Abrutschen?

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Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Abrutschen?

Beitrag von Müseli »

Hallo,
eigentlich hätte ich keinen Grund niedergeschlagen zu sein, bin es aber trotzdem und vermute deshalb, dass ich schon wieder dabei bin in eine Depression abzurutschen. Ich habe gerade eine Ausbildung abgeschlossen. Meine Tochter, heftiges ADHS, kommt immer besser zurecht. Ich bin glücklich (meistens )verheiratet. Vor drei Monaten ist unser Haus von einem Brand fast komplett zerstört worden. Das hört sich zwar an, als wäre das ein Grund depressiv zu werden. Aber wir sind an dem Brand nicht schuld. Die Versicherung bezahlt. Ausser dem Haus wurden hauptsächlich Gegenstände zerstört an denen das Herz nicht hängt. Werkzeug, Maschinen, Bücher. Alles ersetzbar. Da das Haus denkmalgeschützt ist, können wir uns mit Hilfe der Gebäudeversicherung eine Sanierung leisten, die uns sonst finanziell überfordert hätte. Mit dem erstatteten Geld der Hausratversicherung, können wir das angrenzende Grundstück kaufen und anbauen. Ich möchte mich als Mediengestalterin und Illustratorin selbstständig machen und kann durch den Anbau die Miete für Räume sparen und hätte sogar mitten in der Stadt einen Parkplatz für Kunden. Der Markt im grafischen Gewerbe ist überlaufen. Zu viele gute Leute, zu wenig Geld und Bereitschaft bei den Kunden für Grafik und Gestaltung Geld auszugeben. Trotzdem sehe ich Chancen.
Wir haben sofort nach dem Brand eine sehr schöne, große Wohnung gefunden in der wir bleiben können, bis unser Haus saniert ist.
Überraschend viele Leute haben uns geholfen.
Im Prinzip alles sehr Positiv. Nur hänge ich seit der Abschlussprüfung ziemlich durch. Bekomme nur wenig geregelt. Wundere mich warum mir dauernd nach Heulen zumute ist, bejammere (im Stillen), das ich unfähig bin die Zeit zu genießen, die ich jetzt habe. Könnte alles mögliche anleiern, bin aber völlig planlos. Ich könnte wieder Gladem nehmen, aber davon verschwindet meine Libido (sehr unangenehm) und Versuche mit anderen Antidepressiva waren nicht schön ... Naja, besser keine Libido als eine Depression.
Wie rettet man sich aus diesen Anfängen heraus? So viel vergeudete Zeit. Was unternehmt ihr in solchen Situationen bzw. kann man überhaupt etwas tun? Ich bemühe mich nicht abzurutschen, aber eigentlich finde ich diese Bemühungen nur zusätzlich zur miesen Laune ziemlich anstrengend.
Spazierengehen, Freunde treffen usw. hilft zwar - aber nur wenig und nur kurz. Ich weiss nicht wie in diesem Forum mit Selbstmordabsichten umgegangen wird (habe die Forenregeln nicht gelesen). Deshalb will ich mal festhalten, dass ich schon in sehr viel widerlicheren Zuständen nicht mal einen Versuch unternommen habe. Also wird auch diesmal nichts passieren. Aber - nein, ich lese dochmal kurz die Forenregeln. Gelesen. Geht vielleicht doch ok?
Ich habe immer wieder die Vorstellung von meinem sehr scharfen Skalpell (Arbeitswerkzeug auch für Grafiker, für Präsentationsstücke etc.) an den Handgelenken. Das ist kein Zwangsgedanke, aber fast? Wiegesagt, ich habe nicht die Absicht mich selbst zu verletzen. Das ist eher so eine l.m.a.A. Reaktion auf Ansprüche denen ich mich gerade nicht gewachsen fühle, um die ich nicht herumkomme, die aber unter normalen Umständen gerechtfertigt sind (z.B. "park doch bitte mal Dein Auto um, ich kann sonst nicht rausfahren" l.m.a.A.) Meine Tochter darf sich nicht einmal Ohrlöcher stechen lassen, weil ich nicht möchte, dass sie ihren Körper ohne Not verletzt.
Was mir aber Angst macht und ärgert, ist dieser Kontrollverlust. Nicht im Sinn von "ich könnte diesen Gedanken umsetzen". sondern, dass dieser Gedanke überhaupt da ist. Und dass die Zeit und Gelegenheit da wäre richtig loszulegen, ich aber hier um 13 Uhr mit meiner Tochter auf dem Sofa sitze und nichts geregelt bekomme. Tut mir für sie sehr leid.
Mein Mann ist von meiner Antriebsosigkeit ziemlich angenervt.Ich kann ihm schlecht den Grund dafür sagen (nicht schon wieder). Er kann damit nicht umgehen. Er kann diesen Zustand nicht nachvollziehen, würde gerne helfen, kann aber nicht,ist damit ziemlich überfordert und zieht sich zurück. Das macht es dann für mich wieder sehr schwierig. Meine Zukunftsangst macht mich krank und ist eigentlich unbegründet. Oder ist die Zukunftsangst nur ein Symptom der Depression. Wahrscheinlich. Ich komme da nicht mehr heraus und weiss nicht wie ich Hilfe finden soll. Geholfen wird immer erst nach Termin. Ich müsste mir erst einen anderen Arzt suchen, das dauert. Bis dahin zerfleische ich mich selbst. Ich würde meiner Familie gerne mich in diesem Zustand ersparen. Aber ich kann mir selbst nicht helfen, wie soll ich da anderen helfen mit mir umzugehen?? Oh verdammt, ich würde das so gerne loswerden, aber das letzte Jahr war ich mit einigen Ausreissern permanent entweder am Rand zu einer Depression oder tatsächlich depressiv. Ratschläge wie "such Dir einen anderen Therapeuten", "warte auf die Wirkung der Tabletten", "tu Dir was Gutes", "hab Geduld" werden der Lage nicht gerecht. Ich bin jetzt verzweifelt, ich weiss jetzt keinen Ausweg, ich weiss jetzt nicht was ich tun soll, ich kann mich jetzt nicht wehren und mal ehrlich, wenn man nur teilnahmslos abhängt sind andere durchaus angepisst und man versucht sich zu rechtfertigen. Ich kann mich nicht rechtfertigen und leise Kritik ist im Moment wie ein Schlag in den Magen. Hilfe!

Müseli
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Abrutschen?

Beitrag von Müseli »

Hallo, nochmal,
eigentlich ist mir erst jetzt, nachdem ich den Beitrag geschrieben habe, bewusst geworden, dass ich bereits wieder mittendrin bin in einer Depression. 65 Punkte im Goldberg-Test. Das hört sich an als würde man einen Preis damit gewinnen. Gibt es da eine Highscore-Liste ...?
Und ich habe entdeckt, dass ich den letzten Eintrag in diesem Forum am Abend vor dem Brand geschrieben habe. Action hilft anscheinend vorrübergehend gegen Depressionen. Und nun wieder "die Frage".
Ich weiss, dass das vorbeigeht. Aber was macht man bis dahin? Wie erklärt ihr euren Kindern und Partnern was mit euch los ist? Und wie geht ihr damit um, dass ihr nicht funktionsfähig seid? Wie geht eure Familie damit um? Was machen eure Kinder, wenn ihr nicht in der Lage seid, ihre Freunde zu ertragen? Ich habe große Schwierigkeiten zu Reden, ich meine Worte zu finden. Habe ich auch bevor ich meine Tage bekomme. Nur Gestammel. Ich wollte vorhin meiner Tochter sagen, dass sie das Fensterspray und den Lappen aufräumen soll, aber ich finde die richtigen Worte nicht "Räum doch bitte mal die, das Glas, putz, da auf dem Tisch, mach mal, weg- aufräumen, bitte". Geschweige denn Antworten auf Fragen "Was, hm, mhh, ja, nein, ähm... später. Ok?" Später kann drei Wochen später sein. Das kann man einem Kind kaum zu zumuten. Was machen eure Freunde, wenn ihr sie nicht ertragt. Der Ehemann? Ich habe Angst, dass alles zusammenbricht und ich nichts, nichts tun kann um das zu verhindern. Wie lange kann man Familie und Depressionen vereinbaren?
Anna
BeAk

Re: Abrutschen?

Beitrag von BeAk »

Liebe Anna,

wie lange kann man Depression und Familie vereinbaren. Meine Antwort ist, solange wie man an seiner Krankheit arbeitet und den anderen Familienmitgliedern ein normales Leben ermöglicht.

Konkret heißt das, meine Kinder dürfen Freunde mit nach Hause bringen, unabhängig davon, wie ich mich fühle oder mein Mann.
Wird es mir zuviel, ziehe ich mich zurück.

Meine Kinder dürfen Ohringe in normaler Anzahl tragen, unabhängig ob ich eine überzogene Angst habe oder nicht. Diese Angst ist mein Problem, nicht das meiner Kinder.
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Abrutschen?

Beitrag von Müseli »

Hallo,
<wie lange kann man Depression und Familie <vereinbaren. Meine Antwort ist, solange <wie man an seiner Krankheit arbeitet und <den anderen Familienmitgliedern ein <normales Leben ermöglicht.

Wie kann ich meinen Familienmitgliedern ein normales Leben mit einer Depression ermöglichen? Ich kann mich nicht einmal richtig unterhalten. Zum normalen Familienleben gehört, dass man das Kind abholt, wegbringt, arbeiten geht, sich unterhält usw. Da braucht es bei meinen Tiefs nicht viel, dass das alles nicht mehr funktioniert. Was unternimmst Du in solchen Situationen?

<Konkret heißt das, meine Kinder dürfen <Freunde mit nach Hause bringen, unabhängig <davon, wie ich mich fühle oder mein Mann.
<Wird es mir zuviel, ziehe ich mich zurück.

Hm, das setzt vorraus, dass Du Dich zurückziehen kannst. Wie machst Du das? Meine Tochter ist 12 Jahre alt und ich kann mich nicht einfach vor ihr zurückziehen. Und wenn Freunde kommen sollen die nicht unbedingt eine heulende Mama sehen. Meine Tochter natürlich auch nicht.

<Meine Kinder dürfen Ohringe in normaler <Anzahl tragen, unabhängig ob ich eine <überzogene Angst habe oder nicht. Diese <Angst ist mein Problem, nicht das meiner <Kinder.

Ob ich da eine überzogene Angst habe? Ich möchte, dass sie sich nicht durchlöchert, solange ich noch gefragt werde. Ich bin da nicht hysterisch und wollte nur meine Abneigung vor absichtlich zugefügten Verletzungen unterstreichen.
BeAk

Re: Abrutschen?

Beitrag von BeAk »

Liebe Anna,

da man in einer akuten Krankheitsphase, gleich welcher Krankheit, nicht so funktioniert ist normal. Nicht normal ist, wenn Deine Kinder deshalb ihre außerhäuslichen sozialen Kontakte einschränken müssen, denn würden sie wirklich unter Deiner Krankheit leiden.

Ob Du nun arbeitet oder nicht dürfte deinen Kindern schlicht egal sein, solange sie nicht hungern müssen und Dein Mann wird auch nicht von Dir verlangen zu arbeiten, solange Du Dich dazu nicht in der Lage fühlst.

Das Du nicht so gesprächig bist, liegt auch an Deiner Krankheit, Deine Kinder werden das verstehn.

Ein Depri soll doch sowieso täglich seinen Gesundmarsch machen, den könntest Du mit abholen von Schule oder Kindergarten verbinden.

Laß es langsam angehen, mach das was wirklich notwendig ist. Und laß einen Teil Deinen Mann machen. Setz Dich nicht unter Druck.

Sich zurückziehen, heißt den Raum verlassen. Die Kinder wollen doch sowieso nicht dauernd unter Mamas Augen sein.
Wenn gar nichts mehr geht, deine Tochter aber unbedingt Deine Aufmerksamkeit fordert, dann kannst Du ihr auch sagen das es Dir im Moment nicht gut geht und Du Dich 20 Minuten ausruhen willst, aber dann zu ihr kommst. In der zwischenzeit könntst Du Entspannungsübungen machen um Dich zu stärken.

Liebe Anna, ohringtragen gehöhrt zu unserer Kultur. Ich habe meine ersten Ohringe und Löcher in den Ohren mit 8 Jahren bekommen.
Meine Tochter mit 5 Jahren und mein Sohn hat sich letztes Jahr mit 16 seine Ohren durchstechen lassen. Er hatte sich zu Weihnachten Ohringe gewünscht. Alle unsere Ohrlöcher sind, ganz taditionell und bieder, im Ohrläppchen und nur eins je Ohr. Da hält sich die Selbstverstümmelung noch in Grenzen.
Wildes Körperpiercing werde ich nicht genemigen und auch keine Tatoos.

Liebe Anna, Du steckst jetzt in einer Episode , ob Du willst oder nicht. Du und Deine Familie müssen jetzt da durch, das ist nun mal so. Mach das beste daraus für Dich und Deine Familie. Habe Verständnis für Die Bedürfnisse Deiner Kinder, aber achte auch Deine Bedürfnisse.
Müseli
Beiträge: 20
Registriert: 8. Nov 2005, 16:24

Re: Abrutschen?

Beitrag von Müseli »

Hallo Bea,

könnte ich aufhören zu Heulen und anfangen mich normal zu benehmen wenn ich mit meiner Tochter zusammen bin, würde ich das tun, aber dann hätte ich keinen Anlass in diesem Forum zu posten.
Natürlich interessiert es meine Tochter ob ich arbeite, wenn ich ihre Klarinette nicht mehr bezahlen kann usw.
Sicher verlangt mein Mann nicht von mir zu arbeiten, aber schön ist es nicht, wenn er mich fianzieren muss.

<Das Du nicht so gesprächig bist, liegt <auch an Deiner Krankheit, Deine Kinder <werden das verstehn.

Möglich. Aber es tut ihr nicht gut.

<Ein Depri soll doch sowieso täglich seinen Gesundmarsch machen, den könntest Du mit abholen von Schule oder Kindergarten verbinden.

Wenn das so einfach wäre, würde ich hier nicht schreiben.

<Sich zurückziehen, heißt den Raum verlassen. Die Kinder wollen doch sowieso nicht dauernd unter Mamas Augen sein.
Wenn gar nichts mehr geht, deine Tochter aber unbedingt Deine Aufmerksamkeit fordert, dann kannst Du ihr auch sagen das es Dir im Moment nicht gut geht und Du Dich 20 Minuten ausruhen willst, aber dann zu ihr kommst.

Ich bin doch nicht innerhalb von 20 Minuten wieder "normal", wenn ich 20 Minuten vorher gerne mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen hätte. Und dann kommen die nächsten 20 Minuten.

<In der zwischenzeit könntst Du Entspannungsübungen machen um Dich zu stärken.

Würde das etwas nützen, würde ich hier nicht schreiben.


verwirrte Grüße Anna
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