Ungute Klinikerfahrungen

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Regenwolke
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Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von Regenwolke »

Guten Morgen,

ich nutze den Raum hier im Forum jetzt einfach mal dafür, mir etwas von der Seele zu schreiben.
Ich hatte vor einem Jahr einen elf-wöchigen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik, die eigentlich als sehr gute gilt und mit der ich viele Jahre vorher auch schonmal selbst sehr gute Erfahrungen gemacht habe.
Bei meinem Klinikaufenthalt im letzten Jahr ist allerdings vieles schief gelaufen und mit und mit kommt immer mehr Wut auf Klinik und therapeutisches Team hoch. Manchmal, wenn ich so dran denke, würde ich am liebsten eine Bombe auf die Klinik schmeißen.
Es begann damit, daß ich den dringenden Wunsch geäußert habe, Musik- oder Kunsttherapie machen zu dürfen, und nicht, wie bei meinem ersten Klinikaufenthalt konzentrative Bewegungstherapie, die ich damals als wenig hilfreich empfunden hatte. Aus "organisatorischen Gründen" bin ich dann aber trotzdem in der KBT gelandet, gut, damit hab ich mich dann erstmal abgefunden. Dann hatte ich mir eine weibliche Therapeutin gewünscht. Für die Einzelgespräche hat man meinem Wunsch entsprochen, für die Gruppe (die den größeren und wichtigeren Teil ausmacht, was ich aber damals noch nicht wußte) hat man mich überredet, es mit einer Gruppe mit zwei männlichen Therapeuten zu versuchen. Ich hab mich drauf eingelassen, was ich dann später sehr bereut habe. Mit einem der beiden Therapeuten kam ich überhaupt nicht klar, ich habe mich erstens körperlich total vor ihm geekelt und fand ihn außerdem fachtlich nicht gut. Der Ekel war so schlimm, daß ich manchmal kaum in der Gruppe sitzen konnte. Der zweite Therapeut hat leider kurze Zeit später die Stelle gewechselt und wurde nicht ersetzt. Ich habe meine Probleme mit Therapeut und Gruppe in der Visite angesprochen, worauf man mir sagte, ich hätte hier die Chance, einen wichtigen Konflikt zu bearbeiten und solle diese Chance nutzen, das würde mir sehr helfen. Die Gruppe bestand im Übrigen aus einer handvoll Patienten, die gar nicht fähig zur Gruppenarbeit waren, im Gegensatz zu den anderen Gruppen, in denen gut gearbeitet wurde (das war bei den Patienten allgemein bekannt, in meiner Gruppe wollte keiner sein, aber mir wurde von seiten des Teams unterstellt, ich hätte generell Probleme mit Neid und könne den Enscheidungen des Teams nicht vertrauen, weil ich mit Vertrauen schlechte Erfahrungen gemacht hätte). Ich habe dann also brav meine Probleme in der Gruppe zur Sprache gebracht, es hat sich aber nichts geändert, ich fühlte mich sehr schlecht in der Gruppe. Ich bekam in der Klinik immer wieder zu hören, ich müsse lernen, mich besser abzugrenzen und mich besser zu schützen. Als ich aber versucht habe, aus der Gruppe raus zu kommen, weil ich dachte, ich halte es nicht mehr aus, hat man mir gesagt, ich könne ja auch gehen, wenn mir das Vorgehen der Klinik nicht passen würde. Ich konnte aber nicht gehen, ich wußte nämlich nicht weiter und hatte das Gefühl, daß die Klinik meine letzte Chance ist. Also habe ich mich angepaßt, die Gruppe und den Therapeuten ertragen, nachts Alpträume gehabt und gedacht: vielleicht haben die ja Recht, die wissen schon, was sie tun. - Jetzt fang ich an zu heulen, wenn ich das schreibe.
Es gab noch andere Dinge, unendlich viele Mißverständnisse, die immer mir angekreidet wurden, da ich mich ja total verwirrend äußern würde. Es kam so viel Druck seitens des Teams, daß ich irgendwann nicht mehr wußte, ob ich meinem Gefühl trauen kann oder ob die Therapeuten nicht doch recht haben, und ich ein total verwirrter, schwieriger Mensch bin. Ironischerweise ist das, was eigentlich gestärkt werden sollte, meine Fähigkeit, mich zu schützen, mich abzugrenzen, meine Interessen zu wahren und zu verteidigen, total untergraben worden. Ich habe Glück gehabt, daß meine Mitpatienten mich überhaupt nicht verwirrend fanden, sondern mich sehr gut verstanden und unterstützt haben, ebenso Freunde außerhalb der Klinik. Trotzdem hat es lange Zeit und einen völlig unmöglichen Klinikbericht (der kam über 4 Monate! nach der Entlassung, wurde vom Gruppentherapeuten geschrieben und enthält jede Menge Aussagen, die schlichtweg völlig falsch sind) gebraucht, um mir richtig klar zu machen, was da eigentlich gelaufen ist.
Ich weiß nicht so richtig, wie ich mit meiner Verletzung und meinem Ärger umgehen soll. Ich habe überlegt, ob ich das meiner Einzeltherapeutin, die ich eigentlich gern mochte - die mich aber, so sehe ich das im Nachhinein - trotzdem an wichtigen Punkten nicht unterstützt hat, mal schreiben soll, aber andererseits, was soll das bringen? Bei der Arbeitsbelastung, die sie dort haben, ist eh nicht die Zeit für eine richtige Auseinandersetzung. Und ich hätte auch Angst, wieder in diese komische Dynamik von Widersprüchen verstrickt zu werden, denn daß man mir recht geben würde, damit würde ich gar nicht zu rechnen wagen. Bleibt nur, mir das ganze hier etwas von der Seele zu schreiben und drüber zu reden, um mich ein bißchen zu entlasten.

Gruß an alle und hoffentlich bessere Erfahrung mit Klinikaufenthalten,
Regenwolke
winnie
Beiträge: 1683
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von winnie »

Hallo Regenwolke,

ich hab Deinen Bericht mit Erschütterung gelesen, und ich würde Dich gerne trösten, weiß aber nicht wie.

Vielleicht hilft es Dir, wenn ich Dir sage, daß ich meinen Klinikaufenthalt damals ähnlich wie Du erlebt habe. Auch ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, im falschen Film zu sein, und statt daß mir geholfen wurde, haben sie mich erst noch so richtig kaputt gemacht. Und mir dabei immer wieder suggeriert, daß ICH die Widerspenstige, die Gemeinschaftsablehnende, die Therapieunwillige sei. Am Ende hab ich das dann alles geglaubt und mich für das Allerletzte gehalten.
Ich bin damals rein in die Reha mit Depressionen und psychosomatischen Beschwerden, war aber ansonsten schon immer durchaus in der Lage gewesen, mit meinem Leben gut klar zu kommen. Ich kam dann nach 10 Wochen raus als zitterndes Bündel Minderwertigkeitskomplexe, vollkommen demoralisiert und voll der Meinung, ich sei das unsympathischste, widerwärtigste und krankste Etwas auf der Welt, und daß es kein Wunder sei, wenn keiner mit mir was zu tun haben will.
Ich habe Monate gebraucht (und unzählige Gespräche mit Freunden, die mir immer wieder bestätigten, was das alles für ein Schwachsinn war), bis ich das Ganze wieder ein wenig relativieren konnte.
Das Ganze ist bei mir jetzt drei Jahre her - aber noch heute krieg ich die Wut, wenn ich daran denke.

Der Klinikbericht war übrigens ähnlich wie Deiner. Mein Therapeut gab ihn mir nur in Auszügen zu lesen, er meinte, ich würde mich bloß darüber aufregen. Er persönlich hielte das Ding für eine blanke Unverschämtheit.
(Übrigens stand da ne Menge drin, was ich angeblich alles an Therapien, Gruppen etc. gemacht hätte, von dem ich nicht mal wußte, daß sie das in der Klinik überhaupt anboten, geschweige denn daß ich daran teilnehmen durfte... Ich hab mir auch ne Zeitlang überlegt, ob ich nicht mal an die BFA schreiben und denen erzählen sollte, für was sie tatsächlich so einen Haufen Geld bezahlt haben...)

Ich kenn das Gefühl, Regenwolke, daß man nicht weiß, ob man nur noch heulen oder der Klinik besser doch eine Bombe aufs Dach schmeißen soll.
Ich kann Dir nur raten - hak's ab. Versuch, drüber wegzukommen. Und rede mit Freunden darüber, damit Du wieder ein wahrheitsgetreues Bild von Dir selbst bekommst.

Laß Dich davon nicht unterkriegen!

Lieben Gruß,
Winnie
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von Emily »

Hallo Regenwolke,

es ist schon heftig, was so mancher in einer solchen Klinik erleben kann. Ich kann mich Winnie nur anschließen: Rede darüber und zwar mit Menschen, die dich verstehen. Also hier - *lächel*. Und rede darüber, so oft dir danach ist, denn diese Erlebnisse zu verarbeiten, dauert eine ziemliche Weile.

Von einem Gespräch mit deiner Einzeltherapeutin würde ich dir eher abraten. Es würde vermutlich so ablaufen: Sie würde sich das anhören, ändern würde das an dem Erlebten aber ohnehin nichts. Sie würde diese Geschichte bestimmt nicht negativ kommentieren, würde also auf keinen Fall irgendwelche Kritik an den Dingen äußern, die dir so übel aufgestoßen sind. Vermutlich würde sie gar nichts dazu sagen oder höchstens noch sagen, sie würde es weitergeben. Wenn sie die Infos dann tatsächlich weitergeben würde, würdest du es nicht erfahren. Es kommt auch niemand von der Klinikleitung per Mail etc. auf dich zu und sagt: Was da gelaufen ist, war Mist. Denn selbst wenn es so weit käme, dass jemand dies in der Klinikleitung so sehen würde, würde man es dem Ex-Patienten mit Sicherheit nicht mitteilen. Du siehst: zwecklos.

Darüber reden ist gut. Aber an der verantwortlichen Stelle würdest du nach meiner Erfahrung auf absolut taube Ohren stoßen. Nicht schön, aber leider wahr.


Gruß,
Emily
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Winnie und Emily,

@Winnie,
ja, es hilft mir, zu hören, daß auch andere schlechte Erfahrungen in Kliniken hatten und ich damit nicht allein (es also auch nicht "schuld" bin). Das was Du schreibst, klingt wirklich horrormäßig und ich bin froh zu hören, daß Du bei Freunden und Deinem Therapeuten Unterstützung und die notwendige Bestätigung Deiner Person gefunden hast. Manchmal denke ich, in solchen Kliniken machen sie sich gar nicht klar, wieviel Schaden sie anrichten können und wieviel Macht ihre Aussagen tatsächlich haben, gerade gegenüber Patienten, die sehr instabil sind und ständig an sich selbst zweifeln.
Bei meinen Therapeuten würde ich nichtmal Nachlässigkeit unterstellen, ich glaube, die haben sich tatsächlich viele Gedanken gemacht, nur lief es von Anfang an völlig schief und ich wurde immer wehrloser dabei, und das halt halt keiner bemerkt. So ein therapeutisches Team (in meiner Klinik hatten die jeden Tag eine gemeinsame Sitzung und haben sich über alles, was passiert war, engmaschig ausgetauscht) hat einfach eine verdammt starke Position gegen die man als Einzelner oft sehr schlecht ankommen kann.
Ich möchte demnächst wieder eine Therapie beginnen und hoffe, daß das mir auch hilft, die Wunden, die noch da sind, verheilen zu lassen.


@Emily
ja, das habe ich mir halt auch schon überlegt. Ich glaube, wenn ich meiner Einzeltherapeutin mitteilen würde, wie ich mich in der Klinik gefühlt habe, würde sie - wenn sie sich überhaupt die Zeit nähme - dagegen argumentieren, sie würde sich ganz sicher nicht gegen ihre Kollegen stellen. Das wäre für mich dann nur eine erneute Kränkung. Und was den Bericht angeht, der Gruppentherapeut ist inzwischen pensioniert, so daß eine Beschwerde ihn nicht mehr erreichen würde. Außerdem hätte ich die Möglichkeit gehabt, den Bericht mit ihm gemeinsam zu lesen, um evtl. noch etwas zu korrigieren, bevor er rausgeht. Das habe ich nicht genutzt, weil die Klinik einmal sehr weit weg und die Fahrt mir zu teuer war, zum anderen, weil ich nicht mit ihm allein in einem Raum sein wollte. Also Chance vertan. Zum Glück liegt es in meiner Hand, wer - außer meinem Psychiater - diesen Bericht überhaupt zu lesen kriegt.


lieben Gruß an Euch beide,
Regenwolke
herrenalb
Beiträge: 50
Registriert: 11. Mai 2006, 22:57

Re: Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von herrenalb »

Hallo Regenwolke,
in was für einer Klinik warst du denn?
Liebe grüße
Gabi
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Ungute Klinikerfahrungen

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Gabi,

bitte hab Verständnis dafür, daß ich das nicht öffentlich sagen möchte. Einmal ginge mir damit ein Stück meiner Anonymität verloren, zum anderen möchte ich aber auch nicht die Klinik schlechtmachen, viele meiner Mitpatienten haben dort eine gute Therapie erhalten.

Lieben Gruß,
Regenwolke
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