Doppelleben der Gefühle?

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Dendrit
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Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Zusammen!

Seit einiger Zeit irritieren mich Gefühle - oder besser gesagt, die nicht oder "falsch" empfunden werden. Es handelt sich - zumindest nach meinem Empfinden - nicht um eine Maske ebenso wenig als die bekannte "Gefühlskälte", Starre.

Ich versuche mal, das zu verdeutlichen:

"Irgendwie" bin ich kraftlos, ohne mich kraftlos zu fühlen. Traurig, ohne Traurigkeit zu spüren. Suizdidgedanken etc. zu haben, ohne gelähmt zu sein. Im Gegenteil: ich FÜHLE mich gut und motiviert, kann aber kaum - wie sonst auch - keine besonderen Handgriffe tun. Ich habe das Gefühl, einiges ins Detail zu erklären bzw. erklären können, merke aber teilweise währenddessen, dass ich wg. "Vergesslichkeit" keinen "Zugriff auf die Datenbank" meines Hirns habe.

Ich war am WE weg, glaubte schon, dass es vor lauter Reizüberflutung die meiste Zeit wieder im Bett liegen würde. Nichts. Fühlte mich auch zurück nicht sonderlich ausgepowert (außer der elendigen Hitze) - trotzdem kam ich die nächsten Tage bis Mittag nicht aus dem Bett. Ich lag praktisch froh gelaunt kaputt im Bett.

Ich habe mich sogar ohne "Hemmungen" getraut, einen ca. 1,5 DIN-A4-Seiten langes Posting (also öffentlich!) einen Prof. (angebl. Admin eines Forums) meine Meinung zu sagen. Ich kann mich über jedes zustimmende Feedback freuen, bestätigt meine - jetzt bitte nicht als stinkendes Eigenlob verstehen - tolle Ausdrucksweise und über die Notwendigkeit und dass es einfach stehen bleiben muss, damit er es auch jedenfalls liest. Bereue keinen einzigen Buchstaben. Alles "unnormal" für mich.

Vllt. denkt jetzt jemand, "was hat sie für ein Problem, kann doch froh sein" - "irgendwie" war ich das auch. Ist mir aber auch erst wirklich bewusst geworden, als ich Patricks Threads "Bin dann mal weg!" (http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1150489189) las. Ich kann ihn nur beneiden und eingestehen, dass das bei mir ganz und gar nicht und im Ansatz wäre, obwohl ich mich mittlerweile auf einen Aufenthalt in der Klinik Windach freue (relativ natürlich). Gestern nacht las ich mir die Seite von "Die Schwarze Rose" durch. Nah am Wasser gebaut, hätte ich sowieso Tränen in den Augen haben müssen, besonders bei dem Bericht über Adrew K. Nichts. Ich las es wie einen Bericht in der Zeitschrift P.M. Stimmte zwar einigem zu, aber es regte sich nichts.

Bilde ich mir das alles ein? Aber wie kann man sich sowas einbilden, wenn man nicht weiß, dass es sowas gibt? Gibt es aber sowas wirklich? Ich zweifle selbst schon über dieses "Doppelleben". Ich würde gern verstehen, was das sein soll. Und wenn es nur dafür ist, es abzuhaken und in die Ecke zu stellen.

Versteht irgendwer meine Beschreibung?

LG, Manuela
zwerg174
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Registriert: 21. Mär 2006, 10:54

Re: Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von zwerg174 »

Liebe Manuela,

vorerst einmal schön, dass wir uns auch hier treffen.

Zu deinen Gefühlen oder "Doppelleben" möchte ich dir aus meiner Erfahrung schreiben.

An die Zeit vor meiner Therapie bzw. vor der ärztlichen Diagnose habe ich mich gefühlt als bestünde ich aus zwei Personen. Die eine, die arbeitet, fröhlich ist, lachen kann, sich mit dem Alltag auseinandersetzt. Die andere die müde, ausgepumpt und überfordert ist.

Stellte die andere fest, dass sie fürchterlich müde und ausgepowert war, guckte sie die eine erstaunt an und dachte, das kann doch eigentlich gar nicht sein, dass du fröhlich, ausgelassen bist. In dem Moment war ich wirklich der Meinung mir ginge es unerwartet vortrefflich.

Ich habe es nicht als Maske empfunden, so als müsse ich mich durch mein Verhalten selbst motivieren. Aber wirkich so, dass beide Personen in diesen Momenten tatsächlich geistig vor mir standen.

Heute, im Nachhinein denke ich, dass es ebenfalls zu einer gewissen Schutzfunktion des Körpers und der Seele gehörte, eine Art Eigenmotivation der Seele, ohne meinen Einfluss, es noch etwas durchzuhalten.

Ich hatte sogar Phasen, da war ich der festen Überzeugung, nicht mir eingeredet habe, es ginge mir sehr gut. Kurz vor dem ersten Klinikaufenthalt dachte ich, dass eigentlich eine stationäre Behandlung überhaupt nicht nötig sei.

Nun will ich damit nicht sagen, dass es bei dir ebenfalls so ist. Das ist lediglich meine Erfahrung, auf die ich heute zurückblicken kann.

LG Brigitte
muckelmaus
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Re: Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von muckelmaus »

Liebe Manuela,

irgendwie beschreibst Du da einen Zustand, in dem ich mich wiederfinde - dieses "praktisch gut gelaunt kaputt im Bett liegen" bzw - bei mir - durch den Tag gehen und trotz Motivation nur wenig zustande zu bringen. Und auch dieses traurig und kraftlos sein, ohne die Gefühle wirklich zu spüren, trift zeitweilige Zustände von mir gut. Und ich kann Dir nur beipflichten - es ist weder eine Maske noch die Gefühlsabwesenheit der Depriphase.

So beim Schreiben kommt mir der Gedanke, ob es sich wohl um eine "leichte Depriphase" handeln könnte? Aber der Zweifel ist schon wieder da ...

Insofern nur noch mal: JA, ich verstehe Deine Beschreibung!!!

Liebe Grüße
muckelmaus
Dendrit
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Re: Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von Dendrit »

Ohhh, vielen Dank, Ihr Lieben.

Bin ja so froh, dass ich es so formuliert habe, dass es tatsächlich einmal verstanden wird vom Text her und dass es Leute gibt, die diesen Zustand kennen. Na, dann versuch ich heut, ob der Psychiater das auch versteht.

LG, Manuela
BeAk

Re: Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von BeAk »

Liebe Manuela,

auch mir ist das bekannt, wenn ich auch nicht im Bett gelengen habe. Ich meinte, mir gehts etwas besser und der Doc fing an sich richtig Sorgen zu machen.
Dendrit
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Re: Doppelleben der Gefühle?

Beitrag von Dendrit »

Hallo,

also, ich habe versucht, dem Doc das zu beschreiben - wie ich es hier tat. Zuvor sagte ich, dass mind. 2 in Dt.land das verstanden und auch haben. Und ich weiß nicht, ob ich ihm als Arzt nun auch verständlich rüber bringen kann.

Na ja, es war ein Versuch. Aus seinen Antworten konnte ich schließen, dass man das wohl erlebt haben muss (oder es "reicht", ein Depri zu sein, dass man das versteht?). Es scheint offensichtlich nichts "unnatürliches" zu sein. Und man kann es mir glauben. Bedeutet mir schon viel.

Mann, ich saß ihm strahlend - ohne Maske - gegenüber. War aber trotzdem irgendwie ein gutes Gefühl, nicht immer wie eine Trantüte dazusitzen.

Wird wohl --- irgendwann --- hoffentlich wieder verschwinden.

LG, Manuela
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