An Tagen wie diesen

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gülcan
Beiträge: 10
Registriert: 30. Jan 2006, 18:04

An Tagen wie diesen

Beitrag von gülcan »

Hallo...im Radio sang "fettes Brot" an Tagen wie diesen und der Text geht mir immer wieder nah...eigentlich fühlte ich mich heute, trotz Depressionsphase", etwas besser, was man so besser nennt. Ich schaffte es aus dem Bett und hatte mir vorgenommen mir heute viel Gutes zu gönnen.
Dann kam das Lied..und seitdem ist wieder alles im freien Fall. Mein Onnkel rief an, ich muss für die, die es nicht shcon gelesen haben sagen, dass bei mir in der Familie mehr Krebskranke als Gesunde sind und ich immer mittendrin..heißt, ich helfe, besuche, mache und tue..obwohl ich echt nicht die Nerven habe...leide unter Depressionen und habe ein Trauma aus früheren Zeiten. Ich kann mich kaum bis gar nicht um mich kümmern, es ist zum Kotzen.
Mein Onkel rief an und fragte mit schwacher Stimme ob ich heute mittag komme ihn besuchen und ich sollte neue Wäsche mitbringen. Ich sagte JA und hing ein und seitdem habe ich Angst, Angst davor ins KRankenhaus zu fahren...Angst davor ihn mit seiner schlimmen Krankheit zu sehen..jedesmal meine ich es wäre das letzte Mal, der Gedanke ist unerträglich.
Gibt es hier Menschen, die ebenfalls Angehörige während der Krankheit betreut haben und wie geht ihr damit um? mir ist nur noch schlecht vor Nervösität, kann 24 STd. nur über die Sorge um die Menschen nachdenken. Und wenn ich mal ein FUnken entspannt bin, lass ich mich von Musik runterreißen? Das kann es doch nicht sein.
WEiß jemand ob und welche Bachblüten bei Depressionen helfen? Und ich habe noch eine Frage, manchmal meine ich mein LEben entgleitet mir...weil ich nur noch depressiv bin...ich sorge mich um die Familie, putze, betreue mache bei denen und wenn ich zu Hause bin, hab ich am liebsten meine Ruhe...keinen sehen, keinen Hören...dann igel ich mich am Liebsten ein..kann mich auch schlecht aufraffen für irgendwas...mittlerweile lebe ich echt super zurückgezogen...mein Wohnung, dass ist mein "sicheres Schloss"...ein paar Kontakte, aber da bin ich froh, wenn ich die nicht sehen muss, obwohl sie alle lieb sind.Ich bin 38..soll es so weitergehen?
Sorry, ich mußte das mal von der Seele schreiben.Wünsch euch lebbare Zeiten...
Lebensfreude lernen...
Celestina
Beiträge: 33
Registriert: 7. Dez 2005, 16:13

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von Celestina »

Hi Gülcan,

mein Vater ist vor ein paar Jahren an Krebs gestorben, und ich lebte damals wegen meines Jobs 500 km entfernt von ihm, konnte ihn also nicht so häufig besuchen. Ich kann mich erinnern, dass ich damals immer Angst hatte, zu Hause anzurufen. Ich weiß nicht einmal, ob ich Angst vor einer schlechten Nachricht hatte. Mein Vater war in seiner Krankheit geistig immer noch sehr stark, vielleicht habe ich viel mehr Angst gehabt, mitzukriegen, wie er aufgibt (was er bis zum Schluss nicht getan hat, jedenfalls nicht so, dass es jemand mitbekommen hat).

Ich kann Dir nicht wirklich einen guten Rat geben, ich glaube nur, dass die Angst oder das Gefühl, überlastet zu sein, in der Situation vergleichsweise normal ist. Man will helfen, ist auch verpflichtet zu helfen, aber man weiß, dass man den Menschen nicht gesund machen kann. Das ist so eine Ohnmacht, mit der man ganz schwer zurechtkommt.

Kann Dich jemand entlasten? Oder haben die anderen noch mehr Angst als Du? Angst kann man bis zu einem gewissen Grad überwinden. Ich weiß, unsereinem (den Depris) fällt es manchmal schwer, um Hilfe zu bitten oder auch gerechtfertigte Forderungen zu stellen. Aber (wie ich hier wohl schon einmal gesagt habe): kein Mensch kann einen Konzertflügel alleine tragen, man muss ein paar Leute bitten, dass sie einem helfen.

Ich würde mich freuen, zu hören, wie es Dir weiterhin ergeht. Eigentlich wolle ich meine E-mail-Adresse nicht veröffentlichen, aber Du kannst Dich auch privat melden, wenn Du Lust hast: mezereum_4@hotmail.com

Liebe Grüße

Celestina
Celestina
Beiträge: 33
Registriert: 7. Dez 2005, 16:13

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von Celestina »

Sorry...ich schon wieder...
A propos Musik: ich habe da ganz andere Erfahrungen. Ich hatte so ein paar Lieder auf Kassette oder CD, die ich immer gehört habe, wenn ich mich mal für zwei Stunden zurückgezogen habe, um zu mich auszuheulen. Danach ging es meistens mal wieder besser.
Kannst Du Dich mal für ein paar Stunden zurückziehen, oder hast Du eine anspruchsvolle Familie?

Nochmals Grüße

Celestina
Ingrid2
Beiträge: 117
Registriert: 13. Jan 2006, 19:46

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von Ingrid2 »

Hallo Gülcan,

obwohl ich mich nicht um so viele Menschen kümmern muss wie du, kann ich deine Situation verstehen.

In den letzten Jahren habe ich auch immer Angst gehabt, wenn das Telefon klingelte, aus Sorge um meinen Vater (der jetzt nicht mehr lebt) und meine Mutter. Es ging teilweise schon so weit, dass ich Angst vor dem Klingeln des Telefons hatte, auch wenn es gar nicht klingelte.

Nachdem das letzte Mal meine Mutter anrief und es diesmal wirklich (wieder einmal) was Schlimmes war, ich mich um die ganze Angelegenheit gekümmert hatte, ging es mir dermaßen schlecht, dass ich die Initiative ergriff, zum Arzt ging, der mir eine Therapie empfahl, weil er eine Depression vermutete. Obwohl ich vorher gar nicht an eine Depression gedacht hatte und auch nicht viel Gutes über Therapeuten gehört hatte, suchte und fand ich schließlich jemanden.

Jetzt mache ich seit wenigen Monaten eine Therapie und nehme Citalopram/Citalon, und die Angst ist etwas schwächer geworden, meine Gedanken kreisen nicht mehr so oft um das Telefon.

Leider ist es bei mir so, dass ich niemanden habe, der mich in Bezug auf meine Mutter unterstützen kann. Aber da ich nicht weiß, ob du eine Thrapie machst bzw. Medikamente nimmst, hoffe ich, dass du vielleicht mit meinen Erfahrungen etwas anfangen kannst.

Den Vergleich mit dem Klavier, das man nicht alleine tragen kann, fand ich übrigens gut, nur ist bei mir kein anderer Träger in Sicht.


Liebe Grüße

Ingrid
hasto88
Beiträge: 37
Registriert: 24. Nov 2005, 10:54

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von hasto88 »

Und ich dachte ich hätte ein schwehres los... ich habe deinen Beitrag mehrfach gelesen und leider kann ich Dir nicht helfen. Ich bin auch nicht im entferntesten in einer ähnlichen Situation. Aber ich finde Deinen Einsatz und Dein Angagement einfach toll. Trotz Deiner eigenen schwerwiegenden Probleme bist Du für andere da. Hut ab, das finde ich richtig gut und es macht mir Mut weiter zu gehen und weiter gegen meine Probleme anzugehen.
Versuche Deine Probleme mit profesioneller Hilfe in den Griff zu bekommen, hool Dir dort ein wenig Unterstützung, das hilft manchmal.
Liebe Grüße, hagen
gülcan
Beiträge: 10
Registriert: 30. Jan 2006, 18:04

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von gülcan »

Ach Hagen...vor ein paar Jahren, als die Ereignisse in der Familie schon schlimm waren, aber nicht so schlimm wie jetzt, da fing ich an ein Buch zu schreiben, weil viele mich "bewundern"...auch heute noch hauen mir viele anerkennend auf die Schulter oder drücken mich und finden, daß ich eine "tolle, starke Frau" bin...und ich...ich denk da oft drüber nach, denn was ein Mensch leisten kann und ertragen kann, da muss ich sagen STIMMT..aber ich kann mich nicht selbst loben...ich habe nie Lob erfahren und ich kann Komplimente oder Nettigkeiten mir gegenüber kaum ertragen...ich glaub sie einfach nicht.
Ehrlich gesagt, hätte ich mit mir selbst genug zu tun...Missbrauch, Trauma und den daraus resultierenden Problemen wie Depression...oder wenn einer die Hand hebt meine ich eine geschlagen zu bekommen...mein persönlicher Alltag ist megaschwer und manchmal denke ich: vielleicht soll der "Rest" um mich einfach Scheiße sein...damit ich nciht über mich nachdenke..aber das kann es nicht sein.
Zu fragen WARUM hab ich aufgehört,weil WARUM in Verzweiflung führt...manchmal frage ich WIESO..WOZU kann es mir dienen..aber zu erleben wie der Krebs die Menschen auffrißt die ich liebe..da finde ich auch keinen gescheiten Gedanken, daß es mir dienen könnte, denn härter bin ich durch alles nicht geworden, ganz im Gegenteil.Nachbarn, oder die im Krankenhaus sagen ich wäre ne gute Seele..wie ein Engel würde ich es immer schaffen, die Menschen aufzubauen den Scheißweg durch Chemo und so zu gehen...aber ich...ich bin so leer...so traurig...und vieles ist so unrealistisch geworden, aber es ist alles wahr...und ich frage mich wie das sein kann, daß ich immer mittendrin stecke...zieh ich sowas an...heute nachmittag hielt ich meinem Nachbarn die Tür auf..er wollte joggen, ich hatte einen Wasserkasten gekauft und stellte ihn in die Tür, damit diese nicht zu geht...kurzer Smalltalk, daß er ja unverwüstlich wäre bei dem Wetter joggen..sein Satz war:"Das hält fit..ich hatte seit 2 Jahren keine Erkältung mehr"...um 19 Uhr hörte ich laute Geräusche im Treppenhaus...dann schellte man ..wo..natürlich bei mir...3 geschockte Nachbarn erzählten, dass er beim Joggen tot zusammengebrochen ist...und nun in der Kühlhalle liegt...erst dachte ich, ich hätte mich verhört...und dann hab ich geheult, so,dass die nicht wußten, was sie mit mir machen sollten...es war alsob einer meine Tränenkanäle öffnet...es tat mir so Leid...alles gleichzeitig dachte ich daran, wie schön ein solcher Tod ist..auch wenn er schwer ist...aber er hatte kein Schmerz, kein Leid, kein Krampf..er mußte nicht Abschied nehmen..wenn ich dagegen die Kranken in meiner Familie sehe...die die Wand ankotzen vor lauter Chemo, die nicht mehr die Kraft haben zum Pinkeln aufs Klo zu gehen...die getragen werden müssen...dannn denk ich immer: würden die diesen Kampf schaffen, wäre es ja toll, aber die Vorstellung sie kämpfen und sterben doch..die macht mich irre....
Ich weiß manchmal nicht woher ich die Kraft nehme, mein Glauben an Gott und Jesus hilft mir, wenn ich den nicht hätte, wäre ich wohl schon verzweifelt....aber diesen Glauben trage ich allein in der Familie..für die bin ich in eine Sekte geraten, aber das stimmt nicht...ich bin Christin geworden aus Überzeugung..wie gern würde ich es teilen.
Mich hat an deinen Zeilen allerdings irgendwie das Gefühl beschlichen, daß ich wohl doch zu irgendwas im Leben tauge und vielleicht sogar stärker bin als ich glaube, mein Leben ist nun wirklich nicht genial verlaufen, aber vielleicht gibt es anderen ja auch Mut..Mut weiterzumachen, kämpfen gegen Depressionen...gerade wir Depressiven haben ALLES GUTE verdient..nicht ein wenig..oder etwas NEIN ALLES GUTE..und ich sehne mich sehr mal nach Zeit..Zeit einfach zu sein..ohne Traurigkeit, Depression, Angst...und dabei vielleicht noch im Liegestuhl liegen und mal wieder die Sonne auf der Haut spüren..so ganz bewußt..das wäre ein Traum...
Danke auch an die anderen beiden für die Antwort.
Lebensfreude lernen...
Irielle
Beiträge: 30
Registriert: 16. Okt 2005, 01:25

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von Irielle »

Hallo Gülcan,
was kann ein Mensch ertragen, frage ich mich auch, wenn ich deine Zeilen lese...
Auch ich kann Dir nur Hochachtung aussprechen für das, was du da leistest, was du Menschen gibst...
Du fragst nach dem Warum. Kann es sein, dass du eine besondere Aufgabe hast??
Du schreibst, Du bist gläubige Christin. Gibt der Glaube Dir halt? Hast Du Gott oder Jesus im Gebet schon einmal gefragt, warum er Dir all das aufbürdet??
Vielleicht könntest du (meine persönliche Idee) auch im Gebet sagen: Ok, Gott, wenn dies dein Wille ist, will ich ihn gern erfüllen, dennoch brauche ich Kraft, Zeit für mich um aufzutanken und selbst -seelische- Gesundheit. Herr, gib mir dies, und ich will weiterhin deine Dienerin sein. Amen.
Ist jetzt so meine Idee. Bin keine Christin, aber glaube an Gott.
Vielleicht hilft es Dir ja.
Herzliche Grüsse
LG Irielle.
gülcan
Beiträge: 10
Registriert: 30. Jan 2006, 18:04

Re: An Tagen wie diesen

Beitrag von gülcan »

Liebe Irielle, Danke für die Mail.
Du kannst mir glauben,manchmal fühl ich mich wie der Hiob in der Bibel..genauso, ich halte an meinem Glauben fest und stehe ständig im Kontakt mit dem Papa da oben.
Ist nur auf Erden so schwer alles zu verpacken und noch Kraft aufzubringen, die mir Gott aber wohl schenkt, denn immerhin bin ich ja noch. Gleich um 10 Uhr fahre ich wieder zum Onkel, unser "neuster" Fall, ihm wurde ein Port nun gelegt damit nächste Woche die Chemo beginnt, es sollte schon eigentlich sein, aber er ist zu schwach...nun soll er bis Monatag etwas aufgepäppelt werden. Ich habe heute morgen um 5 schon Kartoffelbrei gemacht und schleppe diesen nun auf Wärmflaschen gleich mit. Heute habe ich auf Prometazin Tropfen zurückgreifen müssen...5 Stck, ich glaub, daß ist zu wenig. Ich hatte aufgehört Depri oder Beruhigungsmittel zu nehmen...und heute morgen war ich so fertig...ich mußte, mein Herz raste...der Anblick meiner Zahnbürste brachte mich schon zum würgen.
Ich bin froh, wenn ich gleich wieder zu HAuse bin..ich will ins Bett, auf die Couch mich einigeln. Gott legt mir viel auf, aber er hilft mir auch durch die Situationen, das ist klar, sonst wär ich schon nicht mehr, denn verrückterweise habe auch ich 2 schwere Krankheiten überstanden, obwohl es medizinisch ein Wunder ist. Ich komm nur nicht mehr damit klar, was alles hier passiert, eine Freundin meinte zu mir:"Wenn ich dich nicht kennen würde und miterleben würde was los ist,könnte man meinen Du erzählst Mist"....aber leider ist alles so wie es ist..unfassbar..damit zu hadern hat keinen Sinn, ich weiß...ich muss dadurch...egal wie...und irgendwann wird wohl der Segenssack reich über mich ausgeschüttet..hoffentlich..ich hätte es verdient und alle anderen auch.
Schafft ihr eigentlich immer so den Alltag..euren persönlichen Alltag meine ich..ich im Moment nicht..außer Krankenhausbesuche und Pfege der Kranken und einer verwirrten Großmutter bin ich so ausgelaugt das ich nur noch eines will..meine Ruhe..auf die couch..nix sehen, nix hören...ich find nicht den Schwung mal zu einer Freundin zu fahren, oder mit den Patenkindern etwas zu unternehmen, die würden sich sooo freuen aber ich kann es nicht. Wenn doch wenigstens diese Phase bald enden würde, daß ich wenigstens wieder einen kleinen Ausgleich bekomme...nur ein kleines schönes Erlebnis am Tag..hoffentlich ist es bald anders.
Dann lass mal ein Gebet für mich mit los....je mehr beten, desto besser;-)
Danke auch für Deine Zeilen.
Nun geht es ab in den Alltagswahnsinn
Lebensfreude lernen...
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