Wem geht's auch so wie mir?

Antworten
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo zusammen,

mich würde mal interessieren, ob es unter Euch welche gibt, denen es ähnlich geht wie mir und, falls ja, wie sie damit umgehen. Bin sehr auf Eure Antworten gespannt!

Also nun zu mir:
Bin 37, habe BWL studiert, Diplom 1998, seitdem arbeite ich.
Seit Herbst letzten Jahres bin ich wegen Depressionen krank geschrieben.

Mein Problem:
…scheiß schwierig zu formulieren…probier ’s mal stichpunktartig:

- Ich hab hier schon ein paar Mal von Leuten gelesen, sie seien „die Stufen hoch gefallen“, geht mir so ähnlich, obwohl ich im Job „ganz normaler Sachbearbeiter“ bin

- Ich habe derzeit keinen/geringen Bock im Job Neues zu lernen, weil ich denke und auch schon die Erfahrung gemacht habe, dass Alles in spätestens zwei Jahren sowieso schon wieder überholt ist  mich kotzt das an; absolut demotivierend

- Ich fühle mich im Job irgendwie am falschen Platz  nach dem Motto: bin ich jetzt tatsächlich so doof, mein Studium hab ich ja auch geschafft. Bin in der Zwickmühle. Arbeite in einer Firma, die man normalerweise nicht mehr verlässt, weil halt die Rahmenbedingungen sehr gut sind (Verdienst, Arbeitszeit, Gleitzeit etc.). Innerhalb der Firma zu wechseln, wäre wohl mit einer Gehaltseinbuße verbunden. Würde ich evtl. sogar akzeptieren. Aber was ist, wenn alles wieder von vorne beginnt???????

- Soll ich von „Midlife-Krise“ sprechen, mit 37? Freundin weg, Job ungewiss, noch (!) keine Kinder – ich frag mich oft, was ich bisher geleistet habe. Nix! Fast nix! Irgendwie kommt es mir auch so vor, als wären plötzlich 10 bis 15 Jahre vergangen und ich habe mich nicht weiter entwickelt. Ehemalige Schulkameraden von mir haben Kinder, bauen Häuser, betreiben ihre eigene Arztpraxis oder ihr Architekturbüro…tja, und ich??????

- Zurzeit häng ich mich dran auf, ein Buch zu schreiben!!! Klingt irgendwie lächerlich, aber mir macht’s Spaß. Geschichten, die das Leben schrieb – vielmehr eine herausragende Geschichte, die wohl auch gehörigen Anteil hat, dass ich jetzt hier im Forum schreibe. Bin auch in Autorenforen unterwegs, um mir Tipps zu holen. Muss feststellen, dass ich eigentlich alles verkehrt mache, was man nur verkehrt machen kann: Ich-Perspektive, Geschichte in der Gegenwartsform, zu viele Dialoge etc. pp. Was soll’s! Ist irgendwie Selbsttherapie für mich. Das Geilste wäre, wenn ich meine Schreiberei veröffentlichen könnte…aber das kann ich mir, realistisch gesehen, wohl abschminken….

- Ich hasse diese Schauspielerei im Job, diese versteckten Intrigenspielchen, dieses angepasst sein, diesen ständigen Wechsel – heute so und morgen so – ob’s tatsächlich besser ist als das Vorherige, interessiert keinen….so ist’s aber überall!!!

- Irgendwie häng ich völlig in der Luft, weiß nicht, wie’s weitergehen soll, privat und beruflich….keine Ahnung. Es gibt da noch so einige Problemchen, die zu schildern, aber den Rahmen sprengen würde….Vielleicht ein anderes Mal.

Vielleicht gibt’s da draußen ja ähnlich schräge Vögel wie mich. Würde mich freuen, wenn wir alle zusammen in einem riesigen Schwarm nach Wolkenkuckucksheim verduften könnten……..Aufnimmerwiedersehn……

Gruß
Patrick
Jadis

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Jadis »

Hallo, Patrick!

Falls Du Französisch kannst, weißt Du, was mein Nick bedeutet: damals, früher, vor langer Zeit,...

Ich könnte Dir jetzt Alain Ehrenberg empfehlen: "Das erschöpfte Selbst". Vielleicht hilft es Dir, obwohl dem Autor Strukturkonservatismus vorgeworfen wurde. Diese Bemerkung, die ich in einer Rezension las, erklärt mir das etwas flaue Gefühl, das ich bei der Lektüre des ansonsten kenntnisreich geschriebenen Buches hatte.

Du könntest Dich aber auch bspw. über die "Arbeitskraftunternehmer"-These (in Deutschland: G. Günter Voß et al.) belesen. Soziologie, denke ich, bewahrt einen vor dem Psychologismus, lehrt aber ebenfalls, dass man mit seinen Problemen nicht allein ist.

Als BWLer dürftest Du das Peter-Prinzip kennen: Leute werden so lange befördert, bis sie an einem Posten gelandet sind, wo sie`s nicht mehr bringen. Wenn Dir das was sagt, dann hast Du hoffentlich auch das betreffende Buch gelesen, sonst fasst Du diesen Befund womöglich gar als Tadel auf (was ja eine typisch depressive Verhaltensweise wäre).
Oder Du leihst Dir das Buch "Gesellschaft mit begrenzter Haftung. Zumutungen und Leiden im deutschen Alltag" von Franz Schultheis und Christina Schulz (Hg.) und liest den Bericht der Managerin (S. 62 ff.).

Geleistet hast Du viel, nur zu wenig reflektiert, meine ich. Was auch wieder kein Tadel sein soll: Alles zu seiner Zeit. Du lernst halt gerade, dass jetzt Reflexion angesagt ist. Depression ist insofern ein "gesunder" Indikator dafür, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt. Wobei zum "falschen" auch das Sich-Vergleichen mit anderen gehört.
Ich sehe in dieser Volkskrankheit ein vielfach not-wendiges Korrektiv gegen das Absorbiert-Werden durch das "man".

Auf Deinen Trennungsschmerz kann ich nicht eingehen, weil die Worte "Freundin weg" einfach viel zu wenig Info hergeben.

Gegen nivellierende Gemeinplätze ("Midlife Crisis") hab ich was. Du studierst halt gerade wieder, nur eben diesmal Dich selber. Dass es in einem von der Gesellschaft mit Verachtung gestraften Rahmen ("krank geschrieben") statt findet, weil solches seitens der Gesellschaft nicht vorgesehen ist, sollte Dich nicht stören.

Viel Erfolg!
Und möglichst frohe Ostertage!
Mathilde
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Nachttaube »

hallo Patrick,

dass ist sicherlich kein Depri-typisches Problem und ich sehe mich auch nicht als schräger Vogel.

Du bist frustriert, weil Deine Studien-Kollegen die üblichen Karten zeigen (mein Haus, mein Auto, mein Pferd, meine Frau usw?). Kläre für Dich selber was Du willst. Ein Beispiel: ich könnte mir auch locker ein Haus kaufen, mache es aber nicht, weil ich ungebunden, unbelastet bleiben möchte (und außerdem viel zu konsumgeil bin, um mich einschränken zu wollen).

Du hast studiert, willst nicht weiterlernen und hast einen vermeitlichen sicheren Job und bist dennoch ssooooo unzufrieden? Klar,als diplomierter BWLer sollte man herausgearbeitet haben, dass in der heutigen Zeit der Wissensstand von 1998 nicht wirklich prikelnd ist. Neues Wissen aneignen, was durchaus auf "altes" Wissen aufbaut, und frei für neues sein, das wird schon von den Arbeitnehmer von heute erwartet. Als Software-Beraterin habe ich auch mit vermeitlichen veralteten Wissen sehr gute Erfahrungen machen können, weil neues Wissen auf ähnliche Prinzipien beruht.

Dazu passt auch, dass Du das Dogma, des vermeitlichen sicheren Arbeitsplatzes preist. Das ist heute vorbei. Weiterbildungsunwillige Sachbearbeiter sind ziemlich schnell die ersten, die gehen müssen (auch in großen, renomierten Unternehmen, siehe Mercedes Benz als aktuelles Beispiel) . Und anscheinend macht Dich der Job nicht froh. Überlege Dir also gut, ob Du da kleben bleibst, oder Dir in der relativen Sicherheit einen anderen Job suchst. Es hört sich so an, als ob Du keine größeren (finanziellen) Verpflichtungen , wie Kinder, Frau, Haus usw, hast, also was spricht gegen ein etwas geringeres Gehalt, andere Arbeitszeiten und mehr Spaß am Job, neue Herausforderungen. Vielleicht ist eine kleine Firma, mit weniger Hierarchie und mehr Spielraum für Dich das Eldorado. Oder eine kleine Mittelstandfirma, die ihr Konzept hat und die nächsten 5 Jahre nicht davon abweichen wird. Das solltest Du analysieren und danach handeln.
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Mathilde, hallo Nachttaube,

erst mal danke für Eure Antworten.

@Mathilde,

die Aussage „Du studierst halt gerade wieder, nur eben diesmal Dich selber“ bringt es, glaub’ ich auf den Punkt. Ja, ich studiere mich. Besuche immer voller Erwartung meinen Psychotherapeuten und freu mich auch schon irgendwie auf meine Reha…

Nur, recht viel weiter als zuvor bin ich noch nicht gekommen. Es gibt wohl keine Antwort, die alles auf einen Nenner bringt. So wie immer im Leben – alles fließt, nix is fix, heute so und morgen so. Das ist halt auf die Dauer frustrierend (von meiner Thera bin ich bisher noch nicht gefrustet!!!!).

Die Geschichte vom „Peter-Prinzip“ hab ich wohl in diesem Forum schon mal gelesen. Der Witz an meiner Geschichte ist der: ich bin noch gar nicht aufgestiegen, zumindest beruflich – lassen wir jetzt mal das bestandene Studium außen vor.

„Dass es kein richtiges Leben im falschen gibt…“ Auch mit diesem Gedanken kann ich absolut was anfangen. Auch mein Therapeut hat mir mal so was ähnliches gesagt, sinngemäß: „ich mache nicht das, was ich will, sondern das, was andere von mir wollen“ (und hier wäre vorzugsweise vielleicht meine Mutter zu nennen, aber das ist ein anderes Thema).

Stichwort „Trennungsschmerz“. War fast zwei Jahre mit meiner letzten Freundin zusammen. Sie lebt jetzt wieder im Studentenheim (sie wird jetzt 25, ich bin, wie schon gesagt 37). Irgendwie herrscht bei mir gefühlsmäßig ein seltsamer „Schwebezustand“. Wir treffen uns noch, telefonieren, SMSen, mailen…. Irgendwie hab ich immer noch die Hoffnung, dass sie wieder zurückkommt. Wir haben jetzt nicht gestritten, oder so. Sie ist sozusagen von einem Tag zum anderen bei mir ausgezogen. Vielleicht hängt’s mit meiner Depri zusammen. Ist aber wahrscheinlich nur ein möglicher Grund (sie hat seit 12 Jahren Bulimie, hat sie mir bei unserem Abschiedsgespräch verraten, sie stresst sich voll in ihr Studium rein, sie möchte evtl. wieder in ihre Heimat zurück, sie möchte das Studentenleben genießen etc. etc.).

Wenn ich daran denke, wie’s mir bei ihrer Vorgängerin ergangen ist… Ist, denk ich, auch einer der Gründe für meine Depri. Klingt lächerlich, aber wir waren nur ca. drei Wochen zusammen. Aber in diesen drei Wochen erlebte ich die geilste Zeit meines Lebens – und danach die mit Abstand beschissenste Zeit (es stellte sich am Schluss der drei Wochen heraus, dass sie schwanger war, aber nicht von mir; sie hat mich am Ende betrogen – wieder mit einem anderen Typen, deswegen hat sie dann auch Schluss gemacht. Weil sie sich vor mir schämte. Das soll irgendein Mensch verstehen!!!!!!!!!!! Seltsamerweise schaffte ich es in dieser beschissenen Zeit, das Rauchen aufzuhören – nach ca. dreizehn Jahren!!!

Mathilde, noch mal danke. Das was du mir geschrieben hast, klingt sehr, wie soll ich sagen, professionell. Bist Du irgendwie vom Fach? Was machst Du im wahren Leben, wenn ich fragen darf?

@Nachttaube,

in Deiner Antwort schwingt zwischen den Zeilen, na ja, eine gewisse Aggression mit – liege ich da richtig? Oder eigene Frustration? Sorry, aber so kommt’s für mich nun mal rüber. Oder sind Deine Zeilen etwa ironisch gemeint? Nicht böse sein, aber ich steh bei Deinen Ausführungen etwas auf dem Schlauch… Trotzdem noch mal danke für Deine Rückmeldung.

Gruß
Patrick
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Nachttaube »

hallo Patrick,
tut mir leid, dass Du so viel zwischen den Zeilen liesst. Es sollte nicht agressiv rüberkommen. Mh, für die anklingende Ironie entschuldige ich mich. Allerdings schreibe ich relativ schnörkellos, wahrscheinlich findest Du das wenig tröstlich.
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hi Nachttaube,

kein Problem, jeder Jeck ist anders…

Bin vielleicht wirklich etwas empfindlich zurzeit und grüble über jede Sache.

Brauchst Dich nicht zu entschuldigen, bin oft selbst ziemlich ironisch und ecke auch mal an damit.

Gruß
Patrick
Jadis

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Jadis »

> Nur, recht viel weiter als zuvor bin ich noch nicht gekommen. Es gibt wohl keine Antwort, die alles auf einen Nenner bringt. So wie immer im Leben – alles fließt, nix is fix, heute so und morgen so. Das ist halt auf die Dauer frustrierend (von meiner Thera bin ich bisher noch nicht gefrustet!!!!).


Hallo, Patrick!

Jetzt frage ich doch auch mal: Was hast Du von dem Job erwartet? Dass Du Dein formelles wie auch Dein informelles Wissen einbringen kannst, dass Du dort gut aufgeräumt bist, dass Du Dir dort durch Einsatz und Kompetenz eine Höhle ergatterst, von der aus Du die Zeitläufte an Dir vorbeifließen lassen kannst?

Du magst es nicht, wenn es fließt, nicht wahr? Möchtest mit dem Lernen an ein Ende kommen. Persönlich und im Job.
Da, meine ich, steckt ein Perfektionismus dahinter. Der Anspruch, jedes Update just-in-time zu installieren.

Du hast lange gebraucht, bis Du fertigstudiert hattest. Zweiter Bildungsweg, nehme ich an, vielleicht noch beim Bund gewesen, und dann das Geld für´s Studium zusammengerkatzt. (Nur mal so in den Raum gestellt; ich erwarte kein Statement hierzu.) Und nun siehst Du die Anderen und meinst, die hätten Updates, die Dir jetzt erst oder noch gar nicht zugänglich sind, schon seit Jahren laufen*.

Und dann diese Programme, die Dir eigentlich systemfremd sind: Intrigen, Schauspielerei... Müsste man alles auch beherrschen... seit Jahren!
Du hängst einfach hoffnungslos nach!!!


Ich hoffe, Du lernst in der Klinik wirkungsvolle Entspannungsmethoden. Dass Du mal bei Dir bleibst; DEIN Tempo kennenlernst. Nicht jeder muss ein Hansdampf-in-allen-Gassen-Typ sein. Windows XP, solide beherrscht, macht einen besseren Eindruck als nach jedem Windows-Vista-Bug erst mal 3 Tage nicht ansprechbar zu sein.


Stichwort „Trennungsschmerz“. Ich denke, auch Deine Ex muss sich erst sortieren. Einen Kumpel zu haben, ist erst mal für beide gut. Ja, die Depression eines anderen in sein Lebenskonzept zu integrieren, wenn man selber nicht stark ist, ist nicht leicht! Aber vielleicht lernt sie ja durch Dein Beispiel, sich helfen zu lassen.


Was mich betrifft: Nein, ich bin nicht vom Fach. Ich hab auch einen Bürojob, allerdings keinen akademischen.

Einen schönen Abend
wünscht
Mathilde



* "Ich habe manchen Kratzer abgekriegt.
Zu sagen: "Es war halb so schlimm", das wär gelogen.
Ich habe längst nicht immer nur gesiegt.
Die Pose hat darüber weggetrogen."
(Curd Jürgens)
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Mathilde,

Du liegst mit Deiner Vermutung vom zweiten Bildungsweg etwas daneben. Bei mir war’s so:
Abitur – Bund – ein Semester Studium – Ausbildung – BWL-Studium.

Tendenziell liegen meine Interessen mehr im künstlerischen Bereich im weitesten Sinne. (LK Kunst; interessiere mich für Design im Allgemeinen; versuche gerade, eine erlebte Geschichte schriftlich niederzulegen, macht mir Spaß; beobachte gerne Leute und Situationen und wundere/amüsiere mich über den „feinen und kleinen Wahnsinn des Alltags“, hab im Hinterkopf, das auch mal in einer Geschichte zu verarbeiten…).

Wusste vor und nach dem Abitur eigentlich nicht genau wie mein späterer Berufsweg einmal aussehen soll.

Erstes Studium abgebrochen:
hat’s irgendwie nicht gebracht; war auch noch zu „klein“ für die große Stadt (hört sich vielleicht blöd an, spielte aber eine gewisse Rolle)

Ausbildung im Verwaltungsbereich:
beendet, obwohl ich schon nach spätestens sechs Monaten wusste, dass ich danach studieren werde (aber man braucht ja eine gewisse Sicherheit, falls es mit dem Studium doch nicht klappt)

Zweites Studium:
Erfolgreich beendet. BWL als Sicherheitsstudium  bessere Jobmöglichkeiten als bei anderen Studiengängen (muss aber ehrlicherweise auch sagen, dass während meiner Ausbildung ein gewisses Interesse an BWL geweckt wurde und auch das Studium nicht ganz öde war, sonst hätte ich es bestimmt nicht geschafft, mein Studium erfolgreich zu beenden)

Nach dem Studium:
Vier Jahre Tätigkeit in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung; Versuch Prüfung zum Steuerberater abzulegen (zur Info: diese Prüfung ist so ziemlich das Härteste was rumläuft. Ein Prof sagte damals, die Menge des Stoffs ist mit einem BWL-Studium zu vergleichen. Nur dass ein BWL-Studium in der Regel vier bis fünf Jahre dauert, die Vorbereitung zum StB aber nur ca. 15 Monate).
Bin nicht zur Prüfung angetreten, habe aber drei Jahre zuerst „auf eigene Faust“ gelernt, dann ca. 12 Monate „professionelle“ Prüfungsvorbereitung. Habe für mich festgestellt: Keine Chance, die Prüfung zu schaffen! Aber war kein Problem für mich. Hab’s zumindest versucht…
Ich gehörte nach den vier Jahren übrigens zu dem Drittel, das von allen Mitarbeitern am längsten in der Kanzlei beschäftigt war (d.h. von 60 Mitarbeitern, waren in den vier Jahren ca. 40 nach mir eingestellt worden und wesentlich vergrößert hat sich die Firma trotzdem nicht => gut 30 sind in den vier Jahren meiner Beschäftigung wieder gegangen; ich glaube, das sagt alles über den Job, das Betriebsklima und die Chefs aus – und vielleicht auch, dass ich nicht sofort den Schwanz einziehe. Aber irgendwann ist’s genug!!!!!!!!!!!!!!!!!)

Mittlerweile hatte ich mich anderweitig beworben und die Zusage für meinen jetzigen Job in der Stadt, in der ich studiert hatte.

Jetziger Job:
War zwei Jahre dabei, hat mir Spass gemacht, kam im Großen und Ganzen mit den Leuten gut klar.
Dann: Verlegung des bisherigen Aufgabengebiets in die Unternehmenszentrale in eine andere Stadt, Zerschlagung der Gruppe; Wahlmöglichkeit mitzugehen oder zu bleiben; ich bin geblieben, weil es mir in der jetzigen Stadt gefällt, ich die andere Stadt von meinem ersten Job her schon kannte und meine (Ex-)Freundin ihren Studienort nicht so einfach wechseln konnte.

Neue Gruppe:
Reine „Frauenwirtschaft“ (Entschuldige diesen Ausdruck, aber es ist so): ständiges Herumgeschimpfe hinter dem Rücken anderer, aber am Telefon oder im direkten Gespräch zumeist „scheißfreundlich“; Druck von oben wird nach unten weitergegeben; Einführung neuer Systeme, nachdem man (ich) die alten endlich einigermaßen durchblickt hatte und gewisse Rationalisierungen ausgetüftelt hatte, Vorwürfe, dass man sich zu Fortbildungen angemeldet hatte (diese wurden von den gleichen Leuten zuvor genehmigt); ständiges Verschieben des Urlaubs (am l e t z t e n Tag vor meinem Urlaub wurde mir nahe gelegt, diesen zu verschieben  hatte bereits Reise geplant  Kompromiss: Urlaub wurde zerstückelt); Aufforderung zum Nachweis meines zweistündigen Arztbesuchs per AU-Bescheinigung (wir haben Gleitzeit und ich hatte meinen Arztbesuch bereits die Woche zuvor angekündigt; keiner hatte explizit was dagegen!!!!) etc. etc. etc. ich hör jetzt lieber mal auf damit, sonst bekomm ich die totalen Aggressionen (wurde mir übrigens auch vorgeworfen….)

Tja, Mathilde…jetzt kennst Du die Hintergründe etwas. Vielleicht kannst du einigermaßen nachvollziehen, warum ich seit einiger Zeit „etwas schlecht drauf“ bin….

Gruß
Patrick

PS: Sorry, wegen meines Ausdrucks und meiner Grammatik – hab’s einfach „runtergeschrieben“
Jadis

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Jadis »

Hallo, Patrick!

also, was die Firma anbelangt, habe ich nicht den Eindruck, dass Du dort recht alt werden wirst.

Mag ja sein, dass es ein Unternehmen ist, das "man" eigentlich nicht mehr verlässt. Aber Du bist nicht "man".
Ich war ebenfalls schon mal in einer Firma, über die nur gut reden konnte, wer sie nicht aus Arbeitnehmerperspektive kannte. Eine Atmosphäre wie Galle, die Vorgesetzten freilich derart angegsäuert von der Behandlung durch den Vorstand, dass keiner was sagte, wenn wir Dienst nach Vorschrift machten.
Als Mensch mit einem halbwegs toughen Leistungsethos bewältigt man so etwas auf Dauer wohl nur als Teilzeitkraft, weil man sich dann noch einen zusätzlichen - eigentlichen - Lebensmittelpunkt aufbauen kann.

Ich muss allerdings auch sagen, dass ich mich mal am Empfang eines Hotels vorgestellt habe und ANGEWIDERT nach Hause gefahren bin. Ein halbes Jahr später hatte ich ein Vorstellungsgespräch ín der Verwaltung desselben Hotels - naja, und da bin ich nu und bin ganz zufrieden.
... Also vielleicht hörst Du tatsächlich mal in jene andere Abteilung rein! Mit Geld, denke ich, lässt sich eine Verbesserung Deiner Situation nicht aufwiegen.

Ein Mensch macht einen Entwicklungsschritt, wenn er für ihn dran ist, so meine Überzeugung. Sich rechtzeitig um Feedback und Begleitung zu bemühen, kann einen quälend langen "Geburts"prozess zwar verkürzen. Aber zur Geburt kommt es nun einmal erst dann, das Baby so weit ist.
Das hast Du auch schon mal erlebt, nicht wahr ("zu klein für die große Stadt")?

Und jetzt magst Du noch zu "klein" sein für die Design-Branche, wo man vermutlich einen Panzer statt einer Haut braucht und Chuzpe gefragter sein mag als Konzepte. Kunstmarkt i. w. S. halt.
Aber vielleicht bleibst Du ja auch Deinem Fach treu und suchst Dir ein auf dieser Szene in irgendeiner Form aktives Unternehmen, wo man vielleicht noch froh ist, wenn sich der Verkäufer (also Du) "sogar" für das Produkt interessiert.

Hast Du schon mal geschrieben, wann Deine Reha beginnt? Ich konnte leider nicht alle Deine Postings finden.

Herzliche Grüße!
Mathilde
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hi Mathilde,

nach Auskunft meines Nervenarztes von letzter Woche sind alle nötigen Unterlagen, Befunde und Berichte bei der Rentenversicherung eingereicht. Schaue auch schon jeden Tag in den Briefkasten, ob ich Post von den Jungs in Berlin erhalten habe. Bis jetzt leider umsonst. Werde Anfang nächster Woche nochmal dort anrufen und mich nach dem Stand der Dinger erkundigen (hoffentlich ist nicht wieder dauernd belegt bzw. hoffentlich geht diesmal sofort jemand ans Telefon).

Als Reha-Kliniken hat mein Psychotherapeut Isny im Allgäu oder Bad Saulgau vorgeschlagen. Ich habe seinen Vorschlag an den RV-Träger weitergereicht.

Hatte heute Therapiestunde. War wieder mal ziemlich interessant. Er hat gemeint, ich sei auf der Suche nach mir selbst und hätte meinen inneren Kern noch nicht gefunden bzw. dieser sei bei mir wohl nur ein Staubk(o)ernchen. Bis jetzt hätte ich mich nur per Versuch und Irrtum durchs Leben geschlagen. Könnte schwer zu irgendwas „nein“ sagen, eben wegen meinem nur putzikleinen Körnchen in mir.
Beziehungstechnisch hat er gemeint, ich stünde auf Mädels, die selbst etwas angeknackst sind – womit er auch Recht hat.

Jobmäßig hat sich bei mir irgendwo festgesetzt, dass ich wohl über kurz oder lang die Gruppe wechseln werden, auch wenn dies mit Gehaltseinbußen verbunden sein wird – mal schauen. Ich bring erstmal die Reha hinter mich und dann gibt’s wohl ein Gespräch mit dem BR und AG-Vertretern und der Betriebsärztin und allen, die sonst noch kommen wollen…

Hab heute übrigens über 2.100 Flocken von meinem AG überwiesen bekommen, als „Leistungs“-prämie. Schon der Wahnsinn, oder?

Arbeite zurzeit nachts wie ein Verrückter (sinnig der Vergleich! *schmunzel*) an meinem „Buch“ und gehe erst ins Bett, nachdem schon längst der Tag wieder angebrochen ist.
Hab den Text (mittlerweile ca. 140 Normseiten) einem Kumpel von mir geschickt und der war – was soll ich sagen – hellauf begeistert. Hat mich mit Philip Djian (schreibt man den so?) verglichen – Stichwort „Betty Blue“. Muss mir aber erst noch überlegen, ob das jetzt ein so tolles Kompliment war oder nicht…hm.

Jedenfalls baut es mich auf. Was Positives!!! Yes!!!

In meinem Text kommt übrigens kein einziges Mal das Wort „man“ vor. Echt!

Wie läuft ’s bei Dir so im Allgemeinen und Besonderen? Warum tummelst Du Dich eigentlich in diesem Forum. Auch wegen Deines letzten Jobs? (Freut mich, dass es Dir in Deiner jetzigen Arbeit einigermaßen gefällt.) Private Probleme? Magst erzählen?

Ah, Mist! War gestern in der Buchhandlung und habe Deine Empfehlungen jetzt ganz vergessen. Werde sie mir gleich ausdrucken. Muss morgen noch mal hin, ein Buch abholen. Hab mir für meine Reha bisher übrigens „Das Schloss“ von Franz Kafka gekauft und „Auferstehung der Toten“ von Wolf Haas (auch jeweils sehr sinnig *nochmalschmunzel*) und zwei „Frauenromane“. Das mit den Frauenromanen hat jeweils einen ganz speziellen Hintergrund

Nächste Woche bekomm ich für ein oder zwei Tage ein Leihmotorrad, ne 1200er BMW. Freu mich schon drauf!

So, Schluss für diesmal.

Hast ja wahrscheinlich bemerkt, dass ich heute mal gut drauf bin – bis jetzt jedenfalls. Gebe Dir gerne ein Stück davon ab!

Vielleicht bis bald.
Patrick
Jadis

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Jadis »

Hallo, Patrick!
Schaust Du noch ab und zu rein?

Wie geht es Dir?

Und wie findest Du die Bücher - ich meine, ich persönlich sehe in der soziologischen Perspektive eine zeitweilige Alternative zu der hier allzu sehr vorherrschenden psychologischen, alles auf den Einzelnen beziehenden, alles durch Therapie des Einzelnen therapieren wollenden...

Einen schönen Abend wünscht
Mathilde
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Mathilde,

danke der Nachfrage. Geht so. Hatte heute Thera-Stunde. Unser Gespräch kreiste heute mal wieder um meine berufliche Situation und wie es denn nun weitergehen soll.

Das Fazit daraus: Ich bin in eine Sackgasse gefahren. Es gibt zwei Möglichkeiten, daraus zu entkommen:

Erstens: Ich lasse meinen Wagen stehen und gehe durch den kleinen Durchgang am Ende der Sackgasse zu Fuß weiter. Will heißen, ich backe in Zukunft finanziell kleinere Brötchen, wechsle meine bisherige Tätigkeit oder auch meinen Arbeitgeber und gehe auf der anderen Seite aber meinen eigentlichen Interessen nach, beruflich oder außerberuflich.

Zweitens: Ich fahre mit dem Wagen rückwärts wieder raus. Will heißen, ich gehe in meiner beruflichen Entwicklung ein paar Schritte zurück, begebe mich wieder auf die Stufe eines Lehrlings. Also: lernen, lernen, lernen. Fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Offen für neue Entwicklungen im Job sein etc.

Mein Thera würde es für meine Entwicklung positiv finden, wenn ich weniger Geld zur Verfügung hätte bzw. mein Geld „selbst“ verdiene (jetzt ist meine Situation ja eigentlich ganz bequem für mich: ich arbeite nichts, bekomme aber weiterhin reichlich Krankengeld gezahlt).

Ich kann seine Argumentation ein Stück weit nachvollziehen. Ohne dass wir das in der Stunde explizit angesprochen hätten, aber es ist so: Dadurch, dass ich keinen Druck verspüre, bewege ich mich derzeit auch nicht, weder nach hinten noch nach vorne. Vielleicht wäre eine Bewegung von mir, gleich welcher Art, besser als der derzeitige Stillstand. Vielleicht würde daraus irgendeine Dynamik entstehen, von der ich bisher noch nichts geahnt habe.

Aber ich kuschele mich in meine Situation hinein und will mich nicht bewegen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Ich flüchte mich in mein kleines Kämmerchen, in dem der Schreibtisch mit dem Laptop drauf steht, lasse die Rollos herunter, mache das Licht aus und schreibt an meinem imaginären Roman – was mir zugegebenermaßen Spaß macht.

Ich habe mir heute auch schon überlegt, ob ich nicht alleine mit meinem Motorrad gen Süden fahren sollte (eigentlich wollte ich das mit meiner Freundin zusammen im September machen, aber meine Freundin ist jetzt meine Ex-Freundin…). Eigentlich mag ich aber gar nicht alleine reisen… vielleicht wär’s trotzdem ne gute Erfahrung – Südtirol, evtl. Toskana und ein Heft dabei um meine Gedanken festzuhalten… und später richtig ausformuliert niederzuschreiben…????????

Ehrlich gesagt: ich weiß nicht wie es weitergehen soll und was ich machen soll!!!!!!!!!!!!

Auf eine Nachricht von der Reha warte ich auch noch, die haben doch jetzt alle Unterlagen, was machen die denn noch????????

Mathilde,
Wenn ich Dich richtig verstehe, müsste man unsere komplette Gesellschaft therapieren…? Hätte sicher was für sich – nur: wie soll das gehen? Jeder sollte vielleicht zuerst bei sich beginnen – nur: ist das dann wieder Egoismus? Soll man die Gesellschaft umstürzen oder wie? Bin auf dem Holzweg? Erklär’s mir vielleicht ein bisschen genauer, was du mit der soziologischen Perspektive meinst.
das Buch „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ hab ich mir besorgt. Stichwort Managerin: Ja ja, die Zwänge… man ist wie ein Hamster im Laufrad… ein Freund von mir sagte kürzlich sinngemäß: „auf eine Art sind wir doch alle nur moderne Sklaven.“ I c h möchte kein Vorgesetzter sein. Das bisschen mehr an Geld wiegt in meinen Augen, den Stress, die erhöhte Verantwortung und die Belastung nicht auf. Aber es geht wahrscheinlich nicht nur ums Geld. Es zählen vielleicht so Dinge wie Selbstverwirklichung (wer das Chef-Sein als Selbstverwirklichung sieht), die Erotik der Macht, das Kompensieren anderer Unzulänglichkeiten, vielleicht auch das Interesse an der Materie (vielleicht gibt’s ja welche, die Buchführung, Bilanzierung, Steuern etc. super spannend finden). Ich weiß es nicht.

Scheiße, scheiße, scheiße – ich sitze im goldenen Käfig!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Mir fehlt das Selbstvertrauen, der Mut, die Fantasie, die Ideen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Ich kotze!!!!!!!!!

Was anderes: Ich bin gestern ausgegangen und hab eine junge Frau gesehen, von der ich absolut begeistert war. Kein Mädchen-Typ mit herausstehenden Beckenknochen und gepierctem Bauchnabel, sondern ein Frauen-Typ mit Kleid und hochhackigen Schuhen („die Manolos von Deichmann“) und schönen weiblichen Rundungen. Mit einem sehr hübschen, geheimnisvollen Gesicht und dunklen Haaren. Ich war fasziniert von ihr (vielleicht so wie am Beginn des Sich-Verliebens) und war so mutig und hab sie angesprochen. Es ergab sich ein schönes kurzes Gespräch mit ihr (ich befürchte aber, sie hat bemerkt, dass ich schon ein bisserl was getrunken hatte). Hab ihr meine Telefonnummer gegeben. Wäre superschön, wenn sie anrufen würde… Aber das Christkind existiert ja auch nicht……………

Was soll’s…

Mathilde,
wie waren Deine Tage – uuups, ich meine Deine Tage, natürlich nicht Deine Tage
Erzähl mir doch auch ein bisschen was, frei von der Leber weg…

Gruß
Patrick

PS: Sorry, ist wieder recht lang geworden
wanderin
Beiträge: 297
Registriert: 9. Mai 2006, 08:15

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von wanderin »

Hallo Patrick,

ja, das Christkind gibt es nicht und ruft wahrscheinlich auch nicht an.

Oder vielleicht doch?

Ich klicke mich hier mal kurz ein.
Ich habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich schaute auch auf die anderen und maß mich an deren Erfolgen, deren Lebensinhalt und Lebensniveau.
Das hat mir nichts gebracht. Es war eben alles anders bei mir.

Vielleicht ist die Idee mit Reisen gar nicht so schlecht. Ob du jetzt ganz dicke in der Depression steckst, weiß ich nicht. Dann geht es nicht. Was meint dein Thera dazu?
Vielleicht unternimmst du zunächst eine kleine Tour mit dem Motorrad? Unternehmumgen, auch allein, haben mir Stärke verliehen und das Notizbuch hatte ich mit. Wenn du unterwegs schreibst, was du so erlebst und welche Eindrücke du wahrnimmst, ist das ein Versuch in eine andere Richtung.
Und unterwegs findest du eventuell auch eine Prinzessin und andere Menschen mal zum "small talk".
Nur im Zimmer sitzen bringt nichts. Lasse es dir durch den Kopf gehen. Du schaffst das schon.

Es scheint mir, du bist zu sehr jetzt auf eine Freundin fixiert, was ich sehr gut verstehen kann. Aber allein der Wunsch und immer der Gedanke bringt nichts. Es engt dich ein und hemmt dich. Habe Mut, einfach mal etwas ganz anderes auszuprobieren. Bespreche das nur noch mal mit deinem Therapeuten.

Wenn du dann von der Reise erzählen kannst, werde dich manche bewundern. Nun darum geht es aber nebensächlich. Es geht darum, die selbst etwas Gutes zu tun und dir selbst Erlebnisse zu schaffen.

Ein Versuch ist es wert. Alles in kleinen Schritten. Ziele setzen und sich selbst eine Belobigung geben, etwas Besonders sich gönnen.

Es ist schwer, aber es kann gehen.

louise



-
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Louise,

na klar, klick Dich ein!

Mit dem Christkind hast Du wahrscheinlich Recht – aber es ist schön, ein bisschen träumen zu dürfen…

Von welchen Erfahrungen sprichst Du konkret? Wie war es bei Dir vorher und wie ist es jetzt? Würde mich interessieren… Magst erzählen? (Hab kurz mal im Forum einige Beiträge überflogen, aber von Dir leider nichts entdeckt, auf die Schnelle)

Mit dem Moped-Fahren hab ich überhaupt keine Probleme… bin vor ca. zwei Wochen sogar mit einem Leihmotorrad – mein eigenes war beim Kundendienst – nach München gefahren um Freunde zu besuchen, und das war ein ziemlicher großer Brummer – hat mir Spaß gemacht.

Mal schauen – einige Pässe öffnen erst Mitte Juni. Hab schon was im Hinterkopf: Timmelsjoch, Jaufenpass, Großglockner-Hochalpenstraße etc.

Hast Du Dein Notizbuch (nur) als Tagebuch benutzt oder als Grundlage für eine spätere Geschichte? Schreibst Du etwa?

Das mit der Freundin… du hast schon Recht. Darf ich fragen wie alt Du bist? Mir fällt jetzt spontan die alte Geschichte mit der „tickenden Uhr“ bei Euch Mädels ein. Vielleicht könnte man das damit vergleichen. Ich weiß nicht, ob Du das Gefühl kennst oder ob es bei Dir noch in weiter Zukunft liegt oder ob Du es schon hinter Dir hast?

Ja, ich höre meine Uhr ticken – ja, ich als Mann!!! Andersherum gesagt: ich möchte e n d l i c h mal zur Ruhe kommen. Um bei den Bildern zu bleiben: in den sicheren Hafen einlaufen. Muss jetzt nicht der Hafen der Ehe sein, aber wenigstens der Hafen der Zweisamkeit.
Und noch ein Bild: ich bin ein Luftballon und möchte mich nicht mehr ziellos mal hierhin und mal dorthin treiben lassen, sondern festgebunden sein… ich schwebe ja weiterhin in der Luft, aber möchte meinen Standort finden… Weißt Du, was ich meine?

So schaut’s aus.

Louise, nochmal: Wenn Du magst, schreib mir von mehr den Erfahrungen, die Du in Deiner Nachricht angedeutet hast und was bei Dir jetzt anders ist im Vergleich zu früher.

Gruß
Patrick
wanderin
Beiträge: 297
Registriert: 9. Mai 2006, 08:15

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von wanderin »

Hallo Patrick,

nur ein kurzes "Guten Morgen".

Hat dein "Goldener Käfig" auch ein offenes Türchen?
Dann flieg doch mal heraus und tue das, was dir Spass macht. Du berichtest ja übers Motorradfahren und Schreiben und die Freude, die dabei spürst. Nimm es doch zunächst an, jetzt hast du die Möglichkeit, und vielleicht erholst du dich dabei und in der Rehaklinik.

Nur Mut und nutze die Zeit mit Dingen, die dir Spass machen. Setze dich nicht unter Druck, auch nicht mit dem Wunsch sobald eine Freundin zu haben. Es liegt nicht allein in deinen Kräften. Und?
In solch einer Phase, in der du dich jetzt wahrscheinlich befindest, suchst du ja mehr einen "rettenden Engel" als eine gute Partnerin für das ganze Leben.

Bleibe ganz gelassen und habe Mut für neue Dinge und Wege. Noch bist du frei und willst aus dem Goldenen Käfig in einen neuen
Käfig "Ehe oder Partnerschaft". Auch dort lebt es sich nicht beschwerdefrei und manche versauern auch dort. Eine Partnerin ist nicht das Allheilmittel gegen Depris und anderes.

Oh weh.. möchte sagen, es ist ein Stück "Arbeit" eine gute Partnerschaft aufzubauen.

Besinne dich, flieg hinaus und vielleicht vertreiben frische Luft, Bewegung und Entspannung deine trüben Gedanken.

Alles Gute

louise
Jadis

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von Jadis »

Guten Mittag, Patrick!

Also: Ich habe die letzten 14 Tage mit Urlaub verbracht. Weggefahren bin ich nicht - würde mir im Mai niemals einfallen!
War viel zu viel im Internet unterwegs und habe ansonsten meinen Hund genervt.


> Ohne dass wir das in der Stunde explizit angesprochen hätten, aber es ist so: Dadurch, dass ich keinen Druck verspüre, bewege ich mich derzeit auch nicht, weder nach hinten noch nach vorne. Vielleicht wäre eine Bewegung von mir, gleich welcher Art, besser als der derzeitige Stillstand. Vielleicht würde daraus irgendeine Dynamik entstehen, von der ich bisher noch nichts geahnt habe.
Gleichzeitig könnte ich mir vorstellen, dass eine solche Situation Lust auf Bewegung macht, ähnlich der Bettruhe nach einem Beinbruch, während sich ein gleichförmiger Alltagstrott oder ein nahtloser Übergang Deiner "Verpflichtungen" evtl. endlos fortschreiben würde.


Die Unverfrorenheit, mit der die BfA Dich ausbremst, bringt mich freilich wieder auf meine Arbeitskraftunternehmer-Geschichte:
G. Günter Voß et al. erforschen die Anforderungen an heutige Arbeitnehmer, ihre Arbeitskraft als Ware auf einem Markt anzubieten, sowie die dafür notwendigen Voraussetzungen und ihre Risiken.

Zu Wirtschaftswunderzeiten konnte ein Lehrling noch fest damit rechnen, bis zur Rente in derselben Firma bleiben zu können, bekam, falls er sich zur Fortbildung bequemte, den roten Teppich ausgerollt, und mancher Arbeitnehmer ging wie selbstverständlich jedes Jahr auf Kur.

Heute muss sich ein Arbeitnehmer bei sich anbahnender Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft fragen, wie lange sein derzeitiger Job bei gleichbleibendem Qualifikationsniveau überhaupt noch seine materielle Basis sichern kann. Kranksein gerät mehr und mehr zum Skandal. Er muss seine Ware "Arbeitskraft" selber konkurrenzfähig halten, d. h. qualitativ optimieren und möglichst professionell nach außen darstellen.


"Arbeitnehmer sind in der Regel realistisch genug zu sehen, dass unternehmerisches Handeln und Unternehmertum an Ressourcen, an Rückhalt und an Sicherheiten gebunden ist, mit anderen Worten an unternehmerisches, soziales und kulturelles Kapital in unterschiedlicher Gewichtung (Bourdieu). (...) Als Unternehmer ihrer selbst fehlt es ihnen häufig an allen Ecken und Enden an Orientierung, an Beratung, an sozialen Netzwerken, an Geld und an sozialer Absicherung." (Jürgen Struß in: Eva Kuda/Jürgen Strauß (Hrsg.) Arbeitnehmer als Unternehmer? Herausforderungen für Gewerkschaften und berufliche Bildung, VSA-Verlag 2002)
Und trotzdem wird ein Scheitern vom Establishment als ausschließliches Versagen des Einzelnen gesehen und ihm auch großteils ERFOLGREICH so VERMITTELT.

Ich werde hier nicht politisieren. Aber offensichtlich ist doch wohl, dass die den depressiven Typus kennzeichnende Neigung, von außen herangetragene Anforderungen und Ansprüche in´s eigene Über-Ich aufzunehmen, einer solchen billigen Delegation von Verantwortung ohne kostspielige Vermittlung der Ressourcen, die man zu ihrer Ausübung braucht, in die Hände spielt.

Ich meine: Die Tabuisierung der Krankheit an sich ist eine wichtige Funktion dieses Forums hier. Und es gibt wohl auch rein endogene Formen von Depression. Aber eben nicht nur. Darum wollte ich in diese Riesen-Selbsthilfegruppe, in der sich noch so viel geschämt wird, mal ein paar Gedankensplitter über den gesellschaftlichen Hintergrund ihrer Existenz einbringen.


> das Buch „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ hab ich mir besorgt. Stichwort Managerin: Ja ja, die Zwänge… man ist wie ein Hamster im Laufrad… ein Freund von mir sagte kürzlich sinngemäß: „auf eine Art sind wir doch alle nur moderne Sklaven.“ I c h möchte kein Vorgesetzter sein. Das bisschen mehr an Geld wiegt in meinen Augen, den Stress, die erhöhte Verantwortung und die Belastung nicht auf. Aber es geht wahrscheinlich nicht nur ums Geld.
Irgendwo in diesem Buch muss noch die Story versteckt sein von der Managerin, die eines Tages im Dienstwagen ihres Partners, der ein paar Hierarchiestufen über ihr steht, anrückte; worauf sich auf ihrer Ebene sofort alle die Mäuler darüber zerrissen, womit sie sich diese Beförderung denn verdient haben mag.
- Ach! Das Buch nach dieser Story zu durchforsten, ist etwas, was ich mir jeden Tag von neuem vornehme...


> Mir fehlt das Selbstvertrauen, der Mut, die Fantasie, die Ideen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Vergiss nicht, dass Dir die Reha noch bevorsteht. Das mag nochmal einen ganz anderen Schub, andere Perspektiven ergeben als diese eine popelige Sitzung/Woche.

Ich würd´s Dir wünschen, und überhaupt Erfolg auf ganzer Linie !

Viele Grüße!
Mathilde
r.p.mcmurphy
Beiträge: 170
Registriert: 6. Mär 2006, 04:11

Re: Wem geht's auch so wie mir?

Beitrag von r.p.mcmurphy »

Hallo Mathilde,

Stichwort: Dienstwagenhierarchie

Schau mal unter der Überschrift "Da ist jemand, der sich zumindest ein Stück einfühlt" auf Seite 62 nach. Im zweiten Absatz findest Du, was Du suchst.

Viel Grüße
Patrick
Antworten