weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

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Ninuccia
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weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Ninuccia »

Ich habe in meinem Ärztebrief nach der Klinik gelesen welche Diagnoesen gestellt wurden und mal nachgeforscht was die schönen Zahlen bedeuten. Die ersten beiden habe ich verstanden, aber die andere war... "abhängige Persönlichkeitsstörung" Ich konnte aber bislang nicht viel darüber in Erfahrung bringen...
Könnt ihr mir da weiter helfen???


Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.



Johann Wolfgang von Goethe
Ninuccia
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Ninuccia »

ohweh, danke....jetzt weiß ich was es bedeutet... wird ja immer besser...


Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.



Johann Wolfgang von Goethe
martin-hh
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von martin-hh »

ach solche diagnosen sind doch schall und rauch - das sind etikette (und etikette gehören auf flaschen oder )

wichtig ist doch nur, ob man therapiebedürftig ist und zu wissen, was nun indiziert ist. von solchen persönlichkeitsdiagnosen halte ich, wie übrigens auch viele psychotherapeuten recht wenig! sie stigmatisieren doch nur...
Ninuccia
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Ninuccia »

findest du?
magst du mir das nochmal genau erklären? Also deine Meinung dazu??


Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.



Johann Wolfgang von Goethe
martin-hh
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von martin-hh »

naja zum einen kann solch eine diagnose natürlich schon nützlich sein, vom allem in der einheitlichen und standardisierten fachsprache für die mediziner und psychologen untereinander. zum anderen aber stellt sich doch die frage, was sie einem patienten wirklich bringt, wenn sie eher verwirrt und stigmatisiert. da kann sie eher kontraindizierte antitherapie sein!

meine therapeutin hat mir damals gesagt, als ich wissen wollte, was ich denn eigentlich für eine diagnose bekomme - dass sie das schon ausreichend beschrieben hat (angstpatient) und dass sie in die anträge für die krankenkasse immer das gleiche schreibe: neurose. und ob ich jetzt ein etikett haben wolle zum draufkleben und was das denn bringe...und ich muss sagen, recht hat sie - vor allem bei den persönlichkeitsdiagnosen. sie hat mich eben genommen, so wie ich war und nicht als patient x mit der störung y und dem persönlichkeitsprofil z.

wenn ein therapeut eine diagnose erstellt, so sollte vor allem wichtig sein, ob eine therapie indiziert ist, welche, wie lang und worauf sie sich ausrichten sollte. natürlich sind solche diagnosen wie depression oder angstproblematik immer zulässig und auch dem patienten hilfreich - doch diagnosen wie z.b. dependente persönlichkeit sollten eher in eine korrespondez zwischen facharzt und psychotherapeut - als beim patienten anzukommen. du siehst ja, was die "diagnose" mit dir macht! das ist und bleibt fachliches gewirr und bei vielen therapeuten auch höchst umstritten.

sigmund freud hat übrigens den diagnoseprozeß mal mit einer hexenprobe verglichen: "wir können den patienten, der zur behandlung [...] kommt, nicht beurteilen, ehe wir ihn nicht einige wochen und monate analytisch studiert haben." eben so wie damals die hexen, die erst gekocht und dann hinterher anhand einer geschmacksprobe der suppe als hexe oder nicht-hexe identifiziert wurden. ...also was er sagen wollte: eine wirklich richtige diagnose kann man sozusagen erst nach weit fortgeschrittener behandlung stellen. das soll dir zeigen, wie skeptisch auch viele psychologen und psychotherapeuten diesen globalen diagnosen nach wenigen eindrücken gegenüberstehen und soll dich aufmuntern, diese etikette aus der schubladenwelt der ordnungsliebhaber nicht überzubewerten. du bist du!

allright?
BeAk

Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von BeAk »

Nein Martin nicht allright!

Wenn ich zum Arzt gehe, habe ich ein gesundheitliches Problem und wenn ich den Arzt frage, welche Krankheit/Störung ich habe, erwarte ich das er mir die medizienisch korrekte Diagnose nennt. Es weiteren erwarte ich, eine umfasssende und verständliche Erklärung um was für eine Krankheit es sich handelt, wie sie therapiert wird und was ich selber zur Verbesserung meiner Situation tun kann. Und das unabhängig von der Fachrichtung des Arztes oder der Krankheit.

Auf diese Auskünfte habe ich ein gesetzliches Anrecht und ein Arzt der das nicht so sieht, ist kein Arzt für mich!!!

Es ist auch deshalb wichtig für mich zu wissen was ich habe, um mir weitere Informationen über diese Krankheit zugänglich machen zu können und mich über weitere Hilfsmaßnahmen/Therapien unabhängig von meinem Arzt informieren zu können.
Die meisten Patienten in meiner Selbsthilfegruppe sind so verschaukelt worden, wie Du es hier gerade für optiemal hälst. Sie wissen nicht was sie haben, sind nicht in der Lage zu beurteilen ob sie ein gute Behandlung erhalten, wissen nichts von Psychotherapie die nötig wäre, sie wissen pratisch garnichts, da ihr Arzt ihnen außer der Dosierung ihrer Medikamente nichts mitteilt. Sie sind und bleiben Dauerpatienten dieses Psychiaters, ihr Leben lang, absolut nicht in der Lage sich selbst irgendwie zu helfen, sie sind unmündige Patienten.

Ich hasse es, wenn mit 2erlei Maß gemessen wird. Zeige mir einen Therapeuten oder Psychiater der sich so von seinem Kollegen abspeisen lassen würde, wie Du es beschrieben hast, wenn er selber ein gesundheitliches Problem hätte.

Was Du nicht willst das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu!!!
Das gilt auch für Ärzte!!!

Übrigens sind alle Ärzte verpflichtet eine korrekten Diagnoseschlüssel anzugeben, Neurose ist keine korrekte Diagnose.
Lioness
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Lioness »

Hmmmm.........

um das Ganze noch zu verkomplizieren, stimme ich sowohl Martin als auch Bea zu.....

Mir geht/ging es ähnlich wie Ninuccia, auch ich "entdeckte" die Diagnose "dependente Persönlichkeitsstörung" nicht durch eine konkrete Information meiner Psychiaterin, sondern weil ich beim Versorgsamt Akteneinsicht beantragt hatte...... Und ich fühlte mich ähnlich wie Ninuccia.....

Ich stimme Martin zu, dass das Wissen um bestimmte Diagnosen mehr schadet als nützt, zumal in instabiler psychischer Verfassung. Persönlichkeitsstörungen sind schon eine heftigere Diagnose, zumal sie ja auch nicht so "einfach" zu therapieren sind wie z.B. Depressionen - wenn überhaupt.

Ebenfalls stimmig finde ich das Freud-Zitat (wer hätte gedacht, dass ich sowas mal sagen würde.....), eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert man nicht mal so eben, wenn man einen Patienten das erstemal sieht. Und auf psychiatrischem Gebiet sind viele Diagnosen nicht so "leicht" zu stellen, überlappt sich vieles, gibt es gar verschiedene Schulen und Ansichten. Letzteres musste ich in Bezug auf Trauma und PTBS feststellen: die Mediziner letztes Jahr haben sich dieser Diagnose meiner damaligen psychologischen Psychotherapeutin nicht anschließen wollen - zwei weitere psychol. Theras hingegen haben dies bedingungslos getan und meinten, das sei doch offensichtlich, ich hätte das Vollbild einer PTBS.....

Von daher finde ich, dass Beas Beschreibung da zu kurz greift. Man kann psychische Erkrankungen NICHT IMMER mit somatischen Erkrankungen gleichsetzen. Die Dependente Persönlichkeitsstörung war bei mir eine Verdachtsdiagnose bei Aufnahme in die Rehaklinik. 6 Wochen dort zeigten, dass ich sehr wohl in der Lage bin, eigenverantwortlich zu handeln, mich nicht passiv auf andere Menschen verlasse, nicht klammere, und den Anforderungen des Alltags durchaus gewachsen bin.
Die Reha gipfelte darin, dass ich eine Reha-Nachbetreuung gegen die Meinung der dortigen Vertretungstherapeutin durchboxte; "eine Neigung, sich den Wünschen älterer und anderer unterzuordnen" stimmt also auch nicht wirklich.

Für die Ärzte und Theras der Rehaklinik war diese Diagnose damit vom Tisch. Meine Psychiaterin beharrt dennoch auf "asthenischen = dependenten Persönlichkeitszügen".... Mittlerweile sehe ich das Ganze viel gelassener. Zwei Punkte nämlich treffen in irgendeiner Form dann doch auf mich zu. Wenn es sie glücklich macht.....

Recht hat Bea natürlich damit, dass wir als Patienten ein Recht auf Offenheit, Transparenz, Information haben. Aber auch meine Psychiaterin ist offenkundig Anhängerin alter Schule, nämlich dass man psychisch kranken Menschen, zumal im akuten, labilen Krankheitsstadium, mit der genauen Aufdröselung der Diagnosen und Begrifflichkeiten schadet. Unserem Verhältnis tut dies keinen Abbruch; aber da ist jeder anders.

Gruß von
Lioness



Wir brauchen den Blick nach hinten, um unser Leben zu verstehen. Wir brauchen den Blick nach vorne, um unser Leben zu LEBEN!
ghana
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von ghana »

Hallo zusammen,

dieses Thema reizt mich gerade sehr, meinen Senf dazuzugeben und mal wieder meinen Ärger über meinen (letzten) Psychiater abzuladen .

Lioness, ich verstehe, dass es medizinisch manchmal sinnvoll ist, wenn man eine Verdachtsdiagnose nicht gleich dem Patienten mitteilt. Wenn das aber nötig ist, so würde ich mir vom Arzt eine ERKLÄRUNG wünschen, warum es gerade nicht gut ist, mir meine (mögliche) Diagnose mitzuteilen. Eine Erklärung, die nicht nur auf dem Machtgefälle zwischen Arzt und Patient gründet. Ansonsten fühle ich mich unmündig behandelt.

Mein lieber Herr Psychiater hatte die Diagnose inklusive Aussaagen über meine Persönlichkeit bereits nach zwei Sitzungen fertig und war nicht gewillt, sie mir mitzuteilen. Erfahren musste ich sie vom Therapeuten .

Der Psychiater war offensichtlich der Meinung, dass Patienten am besten gar nichts wissen sollten und bloss nicht meinen sollten, sie hätten auch nur ein Fünkchen Ahnung von ihrer Erkrankung. Das Erstgespräch zwischen uns lief z. B. so:
Ich schilderte gerade meine Situation und mein Empfinden, als der Arzt mich unterbrach und in den Raum stellte: "Sie sind Einzelkind." Worauf ich verblüfft verneinte und meinte, ich hätte einen Bruder. Die Erwiderung des Arztes:" Ach, dann sind Sie die Ältere, nicht wahr?" Worauf ich entgegnet habe, dass ich zwei Jahre jünger sei und wissen wollte, warum er DAS jetzt frage. Seine Antwort: "Psychiater sind eben neugierig". Meine leicht angesäuerte Antwort, auch ICH sei neugierig hat ihn auch nicht dazu verleitet, mir Einblick in seine Gedankengänge zu geben ...
Da fühlte ich mich echt behandelt wie ein Kleinkind.


(Klar, ich bin selbst schuuld, dass ich mir diesen Arzt danach noch mehrere Male angetan habe !)

Stefanie
"Am dunkelsten ist es immer vor der Dämmerung." (Eoin Colfer)
petzi

 

Beitrag von petzi »

Clown
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Clown »

Hallo Petzi,

du fühlst dich (für mich) in diesem Posting total anders an als noch vor ca. einem Monat.

Ich bin sehr beeindruckt.

Deine Infos über die Vorgehensweise in Krankenhäusern mit den verschiedenen Diagnosen finde ich auch sehr interessant, vielen Dank.

Lieben Gruß,
Clown
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Eckhart Tolle
ghana
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von ghana »

Hallo petzi, schön, dich mal wieder zu "treffen"!

Geht es dir gut? Dein posting wirkt auf mich so. Hoffentlich habe ich da Recht ?

LG
Stefanie
"Am dunkelsten ist es immer vor der Dämmerung." (Eoin Colfer)
BeAk

Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von BeAk »

Liebe Petzi,

Du hast es auf den Punkt gebracht.
martin-hh
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von martin-hh »

hi bea,

klar hast du recht - und als patient hat man ein anrecht auf eine diagnose - die habe ich ja auch bekommen in meiner therapie.

meine kritik richtete sich ausschließlich auf diese persönlichkeitsdiagnosen (des icd-10 schlüssels f6). ich persönlich sehe es weiterhin so: solche formalen störungsbilder als schublade für die persönlichkeit eines menschen sind ansich nicht unbedingt dazu geeinget, einen patienten nun wirklich soviel weiter zu bringen. ich bleibe dabei - das etikett ist hier nicht so wichtig - wichtiger ist die ordentliche therapie! ...und da machen sich viele therapeuten sowieso erstmal ihr eigenes bild - und auch eine eigene diagnose!

eine ausnahme bildet hier die diagnose borderline. die geht ja auch in richtung psychose und damit hin zu anderen störungsbildern, die unbedingt dem patienten zugänglich gemacht werden müssen! doch auch mit der diagnose borderline sollte jeder th. und psychiater sehr sehr vorsichtig sein und sie wriklich bedacht stellen und dann auch dem pat. offen mitteilen - klar!

das was ich also eigentlich sagen wollte, wenn es schon bei vielen psychiatern und therapeuten solche vorbehalte bei persönlichkeitsdiagnosen gibt - bzw. diese auch dem pat. mitzuteilen - dann kann man doch auch als pat. nicht wirklich mit so einer diagnose soviel anfangen!!! wer sagt denn überhaupt, dass sie wirklich stimmt? was ist, wenn das der eine th. so sieht, und der andere so und der andere diese ganz ablehnt!?!? dann rennt man den rest seines lebens mit einem künstlichen und vielleicht verzerrenden etikett herum! was kann das helfen!!!

ich fände es schade, wenn patienten sich mit solchen persönlichkeitsdiagnosen einfach so abfinden und in ihre identität einbauen. persönlichkeitsdiagnosen unterstellen ja, dass die auffäligkeiten zeitlich stabil sind (traits) - wer sagt denn das aber??? vielleicht war man bei der kurzen diagnostik grad anders drauf als sonst, konnte mit dem therapeuten nicht oder hat über- oder untertrieben! und dann so ein globales etikett!?!?! naja!

wie ich es mit meinem freud-zitat sagen wollte, selbst innerhalb der kliniker sind diese sachen umstritten!

es kommt ja noch hinzu, dass so eine diagnose immer ganz von der standardisierung abhängt. vielleicht könnte man es als pat. mit so einer persönl.diagn. eher so sagen: nach der in d gültigen diagnoseverschlüsselung icd-10 habe ich anzeichen einer dependenten persönlichkeit. das mildert dann diesen gottgegebenen allwissenheitsanspruch auf eine so oder so geartete (dauerhafte) persönlichkeit und dessen störung etwas ab.

und ja, mir ist bewußt, dass viele das alles auch anders sehen! ich sage ja hier meine persönliche meinung. es ist ein sehr schwieriges thema, dass auch viele kliniker entzweit...

viele grüße
martin
Ninuccia
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Ninuccia »

ich bin nun irgendwie verwirrt...


Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.



Johann Wolfgang von Goethe
wanderin
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von wanderin »

Viele Meinungen verwirren.

Was soll man da tun? Ehrlich, es ist nicht einfach.

Louise
Regenwolke
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Regenwolke »

Tja, das mit den Diagnosen ist ein der Tat ein weites Feld...

Es wäre schön, wenn immer alles so eindeutig und klar wäre, aber das ist es bei körperlichen Diagnosen schon oft genug nicht (und da lassen sich manchmal ja sogar objektive Nachweise, wie z. B. bestimmte Bakterien bei einer Infektion finden, die die Diagnose erhärten), und noch weniger ist das leider bei Psycho-Diagnosen der Fall.

Manchmal ist es gar nicht so einfach, zu beurteilen, ob eine psychische Erkrankung vorliegt (und falls ja, welche), denn die Kriterien, die für eine Diagnosestellung zutreffen müssen, können zum Teil ja von außen nicht direkt beobachtet werden, sondern der Behandler ist auf die subjektiven Angaben des Patienten angewiesen. Mancher wird vielleicht Konzentrationsstörungen (die Symptom einer Depression sein können) beklagen, wenn er nach 14 stündigen Arbeitstagen seiner Frau nicht mehr richtig zuhören kann, ein anderer, der kaum noch in der Lage ist, sich auf irgendetwas länger als wenige Minuten zu konzentrieren, wird dies vielleicht gar nicht erzählen, weil es schon so lange der Fall ist, daß es ihm gar nicht mehr auffällt. Ist jetzt vielleicht etwas überzeichnet, aber um hier genauer sagen zu können, ob ein Symptom auf eine Störung mit Krankheitswert hindeutet, muß man eigentlich den Patienten schon etwas besser kennen oder sehr gezielt, geschickt und genau nachfragen, was bei den gängigen Kurzkontakten in psychiatrischen Praxen ja beides oft nicht der Fall ist.

Dann kommen dazu noch die unterschiedlichen psychotherapeutischen Schulen mit ihren je eigenen Krankheitslehren, die zwar offiziell keine Rolle spielen sollten, es aber in der Praxis dennoch tun, weil Fachärzte und Psychotherapeuten je nach Ausbildung die Probleme des Patienten möglicherweise unterschiedlich bewerten und einordnen. Wie psychische Störungen beschrieben und geordnet werden, ist ja nichts, das an sich feststeht, sondern Krankheitslehren und Diagnoseschemata bzw. Klassifikationssysteme befinden sich in einer ständigen Entwicklung und werden von Fachgremien immer wieder neu diskutiert und überarbeitet. Daher kommt es auch, daß die in Deutschland übliche ICD-10 mit dem in den USA und international stärker verbreiteten DSM-IV in manchen Punkten nicht übereinstimmt.

Noch komplizierter wird es, wenn auch noch pragmatische Fragen ins Spiel kommen. In Deutschland muß eine Störung mit "Krankheitswert" vorliegen, damit die Krankenkasse die Behandlung zahlt, d.h. die Stellung einer Psycho-Diagnose ist notwendig, auch wenn manche Behandler solche Diagnosestellungen kritisch sehen und sich davon eigentlich gern distanzieren würden. Die Diagnose hat einen Einfluß darauf, welche Behandlungsmaßnahmen finanziert werden (z. B. wieviel Therapiestunden oder Wochen Klinikaufenthalt der Gutachter bewilligt), also ist es vielleicht manchmal einfacher, die Diagnose etwas hefiger zu formulieren, wenn man für den Patienten mehr Therapie rausschlagen will, oder vielleicht auch weniger heftig, wenn sonst eventuell gar keine Therapie bewilligt werden würde (damit sei nicht gesagt, daß das gängige Praxis ist; ich vermute es allerdings). Gleichzeitig gelten aber manche Diagnosen als stigmatisierend, z. B. die genannten Persönlichkeitsstörungen. Das scheint manchem Behandler egal zu sein, ein anderer ist hier vielleicht sensibler und formuliert die Diagnose dann anders. Gerade bei der Borderline-Störung wird hier aktuell sehr viel diskutiert, weil sie als besonders schlimmes Label gilt, sich aber herausgestellt hat, daß ein großer Teil der Borderline-Patienten (wie auch manch anderer Persönlichkeitsstörungs-Patienten) Opfer früher Traumatisierungen sind, so daß die Symptome in vielen Fällen auch als posttraumatische Belastungsstörung klassifiziert werden könnten. Ob da dann schließlich auf dem Papier steht: "Borderline-Störung" oder "Posttraumatische Belastungsstörung" ist dann nicht unbedingt nur von den vorhandenen Sympotmen abhängig, sondern möglicherweise auch davon, inwieweit der Psychiater mit der aktuellen Diskussion um Traumafolgeerkrankungen vertraut ist und dafür eintritt, die Diagnose "Borderline" wenn möglich zu vermeiden.

Also wirklich alles kompliziert. Als Patientin möchte ich natürlich meine Diagnose wissen, und bin froh, daß ich das Recht dazu habe. Ich habe sie auch immer erfahren, aber häufiger mit dem Zusatz: "Das ist nur etwas fürs Papier, für die Krankenkasse" etc.
Das soll mir recht sein, solange ich davon ausgehen kann, daß Dritte (z. B. Ärzte in der Klinik), die meine Diagnosen mitgeteilt bekommen, ebenfalls genug kritische Distanz dazu haben. Genau da liegt für mich der Haken. Ich selbst kann gut mit meinen Diagnosen leben, aber ich möchte nicht ein Label aufgedrückt kriegen, von dem ich dann nicht mehr weg komme. Bei Fachärzten und Psychotherapeuten gehe ich noch davon aus, daß sie nicht so an Diagnosen kleben, aber wie ist es bei anderen Stellen, z. B. beim Arbeitsamt? Da habe ich wenig Vertrauen, daß mit Psycho-Diagnosen sorgsam umgegangen wird, einfach, weil vermutlich wenig Bewußtsein dafür vorhanden ist, wie relativ sie sind.

Oh Gott, welch langer Eintrag. Irgendwie beschäftigt mich das Thema doch sehr. Ich hoffe, man kanns in der Länge noch gut lesen...

Liebe Gruß,
Regenwolke
Lioness
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Registriert: 29. Mai 2005, 23:21

Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Lioness »

Hallo Regenwolke,

danke für diesen ausgewogenen Beitrag, der alles Wesentliche nochmal schön zusammenfast.

Deine Theorie, dass manchmal Diagnosen etwas "heftiger" ausfallen, damit die KK auch "spurt", kann ich nur untermauern - zum einen durch exakt dieselben Worte aus dem Munde meiner letzten Therapeutin, zum anderen durch eine Freundin die selbst Thera ist und dies bestätigt hat.

Auch die unterschiedlichen Schulen sind ein definitiver Faktor! Dieselbe Freundin ist nämlich Verhaltenstherapeutin und kannte sich in der Beschreibung und Diagnose der Persönlichkeitsstörungen gar nicht aus! Ihr Kommentar: "Das ist die Nomenklatur der Analytischen Schule, das haben wir in der Ausbildung nicht gelernt. Wir VTs halten nichts von Persönlichkeitsstörungen!" Zitat Ende!

Liebe Grüße
Lioness



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petzi

 

Beitrag von petzi »

Regenwolke
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Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Petzi,

ich weiß nicht, ob deine Bemerkung (auch?) auf meinen Beitrag abzielt, nehme das aber an, deshalb antworte ich mal kurz.

Nur zur Info: ich bin Psychologin und mich interessiert das Thema unabhängig von meiner Krankheit auch fachlich sehr. Ich finde es spannend, wie um solche Klassifikationen von Krankheiten gerungen wird, wie sich Diagnosen im Laufe der Zeit verändern, weil Neues in den Blick gerät.
Ja, das ist intellektuelle, wissenschaftliche Neugier. Aber soll ich die außen vor lassen, wenn ich ins Forum schreibe? Das gehört schließlich ebenso zu mir, wie meine Depression.

Lieben Gruß,
Regenwolke
petzi

 

Beitrag von petzi »

martin-hh
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von martin-hh »

hallo petzi,

das sind doch zwei verschiedene dinge. das eine ist die freie und mündige auseinandersetzung mit solchen "diagnosen" und das andere ist ninuccias frage und ihre beantwortung.

das lies sich eben hier in in diesem tread schwer trennen...

grüße martin
Regenwolke
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Petzi und alle anderen,

daß Ninuccia verwirrt ist, habe ich leider überlesen, sorry. Ich wollte nicht für noch mehr Verwirrung sorgen, sondern nur deutlich machen, daß bei der Vergabe von Psycho-Diagnosen neben den Krankheitssymptomen auch noch einige andere Faktoren eine Rolle spielen, und daß Diagnosen keine unumstößlichen Wahrheiten sind.

Du hast recht Pezti, Fachwissen macht die Bewältigung von Depressionen und anderem nicht leichter, allerdings auch nicht schwerer, finde ich. Der Vorteil liegt darin, gezielter nach passenden Hilfen suchen zu können, der Nachteil darin, Helfern gegenüber skeptischer zu sein. Wobei ich etwas Skepsis gar nicht mal so schlecht finde, solange sie einen nicht total handlungsunfähig macht.

Gute Nacht,
Regenwolke
Cecil
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Cecil »

Hallo Wolke Regen,

ich fand Deinen Beitrag sehr erhellend! Ich wäre froh, öfters etwas fachlich intellektuelles lesen zu dürfen.

>Fachwissen macht die Bewältigung von Depressionen und anderem nicht leichter, allerdings auch nicht schwerer, finde ich. <

Ich denke es kommt dabei immer auf den einzelnen Menschen an. Der eine braucht Fachwissen und intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema, weil er so strukturiert ist und sich so am besten helfen kann.(Wobei es manchmal auch hilfreich sein kann, mit dem Gegenteil zu arbeiten wenn jemand zu verkopft ist). Den Anderen schadet die fachliche Auseinandersetzung vielleicht. Das sollte jeder für sich entscheiden und auch jeder Therapeut sollte auf den speziellen Menschen eingehen der gerade vor ihm sitzt und dementsprechende Methoden wählen. Es kommt dabei ja auch immer auf das entsprechende Vorwissen, Bildungsstand, Interesse usw. an.

Die Verwirrung von Ninuccia kann ich auch nachvollziehen. Wenn man selber etwas durcheinander ist und plötzlich x verschiedene Meinungen hört muß man sich erst einmal wieder sammeln und zu einer eigenen Meinung finden. Das hat doch nichts mit der Art der Beiträge zu tun.


best wishes
Cecil
Ninuccia
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Re: weiß nicht genau was meine Diagnose bedeutet...?--> Hilfe..

Beitrag von Ninuccia »

hallo leute,

viele Dank für eure Beiträge zu meinem Thema. Ich war zwar anfangs sehr durcheinander, aber ich konnte mich wieder gut sammeln und für mich das beste raus ziehen.
Vielen Dank an alle..

mfg, ninuccia


Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand.



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