seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

Mann warst du schnell, c. !

Ich hab mich verlesen...ist doch klar, bei dem PISA-Ergebnis ...und nach 5 Min. wieder gelöscht, aber was mal in deinem schwarzen Buch drin steht bleibt drin, gelle!

Übrigens muss ich zu Peer's Ehrenrettung noch sagen, dass es ihn schließlich wirklich interessiert, wer er war sein ganzes Leben lang und wie er gemeint war. Dieses Anliegen führt ihn dann zurück zu der Hütte, die er als junger Mann gebaut hatte und in der seit dieser Zeit Solveig lebt und auf ihn wartet.
Und dieses Zurückfinden zu Solveig und ihrer Liebe zu ihm bewirkt sein Erkennen und seine Rettung.

*seufz* Clown
"Realize deeply that the present moment is all you ever have. Make the Now the primary focus of your life."
Eckhart Tolle
Captain Kirk
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Captain Kirk »

Jaaaa ..ich bin ein bißchen hastig, nervös, übermotiviert, mit selektivem Blick auf Fehlersuche ... aber ich kann auch lernen und löschen

Der gute Peer. Da hat er aber Glück, dass Solveig in der Hütte auf ihn wartet. Mal schauen, vielleicht wartet auf mich ja auch jemand und ich nehme es nur nicht wahr ... hhmmm...

so long
c.
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

Captain, lösch deine Wahrnehmungskonstrukte von dir selbst ruhig auch gleich wieder!

«Mal schauen, vielleicht wartet auf mich ja auch jemand und ich nehme es nur nicht wahr ... hhmmm...»
Ja, schau ruhig mal, das ist immer gut. (Das meine ich ernst. )

Was die Solveig betrifft, finde ich die allerdings irgendwie unreal in dem ganzen Stück, es macht für mich eher Sinn, wenn ich sie als eine Art 'Anima' von Peer ( nach C.G. Jung) verstehe.

Aber, es hat schon was besonders Schönes, wenn man sie als realen Menschen ansieht, und ich glaube, der Ibsen hat sie auch real gemeint.

Wenn ich so lese, was hier im Forum der Tom (Tommi) von seiner Beziehung zu seiner Frau erzählt, dann ist er ein bisschen wie eine männliche Solveig für seine Frau. Auch der Peer glaubt zu Anfang des Stücks, als die Solveig zu ihm kommt und mit ihm leben will, er sei ihrer nicht wert und würde sie in ihrer Reinheit nur beschmutzen, so wie er ist und was er schon erlebt und getan hat. Deshalb kann er ihr nur noch zurufen, sie solle auf ihn warten und dann haut er ab....
Ist doch wie Depri-Verhalten, nicht?

Gruß, Clown
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adelgunde
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von adelgunde »

Liebe Clown,

jaaa, kann mir gut vorstellen, was Du meinst. So versuche ich es auch in letzter Zeit: wahrnehmen, ohne zu werten. Und ich stimme mit Thomas überein, daß sinnloses Wüten nichts bringt, außer das Gegenüber einzuschüchtern. Was allerdings manchmal auch notwendig sein kann. Manch einer unterschätzt einen sonst oder nimmt einen nicht ernst. Da kann man sich selber noch so ernst nehmen oder bei sich sein. Manchmal hilft da nur der Wutausbruch.
Ich habe heute leider zu wenig Zeit, muß morgen weiterlesen und schreiben.

Liebe Grüße
Inga
tomroerich
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Maggy,

meine eigene Natur (also ich bezeichne das als das, wie ich ursprünglich mal gemeint war ) würde mich niemals mich wohlfühlen lassen, wenn ich tatsächlich die "falsche Melodie" dirigieren würde.
Das glaube ich Dir gerne und ich denke, bei mir wäre es nicht anders. Es war als ein Extrem gemeint was ausdrücken sollte, dass es Menschen gibt, bei denen die innere Natur praktisch nicht mehr durchscheint, die ganz mechanisch und Maske sind und von äußeren Gegebenheiten bestimmt. Menschen, die an sich selbst leiden, können so nicht sein, denn zu leiden bedeutet ja gerade, gegen die innere Natur geprägt zu sein. Darum sehe ich auch Leid als Chance an, zu sich selbst zu finden weil es dazu zwingt, der Ursache des Leidens auf den Grund zu gehen.

Thomas
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maggy
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von maggy »

Ihr Lieben,

danke Captain hätte nicht gedacht, dass das so einfach ist.

Ja liebe Clown, meine Therapie, die vorwiegend körperorientiert war und die Meditation haben mich in meinem "so sein wie ich bin" sehr unterstützt. Auch bekomme ich immer zum richtigen Zeitpunkt das, was ich wirklich brauche. Manchmal erkenne ich das erst viel später, aber was soll's ich habe ja ein ganzes Leben lang Zeit (und so wie ich das alles verstehe nicht nur dieses eine ).
Ich bin auch meiner Nichte (Mutter von 3 Kindern) sehr dankbar, die irgendwann in einem Gespräch mal meinte:
"Jeder rennt heute für die kleinste Kleinigkeit zum Therapeuten. Da muß man in Schwierigkeiten doch nur mal seinen gesunden Menschenverstand einsetzen und schon geht's einem wieder gut."
Aha, dachte ich: mir fehlt der gesunde Menschenverstand (ja klar, sonst wär ich ja nicht krank), und ich fragte sie, was denn das bitte sein sollte. Konnte sie dann auch nicht so richtig beantworten.
Aber das Thema ließ mich nicht los und ein paar Tage später erhielt ich in Form eines Zitats von Albert Einstein die Antwort:

- Der gesunde Menschenverstand ist eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat. -

Also, soweit mir dann bewußt wurde, welche Reste von gesundem Menschenverstand sich noch in mir aufhielten, habe ich mir die genauer angeschaut und abgelegt.
Heute lebe ich ganz fröhlich ohne das was A.Einstein zum gesunden Menschenverstand erklärt hat.

Lieber Thomas,
ich hab sie vor Jahren schon mal hier reingestellt, aber da es eine meiner Lieblingsgeschichten ist, mach ich es nochmal:

Die Geschichte des Menschen!
Wenn die Seele in diese Welt hinein geboren wird, lernt sie einen Begleiter kennen, nämlich – das Kleine-Ich oder Ego. Zunächst freunden die beiden sich vorsichtig an und klären ihre Zusammenarbeit. Das Ego wird zum Beispiel für die Wahrnehmungen via Sinnesorgane zuständig sein, wobei es mit den neurophysiologischen Strukturen des Körpers zusammenarbeitet, während die Seele eine eigene Wahrnehmungsfähigkeit besitzt, die außerhalb der sogenannten fünf Sinneskanäle operiert. Im Optimalfall kann die Seele die Augen, Ohren usw. des Ego mitbenützen, während sie dem Partner ihre speziellen Wahrnehmungen ebenfalls zugänglich macht. Außerdem ist das Kleine-Ich zuständig für den Verstand, sowie für alle normalen Gefühle mit physiologischer Basis, von denen die Wissenschaftler sagen, sie entstehen durch neuronale und hormonale Prozesse.
Die Seele hingegen ist zuständig für die Intelligenz des Herzens, das heißt: für die bedingungslose Liebe. Dazu gehört zum Beispiel: wirklich verzeihen können.
Wenn die freundliche Koordination von Seele und Ego klappt, dann entsteht in diesem Körper eine analytisch wie kreativ fähige Persönlichkeit, die ein sinnvolles, erfolgreiches und zufriedenes Leben führen kann.
-So weit die Theorie-
In der Praxis wird jedoch die anfänglich gute Zusammenarbeit bald getrübt. Die Seele merkt nämlich nach einer Weile, dass zunehmend Störfaktoren erscheinen. Diese Fremdkörper verhindern das freie Ausströmen der bedingungslosen Liebe.
„Was sind das für Dinger?“, fragt die Seele.
Das Ego sagt: „Das sind Programme und Blockaden.“
„Programme?“, fragt die Seele verwundert, „wie meinst Du das?“
„Na ja, ich muß uns beide ja draußen in der Außenwelt vertreten und dort gelten bestimmte Spielregeln: wie man sich verhalten muß, wenn man von anderen akzeptiert werden will. Jede Spielregel wird mir so lange einprogrammiert, bis ich sie kapiert habe. Jede Regel ergibt eine Latte in einem Lattenzaun.“
„Kannst Du mir ein Beispiel geben?“, will die Seele wissen.
„Klar – also, wenn einer von den großen Leuten mit dir reden will, dann darfst du nicht etwa weiter spielen, du darfst auch keine Sache beenden, weil große Leute nie auf Kinder warten. Du mußt immer sofort verfügbar sein und ernst und aufmerksam schauen. Das ist so eine Spielregel und wenn ich die nicht einhalte, dann liebt man uns nicht. Verstehst du?“
„Aha!“, sagt die Seele, „und wie lautet die Spielregel genau?“
„Wenn du klein bist, darfst du große Leute nicht unterbrechen, wenn sie mit etwas beschäftigt sind. Nur umgekehrt.“
„Und die Blockaden?“, will die Seele wissen.
„Ja, das sind die Querbalken in dem Lattenzaun. Die sollen dafür sorgen, dass dein Licht nicht in Breiche vordringt, in denen es nicht gewünscht wird.“
„Wie könnte bedingungslose Liebe irgendwo unerwünscht sein?“, wundert sich die Seele.
„Na ja“, erklärt das Ego, „leider ist das häufiger der Fall als du denkst. Wenn ich zum Beispiel etwas angestellt habe, was den großen Leuten nicht paßt, dann erwarten sie von uns jetzt, dass ich zerknirscht reagiere, sie wollen Schuldgefühle von uns, aber keine bedingungslose Liebe, die würde sie völlig aus dem Tritt bringen, wenn sie gerade so schön am Schimpfen sind. Das leuchtet dir doch sicher ein?!“
Da es in der Natur der bedingungslosen Liebe liegt nichts schlecht oder falsch zu finden – das ist schließlich die Rolle für die das Kleine-Ich durch die Umwelt erzogen wird – akzeptiert die Seele alle nachfolgenden Erklärungen des Ego.
Zum Beispiel eines Tages: „Ich bin geschäftlich sehr erfolgreich. Nimm mal ein Meeting mit lauter hartgesottenen Business-Leuten. Da geht es um Geld, Konditionen und so was. Da brauche ich alle meine Fähigkeiten um sicherzustellen, dass Niemand mich betrügt. Die Menschen sind ja soooooo schlecht und wenn man nicht furchtbar aufpaßt...na ja, da kann ich weiß Gott keine bedingungslos-liebevollen Blicke brauchen...die würden das sofort ausnutzen.“
Die Seele versucht zwar dem Kleinen-Ich den Unterschied zwischen Stärke durch Liebe und scheinbarer Stärke durch Härte zu erläutern, aber sie spricht sehr leise und das Ego hat sich inzwischen einen ziemlich lauten Monolog angewöhnt, der endlos erklärt und rechtfertigt.
Und so entstehen im Laufe der Zeit mehr und mehr Latten und die Querbalken werden dicker und dicker, so dass es eines Tages kaum noch Zwischenräume gibt.
Nun wird aus dem Lattenzaun so eine Art Mauer, und so wird der Wohnort der Seele zum Gefängnis. Sie kann zwar noch alles wahrnehmen, aber die Mauer verhindert das Aussenden der bedingungslosen Liebe. Diese gleicht einem wunderbaren weißen Licht, welches eingekerkert innerhalb der Mauer, so hell wie eh und je scheint, aber es dringt nur wenig durch die kleinen Ritzen nach außen.
____________________________________________

Tja so ist das in diesem meinem Leben und je mehr von den Latten und Querbalken ich abbaue, desto größer sind die Chancen und spüre ich, dass die, die ich wirklich mal gemeint war, zum Vorschein kommt.

Der Ursache des Leidens (und den damit verbundenen Gefühlen) auf den Grund zu gehen - ja, das sehe ich auch so -, aber wenn ich sie dann erkannt habe muß ich sie nicht bekämpfen oder in den Griff kriegen wollen.


Danke, dass es Euch gibt

Maggy
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Depression ist die Fähigkeit mit tiefster Gefühlsbereitschaft auf Konflikte zu reagieren
adelgunde
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von adelgunde »

Lieber Captain,
also doch noch mal zur dritten Möglichkeit: Ich hatte Dich so verstanden, daß es Dir um Umdeutung der VERGANGENHEIT geht. Ist DAS die dritte Möglichkeit? Ist das gegenwartstauglich? So wie Thomas (wars glaub ich) es geschrieben hat: hinterher sehen, was man falsch gemacht hat, oder hinterher die negative Wahrnehmung in eine positive umdeuten kann meines Erachtens nach nicht reichen. Meinst Du, daß ich, indem ich feststelle, daß es - ich bleib mal bei Deinem Beispiel - für mich als Kind in Ordnung war, mich verlassen im Krankenhaus zu fühlen, das HEUTE anders erlebe? Also keine Angst mehr vor Krankenschwestern habe? Hat Dir das geholfen? Was tun, wenn ich kein benennbares Trauma habe, sondern nur "ein kaputtes Orchester"?

Ich hatte (haha, hab ihn noch, aber nicht mehr so lange, die Stunden sind bald alle) auch einen ruppigradikalen Therapeuten, der mir auch nichts erklärte. Ich glaube, wirklich geholfen hat mir das nicht. Außer, daß es mich mit dem Problem und seiner Lösung allein gelassen hat und ich es dann eben auch selbst versuchen mußte. War wahrscheinlich auch Sinn der Therapie.

Die Geschichte neu zu erzählen finde ich allerdings eine gute Sache. Manchmal reicht da auch einfach der Blickwinkel, den andere auf mein Leben haben. Wenn ich mich darauf einlasse und für mich annehme, dann sieht mein Leben plötzlich ganz anders aus. Ich kann mich dann in meinem neu konstuierten Leben auch sehr wohl fühlen. Aber sind das dann letztlich auch Einflüsterungen? Die ich mir erst von anderen und dann halt selber mache?

Den Satz von Thomas finde ich in diesem Zusammenhang wichtig: "Wenn man nach innen einen guten Kontakt zu sich hat, fühlt man sich immer gut und neg. Gefühle haben geringere Chancen." DAS glaube ich auch. Und was mir bei Maggy noch aufgefallen ist: es ist tatsächlich schon in der Bezeichnung ein Unterschied. Thomas sagt "neg. Gefühle", was eine (negative) Wertung beinhaltet und Maggy "unangenehme Gefühle". Und den Gedanken, sich überhaupt erstmal über Gefühle zu freuen, finde ich ganz gut. Ich habe mich zumindest erstmal wieder über meine Wut gefreut, als ich sie neu entdeckte. Da steckt viel Energie drin, wenn ich es schaffe, sie in die richtige Bahn zu lenken und nicht in ihr verharre. Ich finde es nicht schlimm, sie als Motivator zu haben. Lieber so als ohne.

Und das mit dem gesunden Menschenverstand hatte ich auch immer so gedacht wie Maggys Nichte. Bis es dann eben doch nicht mehr ging. Und da dachte ich erst, er sei mir schlicht abhanden gekommen und er kommt schon wieder zurück. War nicht so. Vielen Dank Maggy sowohl für Einsteins Spruch als auch für die erhellende Geschichte! (Und das mit den smilies habe ich jetzt endlich auch kapiert! Yippiiie )

Liebe Grüße
Inga

P.S.: Thomas, magst Du vielleicht nochwas zu den Einflüsterungen schreiben und Deine Unterscheidungsmöglichkeit aufzeigen? Bei mir ist es vielleicht so, daß es sich für mich "richtig" anfühlen muß. Ich hatte immer gedacht, daß das über intellektuelle Unterscheidungsmuster läuft, denke aber, daß es wohl doch eher was mit dem Gefühl (oder der Seele?) zu tun hat.
tomroerich
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von tomroerich »

Liebe Inga,

Du hast mich da auf einen wichtigen Unterschied gebracht zwischen den unangenehmen Gefühlen, so genannt von Maggy und neg. Gefühlen, wie ich sie nenne. Da gibt es für mich wirklich einen großen Unterschied, denn unangenehme Gefühle (Ich sage lieber "Empfindungen", weil sie mit einer Vermittlung über die Sinne zusammenhängen) betrachte ich eher als Meldungen meines Organismus, dass etwas nicht stimmt, z.B. auch dass eine Gefahr droht, ich Schmerzen habe, ich eine Bedrohung wittere u.s.w. Demgegenüber sind neg. Gefühle für mich eigentlich unsinnige Ausbrüche von Emotionalität, die nichts anzeigen oder verdeutlichen sondern, wie ich schon sagte, mir wie ein Relikt aus alten Zeiten vorkommen, als es noch günstig war, in tiefer Unbewusstheit sich von der Natur leiten zu lassen und auf triebhafte Weise zu reagieren. Die Hauptvertreter dieser Emotionen sind für mich Wut (Angriff), Ärger (gereizt sein), Angst (Flucht), Hass (Abgrenzung) und Gier (fressen wollen). Diese Emotionen stehen unserem Menschsein deutlich im Wege und sind deshalb für mich negativ (bei der Angst ist das nicht ganz klar, trotzdem zähle ich sie dazu, weil sie ebenso undifferenziert und überwältigend auftritt). Unangenehme Gefühle sind dagegen Empfindungen, die sich innerhalb meines Organismus abspielen und nicht den Drang in sich haben, nach außen wirken zu wollen. Danke für diesen Hinweis!

Die Unterscheidung zwischen den echten, weil zu mir gehörigen Impulsen und den geprägten, mechanischen ist wirklich ein verflixt schwieriges Thema. Ich würde sagen, es ist vor allem das Mechanische, das ein Merkmal unlebendiger und alter Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken ist. Das Gewohnheitsmäßige, Automatische, Mechanische ist eigentlich immer ein zuverlässiges Indiz dafür, dass man nicht aus dem inneren Menschen heraus empfindet und agiert sondern aus einem Impuls der Wiederholung. Man kann mit Recht einwenden, dass Gewohnheit uns ja auch dazu dient, nicht täglich die Welt neu erfinden zu müssen und doch glaube ich, dass dem Prinzip nach Gewohnheit ein sehr schädliches Phänomen ist und auch nicht unumgänglich. So manches weise Sprüchlein sagt uns ja auch, dass man jeden Tag ganz neu beginnen solle, dass man im Hier und Jetzt leben solle (und das heißt für mich vor allem, nicht in Gewohnheiten zu leben) bloß wird nie gesagt, wie ich Gewohnheiten ihre Macht nehmen kann und sie durchbreche. Jedenfalls muss am Anfang stehen, dass ich das Mechanische als solches überhaupt erkenne. Denn meist ist es so damit, dass zwar andere sehr gut erkennen (und sich nicht selten genervt fühlen), dass ich bestimmte Dinge immer wieder tue auch wenn es nicht passt, aber ich selbst erkenne es nicht sondern glaube, dass es genau so richtig sei. Das ist auch genau der Punkt, aus dem das Gewohnheitsmäßige seine zerstörerische Macht bezieht, dass es uns eine große aber trügerische Sicherheit vermittelt, die wir nicht aufgeben wollen und zwar auch dann nicht, wenn wir dadurch immer wieder in Schwierigkeiten geraten. Lieber nehmen wir die Schwierigkeiten hin, verlagern den Grund für sie nach außen und bleiben in der Gewohnheit.

Also, das Mechanische ist es, woran sich Echtes von Unechtem unterscheidet denn tatsächlich ist kein Augenblick unseres Lebens wie der andere sondern steckt voller Möglichkeiten die wir nicht sehen können, weil uns Gewohnheiten alles gleich machen. Der Weg da heraus ist m.E. Selbstbeobachtung und Selbstwahrnehmung umd zu erkennen, wo ich mechanisch handele, denke und fühle (Neg. Gefühle sind übrigens das Mechanischste überhaupt). All diese Gewohnheiten verhindern, dass ich die Impulse des inneren Menschen spüren kann und ihnen Glauben schenke. Der innere Mensch vermittelt uns spontane Gewissheit durch Intuition, wissen ohne zu lernen, erkennen ohne nachzudenken. Aber normalerweise kommen diese Geschenke wie seltene Lichtblitze zu uns und durchbrechen nur selten unsere Mechanisiertheit.


Gute Nacht,

Thomas
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Captain Kirk
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Captain Kirk »

Liebe Inga,

so viele Fragen ... ich will versuchen einige auch mithilfe von Zitaten zu beantworten und die Theorie des r.K. so nochmals deutlich zu machen. Es ging mir nicht nur um die Frage nach der Möglichkeit der Umdeutung der VERGANGENHEIT. Das war meine Ausgangsfrage. Es kann auch um die Umdeutung der Gegenwart gehen. Im r.K. geht es darum, sich auf die Bedeutung zu konzentrieren, die man einer Situation zuschreibt. Gleichzeitig wird diese Bedeutung als eine Konstruktion begriffen. Und es geht nun darum, eine Wirklichkeitskonstruktion die nicht länger "passt", durch eine andere zu ersetzen, die besser passt.

und Zitat (S.69 „Kurzzeittherapie und Wirklichkeit“. Hg.: Watzlawick, Nardone)

"Die therapeutische Arbeit besteht darin, die Geschichte neu zu erzählen und dabei die Bedeutung ihrer Inhalte zu verändern. Die Psychologie, die das Gedächtnis als eine Funktion studiert, durch die ein Gehirn Informationen dekodiert, speichert und abruft, ist für uns nicht von Nutzen, wenn sie nicht die Tatsache berücksichtigen kann, dass Erinnerungen der Patienten während der Sitzung nicht die abgerufenen Informationen sind, sondern eine Behauptung über bestimmte Dinge in einer Situation, die aktiv mit dem Therapeuten geteilt wird."



In der Theorie des r.K. geht es also, so wie ich es verstanden habe, nicht nur um das Wahrnehmen
des Ärgers (in Deinem Beispiel vom Autofahrer Beispiel) und um die Entscheidung Ja Ärger oder Nein Ärger, sondern es geht darum zu schauen, auf welcher Konstruktion von Wirklichkeit
sich dieser Ärger aufbaut. Und ob diese Konstruktion überhaupt noch "passend" ist, oder ob sie nicht autonom und von der aktuellen Situation losgelöst "unpassend" geworden ist und so quasi automatische Reaktionen hervorruft. Dann wäre es an der Zeit eine neue Konstruktion von Wirklichkeit mit gesünderen Denk- und Handlungs/Gefühlsweisen zu entwickeln.


In der Sprache der kognitiven Therapie nach Beck, die eigentlich ähnliche Prämissen wie der r.K. hat, heißt das so: "Die Kognitive Therapie basiert auf dem grundlegenden theoretischen Gedanken, wonach Affekt und Verhalten eines Menschen weitgehend von der Art bestimmt sind, wie er die Welt strukturiert..

(Beck,1967. "Kongnitive Therapie der Depressionen", S.33)



Ein wesentlicher Teil der kognitiven Therapie besteht darin, die Verbindung zwischen einem unangenehmen Gefühl und den ihm vorausgehenden Einstellungen herzustellen.


Eigentlich liegen die Wurzeln dieser Philosphie sehr sehr weit zurück. Die Stoiker, Cicero, Taoismus, Buddhismus und Epiktet, sie alle gehen davon aus, dass menschliche Gefühle auf Vorstellungen beruhen und Änderung der Gefühle durch Änderung der Vorstellungen erreicht werden.


Ich kann mich dann in meinem neu konstuierten Leben auch sehr wohl fühlen. Aber sind das dann letztlich auch Einflüsterungen? Die ich mir erst von anderen und dann halt selber mache?

Kommt drauf an, ob neben der intellektuellen Einsicht auch die emotionale Einsicht folgt, die die neue Sicht erst wirklich zu DEINER Eigenen werden läßt denke ich.Sonst bleiben es meiner Ansicht nach Fremdeinflüsterungen.



Ach ja, und was Dein verstimmtes Orchester betrifft ..vielleicht spielt es ein Stück von Schönberg ...


Ein schönes Wochenende wünscht
c.
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

Hallo Captain,

du sagst, es geht nicht nur um das Wahrnehmen des (z.B.) Ärgers, sondern besonders, in einem 2. Schritt, um das Aufdecken der Konstruktion von Wirklichkeit, die diesen Ärger überhaupt erst möglich macht.

Nun ja, im Prinzip sehe ich das auch so.

Aber, und da wirst du mir zustimmen denke ich, dieser 2. Schritt erfordert viel analytisches Denken. Dieses muss eingebunden sein in einen gleichzeitig stattfindenden Kontakt zur eigenen Gefühlsebene, denn diese wiederum ist m.E. immer eine Art Indikator, ob man gerade die richtige Erkenntnis hat bezüglich seiner aufgedeckten Wirklichkeitskonstruktion, oder ob es nur 'Einflüsterungen' sind.

Praktikabel für die aktuelle Situation des Sich-Ärgerns ist m.E. nur das wertfreie Wahrnehmen der auftauchenden Körperempfindungen. Aber das war ja nicht der Punkt, auf den du hinauswillst.

Was ich bei dem ganzen Thema wichtig finde ist, dass ja hinter den Gefühlen nicht jedesmal ein neues Konstrukt der Wirklichkeit steckt, sondern dass es Muster sind, die sich wiederholen.

Wenn ich ein Muster einmal aufgedeckt und anpassungsfähiger gemacht habe, dann muss ich nicht jedes Mal, wenn das Gefühl trotzdem wieder auftaucht, von neuem analysieren, sondern der 'up-date' von neuen Möglichkeiten läuft viel schneller. Nach vielen Wiederholungen und Updates ist das alte Muster irgendwann vielleicht ganz gelöscht.

Das andere, was ich sehr wichtig finde ist, dass Gefühle ja überhaupt erst mal Hinweise auf irgendwelche Konstruktionen geben. Das heißt, wenn ich manches gar nicht mehr erlebe, weil ich es einfach vermeide, in entsprechende Situationen zu kommen, dann kann ich bei mir auch nichts auflösen, weil es mir gar nicht als Problem ins Bewusstsein gerät.

Das ist wiederum der Punkt, wo ich denke, man kann mit Hilfe eines guten (!!!) Therapeuten schon mit sich weiter kommen als alleine, weil die Wahrscheinlichkeit, dass alte Gefühle sich aktualisieren durch die therap. Beziehung höher ist.

Oder verkürzt gesagt:
Jeder Mensch, der mir irgendwelche besonderen Probleme bereitet, ist für mich eine Chance, mir selbst wieder ein bisschen mehr auf die Spur zu kommen.

Mir fällt an deinen Beiträgen immer auf, Captain, dass sie auf mich sehr distanziert wirken, so als ob du niemanden gefühlsmäßig an dich heranlassen wolltest.
Ich will deine Distanz natürlich respektieren, aber ich möchte es dir eben doch einmal zurückmelden, weil ich denke, ich kann es nicht vermeiden, (heftigste) Gefühle zu haben, wenn ich mit mir weiterkommen will.

Ich finde deine Äußerungen oft anteilnehmend, mitfühlend, das ist es nicht was ich meine mit distanziert, nur, damit du mich richtig verstehst.

Lieben Gruß aus einem total in kalte Watte gepackten Süden, es schneit und schneit....
Clown
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Eckhart Tolle
Captain Kirk
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Captain Kirk »

Liebe Clown ,

ich stimme völlig mit dem überein, was Du sagst. Ich finde es schön, wie Du meine Beiträge aufnimmst, in Deine Worte kleidest und sogar noch ergänzt!

Deinen Hinweis auf die sich wiederholenden Muster finde ich ganz wichtig. Danke dafür.


Oder verkürzt gesagt: Jeder Mensch, der mir irgendwelche besonderen Probleme bereitet, ist für mich eine Chance, mir selbst wieder ein bisschen mehr auf die Spur zu kommen.


Ich habe irgendwo gelesen: "Brutal formuliert könnte man sagen, dass Sie umso erleuchteter sind, je weniger A~~~~~~~~~~ Sie um sich herum haben." ... So?


Danke für Deine Rückmeldung wegen meines Schreibstiles. Ich weiß es zu schätzen.
Ich empfinde ihn nicht als distanziert, sondern als sachlich. Und diesen Stil habe ich bewußt gewählt, weil ich dieses Thema gerne sachlich informativ zur Diskussion stellen wollte.



gar nicht so distanzierter Gruß
c.
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

«Und diesen Stil habe ich bewußt gewählt, weil ich dieses Thema gerne sachlich informativ zur Diskussion stellen wollte.»

Was ich auch als sehr hilfreich und angenehm empfinde, Captain. Fürs Diskutieren.

Ich habe aber auch die Vorstellung, dass du diesen Thread eröffnet hast, weil dich die Frage, wie seelische Verletzungen geheilt werden können, auch auf einer Gefühlsebene umtreibt.

Deswegen war es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass der Prozess der Korrektur oder Löschung von alten Mustern keineswegs 'sachlich informativ' oder nur analytisch verlaufen kann.

Dass das Forum hier nicht unbedingt der geeignete Ort ist, um die sachliche Ebene zu verlassen, ist auch klar. So etwas braucht schon einen anderen, geschützteren Rahmen.

Ich wünsche dir, dass du ihn hast in deinem wirklichen Leben. Der Captain Kirk ist ja eh nur eine Science fiction Figur.

«"Brutal formuliert könnte man sagen, dass Sie umso erleuchteter sind, je weniger A~~~~~~~~~~ Sie um sich herum haben." ... So?» Ja!

Oder, positiv ausgedrückt: Je mehr ich alles was ist bejahen, lieben kann.

OMMMMMM.....
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Eckhart Tolle
Captain Kirk
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Captain Kirk »


Ja. Kann wieder nur zustimmen.

>Der Captain Kirk ist ja eh nur eine Science fiction Figur. ....




c.
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

James Tiberius Kirk, geb. 22. März 2233 in Riverside, Iowa, Erde

http://www.startrek.com/startrek/view/s ... 12496.html

http://www.thecaptainkirkpage.com/

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Captain Kirk
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Captain Kirk »

James Tiberius Kirk, geb. 22. März 2233 in Riverside, Iowa, Erde

Na, also, es gibt mich ja doch ...


c.
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

Ja, Captain, in 227 Jahren...
Deswegen kommen hier vielleicht keine Beiträge mehr, die warten alle, bis es dich wirklich gibt!

Oder es wurden inzwischen alle Klarheiten beseitigt, so dass das Thema ausgeschöpft ist? Auch die Flocke scheint keine Einwände mehr zu haben...

Ja, irgendwann hat alle Theorie ein Ende.

Eine gute Zeit für alle wünscht
die Clown
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Eckhart Tolle
Clown
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Re: seelische verletzungen - Umdeutung -Heilung?

Beitrag von Clown »

Tja, und da nichts wirklich endgültig ist, möchte ich noch ein vergnügliches Beispiel aus der Literatur bringen, zur Wahrnehmung von Wirklichkeit und wie sie durch unsere Gedanken, was sein darf und was nicht, beeinflusst ist.

Nun, ich weiß nicht, ob man die Scheibenweltromane von Terry Pratchett 'Literatur' nennen darf , jedenfalls gibt es da einen kleinen Straßenköter, genannt Gaspode.

«Der Hund sah aus wie akuter Mundgeruch mit feuchter Nase.»

Weil er eine Nacht zufälligerweise in der Nähe der Unsichtbaren Universität, unweit des Forschungstraktes für hochenergetische Magie verbracht hat, und dort die Thaumaturgie leckt, kann er plötzlich denken und sprechen.

« "Niemand würde mir zuhören" sagte er. (Gaspode)
.......
"Weil alle davon überzeugt sind, dass Hunde nicht sprechen können. O ja, die Leute hören mich, aber in den meisten Fällen glauben sie, dass es ihre eigenen Gedanken sind." »
..........

«Auf dem Friedhof füllte ein einsamer Totengräber das Loch, in dem der verstorbene d'Eath ruhte.
Nach einer Weile wurde er sich seltsamer Gedanken in seinem Kopf bewusst. Sie lauteten etwa so:
Hast du vielleicht einen Knochen? Oh, entschuldige, wie taktlos von mir. Du hast Schinkenbrote in deinem Dingsbums, in deinem Mampfkasten. Eins davon könntest du eigentlich dem netten kleinen Hund da drüben geben.
Der Mann stützte sich auf die Schaufel und drehte den Kopf.
Die graue Promenadenmischung bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. "Wuff?" bellte sie.»

Grüße!
Clown
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Eckhart Tolle
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