Was ist für euch der Sinn einer Depression?

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Laurien
Beiträge: 5
Registriert: 24. Apr 2006, 17:02

Was ist für euch der Sinn einer Depression?

Beitrag von Laurien »

Hallo,

ich bin nicht suizidgefährdet, aber ich denke oft an den Tod. Seit gestern habe ich eine neue Therapeutin, die meinte, dass Depressionen auch ihren Sinn und Zweck erfüllen. Das merke ich immer wieder. Durch meine Depression kann ich flüchten. Flüchten, vor der realen Welt, vor dem Leben, das mir so viel Ängste bereitet. In jeglicher Hinsicht, sei es nun beruflich, privat oder sonst etwas. Durch meine Depression werde ich, insbesondere von meinen Eltern, geschützt. Ich muss mich um nichts kümmern, werde mit Samthandschuhen angefasst. "Unsere arme kleine Laurien. Sie ist so krank, so hilfsbedürftig."

Bin ich das wirklich? Klein? Hilfsbedürftig? Muss man mich in Watte packen?

Nein, nicht wirklich. Im Grunde bin ich stark, sehr sogar, sonst würde ich nicht schon so lange durch diese Hölle gehen. Sonst hätte ich aufgegeben, mir das Leben genommen. Aber ich lebe noch immer, irgendetwas hält mich. Nur was?

Die Hoffnung, dass es besser wird? Die Hoffnung auf Veränderung? Die Frage ist nur, wie soll sich etwas verändern, wenn ich im Grunde gar nicht zu Veränderung bereit bin? So schwer meine Depression auch immer ist, sie hat auch Vorteile. Viele.

In letzter Zeit flüchte ich in den Schlaf, und trotzdem bin ich nach dem Aufstehen jedesmal wie geredert. Kennt ihr das? Ihr schlaft stundenlang und seit trotzdem wie zermatscht im Kopf? Wie benommen? Hält das Gefühl bei euch an? Bei mir schon. Leider.

Ich sage mir immer: Laurien, die Depression ist der Preis den du zu halten hast, um weiterhin das kleine Kind deiner Eltern bleiben zu dürfen.

Es ist hart, aber es ist die Wahrheit.

Laurien
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
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Re: Was ist für euch der Sinn einer Depression?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Laurien,

mit einer Krankheit wie der Depression kann man Realitätsflucht begehen, das ist ganz sicher ein Aspekt, der eine Rolle spielt. Aber wenn man es so für sich isoliert betrachtet und so etwas annimmt als Krankheitsgrund, dann kommt ja wieder etwas dabei heraus, das verdächtig nach Versagen, Faulheit, Unreife, Unfähigkeit riecht.
Fragen muss man ja dabei aber auch, warum denn der Schutz durch die Krankheit so wichtig ist, dass das zweifellos große Leid in Kauf genommen wird. Welche Angst lässt es logisch erscheinen, lieber leiden zu wollen anstatt erwachsen zu sein? Warum verkrieche ich mich lieber in ein Kellerloch, anstatt mich zu zeigen?

Ich weiß nicht, ob Du es so gemeint hast, dass Du persönliche Vorteile davon hast, noch am Rockzipfel deiner Eltern zu hängen. Aber falls Du es so gemeint hast, wollte ich Dir zu bedenken geben, dass der pers. Vorteil dann wohl vor allem darin besteht, den Willen deiner Eltern zu tun und nicht Deinen eigenen. Denn diese Beziehung hat eine Geschichte und Kinder entscheiden nicht einfach für sich, am Rockzipfel zu haften es sei denn, sie können damit ihren Eltern den Gefallen tun, den diese von ihnen verlangen. Da liegt die Energie in der Sache und diese Energie ist der der Depression ebenbürtig und kann erklären, welche große Angst es lohnend erscheinen lässt, eine Depr. auf sich zu nehmen anstatt die Eltern zu enttäuschen.




Eine Gute Nacht wünscht

Thomas
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dots
Beiträge: 66
Registriert: 23. Dez 2005, 13:04

Re: Was ist für euch der Sinn einer Depression?

Beitrag von dots »

Hallo Laurien,

das an den tod denken oder über tod nachdenken ist wohl ein "ganz normales" symtom bei depressionen. ich habe das v.a. immer in phase, bevor ich "umkippe" in richtige depri-phasen. ich finde auch, dass es so schwer ist, das anzusprechen oder so, weil keiner über den tod reden möchte und es ein echtes tabu-thema ist.

das mit dem Schlafen kenne ich auch. je mehr ich schlafe, desto zermatschter bin ich, aber ich bin dauern müde und will nur schlafen. blöde sache das
einerseits ist die Depression bestimmt eine krankheit, die einem in irgendeiner form sagen will, dass man langsamer machen soll. für mich ist dabei immer das problem: womit soll ich langsamer machen? was (über)beansprucht mich grade so... :what
letztlich kann das wahrscheinlich nur jeder für sich in einer therapie lösen, leider. ich fände es sehr schön (und so praktisch), wenn das offensichtlicher wäre, worüber man da immer wieder stolpert.

das mit dem Kind sein oder bleiben hat bestimmt auch seine berechtigung. wahrscheinlich ist in der Entwicklung irgendwas zu kurz gekommen und man versucht das mit Depressionen nachzuholen.....nur leider funktionierte das nicht .... oder nur bedingt . find ich ganz schön blöd, dass man sich das nicht auf eine "gesunde" weise holen kann, sondern depressiv werden muß, um sich das holen zu können oder meinen nur so einfordern zu dürfen...
ups... das klingt jetzt vielleicht etwas wirr... aber das evtl. auch daran, dass ich seit 4 tagen das erste mal seit über 4 jahren ohne medis bin und die chemische umstellung mich leicht matschbirnig macht
wenn was unklar ist: einfach nachfragen
liebe Grüße und gute nacht
dots
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Was ist für euch der Sinn einer Depression?

Beitrag von Emily »

Hallo Laurien,

Thomas und Doris haben dir schon sehr treffende Dinge gesagt.
Mir fällt auf, dass die Antworten zu deiner Frage, worin der Sinn einer Depression besteht, in deinem eigenen Posting schon ansatzweise vorhanden sind.

>>> Flüchten, vor der realen Welt, vor dem Leben, das mir so viel Ängste bereitet. In jeglicher Hinsicht, sei es nun beruflich, privat oder sonst etwas.

Diese Ängste sind übertrieben stark, nicht realistisch und haben eine Ursache. Die Depr. möchte dir sagen, dass es gut wäre, diese Ursachen zu beleuchten, zu verstehen und dann zu verarbeiten.

>>> Bin ich das wirklich? Klein? Hilfsbedürftig? Muss man mich in Watte packen?

Die scheinbare Hilfsbedürftigkeit ist die Folge der Ängste. Durch die Hilfsbedürftigkeit kannst du den Ängsten nachgeben. Andererseits sagt dir die Depr. ganz klar, dass dir selbst diese stark übertriebenen Ängste und die scheinbare Hilfsbedürftigkeit ganz enorm auf die Nerven gehen. Deine Therapeutin würde dir bestimmt dabei helfen, diese Problematik zu beleuchten.


>>> Aber ich lebe noch immer, irgendetwas hält mich. Nur was?
Der Wunsch und der Wille, dein eigenes Leben zu leben, sind da. Sie halten dich zum Glück hier fest. Du konntest den Wunsch auf ein eigenes Leben bloß noch nicht realisieren aufgrund der Erkrankung und der Angst. So beißt sich die Katze permanent in den Schwanz und dreht sich im Kreis: ganz normaler Wunsch nach eigenem Leben >>> zu viel Angst >>> Wunsch wird nicht realisiert >>> Depression.

>>> Die Hoffnung, dass es besser wird? Die Hoffnung auf Veränderung? Die Frage ist nur, wie soll sich etwas verändern, wenn ich im Grunde gar nicht zu Veränderung bereit bin? So schwer meine Depression auch immer ist, sie hat auch Vorteile. Viele.

Eine Depr. hat nach meiner Erfahrung u.a. auch den Sinn, dem Betreffenden klar zu zeigen, dass Veränderungen notwendig sind. Der Leidensdruck in der Depr. kann so hoch sein, dass selbst sehr starke Ängste vor den notwendigen Veränderungen endlich mal überwunden werden können. Insofern kann sie eine sehr hilfreiche und erkenntnisreiche Krankheit darstellen. Das ganze Leben ist ein immerwährendes Sich-verändern. Kompletter Stillstand ist ungesund, die Ängste vor der Veränderung können angemessen, aber auch völlig unangemessen und deshalb hinderlich sein.

>>> Ich sage mir immer: Laurien, die Depression ist der Preis den du zu halten hast, um weiterhin das kleine Kind deiner Eltern bleiben zu dürfen.

>>> Es ist hart, aber es ist die Wahrheit.

Du spürst ja selbst am besten, wo der Hase im Pfeffer liegt. Da solltest du ansetzen.

Gruß,
Emily
neibauer
Beiträge: 3
Registriert: 15. Apr 2006, 20:45

Re: Was ist für euch der Sinn einer Depression?

Beitrag von neibauer »

Hallo ,
nach all den vielen Jahren an der ich an Depr.leide habe ich erkennen müssen,dass die Krankheit mit einer elektrichen Sicherung zu vergleichen ist,wenn die Belastung im Stromkreis zu groß wird fällt die Sicherung und schützt somit die Leitungen vor der Zerstörung.Nach all meinen vielen Belastungen im Beruf und Familie war und ist die Depr.eine Rückzugsmöglichkeit .Und was ich noch sagen will:die Krankheit will immer in mir bleiben,sie ist sowas wie ein Gummiband,wenn mann sich von der Depr.entfernen will z.B.durch Veränderung des Lebensraumes ,wird mann immer wieder zurückgezogen damit mann immer wieder mit der Depr vereint ist.Ich bin jetzt so weit dass ich keinen Widersand mehr gegen die Krankheit leiste. viele Grüße
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