Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

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Leni2
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Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Leni2 »

Hallo,

vielleicht gehört es nicht ganz zum Thema, aber viele Depressive haben ja Schwierigkeiten mit ihren Eltern und für mich ist es immer ein großes Thema.

Mit meinem Vater habe ich seit Jahren kaum Kontakt und mittlerweile haben wir uns auch 3 Jahre nicht mehr gesehen. Da bin ich mittlerweile einigermaßen im Reinen mit.

Mit meiner Mutter habe ich auch schon immer Schwierigkeiten (ein Grund für meine Erkrankung, denke ich) und seit ein paar Jahren versuche ich mich, mich von ihr zu lösen, aber mir gelingt der Absprung irgendwie nicht richtig. Das sieht dann so aus, dass ich zwar selten zu ihr fahre, Weihnachten nicht mit ihr feier etc., aber wenn es mir schlecht geht, telefonieren wir meist sehr viel. Meine Geschwister sind sehr loyal vor allem meiner Mutter gegenüber und ich hab das Gefühl, dass kaum eine eigene Beziehung mit ihnen möglich ist.

Ja, mein Problem ist nun, dass ich einerseits am liebsten einen Schlußstrich ziehen würde. Andererseits habe ich aber furchtbare Schuldgefühle. Ich fühle mich als Versager, weil ich keine gute Beziehung zu meiner Familie haben kann. Und ich kriege da auch schon Vorwürfe z.B. von meinem Opa.
Ich denke immer, abhauen kann keine Lösung sein. Auf der anderen Seite sehe ich nicht, dass die Beziehung sich so verändern könnte, dass ich mich richtig wohl fühle, ich hab das Gefühl, ich bin nur willkommen, wenn ich mich anpasse. Ich habe einfach Angst, wieder verletzt zu werden, weil mir Familie eigentlich sehr viel bedeutet und ich dann zuviel "Hoffnungen" reinstecke.
Dann wieder denke ich, dass ich mich vielleicht nur nicht genug darauf einlasse. Meine Geschwister und meine Mutter spielen immer die fröhliche Familie und ich bin die kritische Außenseiterin. Ist es vielleicht doch meine Einstellung, meine Ansprüche oder so?

Also, ihr seht, es geht ziemlich hin und her in meinem Kopf und das schon seit längerer Zeit.

Jetzt wollte ich euch einfach mal fragen, wie es euch geht, vor allem die, die auch für kürzere oder längerer zeit den Kontakt mit ihrer Familie oder einem Elternteil abgebrochen haben. Ich glaub, so ein Erfahrungsaustausch könnte mir helfen, meine Gedanken zu sortieren.

Danke euch schon mal!

Liebe Grüße von Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Mariposa
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Registriert: 26. Okt 2004, 21:44

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Mariposa »

Liebe Lena,

ein sehr gutes Thema, das Du da anschneidest!

Bei mir ist der Kontakt zu den Eltern komplett abgebrochen. Zu meiner Mutter habe ich seit 1997 keinen Kontakt mehr und mit meinem Vater hat es sich Anfang 2004 zerschlagen.

Auch bei mir steckt eine lange und schwierige Geschichte dahinter. Meine Mutter war schwer psychisch krank (heute würde man dazu wohl Borderline sagen, hinzu eine schwere Zwangserkrankung). Mein Vater änderte nie was an unserem Familiendilemma, flüchtete sich in seine Arbeit und Alkohol.

Nachdem ich mit 18 ausgezogen war, hat er auch irgendwann den Absprung geschafft, und ist zu seiner jetzigen Frau gezogen. Diese hat sich leider als wahrer Drache entpuppt, die meinen Vater (ein absoluter Waschlappen ohne eigenes Rückgrat)total mit ihrem inneren Hass beeinflusst hat und gegen alles und jeden seiner Familie (seine Mutter, Schwestern und mich) gehetzt hat. Folge: er hat nach und nach den Kontakt zu uns allen abgebrochen.

Für mich war das zunächst sehr schwierig, ich habe mich auch immer wieder schuldig gefühlt. Allerdings sagte mein Therapeut nach der Eskalation mit meinem Vater zu mir: "Dann ist es jetzt wohl an der Zeit für Sie, sich auch von Ihrem Vater zu verabschieden". Und genau damit hatte er vollkommen Recht. Wer sich so gegenüber seiner eigenen Tochter benimmt, bei dem nützt auch jeder gute Wille von meiner Seite nichts mehr.

Also Zeit für einen Schlussstrich. Mittlerweile geht es mir ganz gut damit. Eigentlich besser so ganz ohne Kontakt, als ständig irgendwelchen Sticheleien oder blöden Anreden von der anderen Seite ausgesetzt zu sein. Hat keinen Sinn.

Klar, irgendwie ist es schon schwer ohne Familie, ohne zu wissen, dass da irgendwo ein wärmendes Nest ist, in das man sich mal vorübergehend flüchten kann, bzw. Ansprechpartner bei Problemen.

Aber egal. Ich habe einen netten Freundeskreis und mittlerweile einen unglaublich lieben Partner. Und das gibt sehr viel Halt.

Und in schwachen Momenten, wo doch wieder Zweifel oder (unbegründete) Schuldgefühle aufkommen, mache ich mir klar, dass ich an der Situation nichts hätte ändern können und auch wohl nichts mehr werde ändern können.

Auch von seiten meiner Oma kommt immer wieder mal der Versuch, mir Schuldgefühle zu machen: O-Ton: man muss doch verzeihen können und immer gut sein, etc. Umgekehrt kriegt sie ja aber immer selber eins von meinem Vater auf den Deckel, wenn sie alle paar MOnate mal wieder mit einem Telefonanruf versucht, Kontakt zu ihm herzustellen.

Soviel zu meiner Erfahrung.

Lena, mach das, was Dir gut tut und wenn du meinst, es geht gar nicht mehr mit deinen Eltern und Gespräche können da nichts mehr bewirken, dann hilft dir ein - vielleicht auch vorübergehender - Kontaktabbruch evtl. auch weiter. Vielleicht aber ist auch noch was zu retten? Aber klar, das ist situationsabhängig, die Entscheidung kannst nur du treffen, denn nur Du kennst die Lage!

Alles Liebe und toi, toi toi!

Mari
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Leni2 »

Liebe Mari,

da kennst du ja die Situation auch gut. Ja, es ist wirklich schwer, kein Nest mehr zu haben, in das man sich mal verkriechen kann. Und ich glaube auch, das ist es, was ich mir so sehr wünschen, aber eigentlich schon lange nicht mehr habe.

Mein Vater hat auch eine neue Partnerin und hat ein komplett neues Leben angefangen. Ich könnte wohl Kontakt zu ihm haben, aber dann zu seinen Bedingungen, d.h. keinerlei Verbindlichkeit von seiner Seite, und das möchte ich nicht.

Das schwierige mit meiner Mutter ist, dass es keinen konkreten Anlass oder so gibt. Es ist ihre untergründige Dominanz, die sie unter einer unendlichen Harmonie versteckt. Sie verzeiht alles, blockt aber meine Ansichten ab. Gespräche bringen deshalb nichts. Und eigentlich möchte ich auch nicht den Großteil meiner Energie in die Konfliktlösung mit meinen Eltern stecken.

Hm, ich glaub, ich muß es tun. Am Freitag sprech ich nochmal mit meiner Thera drüber.

LG,
Lena
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Kudelka
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Registriert: 24. Jan 2006, 12:15

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Kudelka »

Hallo Lena.....

ein ganz wichtiger Punkt den du da ansprichst.....denn gerade nicht ernst genommen zu werden von der Familie mit seinen Sorgen und Nöten kann depressionsverstärkend oder auslösend sein....als Betroffener hat man dann das Gefühl nicht respektiert und geachtet zu werden und zwar so wie man nunmal ist mit seinen Empfindungen und Verhaltensweisen...man wird vielleicht geliebt, aber nicht auf die Art, DIE EINEM SELBER GUT TUN WüRDE !!!!

Und das ist ganz oft das, was einem auch schon als Baby, Kleinkind, Kind und Jugendlicher und junger Erwachsener widerfahren ist, was sich nun leider fortsetzt im richtigen Erwachsenenalter....nämlich emotionale Vernachlässigung.....und dies wird dein Depriproblem bestimmt nicht verbessern....

ich bin bei Eltern skeptisch, das die sich nochmal so verändern können, wie du es bräuchtest, schließlich müssten die sich ggf. eingestehen, dass sie schwerwiegende Erziehungsfehler gemacht haben und heute auch noch dich nicht so sehen wie du bist, nämlich erwachsen, richtig, annerkennswert und WERTVOLL !!!

Ich habe mich auch von meiner Mutter distanziert und bekam schlimme Schuldvorwürfe, die mich auch erst einmal leider tief getroffen haben, da ich sie angenommen habe, wer hört schon gerne er sei ein undankbarer SOHN und vernachlässige seine Mutter.....

Zusammen mit meiner Tera hab ich diese schlimmen Schuldgefühle und das schlechte Gewissen aber sehr gut in den Griff bekommen und dies war ein wichtiger Wendepunkt bei mir, nämlich die eigene notwendige, völlig natürliche und längst überreife Loslösung von der Elterlichen Gewalt. Seit dem geht es mir viiieeell viel besser !!!!

Ob es dann die Eltern schaffen diesen Schritt zu gehen liegt bei Ihnen und nicht mehr in deiner Macht...man sollte ihnen aber offen die Möglichkeit dazu anbieten z.b ein gemeinsames Teragespräch...

Man kann seinen Weg aber auch ohne Eltern weitergehen und oft ist es der bessere Weg, weil man dann nicht mehr mit den forgesetzten depriauslösenden Verhaltensmustern der Familie ausgesetzt ist.....dann kann man sich auf seine eigene Suche, nach seinen eigenen neuen Verhaltensmustern machen, ohne den alten Famielenschrott (heile Welt vorspiilen, wir haben uns alle lieb, Probleme haben wir nicht etc...) weiter immer neu aufgebürdert zu bekommen....

ich weis es ist schwer seine ganz tiefe Sehnsucht an ein besseres zuhause oder liebevollere Eltern aufgeben zu müssen bzw, immer noch an die Eltern zu klammern, aber du kannst dir ja ein eigenes Zuhause aufbauen, wo du alles hast was du brauchst.....

Ich hoffe ich war nicht zu krass

Alles Liebe sei es nun mit oder ohne familiäre Altlasten...

LG aus Hamburg
rilke
Beiträge: 235
Registriert: 17. Dez 2004, 19:33

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von rilke »

Hallo Ihr,

was für ein wichtiges Thema. Ich habe nur noch eine Mutter und zwei Brüder. Meine Brüder verstehen meine Erkrankung einfach nicht und machen mir immer nur Vorwürfe, dass ich mich machmal nicht melde, was ich in den Zeiten dann aber auch wirklich nicht kann, weil ich voll berufstätig bin. Und dass mit meiner Depressionserkrankung - ich schaffs einfach nicht. Meine Mutter macht mir sofort Vorwürfe, wenn ich mich mal 14 Tage nicht melde. Die gehen dann in die Richtung wie etwa, mir wäre es egal, ob sie stürbe usw. Fakt ist, dass ich sie tatsächlich vernachlässige, weil sie mich mit meiner Erkrankung runterzieht und nicht respektieren will, dass mein Beruf für mich wichtig ist (ich lebe allein und von irgendwas muss ich mein Leben finanzieren). Momentan ist es wieder wie ein Horror. Ich bekomme Schweißausbrüche, wenn nur das Telefon klingelt. Schrecklich.

Liebe Grüße Gika
______________________________

Zwei Dinge sind unendlich:

Das Universum

und die menschliche Dummheit.

Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

(Albert Einstein)
oktober

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von oktober »

Liebe Lena,

hm, das scheint ja in der Tat ein gefragtes Thema zu sein. Meine Geschichte bzw, Erfahrungen kennst du ja. Und meine Ansicht deckt sich größtenteils mit dem, was dir bereits geschrieben wurde.

Zwei Dinge sind mir nach deinem Beitrag eingefallen, die ich dir auf die Schnelle mitteilen will:

1.: Vielleicht solltest du dir einen "Ersatz" suchen. Damit meine ich, dass du dich umschauen, wer die Rolle deiner Mutter übernehmen, dein Bedürfnis nach einer Seelentrösterin (wenn´s dir schlecht geht) evtl. noch stillen könnte.
Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt.
Meine Mutter hat diese Rolle nie eingenommen (ich hätte es auch NIE gewollt).

2.: Zum Thema "Anlass": Ich gebe dir recht, das macht es verdammt schwierig.
Aber nachdem, was du in letzter Zeit so geschrieben hast, gibt es sehr wohl Anlässe... Sie sind nur nicht so offensichtlich wie ein absolut unerwartetes, plötzlich auftretendes Hau-Ruck-Verhalten. Das ist nach den Schilderungen über deine Mutter auch nicht von ihr zu erwarten.
Vielleicht bist du die unterschwelligen Verletzungen, das Nicht-ernst-nehmen schon so sehr gewohnt, dass sie als Anlass nicht für dich zählen? ... Zum Nachdenken

Und noch etwas fällt mir gerade ein: Es wird wohl in der Regel nicht möglich sein, einen "Abgang" (oder vorübergehende Distanz) perfekt hinzukriegen, so dass man damit zufrieden ist und es sich sofort prima anfühlt.

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Liebe und hoffe, dass dir dein Therapiegespräch was bringt!

Petra
Majuha10
Beiträge: 464
Registriert: 2. Nov 2005, 16:32

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Majuha10 »

Liebe Lena
Mutter und Kontakt ist auch mein Thema und ich bin einiges an Jahren älter als Du.
Wir Geschwister gehen ebenfalls mit der Situation Mutter völlig unterschiedlich um, aber heute glaube ich zu wissen, dass mein Bruder nur der bessere Schauspieler ist und meine Schwester sich einfach besser entziehen kann. Ich hing unmerklich jahrelang, auch wenn ich glaubte ich wäre selbstbestimmt an ihren Fäden. Lange Zeit habe ich der Illusion angehangen, dass eine Familie zusammensteht.

Machte aber vor einiger Zeit die Erfahrung, dass Freunde und selbst Bekannte sich um mich sorgten, aber nicht meine Mutter. Irgendwie ließ es mich völlig verzweifeln und ich landete ziemlich unsanft in der Realität. Nicht das es neu war für mich, aber ich habe mir sich wiederholende Situationen immer wieder „schön geredet“. Nun reichte es, ich wollte den Kontakt abrupt zu ihr abbrechen, wie bereits vor vielen Jahren zu meinem Vater. Der Gedanke daran, was ich damals mit meinen Geschwistern für einen Stress dafür hatte, ließ mich das ganze ruhiger angehen. Wir wohnen auch nicht in einem Ort und ich fand Gründe weshalb ich nicht kommen kann oder gerade nicht will. Gab die regelmäßigen Telefonate mit der Begründung, dass es mich einschränkt und sie eventuell in Sorge geraten könne, wenn ich mich nicht melde, auf. Wir telefonieren unregelmäßig, aber eben dann wenn ich es für mich akzeptabel finde. Ich besuche sie, wenn ich es will und daher kann ich mich heute etwas besser von ihr abgrenzen und gelassener mit der Familie umgehen.

So weit meine Erfahrungen, ich wünsche Dir, dass Du einen für Dich gangbaren Weg findest.

LG Maruschka
Mariposa
Beiträge: 55
Registriert: 26. Okt 2004, 21:44

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Mariposa »

Hallo allerseits,

wow, da wurde ja schon vieles Wichtige angesprochen.

Lena, das Verhalten deiner Mutter erinnert mich an meine Oma, ich finde, das hast du perfekt ausgedrückt: "untergründige Dominanz versteckt unter einer unendlichen Harmonie." Is bestimmt nicht leicht an sie heranzukommen.

Daher fand ich den Vorschlag von Sonnenzimmer sehr gut, ein gemeinsames Gespräch mit dem Therapeuten anzubieten. Ich habe das damals auch vorgeschlagen, ist bei meinem Erzeuger leider auf taube Ohren gestoßen, aber muss ja nicht immer so sein.

Von Petra fand ich den Gedanken der Ersatz-Suche sehr gut. Lief bei mir auch so, z.b. habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu meinen ehemaligen Vermietern, die für mich mittlerweile halbe Ersatz-Eltern geworden sind. Klar, ist es nie ein vollständiger Ersatz, aber doch etwas schönes!

Bin gespannt auf weitere Erfahrungsberichte!

Mari
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Leni2 »

Hallo!

Ich danke euch sehr für eure vielen Beiträge. Ich merke, dass es mir gut tut, mich darüber auszutauschen und einfach noch eine andere Sichtweise zu bekommen.

Lieber Sonnenzimmer, das hat mir sehr viel Mut gemacht, was du geschrieben hast. Es war sehr klar und deutlich. Und ich versuche auch langsam, mir ein eigenes Zuhause aufzubauen, nur scheue ich mich noch etwas vor der Verantwortung.

Liebe Gika, das kenne ich auch mit den Schweißausbrüchen. Es ist ein Kampf. Vielleicht kannst du das Telefon einfach öfter mal klingeln lassen und nicht rangehen? Alles Liebe dir!

Danke Petra, deine Vorschläge sind sehr hilfreich. Ich bin auch schon ganz langsam dabei, mir ein kleines soziales Netz aufzubauen (z.B. euch hier).

"Vielleicht bist du die unterschwelligen Verletzungen, das Nicht-ernst-nehmen schon so sehr gewohnt, dass sie als Anlass nicht für dich zählen? ..."
Da hast du bestimmt recht. Mir ist heute wieder aufgefallen, dass es mir richtig schwer fällt, meine Mutter mit Abstand zu betrachten. Ich habe ihre Ansicht sehr verinnerlicht und sehe ihren Standpunkt oft klarer als meinen. (Immerhin gibt es einen Unterschied, das habe ich mir schon erarbeitet. Mein Bruder z.B. entschuldigt meine Mutter nur).

Liebe Maruschka, so wünsche ich es mir auch irgendwann, dass ich den Kontakt so bestimmen kann, wie er mir gut tut. Find ich gut, dass du das so schaffst!

Liebe Mari, ich hab auch schon über ein theragespräch nachgedacht. Meine Mutter würde auch sofort zustimmen. Aber ich frag mich, ob ich überhaupt eine gute Beziehung will. Oder eher so was, wie Maruschka beschreibt. Ich muß mir erst darüber klar werden.


Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass mein Problem vor allem auch mit meiner selbstunsicherheit zu tun hat. Ein Teil von mir ist erwachsen, sieht die Probleme und verhält sich danach. Der andere ist wie ein Kind und traut sich einfach nicht zu, das Leben so allein verantwortlich zu schaffen. Ich falle dann in die abhängige Kinderrolle zurück. Da sind wir wieder beim Inneren Kind, um das ich mich jetzt mehr kümmern sollte, anstatt es von anderen zu erwarten. Wenn ich da mein Selbstbewußtsein stärke, bekomme ich die Abgrenzung sicher viel besser hin.

Gerade habe ich noch mit einer Freundin gesprochen, die auch kaum Kontakt zu ihren Eltern hat und sie meinte, das wäre noch eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft. Die ganze Familie würde sie deshalb ausgrenzen. Das ist glaub ich auch das, wovor ich am meisten Angst hab, dass ich verurteilt werde dafür.

Nochmal, ich danke euch!

Bis bald!
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Frauschlotterbeck
Beiträge: 267
Registriert: 17. Dez 2004, 19:29

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Frauschlotterbeck »

Hallo Ihr,

kann dazu sagen dass ich zu meinen Vater keinen Kontakt mehr hatte seit ich 14 wurde.
Zu meiner Mutter habe ich den Kontakt abgebrochen als ich 18 wurde.
Ich habe es nie bereut und würde es immer wieder so machen.

Ich war im Kinderheim,weil sie sich um uns,meine Geschwister und mich kaum gesorgt haben und uns misshandelt haben.

Hatte zum Glück sehr liebe Schwiegerelter,die für mich meine "richtigen" Eltern waren.

Vor zwei Jahren sind meine Eltern gestorben und es hat mich nicht berührt.
Es war nur mal kurz der GEdanke,ob sie nun wohl ihre verdiente STrafe bekommen werden.

Wünsche allen einen lieben Menschen,der für sie da ist.

Gruss Juliane
Es geht aufwärts hat die Maus gesagt.............



als sie von der Katze die Treppe raufgetragen wurde
adelgunde
Beiträge: 80
Registriert: 10. Jan 2006, 11:48

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von adelgunde »

Liebe Lena und alle anderen,

ich habe ehrlich gesagt nie über einen Abbruch der Beziehung nachgedacht. Ich wollte nur, daß meine Mutter mich in Ruhe läßt und aufhört, mir ständig ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn ich mich nicht melde. Das habe ich irgendwie hinbekommen. Ich bin wohl auch richtig unfreundlich geworden und es war mir dann egal, wie sie das fand - sicherlich nicht toll -, ich wurde richtig bockig.

Durch die Therapie habe ich das mit den Schuldgefühlen richtig begriffen: Ich muß bei "nichtmelden" keine Schuldgefühle haben. Es war nicht ausgemacht. SIE wollte es und hat versucht, es auf diese Weise (indem sie mir ein schlechtes Gewissen macht) durchzusetzen. Ich kann jetzt ganz angenehm wieder mehr Kontakt haben, weil ich diesen Mechanismus verstanden habe und mir selbst ein Urteil bilden kann, ob ich Schuld habe, oder nicht.

Lena, Du hast geschrieben: "Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass mein Problem vor allem auch mit meiner selbstunsicherheit zu tun hat. Ein Teil von mir ist erwachsen, sieht die Probleme und verhält sich danach. Der andere ist wie ein Kind und traut sich einfach nicht zu, das Leben so allein verantwortlich zu schaffen. Ich falle dann in die abhängige Kinderrolle zurück." Das fand ich wichtig. Dieses "in die Kinderrolle zurückfallen". Das Gute daran ist, daß Du es doch selber in der Hand hast. Klar ist es schwieriger, selbständig zu sein, aber es ist auch befreiend. Es kann meiner Ansicht nach genauso befreiend sein, wie der tatsächliche Abbruch. Einfach DEINE Dinge machen. Meine Mutter ist dann immer enttäuscht (wenn ich z.B. am Wochenende hinfahre und dann auch noch was mit Freunden unternehme und nicht nur zu Hause bei ihr sitze und ihr zur Verfügung stehe), aber das ist IHR Problem und ich kann es inzwischen bei ihr lassen. Und ich hab kein schlechtes Gewissen mehr, denn ich muß dafür sorgen daß es MIR gutgeht und nicht ihr. Denn das ist doch der Punkt. Der Mutter geht es egoistischerweise um sich selbst und nicht um Dich (auch wenn sie das behauptet). Das war wirklich erhellend für mich und hat es mir ermöglicht, auch egoistischer zu werden.

Viel Kraft dafür!

Liebe Grüße
Inga
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Denker »

Nach dem Tod meines Vaters habe ich den Kontakt zu meiner Mutter seit mittlerweile etwa 9 Monaten weitgehend abgebrochen. In den Jahren und Monaten davor ist mir so langsam aufgegangen, wie meine Eltern mich emotional und physisch über Jahre misshandelt haben. Das Begräbnis meines Vaters war da ein emotionaler Höhepunkt, wo ich meine Wut über diese Dinge zum ersten Mal so richtig gespürt habe.
Meine Mutter versucht so alle 2 Monate mal, telefonisch mit mir in Kontakt zu treten. Nach dem ersten Satz merke ich, wie ich depressiv werde! Meist beende ich diese Telefonate sehr schnell und sehr abrupt.
Ich habe diesen Schritt bis heute nicht bereut! Meine Mutter hat mir immer wieder erzählt, dass ich kein Wunschkind war, und sie hat das für witzig gehalten! Nun ja, heute weiß ich, dass es auch nicht meine Wunscheltern waren. Ihr habt das Recht dazu, gut für euch zu sorgen! Tut das, was für euch das beste ist!
Gruß
Denker
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Nachttaube »

Hallo Lena,

als ich 18 Jahre alt war, habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen. Ich zog im Streit aus und brauchte ersteinmal ein Jahr um Kräfte zu sammeln und um mir selber zu Beweisen, dass ich das Leben alleine meistern kann. Natürlich musste ich auch den Kontakt zu meinen Geschwistern abbrechen, denn sie sind sehr familienverbunden und ich hatte mit den Kontaktabruch gegenüber meiner Mutter eine heilige Kuh geschlachtet.

Selten habe ich Verständnis von außenstehenden erhalten, es scheint ein Tabu-Thema zu sein, mit der Familie zu brechen.

Nach einer Zeit der Funkstille kann ich auch wieder relativ Problemlos mit der Familie Kontakt halten.

Der Kontakt zu meiner Mutter und Geswistern bleibt lose. Ein Besuch und ca 3 Telefonate im Jahr. Sie hat sich irgendwann für einige Sachen entschuldigt, weiß aber nicht dass ich Depri und eine Persönlichkeitsstörung habe.

Ich aber habe es nie bereut, mich von dieser Familie zu distanzieren. Ich brauche sie nicht, Nestwärme kann man sich auch bei anderen aufbaue. Besser noch, ohne deren negativen Einflüsterungen habe ich für mich sehr viel erreicht, bin eine ganz andere Richtung gegangen, als die in der Familie übliche.

Eins bleibt mir noch zu tun: in der Therapie muss ich noch lernen, die Schuld an meine Mutter abzugeben und dafür die Verantwortung für mich anzunehmen.

Lena, der Bruch mit der Familie muss ja nicht entgültig sein. Vielleich versuchst Du ersteinmal eine Zeitspanne von 3 Monaten, oder einem halben Jahr. Suche Dir andere Möglichkeiten, wenn es Dir schlecht geht. Reale Freunde, Chat, imaginäre Freundin, Tagebuch usw.

Eine Frage: wenn es Dir schlecht geht und Du mit deiner Mutter telefonierst, geht es Dir danach wirklich besser?
Melody
Beiträge: 8
Registriert: 8. Mär 2006, 17:39

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Melody »

Auch ich habe den Kontakt zu meiner Familie abgebrochen. Heute ist er besser, als er jemals war!!!

1990 (da war ich 23) ist mein Vater verstorben und seit dem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, das damit auch die Familie gestorben ist. Der Zusammenhalt war von heute auf morgen abgebrochen. Meine Mutter wurde depressiv und hat alles auf mich reflektiert. Meine Schwester hat immer zu ihr gehalten, weil sie neidisch auf mich war oder was auch immer und somit fühlte ich mich als schwarzes Schaf, auf dem jeder rumtrampeln konnte!!!!

Das war bis zu meinem Auszug so schlimm, das sie mir sogar Ihre Krankheiten noch aufhalsen wollte. Dabei hab ich sie noch ins Krankenhaus (wahrscheinlich von einer Grippe, die sich aufs Herz gezogen hat), ohne mich hätte sie das nicht überlebt. Das war eigentlich der Gipfel der Unverschämtheit und hat mich extremst verletzt....aber da sie ja depressiv war, isses wohl normal, sowas von sich zu lassen.

Nach meinem Auszug hab ich mich nur 2x im Jahr gemeldet oder anders herum, weiß ich nicht mehr, zumindest am Geburtstag. Das wars. Mir tat jedesmal das Herz weh, wenn ich an der Autobahnausfahrt vorbei gefahren bin und ohne meinen lieben Mann hätte ich das nie geschafft. Ich habe sehr oft geweint nachts. Im ersten Jahr war es am Schlimmsten.

Aber ich mußte mir sagen: Ich hatte doch alles getan, warum muß ich mir jeden Schuh anziehn? Ich war zu den Geburtstagen da und wenn meiner war, kam niemand......ich kann mir die Schuld eigentlich nicht geben. Ich heuchle aber auch nichts vor, was nicht ist.

Seit ca. 2 Jahren klappt es nun besser. Das hat aber 5-6 Jahre gedauert, bis es sich gewandelt hat. Meine Mutter ist auch nicht mehr alleine und ihre Depris hat sie auch nicht mehr so.

Als ich ihr vor kurzem erzählte, was mit mir los ist, hat sie mir versprochen, sich jetzt öfters mal wieder bei mir zu melden und mal nachzuhören, vielleicht auch mal über alte Dinge zu sprechen......das hat mir etwas Mut gemacht!!!!!

Funkstille muß nichts Schlechtes sein....je nach dem, wie es einem halt geht.

Viel Glück!!!!
muckelmaus
Beiträge: 211
Registriert: 4. Jan 2006, 21:03

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von muckelmaus »

Hallo Lena und ihr anderen,

„ ... Das schwierige mit meiner Mutter ist, dass es keinen konkreten Anlass oder so gibt. Es ist ihre untergründige Dominanz, die sie unter einer unendlichen Harmonie versteckt. Sie verzeiht alles, blockt aber meine Ansichten ab. Gespräche bringen deshalb nichts. ... „

Jaaaa, das kenne ich! Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, dass meine Mutter verzeiht oder akzeptiert. Für sie zählt irgendwie nur IHR Wertesystem und andere Ansichten werden rigeros weggeschoben. Wahrscheinlich müßte sie sich sonst auch mal kritisch mit sich selbst auseinandersetzen und das könnte ihr Selbstbild komplett zum Zusammenbruch bringen ... Da es mir aber nach jedem Telefonat mit ihr schlechter ging als vor dem Telefonat (im Extremfall hatte ich anschließend einen Migräneanfall ...), habe ich vor knapp 1,5 Jahren zum Glück die Kraft gehabt, den Kontakt abzubrechen!!! Dieser Schritt war letztenendes sowas wie Notwehr. Interessanterweise habe ich einige Wochen später nach und nach angefangen an meine eigentlichen Probleme heranzukommen und kann mich langsam überhaupt entwickeln ...
Ich fühle mich besser ohne Kontakt zu meiner Mutter!!! Für mich ist das auch keine endgültige Angelegenheit, sondern eine Phase, in der ich emotional unabhängig von meiner Mutter werden möchte, um anschließend ein neue Verhältnis zu ihr aufbauen zu können, in dem ich nicht mehr nur nach alten, überholten Verhaltensmustern reagieren kann! Ich möchte selbst entscheiden können, wie ich mich verhalte! (Und bei einem versehentlichen Zusammentreffen vor einigen Wochen habe ich gemerkt, dass ich zumindest eine gewisse Höflichkeit ihr gegenüber inzwischen hinbekommen und nicht mehr nur Kratzbürstiger Igel bin!)

Allerdings akzeptiert meine Mutter die kontaktlose Zeit nicht wirklich gut und ohne meinen Patenonkel würde es gar nicht klappen ...

Stichwort Telefon: ich kann ein Telefon einfach nicht klingeln lassen!!!! Mein Glück war, dass ich gerade umgezogen war und meine Mutter und auch mein Bruder meine neue Telefonnummer nicht hatten (und haben!)!! Sondern nur eine Handynummer und der große Vorteil an Handys ist: Ich KANN es abschalten!!! Und habe keinen AB aktiviert!
Mein Vorschlag gegen Schweißausbrüche und Angst vor dem Telefonklingel (kenne ich auch): eine neue Telefonnummer und gegebenenfalls eine extra Handynummer für Eltern und Geschwister ... (für mein Empfinden ist es „billiger“ als die Ängste und Aufregung ...)

Thema Verurteilung von anderen: Die kurioseste Reaktion war die einer Kollegin mit 4 Kindern, die es erst überhaupt nicht verstanden hat, wo dann aber im Gespräch herauskam, dass sie 1,5 Jahre lang selbst keinen Kontakt mit ihrer Mutter hatte und diese so die Geburten von 2 Kindern nicht mitbekommen hatte ... Insgesamt stoße ich in der Regel auf Akzeptanz für meine Entscheidung bei den Menschen, denen ich es erzähle, bzw. die „Verurteilung“ wird mir nicht gezeigt oder ich nehme sie einfach nicht wahr ...

Das ist ein ganz wichtiges Thema für mich gerade auch im Hinblick darauf, zu lernen für mich selbst zu sorgen und Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein zu entwickeln. Dafür habe ich wohl von meiner Mutter nie wirklich Raum bekommen, auch die „normale“ Loslösung und Abgrenzung hat nur rudimentär stattgefunden, so daß ich es jetzt eben auf die „härtere Tour mit Kontaktabbruch“ nachholen muß!
Und ich habe eigentlich auch kein schlechtes Gewissen deswegen ... wenn ich diese schreibe, kommt mir der Spruch „Liebe Dich selbst wie Deinen Nächsten“ in den Sinn ...

Liebe Grüße
Muckelmaus

P.S. Ist, glaube ich, durch meine Migräne etwas verworren ... sorry
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von freebird »

Hallo Lena,

ich habe den Konakt zu meiner kompletten Familie abgebrochen. Seit dem geht es mir besser.

genaueres Schreibe ich hier erst einmal nicht. Es würde zum einen den Rahmen sprengen und ich möchte auch nicht das jeder seinen Senf zu meiner Geschichte und Erfahrung dazu gibt.

Wenn Du Dich mehr darüber ausstauschen möchtest, kannst Du mir gern privat mailen. Meine Mailadresse findest Du im Profil.

Liebe Grüße
Corinna (freebird)
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Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Bellasus »

Habe lange gezögert, hier zu schreiben, denn ich habe das Gefühl, es werden entweder 2 Sätze oder ein Roman...

Weihnachten 2003 habe ich meine Mutter das letzte Mal gesehen, kurz vor meinem Zusammenbruch, dann nur noch einmal kurz, um ihr mitzuteilen, dass ich in die Klinik gehe.

Seitdem einige wenige kurze Karten, von mir die Mitteilung, dass ich Kontakt nicht bewältigen könnte, keine Kraft für eine Auseinandersetzung mit ihr hätte, von ihr die Mitteilung, dass die Vergangenheit für sie abgehakt ist und sie sich nicht damit beschäftigen will. Das muß und kann ich akzeptieren, und damit muß sie (und kann es bisher auch leidlich) akzeptieren, dass ohne Vergangenheitsbewältigung für mich kein Kontakt möglich ist. Wie lange noch, weiß ich nicht, ich glaube, noch sehr lange. So lange, bis ich mich in der Lage fühle, sie zu sehen, ohne ihr an die Gurgel zu gehen und nur "über Blümchen zu reden" (nette Umschreibung einer Klinik-Thera für Oberflächengeplänkel).

Ich spüre trotzdem eine starke Verbindung zu ihr, sie ist meine Mutter und als solche liebe ich sie unendlich, aber in meinem Leben ist kein Platz mehr für sie.

Muckelmaus, deine Geschichte kommt meiner sehr nah von den Empfindungen her, und bei mir sind es auch mein Patenonkel (Bruder meiner Mutter) und meine Patentante, die meine Restfamilie sind. Dass meine Tante schwer krank ist und wohl nicht wieder gesund wird, kommt einer Katastrophe gleich.

Der Schritt, den Kontakt zur Herkunftsfamilie abzubrechen, ist so extrem, dass man es wohl wirklich nur tut, wenn es nicht anders geht. Für mich ist es lebensnotwendig.

Viele Grüße an alle
Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
rilke
Beiträge: 235
Registriert: 17. Dez 2004, 19:33

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von rilke »

Hallo Ihr,

ich kann mich zu so einem drastischen Schritt des Komplettabbruchs einfach noch nicht durchringen. Ich hab doch nur diese eine Familie. Und trotzdem tut sie mir nicht gut und sie helfen mir auch nicht. An Feiertagen wünschte ich mir immer besinnliche Tage mit der Familie. Die Realität hat eigentlich immer anders ausgesehen. Aber ohne Familie fühle ich mich einsam (habe auch kaum Freunde, weil ich mich durch die Krankheit doch ziemlich isoliert habe). Es ist irgendwie ein hin und her und ich kann mich zu keiner Entscheidung durchringen. Allerdings habe ich in den letzten sechs Wochen kein einziges Gespräch mit meiner Mutter geführt. Das letzte hat ca. 3 Stunden gedauert. Darin hat sie mir nur Vorwürfe an den Kopf geworfen, wollte wissen, wie ich denke und fühle (was ich aber nicht mit ihr teilen möchte) und was zu jeder Zeit in meinem Kopf vorgeht. Dabei bin ich längst erwachsen und möchte meine Gedanken nicht mit ihr teilen. Außerdem hat auch dieses Gespräch gezeigt, dass sie keinerlei Verständnis für meine Situation aufbringt, sondern nur selbst Mitleid haben will. Deshalb hat das letzte Gespräch eine sehr schwere Krise bei mir ausgelöst.

Trotzdem kann ich mich zu keiner endgültigen Entscheidung durchringen und habe schon wiedr ein schlechtes Gewissen, weil es ihr doch schlecht gehen könnte. Was soll ich nur tun?

Liebe Grüße von einer ratlosen und verwirrten Gika
______________________________

Zwei Dinge sind unendlich:

Das Universum

und die menschliche Dummheit.

Aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.

(Albert Einstein)
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von freebird »

Hallo Lena,
hallo gilka,

seid ihr in Psychotherapie?

Ich habe für mich festgestellt, dass ich dieses Thema nur mit meiner Therapeutin auf- und abarbeiten konnte, um dann meine ganz persönliche Entscheidung diesbezüglich zu treffen.

Ich bin der Meinung, dass eine explezite Bearbeitung und Lösung dieses Problems die Kompetenz und Fähigkeit dieses Forums übersteigt.

Jeder hat hier seine eigene Geschichte und familiären Backround, aus deren die persönlichen Entscheidungen getroffen werden.

Also, mein ganz persönlicher Tipp an Euch. Bearbeitet dieses Thema in einer vertrauensvollen Atmosphäre einer Psychotherapie, in der ihr auch bei Fehlschlägen und Zweifeln aufgefangen werden könnt.

Liebe Grüße
Corinna
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Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von Leni2 »

Hallo ihr Lieben,

das scheint ja ein Thema zu sein, was viele beschäftigt.

Ja, Corinna, ich habe das Thema am Freitag ausführlich in meiner Therastunde besprochen und ich fand es sehr hilfreich, was sie gesagt hat, deshalb möchte ich es euch hier sagen.

Sie sagte erstens, dass ich mich wohl selbst immer noch im Bewertungsschema meiner Mutter bewege und sie verurteile.
Statt dessen sollte ich mich darauf konzentrieren, dass ich bei mir bin, formuliere, was ich brauche, mich darum kümmere, dass ich meine Mitte finde. Dann bräuchte ich mich nicht mehr so massiv abgrenzen.

Vielleicht ist das für euch nichts neues, aber für mich ist das sehr wichtig und damit habe ich auch ziemliche Probleme: In mir selbst ruhen, mich an mir orientieren und mich nicht von anderen so bestimmen lassen.

Das wird für ich trotzdem erstmal heißen, dass ich den Kontakt mit meiner Mutter für eine Weile einstelle. Das ist dann nicht gegen sie, sondern weil ich sonst einfach nicht zu mir finde. Ich hab es ihr noch nicht gesagt, aber ich gewöhne mich langsam an den Gedanken. Obwohl ich mich immer noch frage, ob man die Abgrenzung und das bei sich sein nicht nur lernen kann, wenn man auch Kontakt hat. Aber ich brauche erstmal die Ruhe.

Ich überlege außerdem, ob ich meinen Geschwistern einen Brief schreiben soll, damit sie vielleicht bei mir mal die Hintergründe verstehen. Aber ich scheue mich so davor, weil ich Angst habe, dass er falsch verstanden wird. Mal sehen..

Nur wie finde ich jetzt zu mir? Wie gehe ich meinen WEg, ohne mich zu sehr beeinflussen zu lassen. Dafür brauche ich wohl auch noch eine Weile meine Thera...

Euch alles Gute auf eurem Weg!

Liebe Grüße,

Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

rachel
Beiträge: 284
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von rachel »

Hallo Lena!
Auch ich habe keine gute Beziehungen zu meinen Eltern, konnte mich aber auch nie so richtig lösen, und ließ mich oft noch von ihnen einwickeln, und mir ging es dann schlecht.
Manches mal hab ich den Kontakt abgebrochen, und dann wieder aufgenommen. Mit der Zeit habe ich aber gelernt meinen eigenen Weg zu gehen, und nicht immer auf meine Eltern zurück zu greifen. Manchmal hab ich auch regelrecht geforscht, warum es immer zu diese Brüche kam. Mir hat viel geholfen, wenn ich wuste warum meine Eltern so sind. Ich habe mir mehr Hilfe von Freunden, und anderen Menschen gesucht, und komme damit viel besser klar, als ständig von meinen Eltern enttäusch t zu werden.
Heute tut es mir nicht mehr weh, und ich kann sogar wieder zu meinen Eltern gehen, ohne in irgeneiner Art runtergezogen zu werden. Meine Eltern akzeptieren mich jetzt so wie ich bin, und ich wie sie sind. Die leben ihr Leben, und ich lebe mein Leben.Es war aber ein sehr langer Weg!
Hoffe Dir einigermasen geholfen zu haben.
Dir ganz viele Grüße
Rachel
muckelmaus
Beiträge: 211
Registriert: 4. Jan 2006, 21:03

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von muckelmaus »

Hallo Annette,

„ ... Wie lange noch, weiß ich nicht, ich glaube, noch sehr lange. So lange, bis ich mich in der Lage fühle, sie zu sehen, ohne ihr an die Gurgel zu gehen und nur "über Blümchen zu reden" (nette Umschreibung einer Klinik-Thera für Oberflächengeplänkel). ... “

Jaaaa, ich weiß auch nicht, wie lange noch ...
... und ich fühle mich zur Zeit in meinem Leben ohne einen Platz für sie wohler als vorher, auch wenn ich viel über unsere Beziehung nachdenke (= Vergangenheitsbewältigung).

Ich wünsche Dir, dass Du die Zeit, die Du mit Deiner Patentante verbringst, lebendig sein und bewußt nutzen kannst! Auf dass Du in der wohl unausweichlichen Zukunft lebendige und positiver Erinnerungen hast und Deine Tante so in Dir weiterleben kann. (Klingt hoffentlich nicht zu pathetisch, ist aber von Herzen gemeint! Für mich lebt ein Stück meines Vaters durch meine Erinnerungen weiter ... )


Hallo Lena,

Du fragst, ob man Abgrenzung und bei sich sein nicht nur lernen kann, wenn man auch Kontakt hat. Und schreibst anschließend direkt, dass Du erstmal Ruhe brauchst.
Für mich ist es so, dass ich Ruhe und Nicht-bedrängt-werden ganz stark brauche, um mich überhaupt erstmal zu finden. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich im Umgang mit anderen Menschen, zu denen meine Beziehung nicht so emotional (vor)belastet ist, das Abgrenzen und bei mir sein entwickeln und üben kann.

Und im Umgang mit den Menschen um mich herum, lerne ich auch immer weiter, zu meinem eigenen moralischen Bewertungsmaßstäben zu stehen und einfach hinzunehmen, dass meine Mutter und mein Bruder andere Wertesysteme haben als ich.


Corinna, ich glaube nicht, dass jemand erwartet, dass hier in einem Forum die persönlichen Probleme von einzelnen konkret gelöst werden können. Ich sehe es eher als einen Erfahrungsaustausch und als Quelle für mögliche Wege oder neue Ideen. Auf jeden Fall hast Du recht, dass dieses Thema in eine Therapie mit eingebracht werden sollte!!!

Liebe Grüße
Muckelmaus
adelgunde
Beiträge: 80
Registriert: 10. Jan 2006, 11:48

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von adelgunde »

Liebe Lena,

das klang gut, fand ich. Bei Dir bleiben, damit Du Dich nicht mehr so abgrenzen mußt. Und erstmal etwas weniger Kontakt haben. Bei mir war es schon allein durch die Entfernung einfach mit dem weniger Kontakt. Ich hatte mir aber eine Mitbewohnerin ausgesucht, die einige der Eigenschaften meiner Mutter genausogut ausagiert hat. Als ich dann aus der WG auszog, brauchte ich erstmal Abstand war aber gleichzeitig enttäuscht, daß sie sich auch nie bei mir meldete. Jetzt bin ich nicht sonderlich scharf drauf, sie zu sehen, aber ich lasse mich nicht mehr von ihr einwickeln und fühle mich viel besser damit. Ich dachte auch immer, daß ich es IN der Beziehung schaffen müßte. Habe ich aber nicht, ging nicht. Dafür geht es jetzt. Aber ich brauchte die Zeit für mich. Also nimm sie Dir!

Liebe Grüße
Inga
flocke
Beiträge: 3603
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von flocke »

Pessimisten sind Optimisten mit Erfahrung
kessy4949
Beiträge: 228
Registriert: 16. Apr 2003, 23:08

Re: Kontaktabbruch mit Eltern - Wer hat Erfahrungen?

Beitrag von kessy4949 »

Hallo,

interessant, wie sich manche Erfahrungen ähneln. Ich schreibe hier mal meine Erfahrungen mit rein, ohne das oben alles gelesen zu haben - bin derzeit konzentrationsmäßig nicht in der Lage.
Ich wünsche mir seit Jahren und gerade die letzten Wochen nichts mehr, als mal wieder das Gefühl zu haben irgendwo zuhause und willkommen zu sein. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Und das ist Gift, vor allem wenn man so nah bei seinen Verwandten jeglicher Art wohnt. Man sieht und hört sie das ganze Jahr nicht, aber auf deren Beerdigungen, da soll man dann hingehen!!! Für mich selbst habe ich nur noch "Verwandte" eine "Familie" schon lange nicht mehr. Meine Eltern wurden früh geschieden, mit 17 bin ich ausgezogen (wegen dem Stiefvater). Mein Vater war alkoholabhängig und ist 2000 dran gestorben. Der Kontakt mit ihm war wenn dann nur von meiner Seite aus. Mit meiner Mutter wollte ich nach einer Kur 2001 den Kontakt abbrechen, hätte prima funktioniert, ging aber nur kurz gut, weil meine Oma dann einen Schlaganfall bekam. Das Verhältnis zwischen meiner Mutter und mir war die letzten 13 Jahre nur angespannt. Zu Familienfeiern ging ich wegen ihrem Mann auch nicht mehr. Aber per Telefon war sie eine wichtige Bezugsperson für mich, allerdings stritten wir auch da ziemlich oft. Da ich vor ca. 8 Jahren blöderweise in das Haus zog, wo meine Oma auch wohnt, hat meine Mutter nicht ganze begriffen, daß sie eine erwachsene Person vor sich hat und sieht/behandelt mich immer noch und mit denselben Worten wie ein Kind. Sie meint mir immernoch drohen zu müssen, wie man einem kleinen Kind (wenn überhaupt) droht. Um mir meine restliche noch verblieben Energie zu sparen bzw. mich zu schützen habe ich vor einigen Wochen einfach den Kontakt lose abgebrochen und ihr ausrichten lassen, daß ich jetzt im Moment Abstand von ihr brauche. Gut gehts mir nicht dabei, weil ich sonst Niemanden habe mit dem ein Dialog - kein Monolog - möglich wäre. Ich werde hier, sobald es mir besser geht und ich weiß in welche Richtung mein Leben weiter verlaufen soll, wegziehen. Hier werd ich nicht mehr froh. Die letzten 20 Jahre zum Fenster rausgeschmissen!!! Und nur dann haben meine Mutter und ich nochmal die Chance uns näher zu kommen.
Das wollt ich nur mal so dazu beitragen. Fragen oder sonstige Anmerkungen werd ich dazu nicht kommentieren, da ich den Thread wahrscheinlich sowieso nie wieder finde und mir nicht merken kann wo ich was geschrieben habe.

Viele Grüße,
Christin
Antworten