so lange auf hilfe warten? warum sollen gesunde nicht verstehen können, wie es einem depressiven menschen geht? zumindest auf die letzte frage kann ich, ausgehend von meiner person, eine antwort geben: weil sie es nicht besser wissen! denn wie du schon angemerkt hast, erhöht sich die akzeptanz durch den offenen umgang betroffener. aber auch durch erfahrungen im direkten umfeld jener gesunden. ich würde mir heute sehr wünschen, ich hätte früher mehr darüber gewusst! aber ich bin diesem thema nie begegnet und das bedeutete, dass ich sehr unsensibel damit umgegangen bin. verstehst du was ich meine?

deine folgerung, dass gerade depris über viel kraft verfügen, finde ich schön, mutig, ermutigend und nicht zuletzt wegweisend. sicher gilt das nicht für alle, ganz sicher nicht für jene, die die krankheit nicht überlebt haben. aber ganz sicher würden alle davon profitieren, wenn diese thema an sich in die öffentlichkeit getragen würde. bei einigen teilaspekten geschieht dies bereits, wie man an sonderbeiträgen in div. medien sehen kann. das KND hat sogar (habe ich gestern gelernt) eine initiative ins leben gerufen, dieses thema in die schulen zu tragen. das finde ich hervorragend, kenne aber nicht die response-quote.

es fällt mir momentan leicht, mich mit diesem thema zu beschäftigen. und es hat mir einen sinn gegeben. ich sammle noch infos und anregungen, um mir ein klares bild zu machen, würde mich aber sehr freuen, wenn wir alle uns eines tages aus der anonymität dieses forums herauswagen würden. ich weiss, ich bin ein hoffnungsloser idealist. aber hey, so bin ich nunmal und ganz ehrlich, diesen teil von mir habe ich zu lange vermisst, um ihn nun verraten zu wollen.

liebe grüße
deary
Beiträge: 424
Registriert: 17. Jun 2005, 13:05

Re: Was können wir tun?

Beitrag von deary »

Hallo Werner,

ich finde sehr wohl, dass es noch Handlungsbedarf gibt. Solange die Krankheit noch ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft ist, und man nicht wie jeder andere Kranke auf Verständnis, sondern auf Worte wie " Reiß Dich einfach mal zusammen" trifft, gibt es jede Menge zu tun.

Wenn ich nur stundenweise arbeite, schaue ich manchmal nachmittags ein Magzin im WDR "daheim und unterwegs". Es hat auch eine Gesundheitsecke.
Ich habe mich gefragt, warum dort nie etwas über Depressionen aufgetaucht ist, wo doch so viele Menschen darunter leiden.

Ich habe an den zuständigen Redakteur geschrieben, kurz meinen Fall geschildert ( und dass ich sehr gerne dieses Magazin sehe) und gefragt, ob nicht mal das Thema Depression aufgenommen werden könne.

Der Redakteur hat umgehenst zurück geschrieben, und es ist ein Beitrag dazu gesendet worden, aber erst nach einem 3/4 Jahr.
(Den ich aber leider verpasst habe.)

So etwas finde ich wichtig, dass die Öffentlichkeit über die Krankheit informiert wird.
Denn die Menschen aus meinem Umfeld wissen ja mittlerweile Bescheid. Und teilen sich in zwei Lager: Die einen mögen/akzeptieren mich mit meiner Krankheit, aber einige ( bei mir zb Nachbarn) weigern sich hartnäckig, das als Krankheit anzusehn.
Für sie bin ich einfach faul. Diese Menschen sind aber glücklicherweise nur solche, zu denen ich ganz oberflächlichen Kontakt habe.

Eine weitere Möglichkeit ist, sich solchen Sendern zur Verfügung zu stellen.
Ein Kollege von mir , der jahrelang mit Zwängen zu tun hatte, war zb. Gast in SternTV bei Günther Jauch.
( Kontakt zum Sender bekam er durch eine Organisation, die sich eben mit der Krankheit Zwang und dem Bild der Krankheit in der Öffentlichkeit beschäftigt, er abonnierte davon auch eine Zeitung, die regelmäßig erschien, leider weiß ich den Titel nicht mehr)

Er hat zwar lange überlegt, ob es für ihn negative Konsequenzen haben würde, weil einige ja auch gar nicht über die Krankheit Bescheid wußten, aber schließlich hat er es getan.
Herausgekommen ist ein sehr engagierter Beitrag bei SternTV, durchaus sehenswert.
Und das Bild beim "Bierchen danach" mit Günther Jauch hat er uns dann stolz gezeigt..

Und das macht es dann wiederum leichter, auch offen mit der Krankheit umzugehen.
Komischerweise klang das hier in den Beiträgen oft an. "offen mit der Krankheit umgehen"
Ja, aber wie soll man denn offen mit der Krankheit umgehen, wenn man ganz offensichtlich negative Konsequenzen in Beruf, Gesellschaft und Familie befürchten muß ????

Viele KÖNNEN ja nun einfach nicht so locker ihren Beruf und damit ihre EXISTENZ aufs Spiel setzen, WEIL sie dem Chef sagen: Ich habe in regelmäßigen Abständen mit Depression zu tun.

( Das ist ungefähr so, als ob man sagen würde, ach ,was ich noch sagen wollte, ich bin Alkoholiker, nebenbei Kettenraucher und was weiß ich noch alles)
Ich glaube nicht, dass solche Aussagen die Aussicht auf einen Job erhöhen...

Also, wenn sich aus diesem Thread etwas ergibt, was wir außer der Unterstützung der vorhandenen Verbände noch tun können, ich würde gerne Zeit opfern, und mich einbringen.

Was hat denn das kompetenznetz selber vorgeschlagen, Werner, du sagtest, Du hättest da Kontakt aufgenommen?!

Also, lass mich bitte gerne wissen, wenn es irgendwas gibt, was wir tun können, ich denke , es ist dringend notwendig.!!!!

Liebe Grüße
deary
deary
Beiträge: 424
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Re: Was können wir tun?

Beitrag von deary »

Hallo Werner und hallo all!

Was mir grade noch eingefallen ist, wir hatten hier im Forum vor einiger Zeit schon mal ein ähnliches Thema

Ein Forumsmitglied, der unter dem Namen Albert Keim schrieb ( wenn ich mich recht erinnere) hatte Kontakt zu einer Schule, ging in den Unterricht dort, und berichtete im Rahmen des Unterrichtsthemas Depression dort von seiner Krankheit.

Es gab eine Rahmen- Einführung und danach offene Fragen der Schüler zu dem Thema.

Leider finde ich den Thread nicht wieder, aber vielleicht kann sich ja einer von denjenigen, die hier schon länger lesen, erinnern und mir auf die Sprünge helfen?

Ein anderes Forumsmitglied, an dessen Namen ich mich jetzt nicht mehr erinnern kann, hatte auch ein Angebot, sich in einer Sendung öffentlich über seine Krankheit zu äußern.
Er fragte hier an, was wir als Forumsmitglieder davon hielten.

Leider hat er es dann nicht getan, weil er eben negative Konsequenzen befürchtete...

Vielleicht kann sich ja jemand noch erinnern, aber auch so, ich denke, dass sind die richtigen Ansätze: In Schulen gehen, und die Öffentlichkeit versuchen zu erreichen...


Liebe Grüße
deary
deary
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Registriert: 17. Jun 2005, 13:05

Re: Was können wir tun?

Beitrag von deary »

hallo @all:

Habe grade den Thread wiedergefunden, in dem Albert von diesem Tag in der Schule berichtet.

http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1128952797

Wen es also interessiert.

Liebe Grüße deary
atetobi
Beiträge: 274
Registriert: 12. Feb 2004, 14:02

Re: Was können wir tun?

Beitrag von atetobi »

Lieber Werner,

Du hast Recht, es ist schwierig, offen mit dieser Krankheit umzugehen, weil sie immer noch stigmatisiert ist. Auch ich spreche durchaus nicht mit jedem darüber, warte erst einmal ab, bis ich mein Gegenüber einschätzen kann. Schlimme Reaktionen auf "Outing" kenne auch ich, aber ich gebe nicht auf, weil ich eben so sehr davon überzeugt bin, dass grundsätzlich direkte Information über diese Krankheit durch Betroffene die beste Wirkung erzielt. Und Menschen, die an uns Interesse haben, entwickeln auch Interesse für diese Krankheit, die unser Leben so maßgeblich bestimmt.

Das, was konkret in mir vorgeht, bespreche ich nur mit ganz bestimmten Menschen, denen ich bedingungslos vertraue, wenn überhaupt.

Wie Du auch schreibst: Wenn man mit dieser Krankheit keine Berührungspunkte hat, interessiert man sich auch nicht dafür. Ich denke aber, das ist mit jeder anderen Krankheit auch so. Erst dann, wenn man selbst betroffen ist oder jemandem nahesteht, der davon betroffen wird, beginnt man, sich damit zu beschäftigen. Normal, denke ich. Auch das ein Grund, weshalb ich den Menschen, die mich umgeben, davon erzähle. Einer besonders lieben und verständnisvollen Kollegin, mit der ich ein Büro teilte, habe ich auch einmal eine kleine Info-Schrift mitgenommen. Das fiel auf sehr fruchtbaren Boden. Wir haben über die Jahre viel gesprochen, und dadurch entwickelte sie auch viel Verständnis für meine diversen Ausfallzeiten, unterstützt mich bis heute (seit Januar bin ich krank geschrieben), indem sie auch anderen Kollegen gegenüber für mich die Stimme erhebt.

Mein "Leidensweg". Irgendwie habe ich mit den Depressionen gelebt, durchaus ein "normales" Leben geführt. Das große Problem für mich war, dass bis vor nicht allzu langer Zeit die Depressionen noch wirklich stigmatisiert waren, was sich nach meiner langen Erfahrung in den vergangenen Jahren wesentlich gebessert hat. Die Öffentlichkeitsarbeit, die heute stattfindet, empfinde ich als großartig gegenüber dem, was ich früher erlebt und erfahren habe. Es gab kaum die Möglichkeit, einen Arzt zu finden, der Verständnis für diese Probleme entwickelte. Auch, als ich vor 17 Jahren endlich einen Arzt fand, waren diese Möglichkeiten noch sehr rar. Und über diese Krankheit zu sprechen war so gut wie unmöglich. Abgestempelt als "verrückt". Gut, es gibt auch heute noch Menschen, die so denken, aber, ganz ehrlich - auf solche Menschen kann ich pfeifen. Sie sind in meinen Augen nur stupide, gedankenlos.

Seit ca. 7 Jahren sind meine Depressionen extrem schlimmer geworden, die Fehlzeiten wurden häufiger, die Abstände der Episoden kürzer, die Episoden länger, bis zuletzt gar nichts mehr ging.

Und nun stehe ich mit 54 vor Trümmern, die Depressionen sind inzwischen chronisch, ich muss irgendwie sehen, wie ich damit zurecht komme, "aus dem Verkehr gezogen" zu sein trotz aller Anstrengungen, die ich unternommen habe.

Ich resigniere, aber diese Resignation versuche ich für mich nicht unbedingt als negativ, sprich: als Versagen, zu definieren, sondern als: Ich lebe mit und trotz der Depression. Hört sich leicht an, ist verdammt schwer für mich, das Ganze so anzunehmen.

Dir wünsche ich von Herzen, dass Dein Weg Dir weiterhin so gute Erfahrungen beschwert, wie Du sie hier im KN gemacht hast.

Alles Liebe!
Beate
Und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Lichtlein her.
BinAmEnde
Beiträge: 486
Registriert: 21. Aug 2006, 13:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von BinAmEnde »

hallo daery, hallo beate!

meine idee scheint nicht mehr viele leute hier zu interessieren, die wenigen antworten/kommentare zeigen dies deutlich. naja, vielleicht liegt es auch an meinem stil, der fehlenden zeit oder den akuten problemen, oder, oder, oder

wie dem auch sei, ihr seid hier und dafür danke ich euch.

wie ich schon erwähnte bin ich noch dabei infos zu sammeln, unter anderem habe ich mir mal den gesamten inet-auftritt des KND angeschaut und alle infos rausgezogen. ich muss gestehen, ich hatte vorher nur das forum im blick. es gibt ne menge infos dort, verweise, tips, usw. kontakt werde ich aufnehmen, sobald ich einen sinnvollen ansatz gefunden habe. ich möchte das berühmte rad nicht neu erfinden! ich fände es schön, etwas sinnvolles zu ergänzen. vor allem fände ich es schön, infos zu unserer problematik in die breite masse zu streuen, und zwar bevor einzelne sich selbst in der scheinbaren ausweglosigkeit dieser krankheit wiederfinden.

auf deine unterstützung käme ich dann gerne zurück, liebe deary!

und deine lange geschichte, liebe beate, ist ein hervorragendes beispiel für die bereits erreichten dinge in diesem bereich. ganz ohne zweifel hat sich etwas getan, aber ich errinnere mich auch an deine worte, dass du nicht die hilfe erhalten hast, die du lange gesucht hattest, und das du dich wie der berühmte hamster im rad fühlen würdest. und das lässt mich nicht mehr los!

ich habe noch viel zu lesen und zu analysieren. ich werde euch auf dem laufenden halten, wenn ihr mögt.

einen schönen tag! werner
BinAmEnde
Beiträge: 486
Registriert: 21. Aug 2006, 13:21

Re: Was können wir tun?

Beitrag von BinAmEnde »

...mich würde z.b. sehr interessieren, was ihr alle euch von eurem umfeld wünschen würdet. was bedrückt euch am meisten im kontakt mit euren mitmenschen? wo seht ihr das hauptproblem?

irgendwelche vorschläge?
feuerfisch
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Registriert: 15. Jan 2005, 01:45
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Re: Was können wir tun?

Beitrag von feuerfisch »

Hai Werner

fehlende / falsche Information.

Und auch wenn man auf Leute trifft die schon den einen oder anderen im Freundes-/Familienkreis haben, so schrecken doch viele im ersten Moment zurück. Hat man aber die Chance zu erklären, so ändert sich das

Ich hab die Erfahrung gemacht das ich sehr gut über Bilder erklären kann - das verstehen die meisten (z.B. Ängste - die Leute sollen sich daran erinnern wie es war als Kind in den dunklen Keller zu gehen, wo doch überall der schwarze Mann lauert).

Liebe Grüße

feuerfisch

P.S.: ach ja, was mich auch stört das ist das die Medien so arg mit den seelischen Krankheiten umgehen.
Es gibt 1000 Gründe alles beim Alten zu lassen und nur einen einzigen etwas zu ändern - DU HÄLTST ES EINFACH NICHT MEHR AUS!
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